Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 21. April 1999 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 28. September 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in der am 7. April 1997 eröffneten Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Sch. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin), der die beklagte Bank einen Kontokorrentkredit gewährt hatte. Am 17. November 1995 trat die Schuldnerin der Beklagten zur Sicherung aller Ansprüche aus der Geschäftsverbindung ihre gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus dem Geschäftsverkehr, insbesondere aus Lieferungen und Leistungen, gegen alle Drittschuldner mit den Anfangsbuchstaben A bis Z ab.
Am 28. Februar 1997 stellte die Schuldnerin Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens. Zu diesem Zeitpunkt stand ihr Konto bei der Beklagten mit mehr als 350.000 DM im Soll. Seitdem sind auf dem Konto bei der Beklagten bis zum 17. März 1997 Zahlungen verschiedener Drittschuldner im Wert von insgesamt 36.674,98 DM eingegangen, die die Beklagte nur in Höhe von 922,14 DM an den damals zum Sequester bestellten Kläger weitergeleitet hat. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 4. März 1997 an den Kläger die zur Schuldnerin bestehende Geschäftsbeziehung gekündigt und nach ihrer Behauptung anschließend den Drittschuldnern gegenüber die Sicherungsabtretung offengelegt.
Der Kläger hat von der Beklagten die Auskehr des Restbetrages von 35.752,84 DM verlangt. Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Drittschuldner hätten an sie geleistet, und sich auf die Verrechnung eventueller Forderungen mit ihren Gegenansprüchen berufen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; die Klage ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers aus § 667 BGB durchgreifen lassen. Die Drittschuldner hätten nicht an die Beklagte, sondern an die Schuldnerin geleistet; denn die Beklagte habe nicht vorgetragen, die Schuldner der abgetretenen Forderungen aufgefordert zu haben, eine Leistung an sie selbst zu erbringen. Daher habe sie keine Umstände dargetan, die einer Wertung der Zahlungen als Leistung an die Schuldnerin entgegenständen.
Ob in der Saldierung der Zahlungseingänge auf dem im Soll geführten Girokonto der Schuldnerin bei der Beklagten eine Verrechnung oder eine Aufrechnung zu sehen sei, könne dahingestellt bleiben; denn beides sei gemäß §§ 2 Abs. 4, 7 Abs. 5 GesO i.V.m. § 394 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen. Daran ändere die vereinbarte Globalabtretung nichts; denn mit Gutschrift auf dem Konto seien die Forderungen gegen die Drittschuldner erloschen. Der Beklagten stände allenfalls ein Bereicherungsanspruch gegen die Schuldnerin aus § 816 Abs. 2 BGB zu, der aber trotz des Absonderungsrechts an den nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung noch offenen Forderungen der Gemeinschuldnerin lediglich zu den nicht bevorrechtigten Ansprüchen in der Gesamtvollstreckung gehöre.
II.
Diese Erwägungen halten in einem wesentlichen Punkt der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß die Beklagte an den Forderungen, die durch Leistung auf das von der Schuldnerin bei ihr geführte Konto getilgt wurden, keine in der Gesamtvollstreckung wirksamen Rechte erworben hat.
a) Die Schuldnerin als Sicherungsgeberin hat diese Forderungen selbst bei den Drittschuldnern eingezogen. Das Berufungsgericht ist verfahrensfehlerfrei davon ausgegangen, daß den Drittschuldnern im Zeitpunkt der Zahlung die Abtretung an die Beklagte nicht bekannt war. Sie bewirkten daher eine Leistung an die Sicherungsgeberin, die deren Forderung zum Erlöschen brachte (§ 362 Abs. 1 BGB) und zugleich gegenüber der Beklagten als Sicherungszessionarin gemäß § 407 Abs. 1 BGB schuldbefreiende Wirkung hatte (vgl. BGHZ 53, 139, 141; BGH, Urt. v. 11. Mai 1989 – IX ZR 222/88, ZIP 1989, 785, 786; v. 19. März 1998 – IX ZR 22/97, WM 1998, 968, 972). Damit war das durch die Globalabtretung – die das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als wirksam angesehen hat – begründete Sicherungsrecht der Beklagten erloschen.
b) Die Beklagte hat auch weder ein Recht auf Ersatzabsonderung noch einen Anspruch wegen rechtloser Bereicherung der Masse erworben.
aa) Ersatzabsonderungsrechte entstehen in der Gesamtvollstreckung entsprechend den nach der Konkursordnung geltenden Vorschriften (Senatsurt. v. 17. September 1998 – IX ZR 300/97, WM 1998, 2160, z.V.b. in BGHZ 139, 319). Die danach maßgeblichen Voraussetzungen des § 46 Satz 2 KO sind nicht erfüllt; denn die Gegenleistung ist schon vor Verfahrenseröffnung zur Masse gelangt (vgl. Senatsurt. v. 11. Mai 1989, aaO; v. 19. März 1998, aaO m.w.N.). Daß zu diesem Zeitpunkt bereits Sequestration angeordnet war, macht keinen rechtserheblichen Unterschied; auch dies ist in der Gesamtvollstreckung nicht anders als nach der Konkursordnung zu beurteilen (Senatsurt. v. 5. März 1998 – IX ZR 265/97, WM 1998, 838, 840).
bb) Ein gegen die Masse gerichteter Bereicherungsanspruch (vgl. dazu für die Gesamtvollstreckung BGHZ 131, 189, 199) steht der Beklagten ebenfalls nicht zu, weil während der Sequestration noch keine Masseverbindlichkeiten begründet werden können (vgl. Senatsurt. v. 5. März 1998, aaO S. 841).
2. Trotzdem verweigert die Beklagte die Auskehr der erhaltenen Zahlungen an den Kläger zu Recht. Aufgrund der Sicherungsabtretung, die die Beklagte mit der Schuldnerin wirksam vereinbart hat, ist die gegenüber dem Anspruch des Klägers erklärte Aufrechnung nicht nach § 2 Abs. 4 GesO i.V.m. § 394 BGB unwirksam.
a) Die Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach gegen Forderungen des Schuldners, die nach Eingang eines zulässigen Antrags auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung entstanden sind, nicht wirksam mit gewöhnlichen Forderungen aufgerechnet werden kann, soweit das Verfahren später eröffnet wird (BGHZ 130, 76; BGH, Urt. v. 21. März 1996 – IX ZR 195/95, WM 1996, 834; v. 18. April 1996 – IX ZR 206/95, WM 1996, 1063; einschränkend Urt. v. 25. Februar 1999 – IX ZR 353/98, WM 1999, 781), beruht darauf, daß das der Gesamtvollstreckung unterliegende Vermögen des Schuldners durch §§ 2 Abs. 4, 7 Abs. 3 Satz 1 GesO früher und in größerem Umfang vor Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung geschützt wird, als dies nach den Bestimmungen der Konkursordnung der Fall ist. Dem Zweck dieser Vorschriften entspricht es, die Aufrechnung mit ungesicherten Forderungen wegen ihrer zwangsvollstreckungsähnlichen Wirkungen im Ergebnis ebenso wie Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu behandeln (vgl. BGHZ 130, 76, 80, 81). Die mit der Verfahrenseröffnung gemäß § 7 Abs. 5 GesO zugunsten der Masse eintretenden Rechtswirkungen werden dadurch auf den Zeitraum ab Eingang des Eröffnungsantrags vorverlagert.
b) Der auf diese Weise bewirkte Masseschutz soll aber nicht weiterreichen als im eröffneten Verfahren selbst. Sichert das Gesetz die Rechte eines Gläubigers sogar nach Eröffnung des Verfahrens, gibt es keinen berechtigten Grund dafür, ihn nur in der Phase zwischen Antragstellung und der Entscheidung über die Eröffnung der Gesamtvollstreckung schlechterzustellen. Einem Gläubiger, dessen Aufrechnungsbefugnis sich als insolvenzfest erweist, kann auch in dem Zeitraum ab Antragstellung die Aufrechnung nicht versagt werden.
c) Entsprechend geschützt ist die Rechtsstellung der Beklagten im Streitfall. Sie hat an allen nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung noch bestehenden Forderungen der Schuldnerin ein Absonderungsrecht erworben, das wirksam und unanfechtbar begründet worden ist. Infolgedessen hätte sie sogar die Zahlungen zur Rückführung ihrer Darlehensforderung gegen die Schuldnerin verwenden dürfen, die nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung auf dem bei ihr geführten Konto eingegangen wären; an diesen Eingängen hätte ihr ein Ersatzabsonderungsrecht zugestanden (vgl. Senatsurt. v. 17. September 1998, aaO). Erweist sich somit für den Gläubiger die Aufrechnungslage nach der Verfahrenseröffnung als gesamtvollstreckungsfest, ist in der Aufrechnung gegenüber Forderungen, die zwischen Antragstellung und Eröffnungsbeschluß begründet wurden, keine unzulässige Zwangsvollstreckung im Sinne von § 2 Abs. 4 GesO zu sehen, obwohl an den entsprechenden Zahlungseingängen Ersatzabsonderungsrechte nicht entstanden sind.
d) Dieser Schutz der Aufrechnungslage des Empfängers einer Sicherungsabtretung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger in der Gesamtvollstreckung. Es gibt keinen einsichtigen Grund dafür, dem Kreditinstitut, das die vor Antragstellung eingegangenen Zahlungen aus zur Sicherheit abgetretenen Forderungen mit dem Sollsaldo verrechnen darf und in der Gesamtvollstreckung absonderungsberechtigt ist, die Befriedigung aus den Zahlungen zu versagen, die ab Antragstellung bis zur Eröffnung des Verfahrens eingegangen sind (im Ergebnis ebenso Urbanzcyk WuB VI G. § 12 GesO 1. 98).
III.
Da eine weitere Tatsachenaufklärung nicht mehr in Betracht kommt, hat der Senat in der Sache abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.12.1999 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen