Leitsatz (amtlich)

›1. Der Hersteller kann unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die allgemeine Treuepflicht auch dann durch die Einführung des parallelen Direktvertriebs Anlaß zur Kündigung des Eigenhändlers geben, wenn diesem kein Alleinvertriebsrecht eingeräumt worden ist.

2. Zur Frage einer entsprechenden Anwendung des HGB § 89b auf Computerperipherie-Eigenhändler.‹

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 1 HKO 8863/90)

 

Tatbestand

Die Beklagte ist Tochtergesellschaft eines japanischen Elektro- und Elektronikkonzerns. Die Klägerin vertrieb seit 1984 als Eigenhändler Computerzubehör, insbesondere Drucker und Monitore der Beklagten. Es existieren drei schriftliche Verträge, die zum Teil mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossen worden sind, nämlich eine "Liefervereinbarung für Haupthändler" vom 20.07.1984 (K 3), ein "Großhändlervertrag" vom 03.11.1986 (B 51) sowie ein "Vertragshändlervertrag" vom 20.06.1989 (K 15).

Der Vertrieb der Erzeugnisse der Beklagten im Bundesgebiet ohne Berlin erfolgte bis 15.0.1.1990 ausschließlich über die Klägerin und sechs bzw. fünf andere Händler. Zu dem erwähnten Zeitpunkt nahm die Beklagte ohne vorherige Ankündigung den Direktvertrieb an Händler über eigene Geschäftsstellen auf, auch im Verkaufsgebiet der Klägerin. Dies nahm die Klägerin nach Abmahnung zum Anlaß einer am 02.02.1990 zugegangenen fristlosen Kündigung; später erklärte die Beklagte ihrerseits die fristlose Kündigung.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin Ausgleich entsprechend § 89 b HGB und Schadensersatz wegen des Übergangs der Beklagten auf den Direktvertrieb.

Die Klägerin hat unter anderem vorgetragen, die Beklagte habe fortlaufend modifiziert, welche Teile ihrer wechselnden Produktpalette dem Vertragshändlervertrag jeweils unterfallen seien. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Einführung des Direktvertriebssystems, der Beklagten hätten sich die Umsätze der Klägerin drastisch verschlechtert. Die Klägerin benötige eine Mindestmarge für ihren Rohertrag von 15 % und sei gegenüber der im Zusammenhang mit dem Direktvertrieb stehenden Preispolitik der Beklagten nicht mehr wettbewerbsfähig. Der Direktvertrieb, insbesondere in Verbindung mit der Preisgestaltung, entziehe der Klägerin bewußt und systematisch die Existenzgrundlage. Die Klägerin sei seit 1984 als Werksvertretung in die Absatzorganisation der Beklagten eingebunden und zur Bekanntgabe ihrer Kunden verpflichtet gewesen.

Eine zunächst von der Beklagten erhobene negative Feststellungsklage haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klägerin hat anschließend beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines angemessenen Ausgleichsanspruchs analog § 89 b HGB, mindestens jedoch zur Zahlung von DM 3000000,-- zu verurteilen, die Beklagte weiter zu verurteilen, zunächst einen Schadensersatz von mindestens DM 500000,-- zu zahlen, schließlich die Beklagte stufenweise zu verurteilen, Auskunft über den Umfang ihrer Verkäufe mit Druckern u. a. zu erteilen und der Klägerin unter Berücksichtigung dieser Auskünfte den Gesamtschaden zu ersetzen, hilfsweise festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin allen darüberhinausgehenden Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die Einführung des Direktvertriebs und/oder der dadurch ausgelösten außerordentlichen Kündigung vom 01./02.02.1990 entstanden sei oder noch entstehe.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat U. a. vorgetragen, sowohl die frühere Vereinbarung als auch der neue Haupthändlervertrag seien jeweils auf die dort genannten Produkte beschränkt gewesen. Gemäß dem Wortlaut der vertraglichen Vereinbarungen sei sie zum Direktvertrieb berechtigt gewesen. Dies sei auch zwischen den Parteien ständiges Verhandlungsthema gewesen. Für die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt eine vertragliche Verpflichtung zur Bekanntgabe von Kundendaten bestanden. Im übrigen sei ein Ausgleichsanspruch der Klägerin jedenfalls gem. § 89 b Abs. 3 S. 2 HGB entfallen. Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, fristlos zu kündigen.

2) Das Erstgericht hat durch Grund- und Teilurteil den Ausgleichs- und den Schadensersatzanspruch jeweils dem Grunde nach zugesprochen. Daneben hat es - als Hilfsanspruch zum Schadensersatzanspruch - einen Auskunftsanspruch bejaht.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Ausgleichsanspruch der Klägerin bestehe dem Grunde nach. Die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89 b HGB lägen vor. Die Klägerin sei bereits aufgrund der Liefervereinbarung vom 19.07.1984 in der erforderlichen Weise in das Vertriebssystem der Beklagten eingebunden gewesen. Ihr sei das Postleitzahlengebiet X zumindest sinngemäß als Vertragsgebiet zugewiesen worden. Aus der Korrespondenz des Jahres 1986 zwischen den Parteien ergebe sich, daß die Klägerin mittelbar einem Wettbewerbsverbot unterlegen habe. Die Klägerin habe auf eigene Kosten Werbung betreiben und im Geschäftsverkehr als "... Werksvertretung" auftreten müssen. Schließlich sei die Klägerin verpflichte...

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