Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein GmbH-Gesellschafter, der bei Abschluß des Vertrages über die Anstellung eines Geschäftsführers für die Gesellschaft auftritt, ohne von den übrigen Gesellschaftern zu ihrer Vertretung ermächtigt zu sein, nach § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht haftet.
Normenkette
BGB § 179 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
OLG Zweibrücken (Urteil vom 15.12.1988) |
LG Kaiserslautern |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Dezember 1988 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist einer der beiden Gesellschafter der KFM K.- und M. GmbH N. (im folgenden: KFM). Nach Verhandlungen zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Gesellschaft, B., einerseits und dem Kläger andererseits über dessen Anstellung als weiterer Geschäftsführer übersandte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 26. April 1984 den von ihm unterschriebenen Entwurf eines „Geschäftsführervertrages”, in dem die Gesellschaft als „vertreten durch die Gesellschafterversammlung” aufgeführt war. Im Begleitschreiben hieß es: „Für die Gesellschaft habe ich den Vertrag meinerseits unterschrieben und bitte um Ihre Gegenzeichnung”. Der Kläger kam dem nach. Nach dem Vertrag hatte er zunächst eine Probezeit von sechs Monaten als Prokurist abzuleisten, nach deren Ablauf er zum Geschäftsführer bestellt werden sollte.
Der Kläger nahm seine Tätigkeit Anfang Mai 1984 auf. Mit Schreiben der Gesellschaft vom 21. Mai 1984, das von dem Beklagten und B. unterzeichnet war, wurde er aufgefordert, seine Arbeit einzustellen, weil die Voraussetzungen für seine Anstellung nicht erfüllt seien; vorsorglich wurde die Kündigung ausgesprochen.
Der Kläger erhob zunächst vor dem Arbeitsgericht gegen die KFM Klage auf Feststellung, daß sein Beschäftigungsverhältnis nicht wirksam beendet worden sei, sowie auf Zahlung des Gehalts für die Monate Juni bis September 1984. Dem Beklagten verkündete er in jenem Prozeß den Streit. Das Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, ein Vertrag sei nicht zustandegekommen; der Beklagte habe die Gesellschaft nicht wirksam vertreten können, weil er nicht Geschäftsführer sei.
Im jetzigen Rechtsstreit verlangt der Kläger vom Beklagten als Vertreter ohne Vertretungsmacht Zahlung des restlichen Gehalts für die Probezeit von sechs Monaten zuzüglich eines anteiligen 13. Monatsgehalts, Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld.
Der Beklagte hat eingewandt, der Kläger hätte wissen müssen, daß die Gesellschaft nicht von einem Gesellschafter, sondern vom Geschäftsführer vertreten werde. Selbst wenn der Vertrag wirksam geschlossen worden wäre, wäre er durch die im Schreiben vom 21. Mai 1984 enthaltene Kündigung aufgelöst worden. Außerdem hat er geltend gemacht, dem Kläger stehe jedenfalls keine Urlaubsabgeltung und kein Urlaubsgeld zu.
In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach dem bisher vorgetragenen und festgestellten Sachverhalt läßt sich eine Haftung des Beklagten nach § 179 BGB nicht ausschließen.
1. Gemäß § 68 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ist aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts davon auszugehen, daß ein wirksamer Anstellungsvertrag zwischen dem Kläger und der KFM mangels Vertretungsbefugnis des Beklagten nicht zustandegekommen ist. Damit haftet der Beklagte dem Kläger grundsätzlich nach § 179 Abs. 1 BGB auf Erfüllung oder Schadensersatz.
2. Das Berufungsgericht hat gemeint, ein Anspruch bestehe hier gleichwohl nach § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht, weil der Kläger hätte wissen müssen, daß der Beklagte keine Vertretungsmacht gehabt habe. Daß dieser nicht Geschäftsführer gewesen sei, sei dem Kläger bekannt gewesen. Er habe auch nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, daß der Beklagte Alleingesellschafter gewesen sei. Er habe sich über die Anzahl der Gesellschafter Gewißheit verschaffen müssen und auch können, indem er die beim Handelsregister niedergelegte Gesellschafterliste eingesehen hätte. Dies sei ihm umso mehr zuzumuten gewesen, als es sich bei der Bestellung zum Organmitglied nicht um ein alltägliches Geschäft gehandelt habe. Tatsächlich habe sich der Kläger nach den vom Arbeitsgericht getroffenen Feststellungen durch Einsicht in das Handelsregister vergewissert, daß der Beklagte Gesellschafter gewesen sei; dabei hätte er unschwer auch erkennen können, daß es sich bei ihm nicht um den einzigen Gesellschafter gehandelt habe.
Diesen Ausführungen liegt eine unrichtige rechtliche Beurteilung zugrunde. Der dem Kläger vom Beklagten zur Unterschrift übermittelte Vertrag führte als Vertretungsorgan nicht den Geschäftsführer, sondern die Gesellschafterversammlung auf. Das entsprach dem Inhalt nach der Regelung in § 46 Nr. 5 GmbHG. Danach sind für die Bestellung eines Geschäftsführers die Gesellschafter zuständig. Diese Zuständigkeit erstreckt sich im Regelfall auch auf den Abschluß des Anstellungsvertrages; insoweit gilt die gesetzliche Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer nicht (Sen.Urt. v. 13. Mai 1968 – II ZR 103/86, WM 1968, 1328). Im vorliegenden Fall war es entgegen der Ansicht der Revision nicht deswegen anders, weil der Kläger in der sechsmonatigen Probezeit nur als Prokurist tätig sein und erst danach zum Geschäftsführer ernannt und fest angestellt werden sollte. Die Einstellung eines Prokuristen ist zwar Sache des Geschäftsführers. Der mit dem Kläger geschlossene Anstellungsvertrag ist aber so zu verstehen, daß er auch nach Ablauf der Probezeit und Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer Grundlage seines Anstellungsverhältnisses sein sollte. Damit besteht noch ein ausreichend enger Zusammenhang mit der Organbestellung; er rechtfertigt es, auch dafür die Zuständigkeit der Gesellschafter nach § 46 Nr. 5 GmbHG anzunehmen; § 6 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages enthält übrigens eine gleichlautende Regelung. Die Eingangsformel des Geschäftsführervertrages („vertreten durch die Gesellschafterversammlung”) war danach im Grundsatz richtig.
Der Beklagte war Gesellschafter. Er erklärte in seinem Begleitschreiben, er habe den Vertrag „für die Gesellschaft” unterschrieben. Darin und in der Unterzeichnung des Vertrages lag die stillschweigende Behauptung, zur Vertretung der Gesellschafter insgesamt berechtigt zu sein (vgl. BGHZ 39, 45, 51). Es beruhte nicht auf Fahrlässigkeit, daß der Kläger sich darauf verließ und keine weiteren Nachforschungen darüber anstellte, ob außer dem Kläger noch andere Gesellschafter vorhanden waren, wer das gegebenenfalls war und ob sie den Beklagten bevollmächtigt hatten, sie beim Vertragsschluß zu vertreten. Zwar führt nach § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB jede Fahrlässigkeit zum Ausschluß der Haftung. Eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt liegt aber nur vor, wenn die Umstände des Falles den Vertragspartner veranlassen müssen, sich danach zu erkundigen, ob der Vertreter die zumindest stillschweigend behauptete Vertretungsmacht tatsächlich hat (RGZ 104, 191, 194). Solche Umstände gab es hier nicht. Es ist nicht außergewöhnlich, daß nach interner Beschlußfassung nicht alle Gesellschafter bei Abschluß des Vertrages – also nach außen hin – auftreten; oft wird die Gesellschafterversammlung die Unterzeichnung des Anstellungsvertrages einem einzelnen Gesellschafter oder gar einem bereits vorhandenen Geschäftsführer überlassen (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 46 Rdn. 80). Tritt daher ein einzelner Gesellschafter bei Abschluß eines Geschäftsführeranstellungsvertrages mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Behauptung auf, allein vertretungsberechtigt zu sein, dann kann der Vertragspartner auf die Richtigkeit dieser Behauptung vertrauen, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die Anlaß geben, daran zu zweifeln. Entgegen der in der Revisionserwiderung vorgetragenen Ansicht ist ein solcher Umstand nicht darin zu sehen, daß den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers B., den der Kläger kannte, außer dem Beklagten noch ein Vertreter des zweiten Gesellschafters unterschrieben hatte. Denn selbst wenn der Kläger darauf geachtet haben sollte, brauchte er deswegen nicht an der Richtigkeit der ihm gegenüber abgegebenen Erklärung des Beklagten, er handele berechtigterweise für die „Gesellschafterversammlung”, zu zweifeln.
Es kommt entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung nicht darauf an, welche Gedanken sich der Kläger darüber gemacht hat, ob der Beklagte als Alleingesellschafter oder – auch – als berechtigter Vertreter etwa vorhandener weiterer Gesellschafter auftrat. Das Gesetz knüpft die Haftung an das Auftreten als Vertreter ohne Vertretungsmacht und läßt sie nur dann entfallen, wenn für den Vertragsgegner Anlaß bestand, an der Vertretungsmacht zu zweifeln. Ist das nicht der Fall, dann ist es unerheblich, ob er die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der von ihm angenommenen Vertretungsmacht in jeder Hinsicht richtig beurteilt hat.
Der vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. März 1972 – VII ZR 143/70, MDR 1972, 596 – lag keine andere Beurteilung zugrunde. Zunächst ging es dort nicht um die Haftung des – vollmachtlosen – Vertreters, sondern darum, ob die verklagte Gemeinde sich nach Treu und Glauben nicht auf die fehlende Vertretungsmacht ihres Gemeindedirektors berufen durfte. Außerdem handelte es sich um den Abschluß eines wegen seiner Bedeutung nicht unter die Alleinvertretungsberechtigung eines Gemeindedirektors fallenden Geschäfts (vgl. zu ähnlichen Fällen auch RG HRR 1935, 104; OLG Celle OLGZ 1976, 440 ff.). Der Umstand, der an dem Vorhandensein der Vertretungsmacht zweifeln ließ, bestand darin, daß das für die laufenden Geschäfte zuständige Vertretungsorgan einen davon nicht erfaßten Vertrag abschloß. Im hier zu entscheidenden Fall trat dagegen ein Mitglied des gerade für den Abschluß eines solchen Vertrages zuständigen Gremiums auf, ohne daß Anhaltspunkte dafür vorlagen, daß es das nicht durfte. Dabei spielt es, wie bereits erwähnt, keine entscheidende Rolle, ob der Beklagte aus der Sicht des Klägers alleiniger Gesellschafter war oder ob er berechtigt war, für etwa vorhandene weitere Gesellschafter zu handeln. Deshalb ist es – anders als die Revisionserwiderung meint – auch von untergeordneter Bedeutung, ob der Kläger die beim Handelsregister befindliche Gesellschafterliste eingesehen hat.
3. Auf der Grundlage des bisherigen Prozeßstoffs läßt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Haftung des Beklagten nach § 179 Abs. 2 BGB beschränkt ist. Danach schuldet der vollmachtlose Vertreter nicht die Erfüllung des Vertrages, sondern nur Ersatz des Vertrauensschadens, wenn er selbst den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt hat. So könnte es hier gewesen sein. Alle Beteiligten sind offenbar zunächst davon ausgegangen, der Vertrag sei wirksam zustandegekommen; das hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung selbst hervorgehoben, und das läßt sich auch dem von B. und dem Beklagten unterzeichneten Schreiben vom 21. Mai 1984 entnehmen (vgl. auch den Vortrag des Beklagten auf S. 9 seiner Berufungserwiderung, GA 172). Wäre § 179 Abs. 2 BGB anzuwenden, müßte der Kläger darlegen, welchen Schaden er dadurch erlitten hat, daß er auf die Vertretungsmacht des Beklagten und damit auf die Wirksamkeit des Vertrages vertraut hat. Der Beklagte hat dazu seinerseits in der Klageerwiderung behauptet, der Kläger habe trotz seiner Tätigkeit für die Beklagte sein früheres Arbeitsverhältnis nicht aufgegeben (GA 29).
Damit hierzu – gegebenenfalls auch zur Höhe eines Erfüllungs- oder Schadensersatzanspruchs des Klägers – nach Ergänzung des Parteivorbringens die nötigen Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
II. Für den weiteren Gang der Verhandlung ist darauf hinzuweisen, daß der Beklagte sich, soweit sich das nach dem bisherigen Parteivortrag beurteilen läßt, zu Unrecht auf die im Schreiben vom 21. Mai 1984 vorsorglich ausgesprochene Kündigung berufen hat. Denn dem Tatsachenvortrag des Beklagten ist kein wirksamer Kündigungsgrund zu entnehmen. Danach soll das Anstellungsverhältnis des Klägers von vornherein unter der Voraussetzung begründet worden sein, daß der vorgesehene Serienbau des Lastkraftwagens TB 600 alsbald aufgenommen werde. Tatsächlich ist das Fehlen dieser Voraussetzung im Schreiben vom 21. Mai 1984 als Grund für die Beendigung der Tätigkeit des Klägers angegeben. Indessen kann dieser Sachverhalt deswegen nicht als Kündigungsgrund dienen, weil der Anstellungsvertrag nach seinem § 7 Nr. 1 ausdrücklich „auf die Dauer von sechs Monaten fest geschlossen” worden ist. Damit kommt in diesem Zeitraum nur eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht. Die von den Parteien des Arbeitsgerichtsprozesses in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 1985 übereinstimmend abgegebene Erklärung, sie seien sich darüber einig, daß innerhalb der Probezeit mit einmonatiger Frist zum Monatsende gekündigt werden könne, entspricht nicht dem Parteivortrag im jetzigen Rechtsstreit. Eine Kündigung aus wichtigem Grund kann nicht auf die Verzögerung der Produktionsaufnahme gestützt werden; bei Abschluß des Anstellungsvertrages war, soweit sich dies dem Vortrag des Beklagten entnehmen läßt, in keiner Weise gesichert, daß der Serienbau jenes Lkw in den nächsten sechs Monaten beginnen konnte. Es mag allenfalls sein, daß die Fortsetzung des Vertrages nach den ersten sechs Monaten von der Entwicklung des Projekts abhängig sein sollte. Im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers B. ist das übrigens in der Weise zum Ausdruck gekommen, daß der dort zunächst für ein Jahr fest abgeschlossene Vertrag sich auf drei Jahre verlängern sollte, wenn innerhalb des ersten Jahres die Produktion des TB 600 aufgenommen wurde (§ 8 Nr. 1).
Unterschriften
Boujong, Dr. Hesselberger, Röhricht, Dr. Henze, Stodolkowitz
Fundstellen
Haufe-Index 1237606 |
NJW 1990, 387 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1989, 1453 |
GmbHR 1990, 33 |