Entscheidungsstichwort (Thema)

Architektenhonorar: Anspruch auf Höchstsätze bei höchstsatzüberschreitender Honorarvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist die schriftlich getroffene Vereinbarung eines Pauschalhonorars gem. § 4 Abs. 3 HOAI unwirksam, weil die in der HOAI festgelegten Höchstsätze überschritten werden, ohne daß die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, so ist die Vereinbarung nicht etwa insgesamt nichtig. Der Architekt kann vielmehr die Höchstsätze verlangen.

 

Normenkette

HOAI § 4 Abs. 3; BGB § 134

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 26.07.1988)

LG Baden-Baden

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. Juli 1988 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 99.583,05 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Im Frühjahr 1983 schloß sich der Beklagte mit acht weiteren Interessenten zu einer Bauherrengemeinschaft zusammen, um auf einem Grundstück in D., das ursprünglich ihm gehörte, ein Bauvorhaben durchzuführen. Die Bauherren schlossen mit der V. einen Treuhandvertrag. Die V. schloß ihrerseits aufgrund der ihr erteilten Vollmachten im Namen der Bauherren mit der Firma BGI einen Baubetreuungsvertrag. Die BGI schloß am 14. März 1983 mit der Firma WDB einen Bauvertrag über die schlüsselfertige Erstellung des Bauvorhabens zu einem Bruttopauschalfestpreis von 3.627.103 DM.

Die Firma BGI hatte bereits im August 1980 den Beklagten beauftragt, Architektenleistungen (Leistungsphase 1 bis 4) für das Bauvorhaben zu einem Bruttopauschalhonorar von 250.000 DM zu erbringen. Später – zu einem unbekannten Datum – wurde ein schriftlicher Architektenvertrag mit demselben Honorar zwischen der Firma WDB und dem Beklagten vereinbart. Das Bauvorhaben wurde in einem zwischen den Parteien streitigen Umfang von der Firma WDB ausgeführt.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin aus abgetretenem Recht eine Werklohnforderung der Firma WDB in Höhe von zunächst 122.000 DM, dann von 118.000 DM nebst Zinsen für die Errichtung von Stellplätzen geltend.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klageforderung stehe der Klägerin nicht zu. Das Oberlandesgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Vergütungsanspruch der Klägerin bestehe zwar in Höhe von 99.583,05 DM, sei aber durch Aufrechnung mit einer restlichen Honorarforderung des Beklagten in Höhe von 127.200 DM erloschen.

Mit ihrer – angenommenen – Revision, die der Beklagte zurückzuweisen bittet, erstrebt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des vom Berufungsgericht als begründet erachteten Werklohnes in Höhe von 99.583,05 DM nebst Zinsen.

 

Entscheidungsgründe

I.

1. Das Berufungsgericht meint, die Klageforderung sei durch Aufrechnung erloschen, weil dem Beklagten eine Honorarforderung in Höhe von 127.200 DM zustehe. Nach dem unstreitigen Sachverhalt sei die Firma WDB in den zwischen der Firma BGI und dem Beklagten abgeschlossenen Architektenvertrag eingetreten; nach diesem Vertrag schulde die Firma WDB dem Beklagten ein Pauschalhonorar von 250.000 DM einschließlich Mehrwertsteuer. Die Firma WDB habe auf diese Forderung 122.800 DM bezahlt, so daß noch eine Restforderung von 127.200 DM bestehe.

2. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin mit Erfolg.

a) Entgegen der Ansicht der Revision ist für den Senat bindend festgestellt, daß der Inhalt des Architektenvertrages zwischen der Firma WDB und dem Beklagten unstreitig ist. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe entgegenstehenden streitigen Sachvortrag der Parteien nicht berücksichtigt. Eine etwaige Unrichtigkeit des Tatbestandes kann mit der Verfahrensrüge nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 lit. b ZPO nicht richtig gestellt werden, weil derartige Mängel nur im Berichtigungsverfahren gemäß § 320 ZPO behoben werden können (Senatsurteil NJW 1989, 2753, 2754 zum Abdruck in BGHZ vorgesehen; BGH Urteil vom 18. Oktober 1962 – II ZR 47/61 = WM 1962, 1289, 1290; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 554 Rdn. 11 m.w.N.). Da eine Urteilsberichtigung gemäß § 320 ZPO nicht durchgeführt worden ist, sind die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gemäß § 314 ZPO für das weitere Verfahren bindend. Der Senat muß folglich seiner Entscheidung die Feststellung des Berufungsgerichts zum Inhalt des Architektenvertrages zugrunde legen.

b) Zu Recht beanstandet die Revision hingegen, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 HOAI nicht geprüft hat. Da der ursprünglich vereinbarte Pauschalfestpreis für das Bauvorhaben 3.627.100 DM betrug, waren ausreichende Anhaltspunkte dafür gegeben, daß das Pauschalhonorar die Höchstsätze für die Leistungsphasen 1 bis 4 übersteigt.

Nach § 4 Abs. 3 HOAI darf ein Architektenhonorar, das die Höchstsätze der HOAI überschreitet, nur unter besonderen Voraussetzungen vereinbart werden. Da diese Voraussetzungen unstreitig hier nicht vorliegen, der Achitektenvertrag aber schriftlich geschlossen worden ist, kann der Beklagte nur die Höchstsätze verlangen. Denn die Vereinbarung ist wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 3 HOAI keineswegs insgesamt nach § 134 BGB nichtig. Eine solche Folge würde dem mit der Vorschrift des § 4 Abs. 3 HOAI verfolgten Zweck zuwiderlaufen (fast einhellige Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum vgl. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 5. Aufl., § 4 Rdn. 9; Hesse/Korbion/Mantscheff, HOAI, 2. Aufl., § 4 Rdn. 25; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 5. Aufl., Rdn. 536, jeweils m.w.N.; anders, nämlich für die Berechnung der Mindestsätze nur Weyer BauR 1982, 309, 316; 1987, 130, 140/141; vgl. auch zu einem ähnlich gelagerten Fall Senatsurteil BGHZ 51, 174, 181).

Aufgrund der Feststellung des Berufungsgerichts ist es unwahrscheinlich, daß dem Beklagten über das bereits gezahlte Honorar von 122.800 DM ein weiteres Resthonorar zusteht. Der Beklagte hat lediglich die Leistungsphasen 1 bis 4 erbracht, so daß ihm nach § 15 Abs. 1 HOAI nur 27 % des Gesamthonorars zustehen. Da die Parteien in dem Architektenvertrag die Vergütung der Mehrwertsteuer nicht vereinbart haben, kann der Beklagte die Mehrwertsteuer nach dem maßgeblichen § 9 a.F. (1977) HOAI nicht gesondert verlangen, so daß der dem Beklagten zustehende Höchstsatz ohne Mehrwertsteuer zu ermitteln ist. Danach ist bei der Berechnung des Höchsthonorars davon auszugehen, daß das an den Beklagten gezahlte Honorar von 122.800 DM 27 % des Gesamthonorars entspricht. Das Gesamthonorar beträgt unter dieser Voraussetzung 454.814,81 DM. Rechnet man zugunsten des Beklagten das Gebäude der Honorarzone IV zu, müßte die anrechenbare Bausumme bei einem Höchsthonorar von 454.814,81 DM über 5 Mio. DM betragen. Da sich die vereinbarten pauschalen Baukosten auf 3.627.103 DM belaufen, werden die nach § 10 Abs. 2 HOAI für die Berechnung nach § 4 Abs. 3 HOAI maßgeblichen anrechenbaren Kosten den Betrag von 5 Mio. DM aller Wahrscheinlichkeit nach nicht übersteigen.

II.

Das angefochtene Urteil kann nach alledem nicht bestehenbleiben. Es ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Zur abschließenden Entscheidung gem. § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist der Senat nicht in der Lage, weil das Berufungsgericht die nach § 10 Abs. 2 HOAI für die Berechnung nach § 4 Abs. 3 HOAI maßgeblichen anrechenbaren Kosten nicht festgestellt hat und weil nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens nicht auszuschließen ist, daß der Beklagte sein Honorar auf andere Weise (§ 22 HOAI) berechnen kann, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zulässigerweise geltend gemacht hat.

 

Unterschriften

Girisch, Bliesener, Thode, Haß, Hausmann

 

Fundstellen

NJW 1990, 1365

Nachschlagewerk BGH

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