Leitsatz (amtlich)
Die Sorgfaltspflichten des mit der Bauaufsicht beauftragten Architekten sind nicht deshalb gemindert, weil die ausgeschriebenen Arbeiten vom Bauherrn selbst vergeben werden.
Normenkette
BGB §§ 633, 635
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 14. Juli 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten Architektenhonorar. Der Beklagte begehrt mit der Widerklage, den Kläger zum Schadensersatz in Höhe von 100.200 DM zu verurteilen sowie festzustellen, daß der Kläger verpflichtet ist, Ersatz zu leisten für Schäden, die durch unzureichende Ausschachtungsarbeiten entstanden sind oder noch entstehen werden.
Der Beklagte beauftragte den Kläger mit den Architektenleistungen über die Modernisierung und Instandsetzung eines Mehrfamilienhauses. Gegenstand des Vertrages war unter anderem die Objektüberwachung. Im Rahmen der Instandsetzungsarbeiten war es notwendig, auf einer Strecke von etwa 35 m entlang der Rückseite des Gebäudes und einer Remise einen Graben zu verlegen. Das vom Kläger gefertigte Leistungsverzeichnis sah für den Verbau des Arbeitsgrabens bis 2,5 m Tiefe vor „Bohlen und Kanthölzer für Verbau liefern, einbauen, sichern, unterhalten und ausbauen”. Der vom Beklagten mündlich mit der Aushebung des Grabens beauftragte K. begann am Freitag, 8. November 1996, mit den Arbeiten. Der Sicherungsverbau wurde bei den Arbeiten nicht errichtet. Wegen der fehlenden Sicherung stürzte die Außenfassade der Remise am Montag, 11. November 1996, in den bis dahin 1,60 m tief ausgeschachteten Graben.
Der Beklagte macht den Kläger in der Widerklage dafür wegen behaupteter Verletzung der Bauaufsicht verantwortlich.
Das Landgericht hat die Widerklage durch Teilurteil abgewiesen. Die Berufung des Beklagten war ohne Erfolg. Mit der dagegen gerichteten Revision verfolgt der Beklagte sein Widerklagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Kläger habe seine Pflichten aus dem Architektenvertrag weder bei der Vergabe noch bei der Bauüberwachung verletzt.
Die Ausschreibung sei in Ordnung gewesen, weil der Kläger den Sicherungsverbau ausdrücklich vorgesehen habe. Der Beklagte habe nicht den Nachweis geführt, daß der Kläger seine Pflichten bei der Bauüberwachung verletzt habe. Die Überwachungspflicht habe hier einen geringeren Umfang gehabt, weil der Beklagte die Vergabe absprachegemäß allein übernommen habe. Es sei nicht bewiesen, daß der Kläger bei Baustellenbesuchen erkannt habe oder hätte erkennen können, daß der Sicherungsverbau nicht angelegt werde. Bewiesen sei, daß mit den Arbeiten am 8. November (Freitag) 1996 begonnen worden sei. Der Kläger sei am Morgen dieses Tages anwesend gewesen. Im übrigen habe das Gericht nicht die sichere Überzeugung davon gewinnen können, daß der Kläger die Baustelle am 11. November 1996, also zu einem Zeitpunkt besucht habe, in welchem sich die Grabungsarbeiten in einem kritischen Stadium befanden, und daß sich dem Kläger die Nichtausführung des erforderlichen Sicherungsverbaus aufdrängen mußte.
Selbst wenn man von einer Schadensmitverursachung des Klägers ausgehe, komme allenfalls ein Unterlassen und damit ein fahrlässiges Verhalten in Betracht. Dagegen habe der Beklagte „gegen seine eigenen Interessen verstoßend vorsätzlich” gehandelt, weil er den Unternehmer K. beauftragt habe, ohne dafür Sorge zu tragen, daß der Sicherungsverbau hergestellt wird. Der Beklagte müsse also wissentlich und willentlich bei der Auftragsvergabe an K. von dem vom Kläger in Erfüllung seiner Architektenpflichten aufgestellten Leistungsverzeichnis abgewichen sein.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung weitgehend nicht stand.
Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerhaft davon aus, der Kläger habe bei der Objektüberwachung nicht die üblichen Sorgfaltspflichten eines Architekten beachten müssen (1). Davon ausgehend gelangt es verfehlt zu der Ansicht, der Kläger habe den Bau ordnungsgemäß überwacht (2). Rechtsfehlerhaft ist zudem die Beurteilung der beiderseitigen Verantwortlichkeit (3).
1. Der die Bauaufsicht führende Architekt ist nicht verpflichtet, sich ständig auf der Baustelle aufzuhalten. Er muß jedoch die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen und sich durch häufige Kontrollen vergewissern, daß seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1978 – VII ZR 15/78 = BauR 1978, 498 = ZfBR 1978, 17). Bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist der Architekt zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet (BGH, Urteil vom 26. September 1985 – VII ZR 50/84 = BauR 1986, 112, 113 = ZfBR 1986, 17, 18). Dies gilt in besonderem Maße, wenn das Bauwerk nicht nach einer eigenen Planung des Architekten, sondern nach den Vorgaben eines Dritten ausgeführt wird (BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 – VII ZR 82/98, zur Veröffentlichung vorgesehen). Besondere Aufmerksamkeit hat der Architekt auch solchen Baumaßnahmen zu widmen, bei denen sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben (BGH, Urteil vom 10. Februar 1994 – VII ZR 20/93 = BGHZ 126, 111 = BauR 1994, 392 = ZfBR 1994, 131).
Nach diesen Grundsätzen war die Verpflichtung des Klägers zur Bauaufsicht nicht gemindert, weil er einen Teil der Arbeiten nicht selbst vergeben hat. Wenn der Bauherr die ausgeschriebenen Leistungen selbst vergibt, hat der Architekt weder die Möglichkeit, auf die Beauftragung eines bestimmten, den Qualitätsanforderungen genügenden Bauunternehmers Einfluß zu nehmen noch hat er Kenntnis, ob die im Leistungsverzeichnis beschriebenen Arbeiten auch in der ausgeschriebenen Art vergeben werden.
2. Die vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Tatsachen sprechen dafür, daß der Kläger seiner Bauüberwachungspflicht nicht genügt hat. Danach war der Kläger nur am Morgen des 8. November 1996 (Freitag), an dem nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit den Grabungsarbeiten begonnen wurde, an der Baustelle, nicht aber am 11. November 1996, zu einem Zeitpunkt, in welchem sich die Grabungsarbeiten in einem kritischen Stadium befanden. Der Kläger wäre also nur zu Beginn der Grabungsarbeiten anwesend und gerade in der wichtigen und kritischen Situation, in der der Graben eine bestimmte Tiefe erreicht hatte, in dem die im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Bohlen und Kanthölzer hätten eingebaut werden müssen, abwesend gewesen.
3. Zu beanstanden ist auch die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, ein eventuelles Verschulden des Klägers trete hinter einem überwiegenden Verschulden des Beklagten zurück, so daß eine Haftung des Klägers auch deswegen ausscheide.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte sei wissentlich und willentlich, also vorsätzlich vom Leistungsverzeichnis abgewichen, ist nicht mit Tatsachen belegt. Im Tatbestand des Berufungsurteils wird nur festgestellt, daß der Beklagte den Unternehmer K. beauftragt habe. Daß dabei vorsätzlich angeordnet worden sei, daß keine Verbaumaßnahmen durchgeführt würden, wird dort nicht ausgeführt.
Unterschriften
Thode, Haß, Kuffer, Kniffka, Wendt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.11.2000 durch Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 505659 |
DB 2001, 382 |
NJW 2001, 965 |
BGHR 2001, 112 |
BauR 2001, 273 |
IBR 2001, 69 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 373 |
ZAP 2001, 7 |
MDR 2001, 268 |
VersR 2002, 1240 |
ZfBR 2001, 106 |
NZBau 2001, 213 |
RdW 2001, 84 |