Leitsatz (amtlich)
Der Vertrieb importierter Asbestware, die im Ausland nach den dortigen Vorschriften ordnungsgemäß, aber ohne Beachtung von Sicherheitsbestimmungen hergestellt worden ist, wie sie im Inland zum Schutz der Arbeitnehmer vor Asbestose bestehen, ist nicht wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG.
Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 16.03.1978) |
LG Hamburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 16. März 1978 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber. Sie produzieren und verkaufen Asbestwaren, insbesondere Halbfertigfabrikate wie Asbestgarne und Asbestgewebe, die u.a. im Kraftfahrzeuggewerbe für Kupplungs- und Bremsbeläge Verwendung finden. Einen Teil der von ihr vertriebenen Erzeugnisse importiert die Beklagte aus Südkorea.
Im Gegensatz zu den Arbeitsverhältnissen in Südkorea vollzieht sich die Verarbeitung von Asbest in der Bundesrepublik Deutschland unter umfangreichen und wirtschaftlich aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen, die erforderlich sind, weil der bei der Verarbeitung anfallende Asbest-Feinstaub bei einer bestimmten Staubkonzentration Asbestose, eine Berufskrankheit, hervorruft. Ferner gehört Asbest zu den Stoffen, deren Einwirkung nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft eine Krebsgefährdung für den Menschen bedeutet. Die Unfallverhütungsvorschrift zum „Schutz gegen gesundheitsgefährlichen mineralischen Staub (VBG 119)” der Textil- und Bekleidungs-Berufsgenossenschaft, die seit dem 1. April 1973 in der Bundesrepublik in Geltung ist, bestimmt daher, daß Asbest-Feinstaub im Arbeitsraum nur bis zu einer gewissen Konzentration auftreten darf.
Derartige oder andere Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Asbeststaub gibt es in Südkorea nicht, wie das Berufungsgericht auf Grund des insoweit übereinstimmenden Vertrags der Parteien festgestellt hat. Auch gilt in Südkorea nicht das „Übereinkommen Nr. 139 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vom 24. Juni 1974 über die Verhütung und Bekämpfung der durch krebserzeugende Stoffe und Einwirkungen verursachten Berufsgefahren”, durch das die Mitgliedsstaaten der ILO, die dieses Übereinkommen ratifizieren, bestimmte staatliche Aufsichts- und Schutzpflichten übernommen haben. Von den 126 Staaten, die der ILO angehören, haben bislang 15 das Übereinkommen ratifiziert, von den größeren Industrienationen nur die Bundesrepublik und Japan. In der Bundesrepublik ist es auf Grund des Gesetzes vom 13. Mai 1976 (BGBl II S. 577) seit dem 23. August 1977 in Kraft (Bekanntmachung vom 9. September 1976, BGBl II S. 1680).
Die Klägerin hält es im Sinne von § 1 UWG für wettbewerbswidrig, daß die Beklagte Asbesterzeugnisse, die in Südkorea unter lebens- und gesundheitsgefährdenden Bedingungen hergestellt werden, in die Bundesrepublik importiert und zu Preisen anbietet, die, wie sie vorgetragen hat, für die heimische Asbestindustrie nicht einmal kostendeckend sind. Die Herstellung von Asbestwaren ganz ohne Sicherheitsvorkehrungen verstoße gegen Grundanforderungen jeder sittlichen Ordnung, weil eine Produktion, die auf der Gefährdung der menschlichen Gesundheit und des menschlichen Lebens aufbaue, aus sittlichen, rechtlichen und sozialen Gründen zu mißbilligen sei. Durch das Übereinkommen Nr. 139 der ILO vom 24. Juni 1974 seien diese Grundsätze international dahin konkretisiert worden, daß bei der Herstellung von Asbestwaren zur Vermeidung von Lebens- und Gesundheitsgefährdungen der Arbeitnehmer bestimmte Mindestanforderungen zwingend einzuhalten seien. Es gehe also keineswegs darum, spezifische deutsche kulturelle und soziale Wertvorstellungen auf die Lebensverhältnisse in Südkorea zu übertragen. Wenn sich die Beklagte gleichwohl mit dem Import und Verkauf von Waren, die in Südkorea unter Mißachtung weltweit anerkannter sittlicher Gebote und Gepflogenheiten hergestellt worden seien, am Wettbewerb beteilige, verstoße sie damit gegen die guten Sitten. Zugleich bedrohe sie die Existenz der heimischen Asbestindustrie. Denn seit der Einführung der Unfallverhütungsvorschrift der Berufsgenossenschaft Textil- und Bekleidung vom 1. April 1973, die umfangreiche technische Maßnahmen (Schutzvorrichtungen an den Asbestverarbeitungsmaschinen, Absaugvorrichtungen und ständige Luftreinigung im gesamten Fabrikationsraum) und medizinische Vorkehrungen mit sich gebracht habe, belaufe sich der Anteil der dafür aufgewandten Kosten auf 20 % der Gesamtherstellungskosten von Asbestgarnen und -gewebe. Der südkoreanischen Asbestindustrie, die solche Aufwendungen nicht habe, sei es daher möglich, ihre Erzeugnisse zu Preisen anzubieten, die unter den Gestehungskosten der deutschen Hersteller lägen. Infolgedessen habe sich der Anteil des Imports, der 1972 nur 30,6 % des Umsatzes der inländischen Produktion betragen habe, bis zum Jahre 1976 nahezu verdoppelt und vergrößere sich weiter.
Darüber hinaus sei die Klage auch deshalb begründet, weil die Arbeitsbedingungen, unter denen die importierten Waren hergestellt würden, nicht den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Arbeitsplatzschutzbestimmungen entsprächen. Es sei zu formal, den Geltungsbereich dieser Bestimmungen nur auf die Herstellung von Asbestwaren in der Bundesrepublik, nicht aber auf Importe aus Südkorea zu beziehen. Es gehe nicht an, daß bei völliger Unzulänglichkeit des ausländischen Rechts das deutsche Wettbewerbsrecht unberücksichtigt bleibe. Die Beklagte dürfe daher nicht anders behandelt werden, als wenn ein deutscher Asbesthersteller gegen die deutschen Vorschriften verstoßen würde. Ferner verletze die Beklagte auch die Bestimmungen des Übereinkommens Nr. 139 der ILO. Da es sich dabei um eine auf internationalen Wertvorstellungen beruhende Regelung handele, werde der Verstoß der Beklagten in der Bundesrepublik im Rahmen von § 1 UWG bedeutsam.
Schließlich verletze die Beklagte gute kaufmännische Sitten auch unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung eines internationalen Rechtsgefälles. Sie nutze die Unterschiedlichkeit des Rechtszustandes zwischen der Bundesrepublik und Südkorea zu Lasten der deutschen Asbestindustrie aus, um den eigenen Wettbewerb zu fördern. Wie das sprunghafte Ansteigen der Importzahlen zeige, habe der inländische Hersteller, der die in der Bundesrepublik geltenden Arbeitsplatzschutzvorschriften beachten müsse, gegenüber den aus Südkorea importierten Billigprodukten immer geringer werdende Chancen.
Zumindest aber müsse der Beklagten verboten werden, Importware aus Südkorea anzubieten, ohne zugleich deutlich sichtbar auf die besonderen Umstände der Herstellung hinzuweisen. Die Beachtung allgemein anerkannter Vorbeugemaßnahmen zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden der Arbeitnehmer bei der Asbestherstellung sei für den deutschen Käufer ein Umstand, der seinen Kaufentschluß wesentlich beeinflusse. Ein nicht unerheblicher Teil der einschlägigen Verkehrskreise würde es ablehnen, eine Ware zu kaufen, wenn er wüßte, daß sie unter gesundheits- und lebensgefährdenden Umständen hergestellt worden sei. Deshalb täusche die Beklagte den Verkehr über Eigenschaften der von ihr angebotenen Asbesterzeugnisse und verstoße damit auch gegen § 3 UWG.
Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagten unter Androhung von Zwangsmitteln zu verbieten,
aus Südkorea importierte Asbestgewebe und/oder Asbestgarne in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Westberlin anzubieten, wenn diese Produkte nicht unter Berücksichtigung derjenigen gesetzlichen Bestimmungen hergestellt sind, die dafür in der Bundesrepublik Deutschland bestehen,
hilfsweise:
aus Südkorea importierte Asbestgewebe und/oder Asbestgarne in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Westberlin anzubieten, wenn diese Produkte unter Arbeitsbedingungen hergestellt wurden, bei denen freie Asbestfasern mit einem geringeren Durchmesser als 3 um und Längen von 5–100 um, in größerer Konzentration als 2 Fasern³/cm bzw. 0,1 mg/m³ im Arbeitsraum entstehen,
weiter hilfsweise:
aus Südkorea importierte Asbestgewebe und/ oder Asbestgarne in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Westberlin anzubieten, ohne gleichzeitig deutlich sichtbar darauf hinzuweisen, daß diese Produkte unter Arbeitsbedingungen hergestellt wurden, bei denen freie Asbestfasern mit einem geringeren Durchmesser als 3 um und Längen von 5–100 um in größerer Konzentration als 2 Fasern/cm³ bzw. 0,1 mg/m³ im Arbeitsraum entstehen.
Die Beklagte hat einen Wettbewerbsverstoß in Abrede gestellt. Ihrer Auffassung nach ist es weder ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne von § 1 UWG, wenn sie Asbestimporte aus Südkorea auf dem inländischen Markt anbiete, noch werde der Verkehr über relevante geschäftliche Umstände im Sinne von § 3 UWG getäuscht. Es sei nicht zu beanstanden, wenn sie von der auf dem Weltmarkt angebotenen Ware die preisgünstigste einkaufe. Die Herstellung der Asbestware in Südkorea vollziehe sich vollkommen legal und unter Beachtung der dort herrschenden Vorschriften, Sitten und Gepflogenheiten. Zwar gebe es in Südkorea keine Vorschriften und Vorkehrungen zum Schutz der Arbeitnehmer bei der Herstellung von Asbesterzeugnissen. Aber es dürfe nicht übersehen werden, daß in Südkorea andere Vorstellungen über Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz herrschten als in den westlichen Industriestaaten, was darauf beruhe, daß in Ländern wie Südkorea der Arbeitsplatz zur Existenzerhaltung der Menschen noch wichtiger sei als Schutzvorschriften, die angesichts der dortigen Verhältnisse wirtschaftlich nicht tragbar seien und die Arbeitsplätze gefährdeten. Daneben sei zu berücksichtigen, daß in Südkorea, bedingt durch eine andersartige Kultur, andere Wertvorstellungen Geltung hätten als in den westlichen Kulturstaaten. Durch den Import der unter solchen Verhältnissen erzeugten Produkte würden die deutschen Arbeitsplatzschutzvorschriften, die sich lediglich auf die industrielle Fertigung im Inland bezögen, nicht berührt. Außerdem sei es generell und nicht nur bei Asbesterzeugnissen so, daß die in Betracht kommenden Verkehrskreise beim Absatz von Importware nicht danach fragten, ob bei der Herstellung die inländischen Vorstellungen über Arbeitszeit, Schutz vor Berufskrankheiten und Unfallgefahren, Kinderarbeitsschutz usw. eingehalten worden seien. Im übrigen erfolge der Import der in Südkorea legal hergestellten Asbestware unter Offenlegung aller interessierenden Umstände und unter Beachtung der einschlägigen Zoll- und Steuerbestimmungen. Die eingeführte Ware entspreche qualitativ in jeder Hinsicht den inländischen Konkurrenzprodukten. Der Beklagten könne daher auch nicht vorgeworfen werden, daß sie irreführende Angaben mache. Dem Abnehmer komme es auf Qualität und Preis der Ware an. Die Kenntnis der Umstände der Herstellung oder der Produktionsbedingungen sei für ihn dabei nicht von Bedeutung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält die Klageansprüche weder aus § 1 UWG noch aus § 3 UWG für gerechtfertigt. Dazu führt es aus:
Es könne für sich genommen nicht als wettbewerbswidrig angesehen werden, wenn Anbieter aus dem In- oder Ausland einen Mitbewerber oder die heimische Industrie wirtschaftlich unter Druck setzten und überflügelten. Solche Folgen, die in der Natur des Wettbewerbs lägen, müsse jeder Wettbewerber hinnehmen.
Darüber hinaus lasse sich das Klagebegehren nicht mit einer Verletzung außerwettbewerbsrechtlicher Normen begründen. Die in der Bundesrepublik geltenden Arbeitsplatzschutzvorschriften verletze die Beklagte nicht, weil sie die Importware auf dem inländischen Markt lediglich anbiete. Ebensowenig verstoße sie gegen ausländische Rechtsnormen, weil die Herstellung der importierten Asbestprodukte in Südkorea mit den dort geltenden Vorschriften in Einklang stehe. Das Übereinkommen Nr. 139 der ILO vom 24. Juni 1974 könne ihr die Klägerin ebenfalls nicht entgegenhalten. Dieses richte sich nicht an Einzelpersonen, sondern verpflichte allein die vertragsschließenden Mitgliedstaaten. Südkorea sei überdies weder Mitglied der ILO, noch sei es dem Übereinkommen beigetreten.
Des weiteren könne das Verhalten der Beklagten auch bei Heranziehung der Rechtsprechung des BGH zur Frage der Ausnutzung eines internationalen Rechtsgefälles nicht als wettbewerbswidrig bezeichnet werden. Jener Rechtsprechung (GRUR 1977, 672 – Weltweit-Club) lägen andere Voraussetzungen als hier zu Grunde. Im Streitfall gehe es nur darum, daß es inländischen Erzeugern aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sei, mit den Preisen für Importware Schritt zu halten. Daraus lasse sich der Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens nicht herleiten.
Schließlich verstoße es nicht gegen die guten Sitten im Sinne von § 1 UWG, wenn die Beklagte Asbesterzeugnisse importiere, die ohne die in der Bundesrepublik vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen hergestellt worden seien. Die Vorstellungen über die Erfordernisse des Schutzes der Arbeitnehmer prägten sich in den unterschiedlichen Sozialordnungen auch unterschiedlich aus. Daraus folge aber nicht, daß nur solche Waren auf den freien Märkten zuzulassen seien, deren Produktionsbedingungen den in der Bundesrepublik oder in Ländern verwandter Entwicklungsstufe herrschenden Vorstellungen entsprächen. Es sei Sache jedes Einzelstaats, die Voraussetzungen und Bedingungen der Warenproduktion zu regeln. Nicht selten würden zwar dabei gesundheitliche Schädigungen der an der Produktion beteiligten Arbeitnehmer hingenommen. Das rechtfertige es aber in der Regel nicht, den Handel mit derartigen Erzeugnissen als sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG anzusehen. Es sei zwar denkbar, daß durch einzelstaatliche Regelungen sittliche Grundvorstellungen verletzt würden, denen im Sinne des Naturrechts selbstverständliche Geltung zukomme und die überall und für jedermann unabhängig von staatlichen Rechtsnormen verbindlich seien. Der rechtliche Schutz vor Berufsunfallgefahren im Rahmen der industriellen Produktion falle jedoch nicht in diesen Bereich. Für diese Bestimmungen sei vielmehr gerade die Prägung aus dem wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsland eines jeden Einzelstaats typisch. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß sich in diesen Bereichen übergreifende Normen zu bilden begännen, wie sie etwa das Übereinkommen Nr. 139 der ILO enthalte.
Eine Irreführung des Verkehrs durch die Beklagte im Sinne von § 3 UWG sei ebenfalls nicht gegeben. Mit irreführenden Angaben habe die Beklagte die von ihr vertriebenen Importprodukte nicht versehen, und eine Aufklärungspflicht über die Arbeitsbedingungen, unter denen die Produkte hergestellt worden seien, treffe sie nicht. Qualitativ seien die importierten Erzeugnisse den inländischen gleichwertig. Auf Bedenken moralischer Art, die sich aus den Arbeitsbedingungen bei der Warenproduktion ergäben und einen Teil der Interessenten vom Kauf abhalten könnten, brauche die Beklagte nicht hinzuweisen, weil das weder für die Kennzeichnung der Ware erforderlich sei noch von den angesprochenen Verkehrskreisen erwartet werde, üblich seien allein Sachangaben zum wirtschaftlichen Wert der Ware, nicht aber Mitteilungen über Arbeitsbedingungen, unter denen die Ware hergestellt worden sei. Nach der Lebenserfahrung bestehe gerade bei Produkten aus Entwicklungsländern kein Anhalt für die Annahme, daß die Art der Arbeitsbedingungen ein für den Kaufentschluß entscheidender Umstand sei.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der durch die Billigimporte der Beklagten auf die Klägerin und die übrigen inländischen Asbesthersteller ausgeübte Preisdruck als solcher nicht geeignet ist, den Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit im Sinne von § 1 UWG gegen die Beklagte zu begründen. Wie auch von der Revision nicht verkannt wird, liegen Preisunterbietungen im Wesen eines an den Grundsätzen marktwirtschaftlicher Ordnung orientierten Wettbewerbs. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht es dem Unternehmer grundsätzlich frei, seine Preisgestaltung in eigener Verantwortung vorzunehmen (BGH GRUR 1979, 321, 322 – Verkauf unter Einstandspreis). Wiederholt hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, daß selbst eine Preisgestaltung unter Selbstkosten oder unter Einstandspreis wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (BGH a.a.O., m.w.N.). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Sie gilt auch dann, wenn – wie hier – durch Einfuhr billigerer ausländischer Produkte die Preise inländischer Anbieter unter Druck geraten. Soweit es der Klägerin darum geht, daß durch unerwünschte Fehlentwicklungen im Zusammenhang mit dem Import von Billigprodukten die inländische Asbestindustrie gefährdet oder ausgeschaltet wird, spricht sie eine nicht in den Anwendungsbereich des UWG fallende wirtschaftspolitische Aufgabe an. Anhaltspunkte für einen unzulässigen Behinderungswettbewerb, der in diesem Zusammenhang wettbewerbsrechtlich allein in Betracht kommen könnte, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
2. Das Berufungsgericht ist weiter mit Recht davon ausgegangen, daß sich die zum Schutz gegen gesundheitsgefährlichen mineralischen Staub erlassene Unfallverhütungsvorschrift der Berufsgenossenschaft Textil- und Bekleidung vom 1. April 1973 nur auf die Verarbeitung von Asbest in der Bundesrepublik bezieht, nicht aber auf Erzeugnisse, die im Ausland gefertigt und in die Bundesrepublik eingeführt werden.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts steht die Herstellung der von der Beklagten eingeführten Asbesterzeugnisse auch nicht in Widerspruch zu den in Südkorea geltenden Vorschriften. Gegen das Übereinkommen Nr. 139 der ILO vom 24. Juni 1974 verstößt die Beklagte ebenfalls nicht. Abgesehen davon, daß Südkorea nicht Mitglied der ILO ist und das Übereinkommen nicht ratifiziert hat, begründet dieses, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ausschließlich Pflichten der vertragsschließenden Mitgliedstaaten.
3. Das Berufungsgericht hat ferner mit Recht eine Heranziehung des Gesichtspunkts einer unlauteren Ausnutzung des internationalen Rechtsgefälles (vgl. BGH GRUR 1977, 672 – Weltweit-Club) abgelehnt. Der Sachverhalt, wie er der Weltweit-Club-Entscheidung zugrunde gelegen hatte, ist mit der Fallgestaltung in der anhängigen Sache nicht vergleichbar. Eine wettbewerbswidrige Ausnutzung des internationalen Rechtsgefälles kann dann nicht in Betracht kommen, wenn – wie es hier der Fall ist – eine im Ausland nach der dortigen Rechtsordnung ordnungsgemäß hergestellte Ware unter Beachtung aller Vorschriften offiziell in das Inland eingeführt und hier als Importware vertrieben wird.
4. Für die Beurteilung der Klageansprüche, die die Klägerin aus § 1 UWG herleitet, kommt es daher darauf an, ob der Revision entgegen der Auffassung der Vorinstanzen darin beigepflichtet werden kann, daß durch die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Asbesterzeugnissen in Südkorea sittliche Grundanforderungen, die an jede menschliche und staatliche Ordnung zu richten sind, in so starkem Maße verletzt werden, daß auch der Handel mit derartigen Produkten guten kaufmännischen Sitten widerspricht. Die Revision macht geltend, es sei zu formal, wenn das Berufungsgericht den gegen die Beklagte zu erhebenden Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens mit der Begründung zurückweise, inländische Unfallverhütungsvorschriften seien nicht verletzt und Schutzvorschriften Südkoreas existierten nicht. Zwar erkenne auch das Berufungsgericht an, daß es Fälle gebe, in denen Grundvorstellungen verletzt würden, die für jede menschliche Gemeinschaft verpflichtend seien. Jedoch argumentiere es zu eng, wenn es ausführe, daß das Fehlen des Schutzes vor Berufsunfallgefahren nicht in diesen Bereich falle. Aus dem Rechtszustand, wie er in der Bundesrepublik und in anderen Asbestherstellerländern gelte, und aus dem Übereinkommen Nr. 139 der ILO vom 24. Juni 1974, das elementare sittliche Grundvorstellungen aller Kulturstaaten konkretisiert und kodifiziert habe, ergebe sich, daß eine Rechtsordnung, die den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz vernachlässige, keine Geltung beanspruchen könne. Das Fehlen menschenwürdiger Arbeitsbedingungen müsse zumindest dann berücksichtigt werden, wenn die Arbeitsbedingungen eine Warenfabrikation zu Preisen ermögliche, die die inländische Industrie erdrossele.
Die Ausführungen und Erwägungen des Berufungsgerichts halten auch diesen Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß es aus humanitären Gründen geboten erscheint, Arbeitnehmer im Ausland in gleicher Weise vor Gesundheitsbeeinträchtigungen zu schützen, wie es in der deutschen Asbestindustrie der Fall ist. Bei seiner Entscheidung hat es andererseits aber auch nicht übersehen, daß sich die Arbeitsbedingungen, unter denen sich die Fertigung industrieller Erzeugnisse in den einzelnen Ländern der Erde vollzieht, zum Teil erheblich voneinander abweichen, und daß es deshalb nicht ohne weiteres möglich ist, im Inland nur solche Waren zum Handel zuzulassen, deren Produktionsverhältnisse denen der Bundesrepublik oder vergleichbarer Länder entsprechen. Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausführt, daß die Ordnung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse in den zu respektierenden und autonomen Bereich einer jeden einzelstaatlichen Rechtssetzungsbefugnis falle, so hat es damit grundsätzlich zutreffend die Folgerung aus der Tatsache gezogen, daß sich die an den Schutz der Arbeitnehmer zu stellenden Anforderungen an der jeweiligen historischen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Entwicklung eines Gemeinwesens orientieren und deshalb in den einzelnen staatlichen Ordnungen eine vom inländischen Rechtszustand abweichende Regelung erfahren dürfen. Die Revision verkennt die Bedeutung dieser Erwägungen, wenn sie unter Hinweis auf Art. 30 EGBGB den für die Produktion von Asbestfabrikaten in Südkorea bestehenden Rechtszustand für unbeachtlich hält und sich dabei auf Vorstellungen stützt, wie sie sich in der Bundesrepublik und Ländern mit vergleichbarer wirtschaftlicher Entwicklung ausgeprägt haben und dem ILO-übereinkommen vom 24. Juni 1974 zu Grunde liegen. Entgegen der Ansicht der Revision kann mit dem Berufungsgericht nicht davon ausgegangen werden, daß solche Vorstellungen zu jeder Zeit und in allen Ländern auch ohne eine positiv-rechtliche Regelung ein sich von selbst verstehendes, naturrechtlich vorgegebenes Gemeingut seien. Das Übereinkommen Nr. 139 der ILO vom 24. Juni 1974 verlangt Verbindlichkeit und Beachtung nur von denjenigen seiner Mitglieder, die es ratifiziert haben (vgl. Art. 1–8 des Übereinkommens). Es gilt bislang auch nur in 15 der weit über 100 Mitgliedstaaten der ILO, darunter in der Bundsrepublik und Japan, aber beispielsweise nicht in den USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und der UdSSR, die das Ratifikationsverfahren noch nicht durchgeführt haben. Der Auffassung der Revision, in dem Übereinkommen Nr. 139 der ILO spiegelten sich elementare sittliche Grundvorstellungen wieder, die auch im Bereich der Asbestindustrie in allen Ländern Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz verlangten, kann daher in dieser Allgemeinheit und mit der von der Revision in den Vordergrund gestellten Bedeutung für die Anwendung des UWG nicht beigetreten werden. Aber auch die in der Bundesrepublik und in anderen vergleichbaren Industrienationen herrschenden Auffassungen über Arbeitsschutz können nicht ohne weiteres als Allgemeingut aller Länder und Völker und als Ausdruck einer weltweit gültigen sittlichen Grundeinstellung angesehen werden. Arbeitsplatzschutzmaßnahmen, wie sie die Revision für erforderlich hält, sind auch in diesen Ländern erst allmählich und erst in jüngerer Zeit verwirklicht worden. Die Unfallverhütungsvorschrift zum „Schutz gegen gesundheitsgefährlichen mineralischen Staub” der Textil- und Bekleidungs-Berufsgenossenschaft, auf die sich die Revision stützt, gilt erst seit dem 1. April 1973 und das Übereinkommen der ILO vom 24. Juni 1974 ist im Bereich der Bundesrepublik erst am 23. August 1977 in Kraft getreten. Die Revision muß sich auch entgegenhalten lassen, daß die Entwicklung, in der sich Ausbau und Verbesserung des Arbeitsschutzes vollziehen, nicht an den Maßstäben modernerer Industrieländer gemessen werden kann. Diese Entwicklung wird nicht nur von den rechtlichen, kulturellen, sozialen und religiösen Anschauungen über das Wesen und Wirken des Menschen bestimmt, sondern auch von der jeweiligen Wirtschaftskraft, die gerade in Entwicklungsländern vielfach nicht ausreicht, Arbeitsplatzschutzvorstellungen Rechnung zu tragen, wie sie sich aus medizinischen und technischen Erkenntnissen ergeben und nach dem Standard der Bundesrepublik oder dem vergleichbarer Staaten als unabweisbar erscheinen und dort – auch im Hinblick auf die Konkurrenzsituation – finanzierbar erscheinen. In diesem Zusammenhang gewinnt auch der Hinweis der Beklagten Gewicht, daß in Ländern, die wie Südkorea nicht zu den wirtschaftlich entwickelteren Industrienationen gehören, Arbeitsplätze zur Existenzerhaltung noch wichtiger seien als Arbeitsplatzschutz maßnahmen, die als zur Zeit noch zu teuer und wirtschaftlich nicht tragbar die Arbeitsplätze gefährdeten. Wenn deshalb das Berufungsgericht bei Prüfung des Klagebegehrens unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG den Handel mit Asbesterzeugnissen aus Südkorea nicht mit den gleichen sittlichen Maßstäben gemessen hat, die bei einer Erzeugung dieser Produkte im Inland anzulegen sind, so liegt darin kein mit der Revision angreifbarer Rechtsverstoß.
5. Soweit das Berufungsgericht die mit dem zweiten Hilfsantrag geltend gemachten Ansprüche aus § 3 UWG zurückgewiesen hat, erweist sich die Revision ebenfalls als unbegründet. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte im Zusammenhang mit dem Vertrieb der von ihr aus Südkorea importierten Produkte keine irreführenden Angaben gemacht hat. Das greift die Revision auch nicht an. Soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht habe verkannt, daß die Beklagte verpflichtet sei, im Handel mit den von ihr aus Südkorea eingeführten Waren auf die Arbeitsverhältnisse hinzuweisen, unter denen die Produkte hergestellt worden seien, begegnet das angefochtene Urteil ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, auf die Arbeitsverhältnisse in Südkorea brauche die Beklagte beim Handel mit den von ihr importierten Produkten nicht hinzuweisen, weil solche Hinweise für die Qualität und Wertschätzung der Ware ohne Bedeutung seien und von den angesprochenen Verkehrskreisen auch nicht erwartet würden, üblich seien Angaben zu Qualität und Preis und andere Sachangaben, aber nicht Mitteilungen über Arbeitsbedingungen, unter denen die Ware hergestellt worden sei. Die Revision wendet dagegen ein, daß der Anbieter von Waren, die unter den in Südkorea herrschenden Arbeitsbedingungen hergestellt worden seien, die sittliche und rechtliche Pflicht habe, den Käufer über die Umstände der Herstellung zu unterrichten, weil sie für dessen Kaufentschluß von Bedeutung sein könnten. Der Erwerber müsse nämlich damit rechnen, daß ihm innerbetrieblich und in der Öffentlichkeit vorgeworfen werde, er handele mit Erzeugnissen, bei dessen Herstellung das Leben und die Gesundheit ausländischer Arbeitnehmer gefährdet worden sei.
Diesen Erwägungen der Revision kann nicht gefolgt werden. Wie das Berufungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, erwartet der Verkehr lediglich Sachangaben, insbesondere solche, die Aufschluß über den wirtschaftlichen Wert der angebotenen Waren geben. Schon aus diesem Grunde liegt es regelmäßig fern, aus dem Fehlen von Hinweisen auf die hier in Rede stehenden Arbeitsbedingungen eine Irreführung im Sinne von § 3 UWG herzuleiten. Der Hinweis der Revision, dem Erwerber einer Ware könnten die anstößigen Umstände ihrer Herstellung zum Vorwurf gereichen, greift nicht durch. Ohne Kenntnis von den Umständen der Warenherstellung wären Vorwürfe gegen den Erwerber ungerechtfertigt, und eine allgemeine Verpflichtung, sich nach den Arbeitsbedingungen bei der Herstellung der angebotenen Ware zu erkundigen, besteht für den Käufer nicht. Zutreffend hat das Berufungsgericht darüber hinaus ausgeführt, daß nach der Lebenserfahrung gerade bei Erzeugnissen aus Entwicklungsländern kein Anhalt für die Annahme bestehe, daß die Arbeitsbedingungen für die Wertschätzung der Ware und den Kaufentschluß von wesentlicher Bedeutung seien. Auch das zeigt, daß das Fehlen der von der Revision für erforderlich gehaltenen Warenkennzeichnung keine Irreführung der in Betracht kommenden Verkehrskreise zur Folge hat. Unter diesen Umständen kann die Rüge der Revision keinen Erfolg haben, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die von der Klägerin verlangte Meinungsumfrage darüber nicht eingeholt, daß die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Asbestwaren in Südkorea für die beteiligten Verkehrskreise wesentlich und geeignet seien, sie vom Kauf abzuhalten. Das Berufungsgericht hat es ohne Rechtsverstoß abgelehnt, dem Beweisantrag der Klägerin stattzugeben. Dazu hat es ausgeführt, es seien keinerlei Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die dafür sprächen, daß der Verkehr im Bereich des Vertriebs von Asbestfabrikaten anders als sonst im Handel oder beim Einkauf von Waren aus Entwicklungsländern Angaben über die Produktionsverhältnisse erwarte. Im Hinblick auf diese Feststellungen durfte das Berufungsgericht, ohne gegen § 286 ZPO zu verstoßen, davon ausgehen, daß die Voraussetzungen für die Veranstaltung einer Meinungsumfrage hier nicht gegeben sind.
III. Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
v. Gamm, Alff, Windisch, Zülch, Piper
Fundstellen
Haufe-Index 1237592 |
NJW 1980, 2018 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1980, 657 |
IPRspr. 1980, 130 |