Leitsatz (amtlich)
Ist zwischen Absender und Frachtführer bei einem Transport im Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen vereinbart, daß das beförderte Gut zu einem genau bestimmten Aufstellplatz in einem Gebäude verbracht werden soll, dann ist das Gut erst dann im Sinne des § 29 KVO ausgeliefert, wenn es an diesem Platz abgestellt ist.
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Entscheidung vom 23.01.1978) |
LG Hamburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg - 8. Zivilsenat - vom 23. Januar 1978 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Transportversicherer, nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Firma V. B. AG, H. übertrug der Beklagten gemäß "Speditionsauftrag vom 24. Februar 1975 die Versendung von Akkumulatoren von H. zum Kraftwerk der Hamburgischen Elektrizitätswerke - Aufbauraum - in H.-M. Die Versendung sollte "frei Aufbauraum" erfolgen. V. und die Beklagte vereinbarten die Anwendbarkeit der ADSp und einen festen Satz der Beförderungskosten.
Die Batterien wurden von der Beklagten oder einem anderen Unternehmer mit Lastkraftwagen von H. nach H.-M. befördert und von Leuten der Beklagten mit Unterstützung von Monteuren der Firma V. zunächst mittels eines Gabelstaplers von der Ladefläche des Lastkraftwagens abgehoben; dabei wurden zwei Batterien beschädigt. Der Aufbauraum befand sich im ersten Stockwerk des Kraftwerks. Die Batterien wurden mittels eines Lastenaufzugs hochgebracht; dabei wurde eine Palette mit 6 Batterien nicht weit genug auf die Geschoßdecke neben dem Lukenrand des Aufzuges gezogen. Die sechs Batterien fielen durch den Aufzugsschacht ins Erdgeschoß zurück und beschädigten dabei weitere zwei dort stehende Batterien.
Von dem entstandenen Schaden ersetzte die Klägerin der Firma V. 6.759,26 DM; die Beklagte zahlte an die Klägerin 3.000,- DM; die Klägerin verlangt von der Beklagten noch die Erstattung des Restbetrages von 3.759,26 DM mit der Begründung, die Beklagte habe für den Schaden nach §§ 413 Abs. 1 HGB, 26 GüKG, 29 KVO einzutreten; denn die Beschädigungen seien vor der Auslieferung entstanden, weil Beförderung "frei Aufbauraum" vereinbart gewesen sei und deshalb die Auslieferung im Sinne des § 29 KVO erst mit der Aufstellung im Aufbauraum beendet gewesen sei. Die Beklagte ist dagegen der Auffassung, die Schäden seien erst nach der Auslieferung im Sinne des § 29 KVO entstanden; denn die Verbringung der Batterien in den Aufbauraum sei eine rein speditionelle Tätigkeit gewesen; für Schäden hafte sie deshalb nur nach Maßgabe der ADSp mit den Beschränkungen nach § 54 Buchst. a Ziff. 2 ADSp bis zum Höchstbetrag von 1.500,- DM.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und wegen des noch zu prüfenden Mitverschuldens der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag aus dem zweiten Rechtszug, auf Zurückweisung der Berufung, weiter. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Beklagten einen Speditionsvertrag über die Versendung von Batterien von H. nach H., Elektrizitätswerk, geschlossen hat, und daß nach diesem Vertrag die Batterien zum "Aufbauraum" des Empfängers befördert werden sollten. Das Berufungsgericht nimmt ferner zutreffend an, daß die Beklagte nach § 413 Abs. 1 HGB, da sie und die Rechtsvorgängerin der Klägerin sich auf einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt hatten, ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers hat und zwar eines Frachtführers im Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (vgl. st.R. BGHZ 65, 340; zuletzt Senatsurteil vom 4. Mai 79 - I ZR 51/78 m.w.N. - VersR 79, 811); damit sind die Vorschriften der Kraftverkehrsordnung (KVO) als zwingend vorgeschriebene Beförderungsbedingungen (§§ 26, 20, 106 Abs. 2 GüKG) Inhalt des Vertrages, auf den der Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung des beförderten Gutes gestützt wird.
II.
Das Berufungsgericht führt weiter aus, nach den Vorschriften der KVO hafte der Frachtführer nicht uneingeschränkt, sondern nur im Rahmen der §§ 29 ff KVO. Die Haftung ende nach § 29 KVO grundsätzlich mit der Auslieferung; diese stehe der Ablieferung im Sinne des § 429 HGB gleich; das Abladen der Ware gehöre regelmäßig nicht zu den Pflichten des Frachtführers. § 29 KVO könne für die Haftung der Beklagten hier jedoch nicht einschlägig sein, weil die Versendung vereinbarungsgemäß "frei Aufbauraum" habe erfolgen sollen. Die Beklagte habe mit dieser Abrede jedenfalls das Ausladen im Sinne des § 33 Buchst. b KVO übernommen. Die von der Beklagten tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, die Beförderung der Batterien zum Aufzug und das Hochhieven mit dem Aufzug, sei jedoch weit über den normalen Vorgang des Ausladens hinausgegangen. Bei dieser Besonderheit erscheine es nicht sachgerecht, die Beklagte nur im Rahmen des § 33 Buchst. b KVO haften zu lassen. Es biete sich hier vielmehr die Lösung an, daß wegen des übereinstimmenden Willens der Parteien die Ausladung erst mit der Aufstellung der Batterien im Aufbauraum habe beendet sein sollen.
III.
Die gegen diese Ausführungen gerichteten Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg. Nach § 29 KVO ersetzen die Unternehmer alle Güterschäden, die in der Zeit von der Annahme zur Beförderung bis zur Auslieferung entstehen. Auslieferung oder das gleichbedeutende Ablieferung (§ 429 HGB) ist nach ständiger Rechtsprechung der Vorgang, durch den der Frachtführer die zur Beförderung erlangte Obhut über das Gut mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung des Verfügungsberechtigten wieder aufgibt und diesen in die lage versetzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben (vgl. BGH v. 19.1.73 - I ZR 4/72 - m.w.N. - NJW 73, 511, 512; v. 27.10.78 - I ZR 114/76 - NJW 79, 493; Helm, Großkomm. HGB Anm. 12 zu § 429 HGB). Sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, dann wird sich die Einwilligung des Verfügungsberechtigten zur Aufgabe der Obhut durch den Frachtführer regelmäßig mit der zwischen Absender und Frachtführer getroffenen Vereinbarung decken; ist demnach vereinbart, daß der Frachtführer das Gut an einem bestimmten Platz absetzen muß, dann ist die Einwilligung des Verfügungsberechtigten erst dann anzunehmen, wenn der Frachtführer das Gut an diese Stelle verbracht hat; erst dann ist das Gut ausgeliefert im Sinne des § 29 KVO (vgl. Helm, Großkomm. HGB Anm. 7 zu § 29 KVO, 14 zu § 429 HGB, 4 zu § 33 KVO, 13 zu § 17 KVO; a.A. Guelde/Willenberg, 2. Aufl., Rdn. 13 zu § 29 KVO aber anders Rdn. 52 zu § 17 KVO). Im Streitfall ist vereinbart, daß die Güter bis zum Aufstellplatz befördert werden sollten; die vertragliche Verpflichtung war damit erst nach Verbringung an den Aufstellplatz erfüllt und erst dann das Gut ausgeliefert. Da die Beschädigung vorher eingetreten ist, haftet die Beklagte nach § 29 KVO. Die Frage, ob die Übernahme einer solchen Verpflichtung zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung im Frachtbrief bedarf (so Guelde/Willenberg a.a.O. Anm. 55 zu § 17 KVO) oder nicht (so Helm a.a.O. Anm. 13, 5. Absatz zu § 17 KVO), braucht nicht entschieden zu werden, da diese Verpflichtung in dem für die vertraglichen Vereinbarungen der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Beklagten maßgeblichen Speditions-Auftrag festgehalten ist, dagegen ein Frachtbrief im Verhältnis dieser Parteien nicht ausgestellt werden konnte.
IV.
Da das Berufungsurteil auch im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten erkennen läßt, war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018771 |
DB 1980, 685-686 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1980, 833 |
NJW 1980, 833 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1980, 281-282 (Volltext mit amtl. LS) |