Leitsatz (amtlich)
›1. Zur Frage der Treuepflichtverletzung eines Herstellers gegenüber einem Vertragshändler durch Aufnahme des parallelen Direktvertriebs.
2. Für die vertragliche Pflicht zur Überlassung des Kundenstamms als Voraussetzung eines Ausgleichsanspruchs entsprechend § 89 b HGB kommt es nicht darauf an, welchem Zweck die Verpflichtung des Vertragshändlers dient, seine Kundendaten dem Hersteller zu offenbaren. Entscheidend ist allein, ob dieser sich bei Vertragsbeendigung die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (st. Rspr., zuletzt Urteil vom 7. November 1991 - I ZR 51/90 = WM 1992, 825 unter II 1).‹
Tatbestand
Die Beklagte, deutsche Tochtergesellschaft des japanischen Elektronikkonzerns N., vertreibt dessen Produkte der ›Computer-Peripherie‹, insbesondere Drucker und Monitore auf dem deutschen Markt. Der Vertrieb erfolgte zunächst ausschließlich über sechs bzw. sieben sogenannte Haupthändler, zu denen auch die Klägerin gehörte. Die Parteien schlossen am 20. Juli 1984 einen als ›Liefervereinbarung für Haupthändler‹ bezeichneten Vertrag, der im wesentlichen die Bezugsmodalitäten für N. -Produkte regelte. Darüber hinaus verpflichtete der Vertrag die Klägerin, einen Verkäufer ausschließlich für den Verkauf von N.-Produkten einzusetzen, die Verkaufsergebnisse durch ausreichende technische Unterstützung zu fördern, ihre Kunden in Verkaufstraining zu unterrichten und sie bei Hard- und Softwareproblemen zu unterstützen. Ferner übernahm die Klägerin Mindestabnahmepflichten für bestimmte Drucker. Unter Nr. 11 des Vertrages heißt es:
›Wir erwarten einen wöchentlichen Statusreport darüber, welche Kunden-Vereinbarungen getroffen worden sind, zum Ende eines jeden Monats eine Liefervorausschau für unsere Produkte für den Folgemonat sowie einen Forecast (Bedarfsprognose) über weitere 5 Monate; darüber hinaus Informationen über den Markt, wie zum Beispiel ›Widerstände - Preis- und Wettbewerbssituation‹ Nr. 14 des Vertrages bestimmt, daß ›von dieser Vereinbarung... keine Exklusivität abgeleitet werden‹ könne. In der Folgezeit bezog und vertrieb die Klägerin außer den in der Liefervereinbarung bezeichneten Druckern, deren Produktion später eingestellt wurde, Nachfolgemodelle und weitere N.-Produkte, insbesondere Monitore. Deren Vertrieb war auch Gegenstand eines Großhändlervertrages vom 3. November 1986. Am 20. Juni 1989 schlossen die Parteien einen ›N.-Haupthändlervertrag‹, durch den die Klägerin zur ›N.- Werksvertretung‹ bestellt wurde und der, soweit hier von Interesse, im wesentlichen folgende Regelungen enthielt:
›§ 1 Rechtsstellung der Haupthändlerin
Die Haupthändlerin kauft und verkauft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Sie handelt als selbständiger Kaufmann N. und dem Kunden gegenüber. Zur rechtsgeschäftlichen Vertretung von N. ist sie nicht berechtigt.
§ 2 Vertragserzeugnisse
N. überträgt der Haupthändlerin mit Wirkung des Zustandekommens dieses Vertrages den Vertrieb der in der - Anlage 1 - dieses Vertrages bezeichneten Erzeugnisse (Vertragserzeugnisse). N. kann verlangen, daß dieser Vertrag auch auf solche Erzeugnisse erstreckt wird, die sie als Folge- oder Ergänzungserzeugnisse zu den vorbezeichneten Erzeugnissen im Vertrieb aufnimmt.
§ 3 Vertriebsgebiet
Die Haupthändlerin beabsichtigt, im Postleitzahlengebiet... tätig zu werden. Ein Alleinvertriebsrecht kann hieraus nicht abgeleitet werden.
§ 5 Warenbezug
Die Haupthändlerin wird die Vertragserzeugnisse nur von N. beziehen. Zeitlich befristete Ausnahmen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung von N. im Einzelfall.
§ 6 Wettbewerbsverbot
Erzeugnisse, die mit den Vertragserzeugnissen im Wettbewerb stehen, darf die Haupthändlerin nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung von N. vertreiben.
§ 7 Zusammenarbeit im Vertrieb
(1) Die Haupthändlerin hat die Handelsorganisation von N. in ihrer Gesamtheit zu unterstützen. Sie vertritt die Interessen von N. in ihrem Vertriebsgebiet. Die von ihr durchzuführenden Handelsgeschäfte haben den berechtigten Kundenerwartungen und den von N. gestellten Anforderungen an die Verkaufstätigkeit, den Kundendienst, den Teiledienst, den Geschäftsbetrieb und die Werbung zu entsprechen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, gewährleistet die Haupthändlerin namentlich
a) die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von qualifizierten Vertriebsleuten, so daß eine kontinuierliche und qualifizierte Betreuung der Händler sichergestellt ist,
b) regelmäßige Besuche ihrer Fachhändler, die Vertragserzeugnisse vertreiben,
c) die Einrichtung einer Applikationsabteilung und die Unterhaltung einer Fachhändler-Hotline, die eingehende Fragen bezüglich Hard- und Software kompetent beantworten können,
d) die Weitergabe von technischen Informationen (Hardware und Software) an die Fachhändler, die nicht ausdrücklich von N. als vertraulich bezeichnet worden sind,
e) die regelmäßige Unterstützung und Schulung der Fachhändler in Technik und Vertrieb,
f) die Teilnahme von mindestens einem ihrer Mitarbeiter bei N. -Schulungen, der die Trainingsinhalte weiter vermitteln kann.
(2) Die Haupthändlerin wird sich nach besten Kräften für den Absatz der Vertragserzeugnisse einsetzen, namentlich auch für die Vertragserzeugnisse in Fachzeitschriften, allgemeinen Zeitschriften und Zeitungen Werbung betreiben. Die Werbung ist mit N. abzustimmen....
... (4) Die Haupthändlerin wird N. im Dezember eines jeden Jahres die geplanten Absatzmengen hinsichtlich der Vertragserzeugnisse für den Zeitraum 1. April des Folgejahres bis 31. März des übernächsten Jahres mitteilen. Auf Verlangen von N. werden die Vertragsparteien die übermittelte Absatzplanung im einzelnen erörtern und gegebenenfalls ändern.
Darüber hinaus wird die Haupthändlerin jeweils zum Monatsende N. über ihre Tätigkeit, über wesentliche Entwicklungen des Marktes in ihrem Vertriebsgebiet sowie im Rahmen des Erforderlichen über die besonderen Verhältnisse einzelner Abnehmer berichten. Die Unterrichtungspflicht erstreckt sich nicht auf die Namhaftmachung des Kundenstamms, weder während der Dauer des Vertragsverhältnisses noch bei bzw. aus Anlaß der Beendigung des Vertrages.
Die Haupthändlerin wird N. außerdem jeweils zum 20. eines jeden Monats den voraussichtlichen Lieferumfang des nächsten Monats und der darauffolgenden 5 Monate schriftlich mitteilen.
§ 8 Mindestabnahmepflicht, Lagerhaltung
(1) Die Haupthändlerin verpflichtet sich zur Abnahme der in - Anlage 2 - genannten Mindestmengen und wird diese jeweils zur alsbaldigen Lieferung abrufen....
(2) Die Haupthändlerin hat während des gesamten Verkaufsjahres einen dem Geschäftsplan entsprechenden Bestand an Ausstellungs-, Lager- und Vorführprodukten zu unterhalten. Sie hat in ausreichendem Umfange Ersatz- und Zubehörteile zu den in der Anlage 1 genannten Vertriebserzeugnissen zu kaufen, am Lager zu halten und bei Verbrauch fortlaufend zu ersetzen. ‹
§ 9 verpflichtete die Haupthändlerin zur Ausführung von Garantie-, Gewährleistungs- und Instandsetzungsarbeiten. Nach § 12 Abs. 1 sollte der Vertrag am 31. März 1994 enden und erstmals zum 31. März 1991 kündbar sein.
In der Anlage 1 zu § 2 des Vertrages waren zwei Monitortypen bezeichnet. Die übrigen von ihr geführten N.-Produkte bezog und vertrieb die Klägerin auch nach dem 20. Juni 1989 weiter. Sie waren weiterhin Gegenstand der von ihr abgegebenen ›Forecasts‹.
Am 15. Januar 1990 ging die Beklagte ohne Vorankündigung dazu über, Einzelhändler im Verkaufsgebiet der Klägerin direkt über eigene Geschäftsstellen zu beliefern. Nach erfolgloser Abmahnung kündigte die Klägerin daraufhin das Vertragsverhältnis am 2. Februar 1990 fristlos. Mit der Klage verlangt die Klägerin einen angemessenen Ausgleich entsprechend § 89 b HGB in Höhe von mindestens 3 Mio. DM und im Wege der Stufenklage Auskunft über den Umfang der Direktverkäufe sowie Ersatz des daraus sich ergebenden Gesamtschadens, den sie in Höhe eines Teilbetrages von 500. 000 DM vorweg beziffert geltend macht. Das Landgericht hat der Klägerin durch Teilurteil den Ausgleichs- und den Schadensersatzanspruch jeweils dem Grunde nach zuerkannt und die Beklagte antragsgemäß zur Auskunft über den Umfang ihrer Verkäufe von Druckern, Monitoren, Ersatzteilen und Zubehör verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision, der die Klägerin entgegentritt, verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Beklagte schuldet der Klägerin angemessenen Ausgleich, ferner Schadensersatz und im Rahmen dieser Verpflichtung die von der Klägerin begehrte Auskunft.
A. I. Das Berufungsgericht hält einen Ausgleichsanspruch der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB für gegeben und hat dazu ausgeführt:
Zwischen den Parteien habe von Anfang an ein Rechtsverhältnis bestanden, das sich nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft habe. Die Klägerin sei vielmehr vertraglich so in die Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen, daß sie wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen gehabt habe. Das ergebe sich schon aus der Liefervereinbarung für Haupthändler vom 19. Juli 1984, durch die die Klägerin eine über Kaufvertragspflichten hinausgehende ›Aufgabe‹ übernommen habe und die den Vertrieb der Klägerin im einzelnen ausgestaltet und ihren Geschäftsbetrieb geregelt habe. Mit der in Nr. 11 niedergelegten Berichtspflicht habe sich die Beklagte ein wirkungsvolles Kontrollrecht geschaffen, wie es gegenüber Handelsvertretern üblich sei. Die Eingliederung der Klägerin in die Vertriebsorganisation der Beklagten sei dadurch noch verstärkt worden, daß die Parteien durch einverständliches Verhalten die vertraglichen Pflichten der Klägerin - Wettbewerbsverbot, Berichtswesen, Teilnahme an Veranstaltungen der Beklagten, Werbung, Auftreten als Werksvertretung, Kundendienst, Ersatzteillager und Preispolitik - weiter konkretisiert hätten. Durch den Haupthändlervertrag vom 20. Juni 1989, der sich nur auf zwei Monitortypen bezogen und die Vertragsbeziehungen der Parteien im übrigen unberührt gelassen habe, seien die die Eingliederung in die Vertriebsorganisation der Beklagten charakterisierenden Vertragspflichten der Klägerin - insbesondere das Wettbewerbsverbot, die Lagerhaltung und die Garantiearbeiten betreffend - noch eingehender niedergelegt worden. Die Klägerin sei auch vertraglich verpflichtet gewesen, der Beklagten den während der Vertragsdauer geschaffenen Kundenstamm zu übertragen. Den von der Klägerin nach Nr. 11 der Liefervereinbarung vom 19. Juli 1984 wöchentlich zu erstattenden Berichten habe die Beklagte alle Angaben entnehmen können, die sie benötige, um sich diese Kunden nutzbar zu machen. Die Parteien seien bei der Handhabung der Berichtspflicht übereinstimmend und zutreffend der Auffassung gewesen, daß diese sich auf sämtliche von der Klägerin vertriebenen N.-Geräte, also auch auf Monitore erstrecke. An dieser Pflicht zur Offenbarung der entscheidenden Kundendaten habe sich durch den Abschluß des Vertrages vom 20. Juni 1989 nichts geändert. Dessen § 7 Nr. 4 Abs. 2 nehme zwar für seinen begrenzten Geltungsbereich die Namhaftmachung des Kundenstammes von der Berichtspflicht aus. Die Klausel sei aber im Zusammenhang gesehen nicht eindeutig, da im voranstehenden Satz eine Berichtspflicht über die ›besonderen Verhältnisse einzelner Abnehmer‹ geregelt sei. Es sei auch weder vorgetragen noch ersichtlich, daß einzelne Kunden der Klägerin allein mit den in der Anlage zum Haupthändlervertrag bezeichneten Monitortypen beliefert und infolgedessen getrennte Berichte erstattet worden oder auch nur möglich gewesen seien. Eine Aufhebung der Berichtspflicht könne zudem die in der Vergangenheit aufgrund vertraglicher Verpflichtung erfolgten Mitteilungen nicht ungeschehen machen. Schließlich handele die Beklagte treuwidrig, wenn sie einen Wegfall ihrer Ausgleichspflicht aus der erwähnten Bestimmung herleiten wolle, die ›gleichsam an versteckter Stelle stehe und auf deren Wirkung sie nicht hingewiesen habe.‹
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
1. Rechtlich zutreffend und insoweit von der Revision unbeanstandet geht das Berufungsgericht davon aus, daß einem Vertragshändler in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB ein Ausgleichsanspruch zuzubilligen ist, wenn zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten ein Rechtsverhältnis besteht, das sich nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern den Vertragshändler aufgrund vertraglicher Abmachungen so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingliedert, daß er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat, und er verpflichtet ist, bei Vertragsbeendigung dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so daß sich dieser die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (st. Rspr., zuletzt Urteil vom 7. November 1991 - I ZR 51/90 = WM 1992, 825 unter II 1).
2. a) Das Berufungsgericht hat den von ihm hierfür angeführten Vertragsbestimmungen und der festgestellten jahrelangen Vertragspraxis der Parteien in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entnommen, die Klägerin sei so in die Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen, daß sie wirtschaftlich in erheblichem Umfang Aufgaben zu erfüllen gehabt habe, die sonst einem Handelsvertreter obliegen. Eine der Stellung eines Handelsvertreters vergleichbare Eingliederung in die Absatzorganisation des Herstellers/ Lieferanten ist dann gegeben, wenn der Vertragshändler sich für den Vertrieb der Erzeugnisse des Herstellers wie ein Handelsvertreter einzusetzen hat und auch sonst Bindungen und Verpflichtungen unterliegt, wie sie für einen Handelsvertreter typisch sind (BGH, Urteil vom 3. März 1983 - I ZR 34/81, NJW 1983, 1789 unter II; Urteil vom 16. Januar 1986 - I ZR 223/83 = WM 1986, 530 unter II 1). Derartige Bindungen und Verpflichtungen hat das Berufungsgericht mit Recht darin gesehen, daß die Klägerin den Vertrieb von N.-Produkten schon in der Liefervereinbarung für Haupthändler vom 19. Juli 1984 als ›Aufgabe‹ übernahm, daß die Liefervereinbarung den Vertrieb im einzelnen ausgestaltete, indem sie der Klägerin mittelbar unter Nr. 9 das Postleitzahlgebiet... als Vertriebsgebiet zuwies, ihr eine Abnahmegarantie abverlangte und zur Erreichung einer einheitlichen Angebotsstruktur der Haupthändler gegenüber den Kunden die Berücksichtigung der in der Preisliste der Beklagten ausgewiesenen Nachlässe empfahl, und daß sie die Klägerin verpflichtete, einen Verkäufer ausschließlich für den Vertrieb der Produkte der Beklagten einzusetzen, zur Absatzförderung ausreichende technische Unterstützung zu gewährleisten, ihre Abnehmer im Verkaufstraining zu unterrichten und sie bei Problemen aller Art zu unterstützen.
Die Revision vermißt zu Unrecht ausreichende tatsächliche Feststellungen für die Annahme, die Klägerin sei einem Handelsvertreter vergleichbar in die Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen, weil es an Bestimmungen zur Ausrichtung auf die Organisation des Herstellers fehle und die vom Berufungsgericht aufgeführten Vertragspflichten der Klägerin lediglich notwendige Folgen der vereinbarten Zusammenarbeit seien. Eine weitergehende Ausrichtung auf die Absatzorganisation des Herstellers, als sie hier in den Vertragsbestimmungen über Personaleinsatz, Verkaufsförderung, Kundenberatung und Preisgestaltung zum Ausdruck kommt, ist auch für Handelsvertreterverhältnisse nicht typisch. Mit der Übernahme dieser Vertragspflichten hat die Klägerin sich eines bedeutenden Teils ihrer unternehmerischen Freiheit begeben und sich zumindest mit einem Teil ihres Unternehmens ähnlich wie ein Handelsvertreter in die Vertriebsorganisation der Beklagten eingefügt. Daß die vereinbarte Zusammenarbeit der Parteien ohne diese Maßnahmen nicht möglich gewesen wäre, wie die Revision geltend macht, rechtfertigt es nicht, die von der Klägerin übernommenen Vertragspflichten lediglich als ›notwendige Folgen der vereinbarten Zusammenarbeit‹ zu werten. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 8. Juni 1988 (I ZR 244/86 = WM 1988, 1642 = NJW-RR 1988, 1305), auf die die Revision sich stützt, lag eine Fallgestaltung zugrunde, die sich von der hier zu beurteilenden im entscheidenden Punkt gerade dadurch unterscheidet, daß der Händlerin dort außer der Pflicht zur Verwendung des Herstellermarkenzeichens keine konkreten Pflichten für die Ausgestaltung des Vertriebs auferlegt worden waren (aaO. unter D 2).
Ein entscheidendes Kriterium für die einem Handelsvertreter vergleichbare Einordnung in die Absatzorganisation des Herstellers hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21. Januar 1987 - VIII ZR 169/86 = WM 1987, 542 unter II 2 b; Urteil vom 7. November 1991 - I ZR 51/90 = WM 1992, 825 unter II 2) darin gesehen, daß die Klägerin unter Nr. 11 der Liefervereinbarung für Haupthändler vom 19. Juli 1984 eine ins einzelne gehende Berichtspflicht übernommen hat. Eine noch weitergehende Kontrollbefugnis in Gestalt eines Rechts auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Klägerin ist hierfür entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich.
Auch die Verfahrensrügen, mit denen die Revision die Feststellungen des Berufungsgerichts bekämpft, die Eingliederung der Klägerin in die Vertriebsorganisation der Beklagten sei dadurch noch verstärkt worden, daß die Parteien nach Abschluß der Liefervereinbarung für Haupthändler die vertraglichen Pflichten der Klägerin durch einverständliches Verhalten weiter konkretisiert hätten, sind nicht begründet. Zur näheren Beschreibung des einverständlichen Verhaltens der Parteien nimmt das Berufungsurteil zulässigerweise auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug. Die tatrichterliche Wertung des Berufungsgerichts, die Parteien hätten durch die derart verstärkte Zusammenarbeit die Vertragspflichten der Klägerin weiter konkretisieren und ihre Eingliederung in die Vertriebsorganisation damit noch verstärken wollen, ist naheliegend, jedenfalls möglich und deshalb für das Revisionsgericht bindend.
Die Revision rügt ferner, es fehle an Feststellungen zur wirtschaftlichen Erheblichkeit derjenigen Aufgaben, die die Klägerin einem Handelsvertreter vergleichbar zu erfüllen gehabt habe. Der Handelsvertreter müsse ständig um die Vermittlung möglichst vieler Geschäfte bemüht sein. Das könne im Falle der Klägerin schon deshalb nicht angenommen werden, weil erst der Haupthändlervertrag vom 20. Juni 1989 verbindliche Mindestabnahmemengen eingeführt habe. Bis dahin habe sich die Klägerin bei ungünstigen Marktentwicklungen allein auf Hilfsmaßnahmen der Beklagten verlassen, die, wäre die Klägerin Handelsvertreterin gewesen, zu ihren Aufgaben gezählt hätten.
Auch diese Rüge ist nicht begründet. Daß die Klägerin dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben in wirtschaftlich erheblichem Umfang wahrzunehmen hatte, ergibt sich schon daraus, daß sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bis zum 15. Januar 1990 die Produkte der Beklagten in B. allein vertrieben hat. Ob die Klägerin in dem von der Beklagten gewünschten Maße Mindestabnahmepflichten einging und sich bemühte, die ›Forecast‹-Zahlen auch bei ungünstiger Marktentwicklung zu erfüllen, ist dafür ohne Belang.
Hat das Berufungsgericht nach alledem zu Recht angenommen, daß die Klägerin schon vor Abschluß des Vertrages vom 20. Juni 1989 und auch für die von diesem nicht erfaßten Produkte einem Handelsvertreter vergleichbar in die Absatzorganisation der Beklagten eingebunden war, so kommt es nicht mehr darauf an, ob und wie diese Bindung durch den Haupthändlervertrag vom 20. Juni 1989 noch verstärkt worden ist. Sie wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Beklagte, wie die Revision geltend macht, Ersatzteile, Garantie- und Reparaturarbeiten stets direkt gegenüber dem Fachhandel angeboten und Zubehör mit Wissen der Klägerin an einen Fachgroßhändler geliefert haben will.
b) Das Berufungsgericht hat ferner rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Beklagte aufgrund der getroffenen Vereinbarungen verpflichtet war, der Klägerin den während der Vertragsdauer geschaffenen Kundenstamm zu übertragen. Dabei kommt es, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, nicht darauf an, ob diese Verpflichtung erst im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung oder schon während der Vertragszeit durch laufende Unterrichtung des Herstellers über die Geschäftsentwicklung und Geschäftsabschlüsse zu erfüllen ist, vorausgesetzt nur, daß der Hersteller tatsächlich in die Lage kommt, den Kundenstamm nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weiter zu nutzen (BGHZ 68, 340, 343; Urteil vom 6. Februar 1985 - I ZR 175/82 = NJW 1985, 3076 unter II 1 a; Urteil vom 16. Januar 1986 - I ZR 223/83 = WM 1986, 530 unter II 1 b). Es ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Berichtspflicht der Klägerin nach Nr. 11 der Liefervereinbarung für Haupthändler vom 19. Juli 1984 als ausreichende vertragliche Grundlage für die Annahme einer Überlassungspflicht der Klägerin angesehen hat. Daß sie sich nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien auf alle von der Klägerin vertriebenen Geräte erstreckte und die Beklagte keine weiteren Angaben benötigte, um sich den Kundenstamm der Klägerin nutzbar zu machen, stellt auch die Revision nicht in Abrede.
Zu Unrecht hält die Revision dem entgegen, die vertragliche Berichtspflicht der Klägerin habe der Beklagten lediglich die bloß tatsächliche Möglichkeit verschafft, den Kundenstamm zu nutzen; rechtlich sei die Beklagte an der Nutzung der Kundendaten aber gehindert, weil ihr diese allein in Erfüllung der Berichtspflicht der Klägerin offenbart worden seien. Dabei übersieht die Revision, daß es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade nicht darauf ankommt, zu welchem Zweck die Pflicht des Eigenhändlers zur Namhaftmachung der Kunden und damit zur Überlassung des Kundenstamms begründet worden ist (Urteile vom 3. März 1983 - I ZR 34/81 = NJW 1983, 1789 unter II 2 und vom 14. April 1983 - I ZR 20/81 = NJW 1983, 2877 unter II 1 b). Entscheidend ist insoweit allein, daß die Beklagte durch die Erfüllung der Berichtspflicht der Klägerin tatsächlich in die Lage versetzt worden ist, wie ein Unternehmer beim Ausscheiden eines Handelsvertreters den Kundenstamm der Klägerin sofort nach Beendigung des Vertrages ohne Unterbrechung weiter für sich nutzbar zu machen (BGH aaO. und ständig, zuletzt Urteil vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85 = WM 1987, 1462 unter II A 2). Daß dies der Fall gewesen ist, räumt die Revision ein.
Entgegen der Auffassung der Revision kann die Beklagte auch nichts zu ihren Gunsten daraus herleiten, daß die Berichtspflicht der Klägerin in § 7 Nr. 4 Abs. 2 des Haupthändlervertrags vom 20. Juni 1989 dahin eingeschränkt worden ist, daß der Kundenstamm weder während der Dauer des Vertragsverhältnisses noch bei dessen Beendigung namhaft zu machen ist. Ob diese Klausel nicht eindeutig ist, wie das Berufungsgericht annimmt, mag dahinstehen. Zutreffend hat es jedenfalls darauf abgestellt, daß der Haupthändlervertrag vom 20. Juni 1989 Auswirkungen nur für die Zeit nach seinem Abschluß und auch nur für die beiden von diesem Vertrag erfaßten Monitortypen haben konnte. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus aber auch nicht festzustellen vermocht, daß die erwähnte Beschränkung sich in der Folgezeit auf die Berichtspflicht und die Berichtspraxis der Klägerin ausgewirkt hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob ihm auch in der weiteren Annahme gefolgt werden könnte, die Beklagte verhalte sich treuwidrig, wenn sie aus der Beschränkung der Berichtspflicht den Wegfall ihrer Ausgleichspflicht herleiten wollte.
III. Soweit die Revision sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, zwischen den Parteien habe ein Vertragshändlerverhältnis bestanden, das alle von der Klägerin vertriebenen N. -Produkte umfaßt und neben dem N.- Haupthändlervertrag vom 20. Juni 1989 fortgegolten habe, hat der Senat die erhobenen Verfahrensrügen geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).
IV. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Ausgleichsanspruch der Klägerin nicht nach § 89 b Abs. 3 HGB ausgeschlossen, weil die Beklagte durch die unangekündigte Aufnahme des parallelen Direktvertriebs ihre vertragliche Treuepflicht verletzt und dadurch der Klägerin begründeten Anlaß zur fristlosen Kündigung gegeben habe. Dafür sei nicht entscheidend, ob der Klägerin vertraglich ein Alleinvertriebsrecht oder eine dem nahekommende Position eingeräumt gewesen sei. Schon die allgemeine Treuepflicht habe es der Beklagten verboten, ohne vorherige Unterrichtung der Klägerin zum parallelen Direktvertrieb überzugehen. Bei der Bemessung dieser Treuepflicht müsse berücksichtigt werden, daß die Parteien jahrelang zusammengearbeitet hätten und daß die Produkte der Beklagten erst durch die Tätigkeit der Klägerin auf dem b...ischen Markt eingeführt worden seien. Weiter sei von Bedeutung, daß die Beklagte die Klägerin erst wenige Monate zuvor durch den Vertrag vom 20. Juni 1989 mit einer Mindestlaufzeit bis 31. März 1991 noch wesentlich enger an sich gebunden, ihr insbesondere durch das Wettbewerbsverbot nach § 6 für Monitore keine Möglichkeit gelassen habe, auf Konkurrenzprodukte auszuweichen. Die vertragliche Ausgestaltung der Vertriebsorganisation, der Mindestabnahmepflicht und der Lagerhaltung hätten von der Klägerin den langfristigen und nicht jederzeit reversiblen Einsatz von Personal und Kapital erfordert. Damit sei es unvereinbar, daß die Beklagte der Klägerin durch die Einführung des parallelen Direktvertriebs faktisch einen wesentlichen Teil ihres Geschäfts weggenommen habe. Das sei auch dann nicht anders zu beurteilen, falls die Beklagte auf die Möglichkeit eines Direktvertriebs wiederholt hingewiesen haben sollte. Daß die Aufnahme des parallelen Direktvertriebs für die Klägerin einschneidende Wirkungen haben werde, weil zumindest ein Teil ihrer Kunden sich den Verkaufsstellen der Beklagten zuwenden werde, sei offensichtlich gewesen. Auch die Beklagte habe dies vorausgesehen, was sich an ihrem Angebot zeige, Personal und Lagerbestände der Klägerin zu übernehmen. Die Beklagte hätte die Klägerin daher über ihr Vorhaben informieren müssen. Das habe sie nicht getan, ihre Absicht vielmehr durch falsche Beantwortung einer entsprechenden Anfrage der Klägerin verheimlicht. Ihr Vorgehen sei auch nicht durch Mängel im Vertrieb der Klägerin gerechtfertigt gewesen.
Das hält den Angriffen der Revision jedenfalls im Ergebnis stand. Ob die Aufnahme des parallelen Direktvertriebs durch die Beklagte schon allein der fehlenden Vorankündigung wegen pflichtwidrig war und die Klägerin zur Kündigung berechtigte, bedarf keiner Entscheidung. Begründeten Anlaß zu Kündigung hatte die Klägerin jedenfalls deshalb, weil die Aufnahme des parallelen Direktvertriebes als solche vertragswidrig war, wie sogleich darzulegen sein wird (unten B II 2). Darauf - und nicht auf die fehlende Vorankündigung - hat die Klägerin die Kündigung auch gestützt.
V. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht schließlich angenommen, das Erstgericht habe - ausnahmsweise - über den Ausgleichsanspruch durch Grundurteil entscheiden dürfen, weil es sämtliche Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung des § 89 b Abs. 1 HGB bereits festgestellt habe. Insbesondere stehe schon jetzt fest, daß die Beklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Vorteile aus den von der Klägerin geworbenen Kunden gezogen habe. Die ihr von der Klägerin überlassene ›H. -Händlerliste‹ vom 6. September 1989 weise mehrere hundert Kunden aus. Die Beklagte habe die Vermutung, daß der darin liegende Vorteil fortbestehe, nicht entkräftet. Vielmehr zeige der Ablauf der Einführung des Direktvertriebs, daß sie aufgrund der ihr von der Klägerin überlassenen Kundenadressen in der Lage gewesen sei, von heute auf morgen einen eigenen Vertrieb einzurichten. Dieser Vorteil der Beklagten korrespondiere mit einem entsprechenden Verlust der Klägerin. In welcher Höhe die Klägerin Verluste erlitten und die Beklagte Vorteile erlangt habe, könne dem Betragsverfahren überlassen bleiben.
Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteile vom 11. März 1982 - I ZR 27/80 = NJW 1982, 1757 unter II 2 und vom 4. Juni 1986 - I ZR 161/84 = VersR 1986, 1072 unter II 1) und werden von der Revision nicht angegriffen.
B. I. Das Berufungsgericht hält auch die Schadenersatzklage für dem Grunde nach gerechtfertigt. Für die Zeit bis zur fristlosen Kündigung des Vertragshändlerverhältnisses durch die Klägerin leitet es eine Schadensersatzpflicht der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung wegen der ›ankündigungslosen Einführung des Direktvertriebs‹ her. Für den der Klägerin infolge der Vertragsbeendigung entstandenen Schaden hat die Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts gemäß § 89 a Abs. 2 HGB einzustehen, weil sie durch ihr vertragswidriges Verhalten die Kündigung der Klägerin veranlaßt habe. Es sei wahrscheinlich und werde von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen, daß der Klägerin ›durch den Direktvertrieb‹ und durch den kündigungsbedingten Wegfall der von der Klägerin zuvor nahezu ausschließlich vertriebenen Produkte der Beklagten Umsatz und Gewinn entgangen seien. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne die Klägerin nicht nur verlangen, so gestellt zu werden, wie sie bei gehöriger Ankündigung der Aufnahme des Direktvertriebs gestanden hätte. Der die Beklagte treffende Vorwurf gehe nicht dahin, daß sie eine Mitteilung unterlassen, sondern dahin, daß sie den Direktvertrieb pflichtwidrig, nämlich ohne vorherige Ankündigung aufgenommen habe. Davon könne sie sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens entlasten, denn sie habe nichts dafür vorgebracht, daß der Klägerin der geltend gemachte Schaden auch dann entstanden wäre, wenn sie, die Beklagte, sich rechtmäßig verhalten hätte. Die Berufung auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten sei der Beklagten zudem deshalb verwehrt, weil die von ihr verletzte Treuepflicht die Klägerin vor einer derartigen Überrumpelung gerade habe schützen sollen.
II. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß die Begründung des Berufungsgerichts das angefochtene Urteil nicht trägt: Wollte man mit dem Oberlandesgericht nicht die Aufnahme des parallelen Direktvertriebs als solche, sondern allein die fehlende Vorankündigung dieser Maßnahme als Verletzung der vertraglichen Treuepflicht ansehen, so könnte die Klägerin nur den Schaden ersetzt verlangen, der ihr dadurch entstand, daß sie sich auf die neue Konkurrenzsituation nicht rechtzeitig einstellen konnte. Um einen solchen Schaden geht es indessen nicht. Die Klägerin begehrt vielmehr Ersatz des Gewinns, der ihr infolge des Direktvertriebs von N. -Produkten durch die Beklagte entgangen ist. Daran kann schon angesichts der Fassung der Auskunftsklage kein Zweifel bestehen. Auch das Berufungsgericht sieht einen möglichen Schaden der Klägerin allein in entgangenem Gewinn. Diese Gewinneinbuße kann aber nicht durch das Fehlen einer Vorankündigung, sondern nur durch die Aufnahme des parallelen Direktvertriebs als solche verursacht worden sein. Dem Berufungsgericht ist, wie die Revision mit Recht rügt, nicht zu entnehmen, auf welche Weise und in welchem Umfang dieser Schaden hätte vermieden werden können, wenn die Klägerin von der geplanten Aufnahme des parallelen Direktvertriebs rechtzeitig unterrichtet worden wäre.
Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Frage eines rechtmäßigen Alternativverhaltens der Beklagten. Vielmehr fehlt es, wie die Revision mit Recht beanstandet, an der Ursächlichkeit der vom Berufungsgericht angenommenen Vertragsverletzung für den mit der Klage geltend gemachten Schaden.
2. Das Berufungsurteil erweist sich gleichwohl im Ergebnis als zutreffend (§ 563 ZPO), weil entgegen der Auffassung der Revision die Aufnahme des parallelen Direktvertriebs durch die Beklagte als solche vertragswidrig war.
a) Der Vertrag zwischen Hersteller und Vertragshändler beruht auf einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und unterliegt deshalb in höherem Maße als andere Verträge der gegenseitigen Treuepflicht. Der Umstand, daß der Vertragshändler nicht nur seine Tätigkeit, sondern auch seinen Geschäftsbetrieb und das in ihm investierte Kapital weitgehend den Interessen des Herstellers unterordnet, verpflichtet diesen, den schutzwürdigen Belangen des Vertragshändlers angemessen Rechnung zu tragen und dessen Interessen nicht ohne begründeten Anlaß zuwiderzuhandeln (BGHZ 93, 29, 39; Urteil vom 21. Juni 1972 - VIII ZR 96/71 = WM 1972, 1092 unter II 2 b; Ulmer, Der Vertragshändler, S. 410, 411 f, 431 ff). Der Grad der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragshändlers hängt von der Ausgestaltung des Vertragshändlerverhältnisses ab. Ist dem Händler ein Alleinvertriebsrecht oder eine dem nahekommende Position eingeräumt, sind Eingriffe in das geschützte Absatzgebiet - wie etwa die Einsetzung weiterer Vertragshändler oder die Verkleinerung des Vertriebsgebietes - nur aus schwerwiegenden Gründen und bei angemessener Berücksichtigung der nachteiligen Folgen zulässig (vgl. BGHZ 89, 206). Geringeren Schutz genießt der Vertragshändler dagegen, wenn ihm die Vertriebskonzeption des Herstellers nach dem Gesamtinhalt des Vertrages gerade kein alleiniges Betätigungsfeld überläßt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 1988 - VIII ZR 360/86 = NJW-RR 1988, 1077 unter A I 3 b aa). Eine Treuepflicht trifft den Hersteller aber auch im Verhältnis zu dem nicht alleinvertriebsberechtigten Vertragshändler (BGHZ 93, 29, 54). Wo deren Grenzen verlaufen, muß anhand des im Wege der Auslegung zu ermittelnden Vertragsinhalts im Einzelfall bestimmt werden. Diese kann der erkennende Senat selbst vornehmen. Bei der ›Liefervereinbarung für Haupthändler‹ vom 20. Juli 1984 und dem ›N. -Haupthändlervertrag‹ vom 20. Juni 1989 handelt es sich um Formularverträge, die die Beklagte über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet hat. Sie können deshalb durch das Revisionsgericht frei ausgelegt werden.
b) Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß die Beklagte mit der Aufnahme des parallelen Direktvertriebs von N.- Produkten bei den bis dahin von der Klägerin belieferten Abnehmern gegen ihre vertragliche Treuepflicht verstieß. Zwar steht es einem Hersteller grundsätzlich frei, den Absatz seiner Erzeugnisse so zu organisieren, wie es ihm am zweckmäßigsten erscheint. Dieser unternehmerischen Freiheit begibt er sich indessen in gewissem Umfang, wenn er sich dazu entschließt, seine Produkte durch selbständige Unternehmen vertreiben zu lassen (BGHZ 93, 29, 39). Entschied die Beklagte sich für diesen Vertriebsweg, mußte sie fortan neben ihren eigenen unternehmerischen Interessen auch diejenigen ihrer Vertragspartner gebührend berücksichtigen und infolgedessen alles unterlassen, was deren Marktposition beeinträchtigte, ohne durch gewichtige Gründe auf Seiten der Beklagten gerechtfertigt zu sein. In welchem Maße die Beklagte auf die Interessen ihrer Haupthändler Rücksicht zu nehmen hatte, hängt entscheidend davon ab, welchen Pflichten und Beschränkungen sie diese in ihrem Vertriebsinteresse unterworfen hatte. Je mehr die Händler sich in die Vertriebsorganisation der Beklagten eingliederten und diese durch den Einsatz von Kapital und Personal unterstützten, um so mehr Rücksicht auf ihre legitimen Marktinteressen durften sie erwarten.
Nach diesen Maßstäben waren der Beklagten Eigenvertriebsaktivitäten auf der Handelsstufe der Klägerin verboten. Diese hatte sich schon in der Liefervereinbarung für Haupthändler weitgehend den Vertriebsinteressen der Beklagten untergeordnet, indem sie u.a. die Verpflichtung einging, einen Teil ihres Personals speziell für den Vertrieb von N.-Produkten einzusetzen (Nr. 8 a - c), Mindestabnahmepflichten übernahm (Nr. 8 d, Nr. 9) und sich zu eingehender Berichterstattung verpflichtete (Nr. 11). Diese weitgehende Ausrichtung auf die Vertriebsinteressen der Beklagten wurde nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts durch die einverständliche Handhabung der Liefervereinbarung aus dem Jahre 1984 und durch den N. -Haupthändlervertrag - für die von ihm erfaßten Geräte - noch erheblich verstärkt. Neben dem Verbot, Konkurrenzprodukte zu vertreiben (§ 6), fallen hier insbesondere die in §§ 7 - 9 im einzelnen aufgeführten Pflichten ins Gewicht.
Band die Beklagte ihre Haupthändler dergestalt in ihre Absatzorganisation ein, so liegt es auf der Hand, daß sie ihnen nicht zugleich auf ihrer Handelsstufe Konkurrenz machen durfte. Der von ihr aufgenommene parallele Direktvertrieb war - mehr noch als etwa die Einsetzung weiterer Haupthändler - geeignet, die Absatzchancen der Klägerin (und der übrigen Haupthändler) empfindlich zu beeinträchtigen. Denn während zusätzliche Haupthändler - reguläre Vertragsgestaltung vorausgesetzt - N. -Produkte nur zu denselben Konditionen wie die Klägerin hätten beziehen können und deshalb zu ihr in fairen Wettbewerb getreten wären, konnte die Beklagte selbst N.-Produkte zu niedrigeren Preisen anbieten und damit ihren Haupthändlern Kunden abjagen. Ein solch schwerwiegender Eingriff in die Absatzchancen ihrer Haupthändler bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der diesen auferlegten Händlerpflichten läßt die gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der Haupthändler völlig vermissen.
Zur Rechtfertigung dieses schwerwiegenden Eingriffs in die Marktposition ihrer Haupthändler müßten sich auf Seiten der Beklagten gewichtige Gründe anführen lassen. Das ist indessen nicht der Fall. Nach den von der Revision insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts war die Aufnahme des parallelen Direktvertriebs durch die Beklagte nicht durch Mängel im Vertrieb der Klägerin gerechtfertigt.
Entgegen der Auffassung der Revision kann sich die Beklagte demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe sich durch den Ausschluß eines Alleinvertriebsrechts (§ 3 des N.-Haupthändlervertrages) bzw. einer ›Exklusivität‹ der Klägerin (Nr. 14 der Liefervereinbarung) das Recht zum parallelen Direktvertrieb vertraglich vorbehalten. Aufgrund der genannten Vertragsbestimmungen mag der Beklagten die Befugnis zum Einsatz weiterer Haupthändler zugestanden haben. Ihnen läßt sich dagegen nicht entnehmen, daß die Beklagte darüberhinaus berechtigt sein sollte, ihren Vertragshändlern auf deren Absatzstufe selbst Konkurrenz zu machen. Das folgt schon aus der Verwendung des Begriffs ›Exklusivität‹, der üblicherweise das Verhältnis zu gleichartigen Absatzmittlern kennzeichnet, und noch deutlicher aus dem Regelungszusammenhang des § 3 des N.-Haupthändlervertrages, der das Vertriebsgebiet der Klägerin festlegte.
III. Da die Beklagte der Klägerin durch die vertragswidrige Aufnahme des parallelen Direktvertriebs Anlaß zur fristlosen Kündigung des Vertragshändlerverhältnisses gegeben hat, hat das Berufungsgericht die Beklagte im Ergebnis zu Recht für verpflichtet gehalten, der Klägerin entsprechend § 89 a Abs. 2 HGB auch den durch die Aufhebung des Vertragsverhältnisses entstandenen Schaden zu ersetzen.
IV. Entgegen der Auffassung der Revision kann die Klägerin Schadensersatz unabhängig davon fordern, daß ihr infolge der Beendigung des Vertragshändlerverhältnisses auch ein angemessener Ausgleich (oben A) zusteht. Denn beide Ansprüche dienen unterschiedlichen Zwecken. § 89 b HGB will einen Ausgleich dafür schaffen, daß dem Hersteller auch nach regulärer Beendigung des Vertragshändlerverhältnisses noch Vorteile zufließen, die auf die vorausgegangenen Vertriebsaktivitäten des Händlers zurückgehen. Durch den Schadensersatz soll die Klägerin dagegen nur für die Nachteile entschädigt werden, die ihr durch den vertragswidrigen Direktvertrieb während der Vertragsdauer sowie durch die vorzeitige Vertragsaufhebung entstanden sind und die ihr bei vertragsgerechtem Verhalten der Beklagten sowie regulärer Vertragsbeendigung erspart geblieben wären.
V. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Erlaß eines Grundurteils des Erstgerichts auch über das Schadensersatzbegehren der Klägerin gebilligt. § 304 Abs. 1 ZPO setzt voraus, daß der eingeklagte Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist. Daran fehlt es zwar regelmäßig im Falle einer Stufenklage, soweit und solange der Zahlungsanspruch noch nicht beziffert worden ist. Das ist hier indessen nur insoweit der Fall, als die Klägerin einen 500. 000 DM übersteigenden Gesamtschaden geltend macht. Über diesen Teil des Schadens haben die Vorinstanzen, deren Urteile wie alle gerichtlichen Entscheidungen der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1988 - III ZR 252/86 = NJW 1988, 1915 unter 3), indessen noch nicht entschieden. Berufungs- und Ersturteil lassen keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, daß der Klägerin auch ein den Betrag von 500. 000 DM übersteigender Schaden bereits dem Grunde nach habe zuerkannt werden sollen. Dagegen spricht nicht entscheidend, daß die Vorderrichter neben dem auf 500. 000 DM bezifferten Schadensersatzbegehren auch dem Auskunftsantrag der Klägerin stattgegeben haben. Denn durch die von der Beklagten zu erteilende Auskunft soll die Klägerin zumindest auch in die Lage versetzt werden, den bereits bezifferten Teil des geltend gemachten Schadens für das Betragsverfahren zu belegen. Es spricht nichts dafür, daß die Vorinstanzen den Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch zur Vorbereitung allein des noch unbezifferten Teils der Schadensersatzklage angesehen haben könnten.
C. Die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung in dem von der Klägerin beanspruchten Umfang, die das Berufungsgericht bestätigt hat, greift die Revision nicht an. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht stützt die Auskunftspflicht der Beklagten, die es aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) herleitet, auf die Erwägung, die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen brächten es mit sich, daß die Klägerin in entschuldbarer Weise über den Umfang ihres Schadensersatzanspruchs, der von den Umsätzen der Beklagten im Direktvertrieb abhänge, im Ungewissen sei, während die Beklagte die zur Beseitigung dieser Ungewißheit erforderliche Auskunft unschwer geben könne. Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 26. September 1991 - I ZR 149/89 = ZIP 1992, 56 unter IV 2 a m.w.Nachw. ).
Fundstellen
Haufe-Index 2993183 |
BB 1993, 2399 |
DB 1993, 1031 |
LM H. 9/93 § 276 [Hb] BGB Nr. 66 |
BGHR BGB vor § 1 Treuepflicht 3 |
BGHR HGB § 89a Abs. 1 Wichtiger Grund 8 |
BGHR HGB § 89b Abs. 1 Vertragshändler 1 |
DRsp II(210)379 a-b |
DRsp II(210)379a-b |
DRsp II(210)388 |
NJW-RR 1993, 678 |
WM 1993, 1464 |
MDR 1993, 520 |