Leitsatz (amtlich)
1. Wer einen Linienbus beschädigt, hat die auf die Reparaturzeit entfallenden Vorhaltekosten eines Reservefahrzeugs auch dann zu ersetzen, wenn der Ausfall des beschädigten Fahrzeugs durch Einsatz einer allgemeinen Betriebsreserve aufgefangen werden konnte. Daß ein Reservefahrzeug eigens für fremdverschuldete Unfälle gehalten wurde, ist nicht erforderlich (Abweichung von BGHZ 32, 280 ).
2. Neben den Vorhaltekosten wird eine weitere Entschädigung für Nutzungsausfall grundsätzlich nicht geschuldet.
Tatbestand
[1] Die grundsätzliche Ersatzfähigkeit von Vorhaltekosten für ein Reservefahrzeug, soweit sie im gegebenen Fall erforderlich und geeignet waren, einen Ausfallschaden - etwa durch Verlust von Einnahmen, durch Inanspruchnahme eines Mietfahrzeugs oder durch arbeits- und kostenaufwendige Behelfsmaßnahmen - zu vermeiden, hat der Senat schon in seinem Urteil BGHZ 32, 280 [vgl. Hinweis unter ES Kfz-Schaden F/3] bejaht. Allerdings hat es das genannte Urteil noch für erforderlich gehalten, daß das ersatzweise eingesetzte Fahrzeug gerade im Hinblick auf befürchtete fremdverschuldete Ausfälle vorgehalten worden ist. Insofern stellt das Berufungsgericht aber fest, daß der Fahrzeugpark der Kl. im Hinblick auf Ausfälle aller Art reichlicher bemessen war, und daß sie die vorhandenen Fahrzeuge alle in etwa gleichem Umfang eingesetzt hat. Dies steht indessen der Ersatzfähigkeit der Vorhaltekosten nicht entgegen. Der Senat hat schon in seinem Urteil vom 14.10.1975 [ES Kfz-Schaden F/6] erwogen, daß eine getrennte Vorhaltung von Fahrzeugen für fremdverschuldete und für andere Ausfälle wirtschaftlich eher fernliegt und es daher genügen sollte, daß der Geschädigte die Reservehaltung allgemein mit Rücksicht auf fremdverschuldete Ausfälle meßbar erhöht hatte, und daß sich diese Vorsorge dann schadensmindernd ausgewirkt hat. Diese Voraussetzungen sind nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils im Streitfall erfüllt. Der Senat ... hält an der früheren Rechtsprechung nicht mehr fest.
Die getrennte Reservehaltung für fremdverschuldete Ausfälle einerseits und andererseits für solche, die auf anderen Ursachen beruhen, entspricht nicht der betriebswirtschaftlichen Praxis und kann deshalb auch nicht aus rein haftpflichtrechtlichen Gesichtspunkten angesonnen werden. Ist, wovon hier nach den tatrichterlichen Feststellungen auszugehen ist, eine sowohl dem Risiko fremdverschuldeter als auch demjenigen anderer Ausfälle insgesamt angemessene Reserve gehalten worden, indem der Gesamtbestand an Fahrzeugen etwas höher lag, als dies ohne unvorhersehbare Ausfälle erforderlich gewesen wäre, dann erscheint es angemessen, den Schädiger mit den auf die Reparaturzeit entfallenden Vorhaltekosten für ein Fahrzeug zu belasten.
Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß angesichts einer mehrfachen Zweckbestimmung des bewußten Überbestandes an Fahrzeugen nur die Abrechnung eines Teils der Vorhaltekosten berechtigt sei. Denn auch soweit nicht fremdverschuldete Unfälle einen Rückgriff auf die Reserve erforderlich machen, ist eine solche Aufteilung des dem Schaden gleichzustellenden Vorhalteaufwandes nicht möglich. Daher müßte diese Meinung dazu führen, daß der Geschädigte jeweils nur einen Teil der Bestandserhöhung ersetzt bekommt, die er in Voraussicht fremdverschuldeter Unfälle zusätzlich vorgenommen hat.
Abwegig ist auch dem so begründeten Ersatzanspruch gegenüber der Einwand der Bekl., daß der Ausfall des beschädigten Fahrzeugs für die Kl. nicht ›fühlbar‹ geworden sei. Sie verkennen dabei, daß es insoweit überhaupt nicht um den Ersatz einer Entbehrung geht, sondern um die Erstattung von Kosten, die gerade zur Vermeidung einer schadensrechtlich relevanten Entbehrung aufgewandt worden sind. ...
[2] Über die demnach fehlerfrei der Kl. zugesprochenen und der Höhe nach festgestellten Vorhaltekosten hinaus kann die Kl. aber nicht die mit ihrer Revision weiterverfolgten zusätzlichen Entschädigungen für den zeitweiligen Nutzungsausfall beanspruchen.
Eine Entschädigung für zeitweise entgangene Gebrauchsvorteile ... hat der BGH allerdings - soweit ersichtlich - nur bei privatgenutzten Pkw zuerkannt (inwieweit das Urteil des III. Zivilsenats vom 13.12.1965 [ES Kfz-Schaden F/3] - Linienomnibus - davon eine Ausnahme macht, wird unten erörtert werden). Das bedeutet allerdings nicht, daß die Erwägungen, die bei lediglich privat genutzten Fahrzeugen zur Zubilligung dieser Entschädigung geführt haben, bei gewerblich genutzten Fahrzeugen, Behördenfahrzeugen und Fahrzeugen gemeinnütziger Einrichtungen ... schlechthin ausgeschlossen wären ... . Wo allerdings das Fahrzeug unmittelbar zur Erbringung gewerblicher Leistungen dient, wie etwa eine Kraftdroschke (anders bei gleichzeitiger privater Nutzung, vgl. OLG München, MDR 1975, 755 [vgl. Hinw. unter ES Kfz-Schaden F/18], und KG, DAR 1976, 296 [ES Kfz-Schaden F/8]), wird sich die Gebrauchsentbehrung unmittelbar in einer Minderung des Gewerbeertrags niederschlagen, und zwar entweder durch den Entgang von sonst zu erwartenden Einnahmen (§ 252 BGB) oder über die mit einer Ersatzbeschaffung verbundenen Unkosten. Soweit dies zutrifft, hat der Geschädigte den Ertragsentgang konkret zu berechnen. Die ›Möglichkeit‹, den Entbehrungsschaden ›abstrakt‹ zu berechnen (Senatsurteil BGHZ 45, 212 [ES Kfz-Schaden E/4]), bedeutet insoweit keine Wahlmöglichkeit, sondern tritt allenfalls hilfsweise da ein, wo es infolge besonderer persönlicher Anstrengungen oder Verzichten des Geschädigten nicht zu einem Niederschlag im Gewerbeertrag gekommen ist ... .
Die schwierige Aufgabe, die reine Gebrauchsentbehrung nach allgemeinen Gesichtspunkten zu bewerten ... , stellt sich also erst, wo eine solche konkret bezifferbare Schadensauswirkung fehlt. Das ist allerdings auch bei gewerblicher Nutzung immerhin denkbar. So mag etwa der zeitweilige Ausfall eines innerbetrieblichen Direktionswagens, für den kein Mietfahrzeug als zeitweiliger Ersatz beschafft wird, durch zeitraubende und lästige Sonderbemühungen von Unternehmer und Personal aufgefangen werden; diese aber müssen, auch soweit sie nicht zusätzlich vergütet werden, nicht dem Schädiger zugute kommen ... . Ob der Senat unter diesen Gesichtspunkten allen Erwägungen im Urteil des III. Zivilsenats vom 13.12.1965, [ES Kfz-Schaden F/3] folgen könnte ... und ob diese nicht jedenfalls ihre Motivation teilweise dadurch verlieren, daß der erkennende Senat nunmehr die allzu strengen Anforderungen aufgibt, die er früher an die Anerkennung des Anspruchs auf Vorhaltekosten für ein Fahrzeug aus der Betriebsreserve gestellt hat ..., braucht nicht abschließend geprüft zu werden. Denn die dortige Entscheidung ist ersichtlich in besonderem Maße den im Einzelfall getroffenen Feststellungen verhaftet ... . Überdies bestehen im Ergebnis gegen die damalige Entscheidung des III. Zivilsenats, die auch nur die dort von der Kl. ... begehrten Vorhaltekosten zugebilligt hat, keine Bedenken. Denn entweder hätten aus der Sicht der nunmehr geänderten Rechtsprechung des erkennenden Senats wegen des Rückgriffs auf die allgemeine Betriebsreserve Vorhaltekosten für die Reservefahrzeuge anerkannt werden müssen, oder aber es wären, soweit eine Lücke blieb, nach den in BGHZ 56, 214 [ES Kfz-Schaden E/10] entwickelten Grundsätzen jedenfalls die entsprechenden Vorhaltekosten für das zeitweise ungenutzte Schadensfahrzeug zu ersetzen gewesen. Für eine zusätzliche Nutzungsentschädigung, die bei einem Fahrzeug der hier in Frage stehenden Art schon nach dem bisher Angeführten kaum denkbar ist, kann jedenfalls daneben kein Raum sein ... . Denn da die durch den zeitweisen Ausfall des Schadensfahrzeugs gerissene Lücke wirksam ausgefüllt werden konnte, ist der Kl. eine weitere Gebrauchsentbehrung nicht entstanden. Der Fall liegt also - abgesehen von der hier zu bejahenden Ersatzfähigkeit der Vorhaltekosten für ein Reservefahrzeug - ebenso, wie wenn der Kl. ein ansonsten brachliegendes Zweitfahrzeug zur Verfügung gestanden hätte ... .
Der Senat hat zwar in BGHZ 45,212, 221 [ES Kfz-Schaden E/4] gesagt, für den Ausfall eines zu Erwerbszwecken benutzten Wagens könne nicht nebeneinander Nutzungsausfall und Gewinnentgang verlangt werden; sollte diese Bemerkung indessen dahin verstanden werden können, immerhin könne Nutzungsausfall anstelle des Gewinnentgangs (oder hier: der Vorhaltekosten) verlangt werden, würde der Senat hieran nicht festhalten.
Fundstellen
Haufe-Index 2992688 |
BGHZ 70, 199 |
BGHZ, 199 |
NJW 1978, 812 |
DRsp I(123)216f |
DAR 1978, 164 |
JZ 1978, 274 |
MDR 1978, 567 |
VRS 54, 406 |
VersR 1978, 374 |
ES Kfz-Schaden F/12 |