Entscheidungsstichwort (Thema)
Güterschadenhaftpflichtversicherung. § 7a GüKG kein Schutzgesetz. Beförderungsauftrag. Subunternehmer
Leitsatz (amtlich)
Die Verpflichtung des Unternehmers nach § 7a GüKG i.d.F. v. 22.6.1998, eine Güterschaden-Haftpflichtversicherung zu unterhalten, ist kein Gesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zum Schutze des Vermögens eines Güterkraftverkehrsunternehmers, der einen ihm erteilten Beförderungsauftrag an einen Subunternehmer weitergibt.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; GüKG § 7a (i.d.F. v. 22.6.1998)
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 22.10.2003; Aktenzeichen 8 S 36/03) |
AG Mettmann |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Wuppertal v. 22.10.2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten materiellen Schadensersatz aus übergegangenem Recht.
Die Klägerin ist der Verkehrshaftungsversicherer des Güterkraftverkehrsunternehmers S. GmbH (im Folgenden: S.). Die S. betraute im Zeitraum von Juni 2001 bis Januar 2002 die Firma W. GmbH & Co. KG (im Folgenden: W.) mit der Auslieferung des Transportgutes verschiedener ihrer Auftraggeber. In insgesamt vier Fällen kam es zu Schadensersatzforderungen gegen die S., weil Frachtgut bei der W. bzw. ihrer Subunternehmerin abhanden gekommen, beschädigt oder verspätet an den Empfänger ausgeliefert worden war. Die Klägerin zahlte in allen Fällen auf die gegen die S. erhobenen Schadensersatzforderungen.
Der Beklagte hatte als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der W., über deren Vermögen am 1.5.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, für die W. eine Verkehrshaftungsversicherung mit einem Selbstbehalt von 1.000 DM je Schadensfall abgeschlossen. Dieser Betrag wurde in keinem der vier Schadensfälle erreicht.
Mit ihrer Schadensersatzklage begehrt die Klägerin Erstattung von 1.232,15 EUR. Das AG hat die zunächst gegen die W. und den Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Das LG hat die hiergegen gerichtete, jedoch nur gegen den Beklagten zu Ende geführte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren gegen den Beklagten weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht führt aus, bei den von der Klägerin geltend gemachten Schäden handele es sich um Vermögensschäden, für deren Ersatz ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB nicht in Betracht komme. Ansprüche aus § 425 HGB sowie aus positiver Vertragsverletzung könnten sich allenfalls gegen die W. richten, nicht aber gegen den Beklagten. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7a Abs. 1 S. 1 GüKG sei gleichfalls nicht gegeben. Durch den Abschluss einer Versicherung mit einem Selbstbehalt von 1.000 DM je Schadensfall habe der Beklagte der Versicherungspflicht aus § 7a GüKG genügt. Diese Norm solle in erster Linie den Frachtführer selbst vor einem ansonsten unübersehbaren Haftungsrisiko schützen. Dieses Haftungsrisiko sei aber bei einem angemessenen Selbstbehalt je Schadensfall wirksam begrenzt. Außerdem sei § 7a GüKG kein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz. Es spreche viel dafür, dass der Schutz des Auftraggebers sich lediglich und allenfalls als Reflex zu dessen Gunsten auswirken solle.
II.
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht den auf den Streitfall anzuwendenden § 7a GüKG i.d.F. v. 22.6.1998 (BGBl. I, 1485 ff. - im Folgenden: § 7a GüKG a.F.) nicht als Gesetz zum Schutz des Vermögens i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der S. angesehen.
1. Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit oder ein anderes Schutzgut im Auge haben. Andererseits enthält die Beschränkung des deliktsrechtlichen Schutzes auf absolute Rechtsgüter in § 823 Abs. 1 BGB eine gesetzgeberische Wertung, die nicht dadurch überspielt werden darf, dass der Anwendungsbereich des § 823 Abs. 2 BGB ausufert. Deshalb ist eine Norm nicht bereits dann als Schutzgesetz anzusehen, wenn der Individualschutz durch ihre Befolgung als Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Der Schutzumfang und der Kreis der Geschützten müssen deutlich erkennbar sein (BGH, Urt. v. 18.11.2003 - VI ZR 385/02, BGHReport 2004, 587 = MDR 2004, 274 = VersR 2004, 255; v. 16.3.2004 - VI ZR 105/03, BGHReport 2004, 1021 = MDR 2004, 996 = VersR 2004, 1012; jeweils m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen steht jedenfalls die S. als Güterkraftverkehrsunternehmerin, die einen ihr erteilten Beförderungsauftrag an einen Subunternehmer weitergegeben hat, nicht unter dem Schutz des § 7a GüKG a.F..
a) § 7a Abs. 1 GüKG a.F. verpflichtet den Unternehmer, eine Güterschaden-Haftpflichtversicherung zu unterhalten (BGH, Urt. v. 7.5.2003 - IV ZR 239/02, MDR 2003, 988 = BGHReport 2003, 945 = NJW-RR 2003, 1107 [1108]), die nach dem Gesetzeswortlaut alle Schäden zu umfassen hat, für die der Unternehmer bei Beförderungen mit Be- und Entladeort im Inland nach den frachtrechtlichen Vorschriften i.V.m. dem Frachtvertrag haftet. Diese Versicherungspflicht ist als Teil des Güterkraftverkehrsgesetzes gewerberechtlicher und damit öffentlich-rechtlicher Natur (Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 7a GüKG Rz. 1).
b) Der höchstrichterlichen Rechtsprechung können keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, diese Pflichtversicherung schütze auch die Vermögensinteressen des Güterkraftverkehrsunternehmers gegenüber seinem Subunternehmer, wenn dieser sich nicht ausreichend gegen Transportschäden versichert hat.
In einer älteren Entscheidung (BGH, Urt. v. 30.1.1964 - II ZR 141/62, NJW 1964, 1224 f.) hat der BGH die Frage verneint, ob das strafbewehrte Verbot, von den güterkraftverkehrsrechtlich vorgegebenen Beförderungsentgelten abzuweichen, zugleich die durch diese Festsetzung gebundenen, am Beförderungsvertrag beteiligten Unternehmer deliktsrechtlich schützen soll, ob also der unter Strafandrohung mit einem Verbot belegte Unternehmer zugleich Geschützter desselben Verbotes sein kann. Demgegenüber sind der Normadressat des § 7a GüKG (der Unternehmer) und der Verlader/Auftraggeber in Bezug auf die konkrete Versicherungspflicht nicht identisch, mag auch der Auftraggeber selbst im Rahmen eines anderen Vertragsverhältnisses versicherungspflichtiger Unternehmer sein. Dies unterscheidet die beiden Regelungsbereiche wesentlich voneinander. Deshalb kann aus jener Entscheidung für den Streitfall nichts hergeleitet werden.
Ohne Erfolg zieht die Revision die Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Schutzzweck der Kfz-Haftpflichtversicherung heran (BGH, Urt. v. 21.2.1974 - VI ZR 234/72, NJW 1974, 1086, m.w.N.). Diese ist auf den Streitfall nicht übertragbar. Allein aus dem Bestehen einer Pflichtversicherung kann nicht auf deren Zweck rückgeschlossen werden. Außerdem weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, es ginge zu weit, einen Willen des Gesetzgebers zu unterstellen, dass dem Auftraggeber über das wohl ausgewogene Haftungssystem des Handelsgesetzbuchs hinausgehend eine zusätzliche Anspruchsnorm zur Verfügung gestellt werden sollte.
c) In der Gesamtschau lassen die Gesetzgebungsmaterialien nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, dass der Gesetzgeber durch die Versicherungspflicht auch den Güterkraftverkehrsunternehmer im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit gegen die Folgen von Schäden habe schützen wollen, die im Verantwortungsbereich seines Subunternehmers entstehen.
Aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Güterkraftverkehrsgesetz v. 22.6.1998 ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber vorrangig die öffentlich-rechtliche Neuordnung des Güterkraftverkehrs bezweckt hat (BT-Drucks. 13/9314, 1 f.; BT-Drucks. 13/10037, 3 f.). Eine Versicherungspflicht, wie sie bis dahin § 27 GüKG vorgesehen hatte, sah der RegE nicht vor. § 7a GüKG wurde auf Anregung des Ausschusses für Verkehr des Deutschen Bundestages in das Gesetz eingefügt (BT-Drucks. 13/10037, 30). Dabei hebt der Ausschuss in seiner Beschlussempfehlung an den Deutschen Bundestag nur auf den ordnungsrechtlichen Charakter des Gesetzes ab, ohne weitere, vermögensschützende Zwecke erkennen zu lassen (BT-Drucks. 13/10037, 3 f.).
Hingegen heißt es in dem dieser Beschlussempfehlung angefügten Bericht, neben den Interessen der Allgemeinheit und der beteiligten Unternehmer an einem geordneten Güterkraftverkehrswesen und einem fairen Wettbewerb schütze § 7a GüKG mit der Beibehaltung einer Versicherungspflicht der vormals in § 27 GüKG bestimmten Art "zugleich den geschädigten Verlader/Auftraggeber. Der Gedanke des Verbraucherschutzes rückt insbes. im Umzugsverkehr in den Vordergrund, weil hier der Auftraggeber oftmals kein Geschäftsmann/Kaufmann ist" (BT-Drucks. 13/10037, 35).
Selbst wenn der Gesetzgeber damit nicht lediglich die tatsächlichen, reflexhaften Auswirkungen der Versicherungspflicht beschrieben haben sollte, sondern einen weiteren Normzweck, so sind diese Erwägungen doch im Hinblick auf den Verbraucherschutz erfolgt, also auf den nichtgewerblichen Auftraggeber.
Dass sich der Schutzzweck des § 7a GüKG a.F. darin erschöpfen sollte, den Versicherungspflichtigen von seinem Haftungsrisiko zu befreien, legt auch die Bezugnahme in der Gesetzesbegründung auf die Vorläuferbestimmung (§ 27 GüKG) nahe. Denn zu der in dieser Vorschrift angeordneten Pflichtversicherung hatte der BGH in gefestigter Rechtsprechung die Ansicht vertreten, sie schütze im Unterschied zur Transportversicherung das Interesse des Unternehmers, von seiner Haftpflicht gegenüber seinem Auftraggeber befreit zu werden, nicht aber dessen Integritätsinteresse (BGH, Urt. v. 7.12.1962 - II ZR 254/59, VersR 1962, 129; v. 1.2.1968 - II ZR 79/65, VersR 1968, 289; Thume, VersR 2004, 1222 [1223]). Danach kann auch nicht angenommen werden, seine sonstigen Vermögensinteressen hätten durch diese Verkehrshaftungsversicherung geschützt werden sollen.
d) Auch systematische Erwägungen sprechen gegen einen solchen Schutz.
Ohne Einfluss auf die Auslegung des Gesetzes ist insoweit das Bestehen einer Bußgelddrohung wie sie § 19 Abs. 1 Nr. 6a GüKG a.F. enthielt. Denn sie lässt ungeachtet ihrer Reichweite den Charakter der Pflicht unberührt, deren Verletzung sie entgegenwirken soll. Sie kann den Schutz der Interessen der Allgemeinheit ebenso verstärken, wie den Schutz von Individualinteressen.
Hingegen kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass der Güterkraftverkehrsunternehmer, der seinerseits als Auftraggeber auftritt, des Schutzes aus § 7a GüKG nicht bedarf, wenn er sich gesetzestreu und - wie er es seinem eigenen Auftraggeber schuldet - sorgfältig verhält. Er ist zugleich Unternehmer i.S.d. § 7a Abs. 1 GüKG und unterliegt als solcher der Versicherungspflicht. Kommt er dieser nach, ist sein Schadensrisiko abgedeckt. Gegen das verbleibende, wirtschaftlich weit unbedeutendere Risiko, mit höheren Versicherungsprämien belastet zu werden, kann er sich in zumutbarer Weise dadurch schützen, dass er sich von seinem Subunternehmer beim Vertragsabschluss dessen Versicherungsnachweis vorlegen lässt.
e) Stellt mithin § 7a GüKG kein Schutzgesetz zu Gunsten des Auftraggebers dar, kann dahinstehen, ob der Beklagte als Geschäftsführer des in der Rechtsform einer GmbH geführten Auftragnehmers durch den Abschluss einer Güterschaden-Haftpflichtversicherung mit Selbstbehalt seine Pflichten verletzt hat und ob er dafür dem Auftraggeber persönlich haftet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1288726 |
BGHR 2005, 495 |
NJW-RR 2005, 680 |
MDR 2005, 509 |
NZV 2005, 190 |
VRS 2005, 91 |
VersR 2005, 238 |