Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtordnungsgemäße Verwaltung eines zum Nachlass gehörenden Gesellschaftsanteils
Leitsatz (amtlich)
Die Zustimmung der Gesellschafter-Vorerbin zur Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels kann eine unentgeltliche und damit den Nacherben gegenüber unwirksame Verfügung über den Gesellschaftsanteil sein, soweit hierdurch bei Auflösung der Gesellschaft die Verteilung der stillen Reserven berührt wird.
Normenkette
BGB § 2113; HGB § 161
Tenor
Auf die Revision der Kläger zu 1 bis 5 wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. November 1979 aufgehoben, soweit die Berufung der Kläger zu 1 bis 5 zurückgewiesen und ihnen Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien sind Nacherben des Zigarrenfabrikanten Christian N.. Als solche machen die Kläger gegen den Beklagten, den Alleinerben der inzwischen ebenfalls verstorbenen Vorerbin, Ersatzansprüche geltend, weil die Vorerbin einen zum Nachlaß gehörenden Gesellschaftsanteil nicht ordnungsgemäß verwaltet und dessen Substanz geschmälert habe. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Christian N. war der alleinige persönlich haftende Gesellschafter der Rudolf H. KG in Ennigloh. Einzige Kommanditistin war seine Schwägerin, die Witwe Margret N.. Nach § 9 des Gesellschaftsvertrages vom 22. März 1955 sollte die Gesellschaft beim Tod des Gesellschafters Christian N. nicht aufgelöst, sondern an seiner Stelle mit dessen Ehefrau Elisabeth N. als persönlich haftender Gesellschafterin oder Kommanditistin und dessen Adoptivsohn, dem Beklagten, als geschäftsführendem persönlich haftendem Gesellschafter fortgeführt werden; der Gewinn der Gesellschaft sollte zur Hälfte der Gesellschafterin Margret N. zufallen und im übrigen zwischen Elisabeth N. (37,5 %) und dem Beklagten (12,5 %) aufgeteilt werden; jedoch sollte es Elisabeth N. überlassen bleiben, sich mit dem Beklagten in anderer Weise über die Aufteilung von Geschäfts- und Gewinnanteilen zu einigen.
Christian N. starb am 22. März 1960. Durch Testament vom 28. Mai 1958 hatte er seine Ehefrau Elisabeth N. als Vorerbin und bei deren Tod die Parteien sowie seinen anderen Adoptivsohn Kurt N., den Sohn der Kommanditistin Margret N., als Nacherben eingesetzt, und zwar die Kläger zu 1 bis 5 zu je 1/20, die in der Revisionsinstanz nicht mehr beteiligte Klägerin zu 6 zu 3/20, den Beklagten zu 10/20 und Kurt N. zu 2/20. Die Kläger zu 1 bis 6, die nach dem Gesellschaftsvertrag beim Tod von Christian N. nicht Gesellschafter werden konnten, sollten mit ihrem Abfindungsguthaben Darlehnsgläubiger der H. KG werden. Dem Beklagten hatte er außerdem durch Vermächtnis einen Teil seines Gesellschaftsanteils im Wert von 30.000 DM, der auf dessen Nacherbe voll anzurechnen war, zugewandt. Über sein übriges Vermögen hat er durch Vorausvermächtnis zu Gunsten der Vorerbin verfügt.
Testament und Gesellschaftsvertrag entsprechend wurde nach dem Tode Christian N. der Beklagte persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter, die Vorerbin Kommanditistin mit einer Pflichteinlage von 500.000 DM. Zum 1. Januar 1969 trat Kurt N. als weiterer persönlich haftender Gesellschafter in die Gesellschaft ein.
Nachdem die Umsätze und Gewinne der Gesellschaft seit 1966 ständig zurückgegangen waren und im ersten Halbjahr 1970 erstmalig ein Verlust erwirtschaftet worden war, verkauften die Gesellschafter das Unternehmen durch Vertrag vom 14. Juli 1970 an die V. Söhne GmbH. Den Veräußerungserlös in Höhe von 3.089.081,67 DM verteilten die Gesellschafter einer Vereinbarung vom 20. Januar 1970 entsprechend. Zunächst wurden die Kapital- und Darlehnskonten der Gesellschafter abgegolten, der danach verbliebene Rest in Höhe von 1.806.872,32 DM wurde wie ordentlicher Gewinn unter den Gesellschaftern aufgeteilt. Die Vorerbin, die zuletzt nur noch mit 10 % am Gewinn beteiligt war, erhielt 515.244,22 DM auf ihr Kapital- und Darlehnskonto und 180.687,23 DM als Gewinnanteil. Nach dem Tod der Vorerbin am 4. Oktober 1975 haben sich die Nacherben untereinander auseinandergesetzt. Die Kläger haben für je 1/20 Anteil 32.500 DM einschließlich Zinsen erhalten.
Die Kläger meinen, die Vorerbin hätte einen um etwa 1 Mio. DM höheren Anteil am Erlös erhalten, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse in der Gesellschaft seit dem Tod des Erblassers bis zur Veräußerung des Unternehmens nicht wesentlich zu ihrem Nachteil verschoben hätten und wenn die Vorerbin nicht an der Vereinbarung vom 20. Januar 1970 mitgewirkt hätte. Unstreitig war der Kapitalanteil des Beklagten im Laufe der Zeit auf 355.314,56 DM angewachsen, während der Anteil der Vorerbin unverändert 500.000 DM betrug. Die Kläger meinen, die Vorerbin habe auf einer Trennung der Darlehns- und Kapitalkonten aller Gesellschafter oder darauf bestehen müssen, daß auch ihr Anteil entgegen § 167 Abs. 2 HGB unveränderlich blieb; ohne die Vereinbarung vom 20. Januar 1970 habe der Veräußerungserlös insgesamt nach Kapitalanteilen verteilt werden müssen. Von dem auf jeden von ihnen entfallenden Anteil an dem Mindererlös haben sie einen Teilbetrag in Höhe von 35.500 DM je 1/20 Anteil nebst Zinsen eingeklagt. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; denn die Frage, ob die Kläger zu 1 bis 5 gegen den Beklagten noch Ansprüche aus ihrem Nacherbenrecht geltend machen können, ist vom Berufungsgericht nicht abschließend geklärt worden.
Gegen seinen Ausgangspunkt ist nichts einzuwenden: Nach dem Testament Christian N. und der im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Nachfolgeklausel hat Elisabeth N. den Anteil Christian N. an der Rudolf H. KG (nur) als Vorerbin erworben. Die vom Erblasser angeordneten Nacherbenrechte der Kläger erstreckten sich, nachdem die Gesellschaft während der Dauer der Vorerbschaft aufgelöst und das Gesellschaftsunternehmen verkauft worden war, auf das Auseinandersetzungsguthaben der Vorerbin. Die Vereinbarung der Gesellschafter vom 20. Januar 1970, daß für dessen Errechnung von dem Verkaufserlös zunächst die Kapital- und Darlehnskonten abzugelten und der danach verbleibende Rest von 1.806.872,32 DM nach dem Gewinnverteilungsschlüssel aufzuteilen seien, hatte keine besondere Bedeutung, sondern entsprach der ohnehin unter den Gesellschaftern geltenden Rechtslage (BGHZ 19, 42, 47 ff; Ulmer, Großkomm. z. HGB § 138 Anm. 62 m.w.N.). Dem Berufungsgericht ist allerdings nicht zuzustimmen, soweit es meint, der Nacherbschaft unterliege nicht der gesamte auf die Vorerbin entfallene, sondern nur der dem Betrage ihres Kapitalkontos entsprechende Teil des Verkaufserlöses.
Im Verhältnis zu den Nacherben gebühren zwar der Vorerbin die Nutzungen der zur Erbschaft gehörenden Rechte allein, also die während des Bestands der Gesellschaft ausgeschütteten, auf ihren Gesellschaftsanteil entfallenden entnahmefähigen Gewinne (§§ 2111, 100, 99 Abs. 2 BGB). Die gebundenen stillen Reserven sind dagegen, da es sich dabei um Betriebsgewinne handelt, die in Gesellschaftskapital umgewandelt und ständig weiter so behandelt worden sind, der Substanz des Gesellschaftsanteils zuzurechnen, auf die sich die Nacherbschaft erstreckt (vgl. für eine ähnliche Rechtslage beim Nießbrauch BGHZ 58, 316, 320 f). Als Gesellschaftskapital, mit dem die Gesellschaft gelebt hat, werden sie auch dann nicht zu "Erträgen, die das Recht (= der Gesellschaftsanteil) seiner Bestimmung gemäß gewährt" (§ 99 Abs. 2 BGB), wenn sie nach Auflösung der Gesellschaft mit dem Verkauf des Unternehmens realisiert werden.
Da die Parteien im vorliegenden Prozeß nicht darüber streiten, daß die Kläger anteilmäßig an dem vollen der Vorerbin tatsächlich zugeflossenen Auseinandersetzungsguthaben zu beteiligen waren, kommt es zwar insoweit auf diesen Gesichtspunkt nicht mehr an, wohl aber bei der noch offenen Frage, ob die Vorerbin aus anderen Gründen die Höhe ihres Auseinandersetzungsanspruchs durch vorausliegende Maßnahmen den Nacherben gegenüber unzulässig geschmälert hat und diesen daher insgesamt ein höherer Anteil am Veräußerungserlös, gerade auch soweit er auf stille Reserven zurückzuführen ist, hätte zukommen müssen.
1.
Die Frage, ob die Kläger in dieser Beziehung in ihren Nacherbenrechten verletzt worden sind, ist entgegen der Ansicht der Revision nicht schon deshalb zu bejahen, weil dem Beklagten kein Anteil an den vor seinem Beitritt zur Gesellschaft entstandenen stillen Reserven zugestanden und ihm die Vorerbin schon insoweit etwas zugewandt habe, was die Nacherben nicht gegen sich gelten lassen müßten. Das Auseinandersetzungsguthaben eines Gesellschafters, der erst nachträglich in eine bereits längere Zeit bestehende Gesellschaft eintritt, erstreckt sich zwar nicht ohne weiteres auf die schon vor dem Beitritt entstandenen stillen Reserven; ob das der Fall ist, hängt vielmehr beim vereinbarten Beitritt davon ab, ob die Gesellschafter das wollen. Ein dahingehender Wille wird meist vorauszusetzen sein, wenn die Höhe der Kapitalbeteiligung des beitretenden Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag ohne Vorbehalte ausgehandelt und festgelegt wird; denn dann ist anzunehmen, daß vorhandene Reserven bei der Bemessung des Anteils mit berücksichtigt worden sind. Im vorliegenden Fall ist das nicht wesentlich anders. Der Beklagte hat seine Beteiligung durch Vermächtnis erhalten. Das Testament Christian N. enthält wegen der stillen Reserven keine Einschränkung. Daß er den Beklagten gerade in dieser Hinsicht schlechter stellen wollte als seine (Vor-)Erbin und die Nacherben, ist um so weniger anzunehmen, als er den Beklagten dazu ausersehen hatte, alsbald die maßgebende Rolle in der Geschäftsführung und im Nacherbfall die Hälfte seines Gesellschaftsanteils zu übernehmen.
2.
Die Kläger können auch daraus nichts herleiten, daß sich während der Dauer der Vorerbschaft die Beteiligungsverhältnisse am Gesellschaftskapital dadurch zum Nachteil der Vorerbin verändert haben, daß die Mitgesellschafter ihre Kapitalanteile durch stehengelassene Gewinne wesentlich erhöht haben. Der in diesem Zusammenhang der Vorerbin gemachte Vorwurf, als Rechtsnachfolgerin des Erblassers habe sie, um ihren Kapitalanteil veränderlich zu halten, aus der Rechtsstellung der persönlich haftenden Gesellschafterin nicht in die einer Kommanditistin überwechseln dürfen, ist unberechtigt, weil ein solches Recht dem Gesellschaftererben - auch dem Vorerben (Ulmer, Großkomm. z. HGB, 3. Aufl. § 139 Anm. 104) - kraft Gesetzes (§ 139 BGB) zusteht. Die Revision meint allerdings, bei ordnungsgemäßer Verwaltung des Anteils hätte die Vorerbin bei Umwandlung ihrer Rechtsstellung wenigstens darauf dringen müssen, daß die Kapitalanteile der Gesellschafter entweder sämtlich veränderlich oder sämtlich unveränderlich gehalten würden, um eine Verschiebung der Beteiligungsquoten möglichst zu vermeiden. Eine rechtliche Handhabe, eine derartige Änderung des Gesellschaftsvertrages herbeizuführen, hatte die Vorerbin aber nicht, schon gar nicht in der Hinsicht, daß ihre Mitgesellschafter, soweit sie persönlich haftende Gesellschafter waren, einer von § 120 Abs. 2 HGB abweichenden Regelung hätten zustimmen müssen. Andererseits wäre die Vorerbin, wie schon oben aufgeführt, den Nacherben gegenüber nicht verpflichtet gewesen, zur Erhöhung ihres Kapitalanteils Gewinne stehen zu lassen; ihr kann daher auch nicht vorgeworfen werden, daß sie nicht darauf bestanden hat, das Recht dazu vertraglich zu verankern.
3.
Näher zu prüfen ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Vorerbin den Nacherben gegenüber "uneingeschränkt" befugt gewesen sei, ihre vertraglichen Gewinnansprüche durch Änderung des Gesellschaftsvertrages fortschreitend zugunsten des Beklagten zu schmälern. Zweifellos konnte der vertragliche Schlüssel ohne Beeinträchtigung von Nacherbenrechten für die Vorerbschaftszeit geändert werden, weil die Vorerbin über ihre Gewinnanteile (als Nutzungen des Gesellschaftsanteils) frei verfügen konnte. Für die Zeit nach Beendigung der Vorerbschaft konnten sich Gewinnverteilungsabsprachen gar nicht nachteilig auf die Nacherben auswirken, weil diese nach dem Gesellschaftsvertrag aus der Gesellschaft hätten ausscheiden müssen und das Gesellschaftsunternehmen ohnehin bereits vorher verkauft und die Gesellschaft aufgelöst worden ist. Die Nacherbschaft erstreckte sich aber auf das Auseinandersetzungsguthaben der Vorerbin. Dessen Höhe hat der Gewinnverteilungsschlüssel, wie schon oben ausgeführt, dadurch beeinflußt, daß der Veräußerungsgewinn danach zu verteilen war. Insofern stellt sich die Frage, ob nicht die im Verhältnis zwischen der Vorerbin und dem Beklagten vorgenommenen Änderungen der vertraglichen Gewinnquoten, die den Anteil der Vorerbin allmählich von 37 % auf 10 % herabminderten, eine unentgeltliche und deshalb gemäß § 2113 Abs. 2 BGB den Nacherben gegenüber insoweit unwirksame Verfügung der Vorerbin zugunsten des Beklagten war, als sie sich ungünstig auf die Bemessung des Auseinandersetzungsguthabens der Vorerbin ausgewirkt haben.
Das Berufungsgericht hat diese Frage nicht so gesehen, aber im anderen Zusammenhang gemeint, die Vorerbin sei gesellschafts- und erbrechtlich den Nacherben gegenüber völlig frei gewesen, über ihren Gesellschaftsanteil zu verfügen. Dem kann aus Rechtsgründen nicht zugestimmt werden. In § 9 des Gesellschaftsvertrages, auf den sich das Berufungsgericht beruft, wird zwar die Aufteilung des auf den Anteil Christian N. entfallenden Gewinns für die Zeit nach seinem Tode zunächst in bestimmter Weise geregelt, aber zugleich der Vorerbin überlassen, sich mit dem Beklagten in anderer Weise darüber zu einigen. Der Gesellschaftsvertrag regelt aber nur die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander; er konnte deshalb bestimmen, daß die Vorerbin und der Beklagte die ererbte Beteiligung unter sich beliebig aufteilen und der oder die Mitgesellschafter dem nicht widersprechen konnten. Darin erschöpfte sich aber der Regelungsgehalt der Bestimmung; sie enthielt nicht (und konnte auch darüber nichts enthalten), daß jedwede gesellschaftsintern mögliche Verkürzung der Gesellschafterrechte der Vorerbin im Verhältnis zu den Nacherben eine ordnungsgemäße Verwaltung des nachgelassenen Anteils und eine den Nacherben gegenüber wirksame Verfügung über den Anteil sein würde. Ob es - wie das Berufungsgericht weiter annimmt - erbrechtlich möglich war, durch Vorausvermächtnis bei angeordneter Nacherbschaft der Vorerbin einzuräumen, zu Lasten der Nacherben über die Substanz des Anteils frei, also auch unentgeltlich zu verfügen, braucht nicht erörtert zu werden. Enthielt nämlich der Gesellschaftsvertrag entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine solche Freistellung, so ist auch seiner Schlußfolgerung die Grundlage entzogen, der Erblasser habe die Vorerbin testamentarisch die Befreiung erteilen wollen, weil es im Testament heiße "für die Fortführung der Gesellschaft sei der Gesellschaftsvertrag maßgebend". Dies ist auch schon deshalb nicht möglich, weil jene Testamentsklausel keinen Anhaltspunkt dafür enthält, daß der Erblasser damit seine Anordnung über die Nacherbschaft der Kläger irgendwie hätte abschwächen wollen; einen dahingehenden Willen des Erblassers hat das Berufungsgericht auch sonst nicht festgestellt.
Es kommt daher darauf an, ob die Veränderung des Gewinnverteilungsschlüssels, soweit sie sich auf das Auseinandersetzungsguthaben auswirkte, eine unentgeltliche Verfügung im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB zugunsten des Beklagten war. Zu einer Frage dieser Art hat der erkennende Senat im Urteil vom 6. Oktober 1980 (BGHZ 78, 177) ausgeführt, nicht jede Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte des Vorerben, die nicht durch andere rechtliche Vorteile oder durch eine in den Nachlaß fließende andere Entschädigung ausgeglichen werde, könne ohne weiteres den Nacherben gegenüber für unwirksam erklärt werden. Veränderungen des Gesellschaftsvertrages, die förmlich die Mitgliedschaftsrechte zum Nachteil eines Gesellschafter-Vorerben beschneiden, müßten vielmehr danach beurteilt werden, ob sie nicht im Hinblick auf gewandelte Verhältnisse und künftige Entwicklungen des Gesellschaftsunternehmens im Gesellschaftsinteresse geboten seien, allein oder im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen der Erhaltung und Stärkung des Unternehmens dienten und damit im wirtschaftlichen Ergebnis auch dem der Nacherbschaft unterliegenden Gesellschaftsanteil zugute kämen. Sei das der Fall, so könne von einer unentgeltlichen Verfügung im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB nicht gesprochen werden; eine solche Maßnahme sei vielmehr nach Sinn und Zweck der Vorschrift dem Vorerben gestattet und dem Nacherben gegenüber wirksam, besonders wenn der Vorerbe von ihr nach Lage der Dinge unter Berücksichtigung seiner Pflicht, den Nachlaß ordnungsgemäß zu verwalten, überzeugt sein durfte.
Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt muß das Berufungsgericht den Sachverhalt noch prüfen. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, daß der Beklagte seit dem Tod des Erblassers zunächst allein, seit 1969 zusammen mit Kurt N. die Last der Geschäftsführung und der persönlichen Haftung getragen hat, aber mit anfänglich 12,5 % nur verhältnismäßig geringfügig am Kapital der Gesellschaft beteiligt war. Die Entwicklung des Unternehmens nach dem Tod Christian N. und damit auch des Wertes des Gesellschaftsanteils der Vorerbin hingen entscheidend von seinen Fähigkeiten und seinem persönlichen Einsatz für die Gesellschaft ab. Nachdem er jahrelang seine volle Arbeitskraft eingesetzt und die Geschicke der Gesellschaft verantwortlich geleitet, die Vorerbin dagegen keinen Anteil mehr daran getragen hatte, kann es, bevor sich die Gesellschafter zum Verkauf des Unternehmens entschlossen hatten, im wohlverstandenen Gesamtinteresse der Gesellschaft und im Sinne einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Gesellschaftsanteils der Vorerbin gelegen haben, nicht nur seine Gewinnbeteiligung selbst zu verbessern, sondern über die Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels auch seine kapitalmäßige Beteiligung hinsichtlich der stillen Reserven in einem angemessenen Umfange zu erhöhen und auch auf diese Weise den veränderten rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen in der Gesellschaft Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang könnte unter Umständen auch § 9 des Gesellschaftsvertrages vom 22. Juli 1955 eine Beurteilungshilfe sein, als sich daraus wohl ableiten läßt, daß der Erblasser eine spätere Besserstellung des Beklagten als möglicherweise notwendig oder zweckmäßig vorhergesehen hat und mit jener Bestimmung dafür den Gesellschaftern die Wege hat ebnen wollen.
In der Revisionsinstanz läßt sich jedoch nicht abschließend beurteilen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange die Änderung der Verteilungsquote in bezug auf den "Veräußerungsgewinn" als wirksame oder unwirksame Verfügung der Vorerbin im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB angesehen werden und sich daraus noch ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten ergeben kann. Die Parteien müssen zunächst auch noch Gelegenheit haben, ihren Sachvortrag hierauf einzurichten. Der Rechtsstreit muß daher vor dem Berufungsgericht erneut verhandelt werden.
Unterschriften
Stimpel
Fleck
Bundschuh
Die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schulze und Brandes können urlaubshalber nicht unterschreiben.
Fundstellen
Haufe-Index 1456169 |
NJW 1981, 1560 |