Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundbuchberichtigungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Wer als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 310 ZGB auf das Eigentum eines anderen an seinem Grundstück verzichtet hat, ist nach Treu und Glauben daran gehindert, als dessen Erbe den Grundbuchberichtigungsanspruch geltend zu machen, wenn er sich nach dem Erbfall in der DDR zu dem Verzicht bekannt, insbesondere einen gegen ihn gerichteten Anspruch des als Rechtsträger aufgetretenen VEB unter Hinweis auf den Verzicht geleugnet hat; eine Heilung des dem Verzicht anhaftenden Mangels nach Art. 237 § 1 EGBGB ist in diesem Falle nicht eingetreten.
Leitsatz (redaktionell)
Wer als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 310 ZGB auf das Eigentum eines anderen an seinem Grundstück verzichtet hat, ist nach Treu und Glauben daran gehindert, als dessen Erbe den Grundbuchberichtigungsanspruch geltend zu machen, wenn er sich nach dem Erbfall in der DDR zu dem Verzicht bekannt, insbesondere einen gegen ihn gerichteten Anspruch des als Rechtsträger aufgetretenen VEB unter Hinweis auf den Verzicht geleugnet hat.
Normenkette
EGBGB 1986 Art. 237 § 1; ZGB DDR § 310; EGBGB Art. 237 § 1
Verfahrensgang
OLG Dresden (Urteil vom 05.06.1997) |
LG Dresden (Urteil vom 04.03.1997) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 5. Juni 1997 aufgehoben und das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 4. März 1997 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist aufgrund eines 1987 errichteten Testaments Alleinerbe nach I. P. Diese war Eigentümerin zweier Grundstücke (Flur 2, Flurstücke 610/2 und 610/3) in D. -N. Die Grundstücke waren aufgrund eines Pachtvertrags von dem VEB K., D. genutzt, aus dem die Beklagte hervorgegangen ist. I. P. starb in den Frühstunden des 11. Februar 1988 auf der Intensivstation eines Krankenhauses, nachdem sie in der Nacht zum 10. Februar 1988 dort einer Notoperation unterzogen worden war. Ausweislich eines mit dem 10. Februar 1988 datierten Protokolls des Rats der Stadt D. ist I. P. an diesem Tage vor einer Mitarbeiterin des Rates erschienen und hat den Verzicht auf das Eigentum an den Grundstücken erklärt. Der Eigentumsverzicht wurde am 23. Juni 1988 vom Rat der Stadt genehmigt, am 30. Juni 1989 wurde Eigentum des Volkes mit der Rechtsträgerschaft des VEB K. in das Grundbuch eingetragen. Seit 12. Juni 1991 ist die Beklagte als Eigentümerin eingetragen.
Ein Antrag des Klägers auf Rückübertragung der Grundstücke nach dem Vermögensgesetz wurde am 10. Juli 1992 abgelehnt, sein Widerspruch wurde am 18. Juli 1997 zurückgewiesen. Die Beklagte erwirkte am 8. August 1995 einen Investitionsvorrangbescheid für eine Eigeninvestition, der durch Widerspruchsbescheid vom 30. April 1997 bestätigt wurde. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 14. April 1998 wurde festgestellt, daß die Beklagte die Investition durchgeführt hat.
Der Kläger hat die Beklagte auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung in Anspruch genommen und vorgetragen, der Verzicht auf das Eigentum sei von ihm unter dem Namen I. P. in Gegenwart der Mitarbeiterin des Rates in seiner Privatwohnung erfolgt. Eine wirksame Vollmacht habe er nicht besessen. Die Beklagte hat Bevollmächtigung behauptet und sich im übrigen in erster Linie dem Vortrag des Klägers mit der Maßgabe angeschlossen, daß das Protokoll erst nach dem Tode der Eigentümerin, am 11. Februar 1988, unterzeichnet worden sei. Hilfsweise hat sie an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen festgehalten, die Eigentümerin habe die Unterschrift selbst an dem in dem Protokoll angegebenen Datum geleistet.
Die Klage hat in den Tatsacheninstanzen Erfolg gehabt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung des Anspruchs.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint den Ausschluß des Zivilrechtswegs durch das Vermögensgesetz. Insbesondere liege auch dann keine unlautere Machenschaft vor, wenn man von der Unterzeichnung der Verzichtserklärung durch den Kläger ausgehe. In diesem Falle habe zwar „über den Kopf der Erblasserin (scil. I. P.) hinweg das Eigentum an dem Grundstück aufgegeben werden sollen”, es fehle aber an einer staatlichen Repression. Der Grundbuchberichtigungsanspruch sei bei allen vorgetragenen Sachverhaltsvarianten zu bejahen. Habe die Eigentümerin unterzeichnet, sei die Verzichtserklärung wegen deren von der Vorinstanz festgestellten Handlungsunfähigkeit nichtig. Habe der Kläger die Unterschrift noch zu Lebzeiten der Eigentümerin geleistet, fehle es an einer „entsprechenden Vollmacht in der nach § 57 Abs. 2 ZGB erforderlichen Form”. Es sei (u.a.) nicht nachvollziehbar, warum der Kläger „mit dem Namen der Erblasserin unterschrieben haben sollte, hätte er tatsächlich über eine Vollmacht verfügt, die überdies noch die erforderliche notarielle Beglaubigung aufgewiesen haben müßte”. Außerdem sei das Protokoll wegen eines Formfehlers unwirksam, denn es enthalte keinen Vermerk darüber, wer mit dem Namen der Vertretenen unterzeichnet hat. Sei die Unterschriftsleistung nach dem Tode der Eigentümerin erfolgt, fehle es an einer Erklärung des Klägers im eigenen Namen und deren formwirksamen Beurkundung. Die mit der Privatisierung des volkseigenen Betriebs und mit dem Verfahren nach dem Investitionsvorranggesetz verbundenen Umstände hätten das Eigentum des Klägers nicht berührt. Zu einer Verwirkung des Berichtigungsanspruchs habe das Vorgehen des Klägers, auch unter Berücksichtigung seines weiteren Verhaltens bis zum Beitritt, nicht geführt.
Dies hält der Revision nicht stand.
II
Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht der erstmals in zweiter Instanz erhobenen Rechtswegrüge der Beklagten entgegengetreten ist, unterliegen nicht der Überprüfung des Senats. Bereits mit der – schlüssigen – Bejahung des Rechtsweges in den Gründen des erstinstanzlichen Urteils ist für die weiteren Rechtszüge die Bindung nach § 17 a Abs. 5 GVG eingetreten (Senatsurt. v. 19. März 1993, V ZR 247/91, WM 1993, 998 f). Eine zweitinstanzliche Veränderung des Streitgegenstandes (vgl. Senat BGHZ 131, 169, 171) oder eine sonstige Veränderung der Verhältnisse, die erst nachträglich die Rügemöglichkeit eröffnet hätte, liegt nicht vor.
III.
Der Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB) steht dem Kläger nicht zu.
1. Zutreffend ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die im Verfahren nach dem Investitionsvorranggesetz getroffenen Entscheidungen nicht geeignet waren, den Anspruch aus dem Eigentum zu Fall zu bringen. Mit der bestandskräftig bescheinigten Durchführung der Investition durch die Beklagte entfiel, wenn das Vorhaben innerhalb der festgesetzten Frist abgewickelt worden war, der Restitutionsanspruch (§ 11 Abs. 5 InVorG). Auf einen, neben dem vermögensrechtlichen Anspruch bestehenden zivilrechtlichen Grundbuchberichtigungsanspruch, bliebe das ohne Einfluß. Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß das Fortbestehen des Eigentums des Klägers durch die vorangegangene Umwandlung des früheren VEB K. in eine GmbH im Aufbau (§ 11 TreuhG) nicht berührt worden war. Die Revision greift diesen Punkt auch nicht mehr auf.
2. Rechtlich nicht zweifelsfrei ist dagegen die Verneinung eines vermögensrechtlichen Tatbestandes, zu der das Berufungsgericht, allerdings im Zusammenhang mit der Rechtswegfrage, gelangt ist.
Keinen Bedenken begegnet es zunächst, daß das Berufungsgericht eine Verdrängung des Zivilrechts (grundlegend Senat BGHZ 118, 34) durch den Restitutionstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG abgelehnt hat. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsurteils war die Verzichtserklärung nicht auf eine bereits eingetretene oder unmittelbar drohende Überschuldung der Grundstücke zurückzuführen. Hiervon ist auch das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen in seinem Bescheid vom 10. Juli 1992, der dem Berufungsgericht vorlag, ausgegangen. Der von der Beklagten in der Revisionsinstanz vorgelegte Widerspruchsbescheid vom 18. August 1997 beruht zwar auf einem gegenteiligen tatsächlichen Ausgangspunkt (der Restitutionsanspruch wird nur wegen gewerblicher Nutzung der Grundstücke nach § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG verneint), die von dem Landesamt getroffenen Feststellungen ziehen aber keine Bindung der Zivilgerichte nach sich. Eine Feststellungswirkung in dem Sinne, daß andere Behörden und Gerichte an die Tatsachengrundlage der Verwaltungsentscheidung gebunden wären, entfaltet der im Restitutionsverfahren ergangene Bescheid nicht. Sie könnte nur kraft besonderer gesetzlicher Anordnung eintreten (vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz 6. Aufl., Vorbem. 35 Rdn. 32 ff). Der Widerspruchsbescheid ist mithin nicht geeignet, das angefochtene Urteil nachträglich zu erschüttern.
Rechtlich nicht zweifelsfrei ist indessen die Verneinung einer unlauteren Machenschaft (§ 1 Abs. 3 VeraG) auf der Grundlage der Behauptungen des Klägers. Versteht man dessen, von Amts wegen zu beachtenden (Senatsurt. v. 9. Juli 1993, V ZR 262/91, WM 1993, 1643) Vortrag (Unterzeichnung der Verzichtserklärung unter dem Namen der Eigentümerin noch zu deren Lebzeiten) wie das Berufungsgericht dahin, daß hierbei „über den Kopf der Erblasserin hinweg” auf deren Eigentum verzichtet wurde, und war die das Protokoll aufnehmende Mitarbeiterin des Rates eingeweiht, liegt eine unlautere Machenschaft nicht fern. Auf den abweichenden Vortrag der Beklagten (Verzichtserklärung durch den Kläger nach dem Erbfall, hilfsweise noch durch die frühere Eigentümerin), der keinen Anhaltspunkt für eine unlautere Machenschaft ergibt, kann nicht abgestellt werden. Er ist zwar dem Kläger günstig, dieser hat sich ihn aber, was erforderlich wäre (Senatsurt. v. 23. Juni 1989, V ZR 125/88, BGHR ZPO § 138 Abs. 2, gleichwertiges Parteivorbringen 1), nicht, auch nicht hilfsweise, zu eigen gemacht. Ob von einer unlauteren Machenschaft auszugehen ist, kann jedoch letztlich offenbleiben. Die Revision hat jedenfalls aus einem anderen Grunde Erfolg.
3. Der Klagevortrag rechtfertigt nämlich, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, den Grundbuchberichtigungsanspruch nicht. Auf das abweichende Vorbringen der Beklagten ist aus den schon genannten Gründen (vorstehend zu 2) nicht abzustellen.
a) Geht das Berufungsgericht, wofür die Wendung „über den Kopf der Erblasserin hinweg” sowie die Würdigung des Parteivortrags zur Vollmachtsfrage spricht, davon aus, daß der Kläger bei der Unterschriftsleistung am 10. Februar 1988 ohne Vollmacht der Eigentümerin gehandelt hat, ist die Verzichtserklärung unwirksam (Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB i.V.m. §§ 310, 53, 59 ZGB). Das Zivilrecht der DDR ging grundsätzlich davon aus, daß einseitige Rechtsgeschäfte, die für einen Vertretenen ohne Vollmacht abgeschlossen wurden, keine Wirkung entfalteten (Kommentar zum ZGB, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, 1985, § 59 Anm. O). Der Auffassung der Revision, die Verzichtserklärung sei genehmigungsfähig gewesen, da sie zwar eine Willenserklärung, wegen der zum Eigentumswechsel nach § 310 ZGB aber zusätzlich erforderlichen staatlichen Genehmigung kein Rechtsgeschäft gewesen sei, schließt sich der Senat nicht an.
b) Allerdings wurde in der Literatur der DDR auch erwogen, die für vollmachtlos abgeschlossenen Verträge vorgesehene Genehmigungsmöglichkeit (§ 59 Abs. 1 ZGB) unter besonderen Voraussetzungen auch auf einseitige Erklärungen anzuwenden. Gedacht wurde an Fälle, in denen die Erklärung im Interesse aller Beteiligten erfolgte, der Erklärungsempfänger die fehlende Vertretungsmacht kannte, die Erklärung dennoch entgegennahm und sich somit auf den Schwebezustand bewußt einließ (Göhring/Posch, Zivilrechtslehrbuch Teil 1, 1981, S. 202; vgl. demgegenüber die weitergehende Regelung des § 180 Satz 2 BGB, die jedoch nach überwiegender Auffassung nicht gilt, wenn der Erklärungsempfänger eine Behörde ist, vgl. Staudinger/Schilken (1996) § 180 Rdn. 11 m.w.N.).
Wäre hiervon im Tatsächlichen auszugehen, bliebe die für die Eigentümerin abgegebene Verzichtserklärung dennoch ohne Wirkung. Die Genehmigung galt nämlich nach § 59 Abs. 1 Satz 2 ZGB als verweigert, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Kenntnis des Vertragsabschlusses erfolgt war. Die Umstände, die die Revision als Genehmigungserklärungen des Klägers in Anspruch nimmt, waren rechtlich nicht geeignet, diese Wirkung herbeizuführen. Die bei der Testamentseröffnung zu Protokoll gegebene Erklärung über den Bestand des Nachlasses, die die streitigen Grundstücke nicht einschloß, war gegenüber dem staatlichen Notariat (§ 395 ZGB) erfolgt. Adressat der Genehmigung konnte aber neben dem Vertreter nur der Empfänger der Erklärung sein (Kommentar zum ZGB, aaO, § 59 Anm. 1.1). Die im Streit um Aufwendungen auf das Grundstück (näher unten zu d) abgegebenen Erklärungen des Klägers konnten aus dem gleichen Grunde keine Genehmigung bewirken; sie lagen zudem außerhalb der Genehmigungsfrist. Die Revision hebt darauf ab, die Beklagte hätte, wenn sie auf den rechtsgeschäftlichen Charakter der Verzichtserklärung hingewiesen worden wäre, vorgetragen, daß der Kläger nach dem Erbfall die Genehmigung gegenüber sich selbst erklärt habe. Abgesehen davon, daß das Berufungsgericht keinen Anlaß zu einer solchen Aufklärung hatte, ginge das hypothetische Vorbringen der Beklagten rechtlich fehl. Nach dem Erbfalle kam eine Genehmigung gegenüber dem Vertreter nicht mehr in Frage, denn der Kläger war von diesem Zeitpunkt an Gesamtrechtsnachfolger der Eigentümerin. Damit war ein Fortbestand der Vertreterstellung nicht vereinbar, denn niemand kann sein eigener Vertreter sein. Dies folgt daraus, daß die Vertretung in der Abgabe einer Erklärung in fremdem Namen (§ 53 Abs. 2 ZGB) besteht. Eine dem § 185 Abs. 2, 2. Altern. BGB vergleichbare Vorschrift, wonach eine Verfügung wirksam wird, wenn der Verfügende den Gegenstand, hier die Grundstücke im Wege des Erbgangs, erwirbt, kannte das Recht der DDR nicht. Auf die umstrittene Frage, ob die in § 185 BGB getroffene Regelung auch für Erklärungen gilt, die in fremdem Namen abgegeben wurden (vgl. Staudinger/Gursky a.a.O. § 185 Rdn. 2 m.w.N.), braucht der Senat deshalb nicht einzugehen. Das „fortwirkende Einverständnis” mit der Abgabe der Verzichtserklärung, in dem die Revision die Genehmigung erblickt, hätte zudem vorausgesetzt, daß der Kläger sich der Genehmigungsbedürftigkeit des Verzichts bewußt gewesen wäre. Hierzu vermag die Revision nicht auf Tatsachenvortrag zu verweisen.
c) Der Vollmachtsmangel ist nicht nach Art. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB, eingefügt durch Art. 2 Nr. 4 des Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes vom 17. Juli 1997 (BGBl I 1823), unbeachtlich. Nach der Vorschrift sind Fehler bei der Überführung eines Grundstücks in Volkseigentum nur zu beachten, wenn das Grundstück nach den allgemeinen Verwaltungsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und der ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis, die im Zeitpunkt der Überführung maßgeblich waren, nicht wirksam in Volkseigentum hätte überführt werden können oder wenn die mögliche Überführung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schlechthin unvereinbar war; letzteres war bei Maßnahmen der Fall, die in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, die Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit verstießen oder Willkürakte im Einzelfall dargestellt haben (zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift vgl. Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts v. 3. Juli 1998, 1 BvR 13/98; Senat, Urt. v. 10. Oktober 1997, V ZR 80/96, WM 1998, 81). Kerngedanke des Bestandsschutzes ist es, bei der Entstehung von Volkseigentum nicht auf das dabei beachtete Verfahren und dort unterlaufene Fehler, sondern darauf abzustellen, ob das angestrebte Ergebnis nach den vorhandenen Vorschriften in der Sache erreichbar war; die Frage soll nicht allein nach dem geschriebenen, sondern nach dem „gelebten Recht der DDR mit all seinen Stärken und Schwächen” beantwortet werden (Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages v. 20. März 1997, BT-Drucks. 13/7275 S. 41 f). Nach diesen Grundsätzen bleibt der Eigentumsverzicht durch den vollmachtlosen Vertreter, der keine Genehmigung durch den Vertretenen gefunden hat, unwirksam. Die Überführung eines Grundstücks in Volkseigentum war nach § 310 ZGB ohne eine Erklärung des Eigentümers, die den Verzicht, die Bevollmächtigung hierzu oder die Genehmigung der vollmachtlos abgegebenen Verzichtsleistung zum Gegenstand hatte, nicht möglich. Zwischen geschriebenem und gelebtem Recht gab es hier keinen Unterschied. Zu Recht sieht es Schmidt-Räntsch bei nicht wirksam abgeschlossenen Verträgen als entscheidend an, ob der Vertragswille, was im Streitfalle zu beweisen sei, vorhanden war (ZfJR 1997, 581, 584). Entsprechendes gilt für den einseitigen Erklärungswillen beim Verzicht. Handelte der Verzichtende ohne Vertretungsmacht und war die Genehmigungsfrist des § 59 Abs. 1 Satz 2 ZGB ungenutzt verstrichen, fehlte es rechtlich an der Möglichkeit, die Verzichtserklärung dem vertretenen Eigentümer zuzurechnen. Alternative Möglichkeiten der Überführung der Grundstücke in Volkseigentum, die den Anforderungen des Art. 237 § 1 EGBGB genügten, treten im Streitfalle nicht hervor.
d) Der Kläger ist jedoch nach den Grundsätzen des § 242 BGB, die auch auf vor dem Beitritt vollzogene Grundstücksgeschäfte anzuwenden sind (Senat BGHZ 124, 321, 324), an der Geltendmachung des Berichtigungsanspruchs gehindert. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß auch der Anspruch nach § 894 BGB dem Vorbehalt von Treu und Glauben unterliegt (Senat BGHZ 122, 308), es bezieht auch die in Frage kommenden tatsächlichen Umstände, die Verzichtserklärung durch den Kläger und dessen späteres Bekenntnis zum Verzicht in seine Überlegungen ein, würdigt den Sachverhalt rechtlich aber nur unvollständig. Entscheidend ist hier nicht der vom Berufungsgericht herangezogene Gesichtspunkt der Verwirkung, mithin der vertrauensbegründenden Unterlassung der Rechtswahrung, sondern derjenige des widersprüchlichen Verhaltens. Der Kläger war nicht daran interessiert, als Erbe der Eigentümerin die Grundstücke mit deren Nachlaß zu erwerben. Sein Eigeninteresse an dem Verzicht kam in seiner Bereitschaft, „über den Kopf der Eigentümerin hinweg” zu handeln, in besonders einprägsamer Weise zum Ausdruck. In der Folge hat er mit dem damaligen VEB K., was unter den Parteien unstreitig ist, eine Vereinbarung über die Räumung der Grundstücke getroffen und die Einstellung der bisherigen Pachtzahlung hingenommen. In einem Rechtsstreit um die Kosten des Einbaus neuer Fenster, der vor Eintragung des Volkseigentums in das Grundbuch anhängig geworden war, hat er seine Passivlegitimation unter Hinweis auf den Eigentumsverzicht geleugnet. Der Kläger handelt mißbräuchlich, wenn er, im Widerspruch zu dem Verhalten, das ihm seinerzeit als vorteilhaft erschien, nunmehr die von ihm selbst herbeigeführte Unrichtigkeit des Grundbuchs dazu nutzt, die nach dem Beitritt eingetretene Wertsteigerung der Grundstücke zu vereinnahmen. Die damaligen Verhältnisse in der DDR geben hier, im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts, keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung. Der Kläger wurde durch die damaligen Umstände nicht daran gehindert, seinem Willen, Eigentümer zu bleiben, Ausdruck zu geben. Ein solcher Wille war vielmehr nicht vorhanden.
e) Wäre das Berufungsurteil so zu verstehen, daß der Kläger bei der Abgabe der Verzichtserklärung unter dem Namen der Eigentümerin zwar mit deren Ermächtigung handelte, die Vollmacht aber nicht den Formvorschriften (§§ 310, 57 Abs. 2 ZGB) entsprach, wäre das Ergebnis kein anderes. Die Fehlerhaftigkeit des Geschäfts bliebe in diesem Fall bereits nach Art. 237 § 1 EGBGB unbeachtlich.
Unterschriften
Hagen, Lambert-Lang, Tropf, Krüger, Klein
Fundstellen
Haufe-Index 1122703 |
BGHR |
FamRZ 1999, 222 |
EWiR 1999, 63 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 1999, 38 |
WM 1999, 91 |
ZAP-Ost 1998, 715 |
ZEV 1998, 480 |
MDR 1999, 414 |
NJ 1999, 198 |
Rpfleger 1999, 74 |
OVS 1998, 384 |
www.judicialis.de 1998 |