Leitsatz (amtlich)
Schadenersatzansprüche gegen einen Gesellschafter können dann nicht mehr selbständig geltend gemacht werden und werden bloße Posten der Auseinandersetzungsrechnung, wenn die Gesellschafter die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft beschlossen haben, die Schadenersatzleistung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht mehr benötigt wird und der ersatzpflichtige Gesellschafter selbst unter Berücksichtigung der ihn treffenden Verbindlichkeit noch etwas aus der Liquidationsmasse verlangen kann (im Anschluß an BGH, 1959-11-30, II ZR 145/58, WM IV 1960, 47 und BGH, 1977-02-03, II ZR 201/75, WM IV 1977, 617). Das gilt auch für den Fall des Ausscheidens des Gesellschafters aus der Gesellschaft.
Tatbestand
Die Parteien sind Gesellschafter der mit Vertrag vom 20. März 1987 gegründeten „L.-Gesellschaft des bürgerlichen Rechts”. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrages besteht der Gegenstand des Unternehmens in dem „Vertrieb von bereits kreierten und zukünftigen L.-Elementen sowie dem Aufbau und dem Betrieb einer oder mehrerer Produktionsstätten”. § 7 sieht für die Tätigkeit der Gesellschafter eine nach Aufgabe und Stundensatz zu bemessende Vergütung vor, über deren Höhe durch Gesellschafterbeschluß zu entscheiden ist. Diese Vergütung setzt § 3 für die von den Gesellschaftern zum Aufbau des Werkes geleisteten Arbeitsstunden auf 30,–DM/Stunde fest.
Die Gesellschafter erbrachten nach dem Erwerb eines für die Errichtung eines Fertigungsbetriebes bestimmten Grundstückes für die Gesellschaft unterschiedliche Leistungen. Die im Betrieb des Beklagten zu 1, ihres Vaters, angestellten Beklagten zu 2 und 3 verrichteten Arbeiten auf dem Gesellschaftsgrundstück. Zur Teilbefriedigung des für ihre Arbeitsleistungen von ihnen errechneten Vergütungsbetrages, dessen Fälligkeit und Höhe die Kläger bestreiten, hoben sie im Jahre 1988 in zwei Teilbeträgen insgesamt 48.000,– DM von einem bei der Dresdner Bank in S. geführten Gesellschaftskonto ab, über das sie gemeinsam verfügungsberechtigt waren und das aufgrund der Rückerstattung von Umsatzsteuerbeträgen an die Gesellschaft ein entsprechendes Guthaben aufwies.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten zu 2 und 3 verpflichtet sind, der Gesellschaft den abgehobenen Betrag zurückzuzahlen. Den Beklagten zu 1 halten die Kläger für verpflichtet, der Gesellschaft Schadenersatz in Höhe des umstrittenen Betrages zu leisten, weil er den Beklagten zu 2 und 3 in Absprache mit diesen und unter Hintergehung der Kläger den nach ihrer Ansicht unberechtigten Zugriff auf den Betrag ermöglicht habe.
Die Beklagten behaupten, die Kläger hätten der Abbuchung zugestimmt. Zudem sei die Gesellschaft durch Gesellschafterbeschluß aufgelöst worden. Aus dem Liquidationserlös stünde den Beklagten zu 2 und 3 noch ein die Klageforderung übersteigender Betrag zu. Die Beklagten zu 2 und 3 machen mit der von ihnen hilfsweise erhobenen Widerklage von dem ihnen nach ihrer Behauptung zustehenden Vergütungsanspruch einen Teilbetrag von 27.000,– DM geltend.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag und die Beklagten zu 2 und 3 ihren Widerklageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beklagten zu 2 und 3 im Verhältnis zu den Klägern nicht berechtigt waren, den Betrag von 48.000,– DM von dem Gesellschaftskonto bei der Dresdner Bank in S. abzuheben.
a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe den Beklagten zu 2 und 3 einen Vergütungsanspruch nach § 3 des Gesellschaftsvertrages rechtsfehlerhaft mit der Begründung aberkannt, ein Anspruch auf Zahlung einer erfolgsunabhängigen Vergütung von 30,– DM/Arbeitsstunde habe nur entstehen können, wenn ein vom Gesellschaftsvertrag unabhängiger Dienstvertrag abgeschlossen worden wäre. Diese Rüge ist jedoch nicht gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht erkennt den Beklagten für die beim Aufbau des Werkes geleisteten Arbeitsstunden eine Vergütung von 30,– DM/Stunde zu. Es hat seiner Entscheidung die nach Inhalt und Wortlaut eindeutige Regelung des Gesellschaftsvertrages zugrunde gelegt, nach der gemäß § 3 Abs. 2 die „zum Aufbau des Werkes” geleisteten Arbeitsstunden der Gesellschafter mit einem gesellschaftsvertraglich festgelegten Stundensatz von 30,– DM zu vergüten sind, hingegen die Höhe einer Vergütung für eine Tätigkeit, die die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 2 nicht erfüllt, nach § 7 Abs. 4 durch Beschluß der Gesellschafter festgesetzt werden muß. Da die von den Beklagten zu 2 und 3 erbrachten Leistungen die Merkmale des § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages unstreitig erfüllen, ist es folgerichtig davon ausgegangen, daß der von den Beklagten zu 2 und 3 geltend gemachte Vergütungsanspruch dem Grunde nach entstanden und pro Arbeitsstunde mit 30,– DM zu bemessen ist.
Das Berufungsgericht verneint jedoch die Fälligkeit dieses Anspruchs. Es hat dazu ausgeführt, die Beklagten zu 2 und 3 könnten eine Bezahlung mit Rücksicht auf die ihnen gegenüber der Gesellschaft obliegende Treupflicht deswegen nicht verlangen, weil der Produktionsbetrieb noch im Aufbau begriffen sei und die Gesellschaft die Forderungen ihrer Gesellschafter in der noch anhaltenden Aufbauphase nicht erfüllen könne. Denn sie sei nicht hinreichend mit Eigenkapital ausgestattet und erziele auch noch keine Gewinne. Aus dem Inhalt des Protokolls über die Gesellschafterversammlung vom 9. Juni 1988 entnimmt es, daß sich die Gesellschafter bei der Gründung der Gesellschaft darüber im Grundsatz auch einig gewesen sind. Offensichtlich hätten die Parteien ihre gesellschaftsrechtliche Verpflichtung angesichts der angespannten finanziellen Lage in der Aufbauphase so verstanden, daß sie von einer sofortigen Geltendmachung von Vergütungsansprüchen hätten absehen müssen. Gegen diese Ausführungen bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken. Die Revision hat dagegen auch keine Einwendungen erhoben.
Im Zuge dieser Ausführungen zur Fälligkeit der umstrittenen Vergütungsansprüche stellt das Berufungsurteil die Überlegung an, daß ihrer sofortigen Durchsetzung die gesellschafterliche Treupflicht dann nicht entgegengesetzt werden könnte, wenn die Gesellschafter mit der Gesellschaft einen gesonderten, vom Gesellschaftsvertrag unabhängigen Dienstvertrag abgeschlossen hätten, weil es den Vergütungsanspruch offenbar als Drittgläubigerforderung der Gesellschafter ansieht. Ob letzterem vorbehaltlos gefolgt werden kann, mag hier dahingestellt bleiben. Denn die Erwägungen des Berufungsgerichtes treffen schon deswegen nicht zu, weil der Gesellschafter auch die Erfüllung einer ihm gegen die Gesellschaft zustehenden Drittgläubigerforderung nur unter Beachtung der ihm obliegenden Treupflicht durchsetzen kann (RG JW 1937, 1986; Robert Fischer in GroßKomm. z. HGB, 3. Aufl., § 128 Anm. 43; Ulmer in MüKo 2. Aufl. § 705 Rdn. 168; Walter, JZ 1983, 261 m.w.N. in Fn. 16). Die Ausführungen des Berufungsgerichtes zu dieser Frage sind jedoch nur hypothetischer Natur, so daß sie auf das von ihm gefundene Ergebnis keine Auswirkungen haben.
b) Das Berufungsgericht hält es nach ergänzend von ihm durchgeführter Beweisaufnahme nicht für erwiesen, daß die Kläger der durch die Beklagten zu 2 und 3 mit Hilfe des Beklagten zu 1 getätigten Entnahme des Betrages von 48.000,– DM zugestimmt haben. Es folgt der Beweiswürdigung des Landgerichts, das die Aussagen der Zeugen U. R. und St. K. als miteinander unvereinbar gewertet und es deswegen nicht als erwiesen erachtet hat, daß bei dem im Mai 1988 veranstalteten Grillfest die von den Beklagten zu 2 und 3 erbrachten Arbeitsleistungen und die von ihnen beanspruchte Vergütung überhaupt Gegenstand des Gesprächs unter den Gesellschaftern gewesen sind. Das Berufungsgericht hat nach Vernehmung der Zeugen W. R. und B. F. sowie in Würdigung des Inhaltes der Protokolle über die Gesellschafterversammlungen vom 13. Mai und 9. Juni 1988 keine Veranlassung gesehen, von dieser Beweiswürdigung abzuweichen. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe dabei jedoch nicht berücksichtigt, daß der Zeuge K. sich nach eigenem Bekunden nur etwa 15 Minuten an dem gemeinsamen Tisch befunden habe und daher über den Verlauf der Gespräche gar nichts habe aussagen können. Zudem habe es übersehen, daß dieser Zeuge der Ehemann der Klägerin zu 1 und faktisch wie ein Gesellschafter aufgetreten sei, so daß er ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits habe. Damit kann die Revision jedoch ebenfalls keinen Erfolg haben.
aa) Landgericht und Berufungsgericht haben dem Umstand, daß sich der Zeuge K. nach eigenem Bekunden allenfalls 15 Minuten an dem gemeinsamen Mittagstisch befunden, im übrigen jedoch am Grillgerät aufgehalten hat, zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Der Zeuge hätte seine Zustimmung nur als Vertreter der Klägerin zu 1, seiner Ehefrau, erteilen können. Diese hat, wie sich aus seiner sowie der Aussage der Zeugin U. R. ergibt, erst vom Mittag an der Grillparty beigewohnt. Nach der Aussage der Zeugin U. R. hat das Gespräch über die Vergütung der Beklagten zu 2 und 3 am Vormittag stattgefunden, als die Klägerin zu 1 noch nicht anwesend war. War der Zeuge K. nur etwa 15 Minuten an dem gemeinsamen Mittagstisch, kann die behauptete Zustimmung nicht erfolgt sein, weil in dieser Zeit über die Vergütung nicht gesprochen worden ist. Für die Vormittagszeit scheidet eine Zustimmung deswegen aus, weil der Zeuge nach dem von der Revision zugrunde gelegten Ausgangspunkt zu dieser Zeit nicht Gesprächsteilnehmer gewesen ist.
bb) Es ist nicht zu beanstanden, daß Landgericht und Berufungsgericht der Aussage des Zeugen K. kein geringeres Gewicht beigemessen haben als den Aussagen der übrigen Zeugen. Das Landgericht hat ausdrücklich ausgeführt, daß die Zeugin U. R. bei dem Beklagten zu 1, dem Vater der Beklagten zu 2 und 3, lebt. Es hat bei Aufnahme der Personalien des Zeugen K. vermerkt, daß er der Ehemann der Klägerin zu 1 ist. Das Berufungsgericht hat auf den Inhalt des Landgerichtsurteils sowie die vor dem Landgericht protokollierten Aussagen beider Zeugen Bezug genommen und zusätzlich in seine Würdigung einbezogen, daß über die Vergütung der von der Zeugin U. R. für die Gesellschaft erbrachten Buchhaltungs- und Geschäftsführertätigkeiten gesprochen worden sei. Es ist daher davon auszugehen, daß es die Glaubwürdigkeit beider Zeugen und die Glaubhaftigkeit der von ihnen gemachten Aussagen auch unter dem von der Revision angesprochenen Gesichtspunkt gewürdigt hat.
2. Das Berufungsurteil kann jedoch unter einem anderen Gesichtspunkt keinen Bestand haben. Es legt zwar dem Ausgangspunkt seiner rechtlichen Erwägungen die Rechtsprechung des Senates zugrunde, nach der Schadenersatzansprüche der vorliegenden Art dann bloße Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung werden und damit nicht mehr selbständig geltend gemacht werden können, wenn die Gesellschafter die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft beschlossen haben, die Schadenersatzleistung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht mehr benötigt wird und der ersatzpflichtige Gesellschafter selbst unter Berücksichtigung der ihn treffenden Verbindlichkeit noch etwas aus der Liquidationsmasse verlangen kann (Sen.Urt v. 30. November 1959 – II ZR 145/58, WM 1960, 47, 48; Urt. v. 3. Februar 1977 – II ZR 201/75, WM 1977, 617, 618). Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht für die Entscheidung des Falles daraus die gebotenen Konsequenzen nicht gezogen und insoweit entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten nicht berücksichtigt hat. Die Beklagten haben ausdrücklich behauptet, in der Gesellschafterversammlung vom 9. Juni 1988 sei die Auflösung der Gesellschaft beschlossen worden. Das ergebe sich aus Wortlaut und Inhalt des Protokolls vom 9. Juni 1988. Zwar habe man sich noch auf die Durchführung von Probeläufen und die Anschaffung gewisser Gegenstände verständigt; das sei jedoch nur zu dem Zweck geschehen, um anschließend das gesamte Objekt über den Beklagten zu 1 für ca. 1,3 Mio. DM veräußern zu können. Dieser Veräußerungserlös habe anschließend unter die Gesellschafter verteilt werden sollen. Die Kläger haben demgegenüber ausgeführt, in dieser Versammlung sei die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen worden.
3. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zu erneuter tatrichterlicher Würdigung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß die Gesellschafter die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft beschlossen haben, wird es weiter zu prüfen haben, ob Gesellschaftsgläubiger vorhanden sind und der umstrittene Betrag zu deren Befriedigung benötigt wird. Diesem Gesichtspunkt ist auch dann Rechnung zu tragen, wenn, wie die Kläger behaupten, die Beklagten wirksam aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden sind.
Erst nach Klärung der vorstehenden, das Rechtsverhältnis der Kläger zu den Beklagten zu 2 und 3 betreffenden Fragen wird sich auch ergeben, ob den Klägern noch ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1 zusteht. Da die Beklagten zu 2 und 3 die Teilwiderklage nur für den Fall erhoben haben, daß die von ihnen hilfsweise erklärte Aufrechnung gegen die Klageforderung nicht durchgreift, hängt es auch von dem Ergebnis der Überprüfung dieser Fragen ab, ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind, daß über die Widerklage entschieden werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 650031 |
BB 1992, 307 |
ZIP 1992, 245 |