Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage, wann der Zwang zum Abschluß einer Fluggast-Unfallversicherung nach § 50 Satz 1 LuftVG für zwischenstaatliche Flüge ausländischer Luftfahrtunternehmen besteht.
b) Ein Sozialversicherungsträger muß sich seinem Rückgriff gegen den ausländischen Luftfrachtführer die Erlöschenswirkung des § 50 Satz 3 LuftVG u.U. auch für internationale Flüge i.S. des Warschauer Abkommens, für die kein Versicherungszwang nach § 50 Satz 1 LuftVG besteht, entgegenhalten lassen, wenn der Luftfrachtführer eine Fluggast-Unfallversicherung freiwillig abgeschlossen hat.
Normenkette
LuftVG § 50; RVO § 1542
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 28.10.1977) |
LG München I |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. Oktober 1977 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen der Klägerin zur Last.
Tatbestand
Am 3. Dezember 1972 stürzte ein Flugzeug der Beklagten, die häufig Charterflüge für deutsche Reiseunternehmen zwischen der Bundesrepublik und Spanien durchführte, bei einem Flug von Teneriffa nach München unmittelbar nach dem Start ab. Hierbei kamen sämtliche Fluggäste, darunter H., und die Besatzung ums Leben. Das Flugzeug war von einem deutschen Reiseunternehmen für diesen Flug, ferner auch für den Rückflug der Maschine von Hünchen nach Teneriffa gechartert worden. Der Flug von Teneriffa diente dem Rücktransport einer deutschen Reisegruppe, die die Hinreise nach Teneriffa per Schiff und die Rückreise per Flugzeug bei jenem Reiseunternehmen gebucht hatte. Die Flugscheine hatte die Beklagte ausgestellt.
Die Beklagte hatte den Flug bei einer spanischen Versicherungsgesellschaft versichert. Diese Versicherung enthielt u.a. „bei Flügen nach Westdeutschland … eine automatische Deckung für Individualunfälle in Höhe von 35.000 DM”. Die Versicherungssumme wurde am 31. Juli 1973 an die Witwe des H. ausgezahlt.
Die klagende Berufsgenossenschaft zahlt neben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte an die Witwe des H. Witwenrente; außerdem hat sie der Witwe Sterbegeld sowie eine Überbrückungshilfe gewährt. Ihr Anteil an den Gesamtleistungen für die Witwe H. beträgt 74,1 %.
Die Klägerin hat in Höhe dieser Quote von der Beklagten Ersatz ihrer bereits erbrachten und in Zukunft noch zu erbringenden Leistungen bis zur Erschöpfung der Haftungssumme des Art. 22 Abs. 1 WA (53.500 DM) verlangt.
Im Revisionsrechtszug streiten die Parteien nur noch darum, ob die Klägerin im Umfang der von dem spanischen Versicherer gezahlten Versicherungssumme wegen ihres Anteils von (74,1 % von 35.000 DM =) 25.935,00 DM Rückgriff bei der Beklagten nehmen kann oder ob insoweit ihre Ersatzforderung durch die Zahlung erloschen ist.
Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.
Mit der (zugelassenen) Revision begehrt die Klägerin, das landgerichtliche Urteil insoweit wiederherzustellen.
Entscheidungsgründe
I.
1. Auf den Flugzeugunfall, bei dem der bei der Klägerin versicherte H. getötet worden ist, sind die Haftungsvorschriften des Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 30. November 1933 – Warschauer Abkommen (WA) in der Fassung des Haager Protokolls vom 28. September 1955 – BGBl. II 1958, 291 – anzuwenden, dem außer der Bundesrepublik insoweit auch Spanien beigetreten ist (BGBl. II 1951, 176; 1968, II 779).
Danach haftet die Beklagte für den Unterhaltsschaden der Witwe H. im Rahmen der Höchstgrenzen des Art. 22 WA, in denen sich die jetzt noch in Streit befindliche Forderung hält, gemäß Art. 17 WA, da sie den Flug als entgeltliche internationale Personenbeförderung in der Eigenschaft eines Luftfrachtführers im Sinne von Art. 1 Abs. 1 WA ausgeführt hat. Der Streitfrage, ob das Warschauer Abkommen unter „Luftfrachtführer” das Luftfahrtunternehmen versteht, das den Flug tatsächlich ausgeführt hat (so die im angloamerikanischen Rechtskreis vorherrschende Anschauung), oder ob der Luftfrachtführer i.S. des Abkommens Partner des Luftbeförderungsvertrags mit dem Fluggast sein muß (so die deutsche Auslegung, vgl. dazu BGHZ 52, 194, 204 = ZLW 1970, 199 ff), braucht hier nicht nachgegangen zu werden. Das gilt auch dann, wenn das Zusatzabkommen von Guadalajara vom 18. September 1961 (BGBl. II 1963, 1159), das zur Beseitigung des Meinungsstreits bei einem Auseinanderfallen von vertraglichem und ausführendem Luftbeförderer beide als Luftfrachtführer i.S. des Warschauer Abkommens anerkennt, hier nicht anzuwenden wäre, weil Spanien dem Zusatzabkommen jedenfalls bis zum Unfall nicht beigetreten war (vgl. ZLW 1974, 187 f). Denn die vom Berufungsgericht dahingestellt gelassene Frage, ob die Beklagte als Partnerin des Luftbeförderungsvertrags anzusehen ist, ist zu bejahen:
Das ergibt sich schon daraus, daß sie die Flugscheine für die Fluggäste als Luftfrachtführerin ausgestellt hatte; deshalb ist nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 WA in der Fassung des Haager Protokolls zu vermuten, daß die Beklagte sich als Vertragspartnerin ihrer Fluggäste behandeln lassen wollte. Daß die Beförderung als Charterflug über einen Reiseveranstalter abgewickelt wurde, dieser sich den Fluggästen gegenüber zur Vermittlung des Flugs verpflichtet haben mag und die Beklagte bei diesen Verhandlungen im Hintergrund geblieben ist, entkräftet diese Vermutung nicht (Schwenk ZLW 1974, 103, 104 f; ferner die Darlegungen und Nachweise in BGHZ 52, 194, 198 f = ZLW 1970, 199 ff). Den Fluggästen war bekannt, daß der Reiseveranstalter kein Luftfahrtunternehmer war. Eine vergleichbare Interessenlage, bei der der Senat in der angeführten Entscheidung den Charterer und nicht den Vercharterer als (vertraglichen) Luftfrachtführer angesehen hat, liegt im Streitfall nicht vor.
Zudem hat die Beklagte selbst ihre Eigenschaft als Luftfrachtführerin nie in Abrede gestellt.
2. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klägerin, da ergänzend zum Warschauer Abkommen deutsches Recht zugrundegelegt werden dürfe und müsse, zwar nach § 1542 RVO in Höhe der Klageforderung Gläubigerin der Ersatzforderung der Witwe H. geworden. Nach Meinung des Berufungsgerichts ist sie dies jedoch nach Auszahlung der 35.000 DM aus der Versicherung, die die Beklagte für ihre Fluggäste bei der spanischen Versicherungsgesellschaft abgeschlossen hatte, gemäß § 50 Satz 3 LuftVG nicht mehr. Nach dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf Schadensersatz, soweit aus der Unfallversicherung geleistet wird, zu deren Abschluß § 50 Satz 1 LuftVG die Luftfahrtunternehmen verpflichtet.
Das Berufungsgericht erwägt dazu: § 50 LuftVG greife im Streitfall ein, weil die Parteien für den Beförderungsvertrag deutsches Recht zugrundegelegt hätten. Das Schwergewicht des Vertragsverhältnisses liege im Gebiet der Bundesrepublik. Die Vertragsverhandlungen seien hier zwischen deutschen Staatsangehörigen geführt worden. Die Gegenleistung für die Beförderung sei in Deutschland fällig geworden; Bestimmungsort sei München gewesen. Auf den Chartervertrag mischen der Beklagten und dem Reiseveranstalter komme es nicht an.
Die Beklagte sei daher gemäß § 50 LuftVG zum Abschluß der Versicherung verpflichtet gewesen. Die Versicherungspflicht treffe ein ausländisches Luftfahrtunternehmen jedenfalls dann, wenn wie hier ausschließlich deutsche Passagiere, die auf anderem Wege ins Ausland gekommen seien, in die Bundesrepublik aufgrund eines Beförderungsvertrags zurückbefördert wurden, für den nach dem Parteiwillen deutsches Recht gelten solle.
Die mit dem spanischen Versicherer abgeschlossene Versicherung stelle eine Fluggast-Unfallversicherung i.S. des § 50 LuftVG dar.
Unterliege der Beförderungsvertrag deutschem Recht, so seien auch die Beziehungen zwischen dem Schadensersatzanspruch aus dem Beförderungsvertrag und dem Anspruch aus der Unfallversicherung nach deutschem Recht zu beurteilen. Das bedeute, daß die Ersatzansprüche der Witwe H. von vornherein mit dem gesetzlichen Erlöschensgrund des § 50 Satz 3 LuftVG belastet gewesen und im Rahmen des § 1542 RVO mit dieser Belastung auf die Klägerin übergegangen seien. Durch Zahlung der Versicherungsleistung sei auch ihr Anspruch erloschen; daß nicht sie, sondern die Witwe H. die Leistung erhalten habe, sei hierfür ohne Belang.
II.
Diese Ausführungen begegnen zwar in einigen Punkten rechtlichen Bedenken; im Ergebnis halten sie jedoch den Angriffen der Revision stand.
Die rechtliche Bedeutung einer obligatorischen Fluggast-Unfallversicherung und der aus ihr geleisteten Zahlungen für den Rückgriffsanspruch eines Sozialversicherungsträgers im Anwendungsbereich deutschen Rechts hat das Berufungsgericht zutreffend beurteilt.
1. Zu Recht nimmt es an, daß im Anwendungsbereich deutschen Rechts der Anspruch auf solche Versicherungsleistungen nicht von § 1542 RVO erfaßt wird (Senatsurteil vom 14. Mai 1963 – VI ZR 127/62 = VersR 1963, 773 = ZLR 1963, 295). Die Zahlung der Unfallversicherungssumme erfolgt ausschließlich in Erfüllung des Versicherungsvertrags, nicht im Sinn von § 1542 RVO zur Befriedigung von Schadensersatzansprüchen (vgl. auch BGH-Urteil vom 21. Oktober 1965 – II ZR 2/65 = VersR 1965, 1166). Die Versicherung tritt unabhängig davon ein, ob und in welcher Höhe Ersatzansprüche aus dem Unfall entstanden sind.
2. Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht die Bedeutung der Zahlung aus einer obligatorischen Fluggast-Unfallversicherung für die Schadensersatzansprüche gewürdigt, die der Sozialversicherungsträger im Wege des Forderungsübergangs nach § 1542 RVO von dem Unfallgeschädigten oder seinen Hinterbliebenen aus dem Luftbeförderungsvertrag erwirkt. Auch insoweit stimmen seine Ausführungen mit den Erwägungen des Senats in dem vorbezeichneten Urteil vom 14. Mai 1963 = a.a.O. überein.
a) Danach entspricht es der in § 50 Satz 3 LuftVG zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Absicht, den Luftfrachtführer nach Auszahlung der Unfallversicherungssumme an den Bezugsberechtigten von seiner Haftung aus dem Luftbeförderungsvertrag in Höhe des Deckungsschutzes der Versicherung auch vom Rückgriff des Sozialversicherungsträgers freizustellen. Auf diese Weise wollte der Gesetzgeber die Vorzüge einer Unfallversicherung für den Fluggast, die ihn zur Wahl dieser Versicherungsform anstelle einer obligatorischen Haftpflichtversicherung bewogen haben, in Einklang bringen mit den Vorteilen einer Haftpflichtversicherung für den Luftfahrtunternehmer, die eine Unfallversicherung als Summenversicherung ohne solche Regelung nicht gewähren kann. Der Versicherte erhält durch die Unfallversicherung nach Maßgabe der besonderen Bedingungen für solche Zwangsversicherung („Opuv” – vgl. VerBAV 72, 290) und den AUB, auf die die Opuv verweisen, einen ohne Streit über Verschuldensfragen, Schadensumfang und Aktivlegitimation kurzfristig zu realisierenden Anspruch auf die Versicherungsleistung. Andererseits soll der ersatzpflichtige Luftfahrtunternehmer nicht schlechter stehen, als wenn er eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben würde, die ihn von der Schadensbelastung und der Schadensregulierung freigestellt hätte. Insbesondere soll er nicht zusätzlich zur Unfallversicherung innerhalb ihres Leistungsrahmens eine Haftpflichtversicherung abschließen müssen, um sich vor Ansprüchen geschädigter Personen, die nach § 44 LuftVG bzw. Art. 17 WA ersatzberechtigt, aber nicht aus der Unfallversicherung bezugsberechtigt sind, oder vor Rückgriffsansprüchen von Vorsorgeträgern zu schützen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber durch § 50 Satz 3 LuftVG das Versicherungsverhältnis bei voller Wahrung seines Wesens als von der Haftungsfrage unabhängiger Unfallversicherung mit dem auf Schadensersatz gerichteten Schuldverhältnis in der Weise verknüpft, daß die Auszahlung der Unfallversicherungssumme an den Bezugsberechtigten im selben Umfang auch den Schadensersatzanspruch zum Erlöschen bringt, mag dieser sich auch nicht in der Hand des Bezugsberechtigten, sondern eines Sozialversicherungsträgers befinden.
b) An dieser Auslegung hält der Senat auch gegenüber den Einwänden im Schrifttum fest (vgl. insbesondere Wussow VersR 63, 651; WI 1966, 153; 1967, 157; 1973, 5; Unfallhaftpflichtrecht 12. Aufl. TZ 805; Wahle VersR 1965, 472).
Der Kritik ist zuzugeben, daß solche Verknüpfung der Leistung aus der Fluggast-Unfallversicherung mit dem Schadensersatzanspruch aus dem Luftbeförderungsvertrag wirtschaftliche Nachteile für den Ersatzberechtigten haben kann. Solche Nachteile können sich insbesondere ergeben, wenn der Fluggast wie häufig bei dem Flugzeugunfall ums Leben gekommen ist, da sich die Bezugsberechtigung aus der Unfallversicherung nach Maßgabe der bestehenden Versicherungsbedingungen nach der Erbfolge richtet und nicht nach den Regeln, nach denen die Hinterbliebenen etwa ihren Unterhaltsschaden ersetzt verlangen können (für eine nach deutschem Recht zu beurteilende internationale Luftbeförderung vgl. §§ 35 Abs. 2, 47 LuftVG, auf die § 1 des deutschen Durchführungsgesetzes zum WA vom 15. Dezember 1933 – RGBl. I 1079 – verweist; vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 1969 – VI ZR 87/67 – VersR 1969, 954 = ZLW 1970, 223). Daß in solchen Fällen Bezugsberechtigung aus der Unfallversicherung und Ersatzberechtigung auseinanderfallen können (vgl. österreichischer OGH VersR 1965, 471), liegt in dem Charakter der Unfallversicherung begründet. Er begrenzt von vornherein die Möglichkeiten, durch sie im Ergebnis einen Schadensausgleich herbeizuführen (vgl. auch Klingmüller, VersR 1973, 385 f).
In gewissem Umfang werden solche Nachteile für den Ersatzberechtigten dadurch aufgefangen, daß er häufig über die Vorschriften des Erbrechts, als Unterhaltsberechtigter des Erben oder doch als dessen naher Angehöriger an der Versicherungssumme beteiligt sein wird. Auch sind die Auswirkungen der Höhe nach durch die Versicherungsleistung beschränkt. Ob und inwieweit verbleibenden Härten durch die Versicherungsbedingungen Rechnung getragen werden muß, damit die Fluggast-Unfallversicherung dem Schutzzweck entspricht, den der Gesetzgeber mit ihrer Einführung als Zwangsversicherung verfolgt hat (vgl. Wahle a.a.O.), braucht im Streitfall nicht erörtert zu werden. Denn um solche Härtefälle geht es hier nicht, da zwischen Bezugsberechtigung aus der Unfallversicherung und der Ersatzberechtigung, auf die die Klägerin Rückgriff nimmt, Personenidentität besteht. In seiner schon im Senatsurteil vom 14. Mai 1963 = a.a.O. näher begründeten Ansicht, daß der Gesetzgeber jedenfalls die Benachteiligung der Sozialversicherungsträger gesehen und in Kauf genommen hat, sieht sich der Senat dadurch bestärkt, daß seit jener Entscheidung und ungeachtet der um sie geführten Diskussion gesetzgeberische Initiativen weder zu einer Klarstellung in § 50 LuftVG noch zu einer Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes (oder doch der Versicherungsbedingungen) ergriffen worden sind.
III.
Im Ergebnis ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß sich die Beklagte im Streitfall auf den gesetzlichen Erlöschensgrund des § 50 Satz 3 LuftVG gegenüber der Klägerin berufen kann.
1. Rechtlich bedenklich sind allerdings die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine gesetzliche Verpflichtung der Beklagten zum Abschluß einer Fluggast-Versicherung nach § 50 Satz 1 LuftVG begründet.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts greift § 50 Satz 1 LuftVG schon deshalb ein, weil der Luftbeförderungsvertrag entsprechend dem hypothetischen Willen der Parteien nach deutschem Recht zu beurteilen sei, soweit ergänzend zu den Vorschriften des Warschauer Abkommens nationales Recht in Betracht komme.
a) Es kann bereits zweifelhaft sein, ob das Schuldstatut für die vertraglichen Beziehungen der Beklagten zu ihren Fluggästen richtig bestimmt ist, wenn, wie das Berufungsgericht dies tut, hierfür ausschließlich auf die Interessenverknüpfung zwischen den Fluggästen und dem Reiseveranstalter abgehoben wird. Um diese Vertragsbeziehungen zu dem Reiseveranstalter geht es bei den Ersatzansprüchen aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Luftbeförderungsvertrag unmittelbar nicht. Für sie fällt immerhin ins Gewicht daß die Beklagte ihren Sitz in Spanien hat und auch der Abflugort in Spanien gelegen war. Zudem war für den Chartervertrag, den die Beklagte mit dem Reiseveranstalter in Spanien geschlossen hatte, auf spanisches Recht Bezug genommen und als Gerichtsstand Madrid vereinbart worden. Wenn auch dieser Vertrag unmittelbar nur die Beziehungen der Beklagten zu dem Reiseveranstalter regelte, so kann er bei der Beurteilung, welcher Rechtsordnung sich die Beklagte ihren Fluggästen gegenüber unterworfen haben würde, wenn dieser Punkt zwischen ihnen zur Sprache gekommen wäre, nicht gänzlich außer Betracht bleiben, wie das Berufungsgericht meint.
b) Ob gleichwohl seine Auffassung zugrunde zu legen ist, etwa weil es sich um einen Charterflug mit ausschließlich deutschen Fluggästen, den diese in der Bundesrepublik bei einem deutschen Reisebüro gebucht hatten, gehandelt hat, und auch die Parteien in den Tatsacheninstanzen offenbar von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen sind (vgl. BGHZ 50, 32, 33 und BGH Urt. v. 7. März 1962 – VIII ZR 9/61 = NJW 1962, 1005), kann jedoch dahinstehen, wie sich aus den folgenden Überlegungen ergibt.
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist für die Frage, ob die Beklagte dem Versicherungszwang des § 50 Satz 1 LuftVG unterworfen war, nicht das Schuldstatut des Beförderungsvertrags maßgebend.
§ 50 Satz 1 LuftVG statuiert eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Diese gründet sich auf die Lufthoheit der Bundesrepublik und folgt mit ihr dem Territorialitätsprinzip, wie es u.a. in Art. 5 des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt (Chikagoer Abkommen; BGBl. 1956, II 411; 934) anerkannt ist (vgl. dazu auch Schwenk ZLW 1970, 125, 138; Bodenschatz ZLR 1959, 230, 245 f; Rinck ZLW 1966, 1, 16; Meyer ZLR 1953, 229; Schellhoss, Rechtsprobleme der obligatorischen Fluggast-Unfallversicherung, Diss. Köln 1966, 58). Wie andere öffentlich-rechtliche Auflagen (vgl. §§ 20 ff LuftVG) trifft sie das Luftfahrtunternehmen wegen seiner Betätigung im Bereich der Lufthoheit und nicht wegen seines Auftretens auf rechtsgeschäftlichem Gebiet. Nicht an die vertraglichen Beziehungen der Luftfahrtunternehmen zu ihren Fluggästen, sondern an den tatsächlichen Vorgang der Beförderung und die damit verbundenen Belange der Lufthoheit knüpfen solche Regelungen an. Das spiegelt sich u.a. darin wieder, daß im Blick auf die Lufthoheit anderer betroffener Staaten die Auflagen nach der Nationalität der betroffenen Luftfahrtunternehmen abgestimmt sind. Dem entspricht es, wenn die Bundesrepublik den Abschluß einer Fluggast-Unfallversicherung in erster Linie deutschen Luftfahrtunternehmen und ausländischen Luftfahrtunternehmen mit dem Hauptsitz im Bundesgebiet (Schellhoss a.a.O. S. 55, 64; Nierhaus, Die Haftung und Versicherungsdeckung des Luftfrachtführers in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von Chartermaschinen, Diss. Köln 1965, S. 113 f) für ihre Zulassung zu innerstaatlicher und internationaler Beförderung zur Auflage macht. Für ausländische Luftfrachtführer mit Sitz im Ausland sehen demgegenüber die §§ 95 Abs. 4, 99 Abs. 3 LuftVZO den Nachweis einer Unfallversicherung nur vor, wenn es sich um einen Flug im Gelegenheitsverkehr handelt, der dazu dient, im Bundesgebiet Fluggäste neu aufzunehmen, oder wenn das ausländische Luftfahrzeug im Linienverkehr Fluggäste von Ort zu Ort innerhalb der Bundesrepublik befördert (sog. Kabotage-Flüge; zum Versicherungszwang für diese Flüge vgl. Wegerdt ArchLR 43, 29; ZLR 1952, 20; Achtnich ZLR 1952, 341; Abraham, Der Luftbeförderungsvertrag, 1955 S. 77; ZLR 1955, 257; Schwenk BB 1968, 189, 191). Diese Einschränkung gegenüber ausländischen Luftfahrtunternehmen erklärt sich aus der Rücksicht auf die Lufthoheit des fremden Staats, die diesem ermöglicht, seine Luftfahrtunternehmen ebenfalls unter Versicherungszwang zu nehmen (vgl. Hofmann LFVG § 50 Rz. 6).
In ähnlicher Weise nimmt Spanien seine Lufthoheit durch die Regelung in Art. 126 f des LuftVG vom 21. Juli 1960 (auszugsweise abgedruckt bei Schellhoss a.a.O. S. 125 ff) in Anspruch, nach der auf internationalen Strecken spanische Luftfahrzeuge im Liniendienst eine Fluggastversicherung abschließen müssen und ausländische Luftfahrzeuge im nationalen Luftraum nur verkehren dürfen, wenn sie den Nachweis einer Versicherung ihrer Fluggäste führen.
bb) All das zeigt, daß es für die Versicherungspflicht in § 50 Satz 1 LuftVG nicht, jedenfalls nicht in erster Linie ausschlaggebend ist, welcher nationalen Rechtsordnung der Beförderungsvertrag nach dem Willen der Parteien folgt. Zwar hat der deutsche Gesetzgeber das im Luftverkehrsgesetz geregelte Beförderungsverhältnis zum Ausgangspunkt für die Einführung der Versicherungspflicht genommen und sie wegen des Sachbezugs zum Beförderungsvertrag gesetzestechnisch dem Unterabschnitt „Haftung aus dem Beförderungsvertrag” eingegliedert. Anzunehmen ist auch, daß die Einführung der Pflichtversicherung, die auf das Vierte Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 26. Januar 1943 – RGBl. I 69 – zurückgeht, in erster Linie den Schutz deutscher Fluggäste und deutscher Luftfahrtunternehmen im Auge hatte (Schwenk ZLW 1970, 125, 138 f). Doch heben die bestehenden Vorschriften sicherlich nicht auf die Staatsangehörigkeit der Fluggäste ab (Schwenk a.a.O.). Wie zudem u.a. die Vorschriften der §§ 95 Abs. 4, 99 Abs. 3 LuftVZO zeigen, können auch Luftbeförderungen dem Versicherungszwang unterliegen, die einer fremden Rechtsordnung unterstellt sind, z.B. Kabotageflüge von Fluggästen, die demselben Staat wie der Luftfrachtführer angehören. Insoweit ist allein maßgebend, daß der Flug eine Angelegenheit der Lufthoheit der Bundesrepublik ist.
c) Nach den somit maßgebenden Regeln der Luftverkehrszulassungsordnung bedurfte die Beklagte zur Beförderung ihrer Fluggäste in die Bundesrepublik des Nachweises einer Fluggast-Unfallversicherung nicht.
Zwar hätte sie gemäß § 95 Abs. 4 Satz 1 LuftVZO beim Einfluß in die Bundesrepublik den Nachweis führen müssen, daß für diejenigen Fluggäste, die sie nach dem Chartervertrag auf ihrem Rückflug nach Spanien in der Bundesrepublik aufnehmen sollte, eine Versicherung nach § 50 LuftVG bestand. Dieser Nachweis war jedoch nur im Hinblick auf den Rückflug zu führen. Diese Beschränkung des § 95 Abs. 4 Satz 1 LuftVZO wird durch Satz 3 der Vorschrift unterstrichen. Danach entfällt die Nachweispflicht selbst für den Rückflug des Charterflugzeugs, wenn die ausgeflogenen Fluggäste von denselben Luftfrachtführer zuvor in die Bundesrepublik eingeflogen worden waren. Auch in der Praxis ist über die in den §§ 95 Abs. 4, 99 Abs. 3 LuftVZO geregelten Fälle hinaus ein derartiger Nachweis bisher nicht verlangt worden (Hofmann a.a.O. § 50 Rz. 6; Bodenschatz a.a.O. S. 248). Zwar mag dafür im Vordergrund stehen, daß Fluggäste anderer Flüge vornehmlich fremden Staaten angehören, so daß der Zweck der Versicherungspflicht, die in erster Linie dem deutschen Fluggast zugute können soll, einen solchen Nachweis nicht verlangt. Doch heben die Vorschriften über den Versicherungsnachueis nicht auf die Staatsangehörigkeit des Fluggastes ab (Schwenk BB 1968, 189, 191 und ZLW 1970, 125, 138 f).
2. Letztlich kann jedoch im hier zu entscheidenden Fall dahinstehen, ob ausnahmsweise doch Charterflüge ausländischer Luftfahrtunternehmen, auf denen ausschließlich deutsche Fluggäste in ihre Heirat zurückbefördert werden, wegen des Schutzzwecks des § 50 LuftVG der Versicherungspflicht unterliegen. Im Streitfall greift § 50 Satz 3 LuftVG jedenfalls deshalb ein, weil die Beklagte für ihre Fluggäste eine den Anforderungen des § 50 LuftVG entsprechende Fluggast-Unfallversicherung gerade deshalb abgeschlossen hat, um ihnen dieselbe Rechtsstellung zu vermitteln, die § 50 LuftVG den Fluggästen inländischer Luftfahrtunternehmen verschaffen soll.
a) Daß die Versicherung, die die Beklagte im Rahmen eines Globalvertrags für ihre Fluggäste abgeschlossen hat, den Anforderungen einer Fluggast-Unfallversicherung nach Haßgabe von § 50 LuftVG entsprach, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen. Die Beklagte hat Versicherungspolicen unter folgender Versicherungsbedingung genommen:
„Bei Flügen nach Westdeutschland besteht eine automatische Deckung für Individualunfälle in Höhe von 35.000 DM.”
Daß diese Bedingung im Blick auf § 50 LuftVG vereinbart worden ist, ergibt sich insbesondere aus dem Bezug auf das deutsche Lufthoheitsgebiet, der Kennzeichnung der Versicherung als Fluggast-Unfallversicherung und der Versicherungssumme, die an der Mindestdeckung des § 50 Satz 2 LuftVG orientiert war. Nichts spricht dafür, daß die Versicherung als Haftpflichtversicherung ausgestaltet sein sollte. Die Auffassung der Revision, daß die Klauseln unter der Überschrift „gesetzliche Haftpflicht für Passagiere” (Legal Liability for Passengers) stehe, trifft für die hier zugrundeliegende Versicherungspolicen nicht zu. Vielmehr wird durch den Wortlaut, der auf die „automatische” Deckung für „Individualunfälle” abhebt, der Charakter der Versicherung als einer von Bestehen und Höhe etwaiger Haftungsansprüche unabhängigen, für den Versicherungsfall des Unfalls geschuldeten Summenversicherung hervorgehoben. Daß die Versicherung auch im übrigen den Bedingungen einer Fluggast-Unfallversicherung i.S. von § 50 LuftVG entsprach, zeigt der Umstand, daß der Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von dem Bundesminister für Verkehr aufgrund dieser Versicherungsbedingungen wiederholt für die Beförderungen von Fluggästen aus der Bundesrepublik Einfluggenehmigungen erteilt worden sind.
b) Es ist unerheblich, ob die Beklagte der Auffassung gewesen ist, zum Abschluß solcher Versicherung nach § 50 LuftVG verpflichtet gewesen zu sein, ob sie insoweit bestehenden Zweifeln Rechnung tragen wollte oder ob sie sich § 50 LuftVG nur deshalb unterstellt hat, weil sie entsprechend einer langjährigen Übung nach dem Chartervertrag auf dem Rückflug in München Fluggäste zur Beförderung nach Teneriffa aufnehmen sollte, also jedenfalls für diese Fluggäste den Nachweis einer Unfallversicherung nach § 50 LuftVG ohnehin zu führen hatte. Weil sie ihren in Teneriffa aufgenommenen Fluggästen den Versicherungsschutz im Sinne von § 50 LuftVG verschafft hat, um sie insoweit den von ihr aus der Bundesrepublik zu befördernden Fluggästen gleichzustellen, kann sie sich für ihre Haftung aus dem Beförderungsvertrag auf die Regelung in § 50 Satz 3 LuftVG berufen. Wie ausgeführt, trägt diese Vorschrift, die die Leistungen aus der Fluggast-Unfallversicherung mit den Haftungsansprüchen aus dem Beförderungsverhältnis verbindet, dem schutzwürdigen Interesse des Luftfahrtführers Rechnung, dem das Gesetz den Abschluß einer Unfallversicherung nur unter entsprechender Ausrichtung seiner Haftung auf die Unfallversicherung zumutet. In dieser Ausrichtung des Beförderungsvertrages teilt sich die durch § 50 Satz 3 Luft anerkannte zusätzliche Aufgabe der Fluggast-Unfallversicherung mit, Funktionen einer Haftpflichtversicherung zu übernehmen, von deren Abschluß der Luftfrachtführer insoweit, als ihre Versicherungssumme reicht, freigestellt werden soll. Der Luftfrachtführer, der die Luftbeförderung auf der Grundlage dieser von ihm abgeschlossenen Fluggast-Unfallversicherung ausführt, stellt auch dann, wenn er dem Versicherungszwang des Gesetzes nicht unterliegt, das Beförderungsverhältnis in den Einflußbereich des Versicherungsverhältnisses. Er kann von dem Fluggast verlangen, daß die vom Gesetzgeber für diesen angestrebten Vorteile, die er ihm freiwillig verschafft, diejenige Berücksichtigung in seinen Vertragsbeziehungen findet, die das eigenständige Versicherungsmodell (Opuv) dem Beförderungsvertrag im Geltungsbereich des Versicherungszwangs vermittelt. Auch in solchen Fällen einer freiwilligen Fluggast-Unfallversicherung ist deshalb die Haftungsbeziehung von vornherein mit jenem Bezug zu der Unfallversicherung belastet, den § 50 Satz 3 LuftVG kraft Gesetzes sicherstellt.
c) Daß solche Modifizierung der Haftungsansprüche mit dem Warschauer Abkommen vereinbar ist, hat der Senat bereits in seiner mehrfach erwähnten Entscheidung vom 14. Mai 1963 = a.a.O. näher dargelegt. Anhaltspunkte dafür, daß solche Ausgestaltung des Beförderungsverhältnisses im Charterverkehr, der ausschließlich die Rückbeförderung deutscher Fluggäste in ihre Heimat zum Gegenstand hat, dem spanischen Recht widerspräche, soweit es überhaupt in Betracht zu ziehen ist, sind weder von den Parteien aufgezeigt worden noch sonst hervorgetreten. Die Regelung des spanischen Luftverkehrsgesetzes vom 21. Juli 1960 über die Pflicht spanischer Luftfahrtunternehmen zum Abschluß einer Fluggastversicherung bezieht sich für die internationale Luftbeförderung nur auf den Linienverkehr (Art. 126 f; auszugsweise abgedruckt bei Schellhoss a.a.O. S. 124 f vgl. auch Diederichsen-Verschoor/Heere-Moll ZLW 1973, 250, 255; Wessels ZLW 1961, 22).
IV.
Daraus ergibt sich, daß die Klägerin sich ihren Rückgriffsansprüchen auch im vorliegenden Fall die Auszahlung der Versicherungssumme aus der Fluggast-Unfallversicherung entgegenhalten lassen muß, sofern Überhaupt insoweit ein Forderungsübergang – sei es nach § 1542 RVO, sei es nach spanischem Recht – auf sie stattgefunden hat. Nicht anders als im Rahmen von Beförderungsverträgen, die dem Versicherungszwang des § 50 Satz 1 LuftVG unterliegen, sind die vertraglichen Haftungsansprüche von vornherein mit dem Erlöschensgrund des § 50 Satz 3 LuftVG belastet gewesen.
Daß diese Belastung letztlich auf Parteivereinbarung beruht, steht dem nicht entgegen. § 1542 RVO verschafft dem Sozialversicherungsträger keine stärkere Rechtsstellung als die, die der Geschädigte gegenüber dem Schädiger selbst beanspruchen kann. Sie hindert nicht einmal, die Haftung durch Vereinbarung ganz auszuschließen, sofern sie nur überhaupt zur Parteidisposition steht (BGHZ 26, 365, 369; 33, 247, 249; vgl. auch Senatsurteil vom 13. März 1973 = VersR 1973, 467, 469).
Unterschriften
Dr. Weber, Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Kullmann, Dr. Deinhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1742389 |
BGHZ |
BGHZ, 183 |
NJW 1980, 524 |
Nachschlagewerk BGH |
IPRspr. 1979, 32 |