Leitsatz (amtlich)
›Die Vermittlung von Versicherungsverträgen während der Dienstzeit durch Angehörige des öffentlichen Dienstes - sei es mit, sei es ohne Inanspruchnahme dienstlicher Einrichtungen - ist mit § 1 UWG grundsätzlich nicht zu vereinbaren.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beklagten zu 1 und 4 sind Gemeinde- bzw. Kreisangestellte im öffentlichen Dienst, die Beklagten zu 2 und 3 sind Beamte von Landkreisen in Nordrhein-Westfalen. Im Besitz einer Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften vermitteln sie als "Vertrauensleute" für Angehörige des öffentlichen Dienstes Versicherungsverträge für die H. a.G. in C. (H. -C.). Nach der ihnen erteilten Genehmigung dürfen sie diese Nebentätigkeit nur außerhalb der Dienstzeit ausüben.
Der Kläger, ein Versicherungsmakler, suchte im Sommer 1990 an verschiedenen Tagen die Beklagten während der Dienstzeit auf und bat mit der unzutreffenden Angabe, Angehöriger des öffentlichen Dienstes zu sein oder in Kürze zu werden, um die Vermittlung von Kraftfahrzeug-Versicherungsverträgen. Er drängte dabei auf Aushändigung einer vorläufigen Deckungszusage, wobei er in zwei Fällen eine besondere Eilbedürftigkeit vorgab. Der Beklagte zu 1 hielt Rückfrage bei der zuständigen Geschäftsstelle der Versicherung, bevor er dem Kläger namens der Gesellschaft auf einer für einen anderen Kunden bereitliegenden Doppelkarte Versicherungsschutz zusagte. Er war in dieser Angelegenheit 20 Minuten tätig. Der Beklagte zu 2 fertigte nach den Angaben des Klägers die vorläufige Deckungszusage und einen Antrag auf Abschluß einer Kraftfahrzeughaftpflicht- und Kaskoversicherung. Er war dabei weniger als fünf Minuten für den Kläger tätig. In gleicher Weise verhielten sich die Beklagten zu 3 und 4. Die Beklagten zu 1 und 4 gaben dem Kläger auch ihre dienstliche Telefonnummer, unter der der Kläger sie jederzeit hätte erreichen können.
Der Kläger, der das Verhalten der Beklagten gegenüber deren Dienstherren beanstandet hat, hat vorliegend geltend gemacht, die Tätigkeit der Beklagten während der Dienstzeit in ihren Dienstzimmern unter Inanspruchnahme behördlicher Einrichtungen verstoße gegen die Vorschriften der Nebentätigkeitsverordnung sowie des Beamtenrechtsrahmengesetzes und sei wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagten unter Androhung gerichtlicher Zwangsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, in der Arbeitszeit und/oder unter Inanspruchnahme sachlicher Einrichtungen der Dienstherren ohne Genehmigung der Dienstvorgesetzten Nebentätigkeiten auf dem Gebiet des Versicherungswesens durchzuführen, insbesondere Versicherungsberatungen, Vorbereitungen und/oder Vermittlung von Versicherungsdeckungskarten und Terminabsprachen mit Kunden;
2. die Beklagten zu 1 und 4 unter Androhung gerichtlicher Zwangsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit der Anbahnung, Beratung und dem Abschluß von Versicherungsverträgen die dienstliche Telefonnummer zu verwenden.
Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Sie haben geltend gemacht, das Vorgehen des Klägers sei rechtsmißbräuchlich, weil er die angeblichen Wettbewerbsverstöße durch wahrheitswidrige Angaben herbeigeführt habe. Sie hätten bei den nur kurze Zeit in Anspruch nehmenden Gesprächen nicht gegen die Nebentätigkeitsverordnung verstoßen, weil sie für die Beratungen Arbeitspausen benutzt hätten.
Das Landgericht hat die Beklagten nach den Klageanträgen verurteilt.
Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten - in Übereinstimmung mit seinen Ausführungen in einem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren (OLG Hamm WRP 1991, 493) - die Klage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger die Klageanträge weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten im Sinne des § 1 UWG verneint. Dazu hat es ausgeführt: Das Handeln der Beklagten habe zwar objektiv und subjektiv Wettbewerbszwecken gedient. Zudem sei die Ausübung der Nebentätigkeit während der Dienstzeit bei allen Beklagten nicht von der ihnen erteilten Genehmigung gemäß § 68 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen i.V. mit § 6 der Nebentätigkeitsverordnung Nordrhein-Westfalen bzw. § 11 BAT i.V. mit den zuvor genannten Vorschriften gedeckt gewesen. Unbeachtlich sei, ob die Beklagten die Vermittlungstätigkeit während einer Pause betrieben hätten, da es nicht ihrer Entscheidung überlassen bleiben könne, sich zum Zwecke der Ausübung der Nebentätigkeit eine Pause zu nehmen.
Der Verstoß gegen die Vorschriften des Beamtenrechts stelle sich vorliegend jedoch nicht zugleich als ein Verstoß gegen § 1 UWG dar. Die Beklagten hätten durch die Verletzung der die Nebentätigkeit regelnden Bestimmungen gegenüber dem Kläger keinen Wettbewerbsvorsprung erzielt, da diese Vorschriften sich ausschließlich an Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes richteten und nur diesen Beschränkungen auferlegten, während der Kläger in der Gestaltung seiner Tätigkeit frei sei. Insoweit fehle es an einer par conditio concurrentium. Bei den von den Beklagten verletzten Gesetzesbestimmungen handele es sich auch nicht um unmittelbar wettbewerbsregelnde Gesetze oder um wertbezogene Normen. Diese dienten allein dienstlichen Interessen und entfalteten keine Außenwirkung zugunsten privater Wettbewerber. Zwar sei nicht auszuschließen, daß im Einzelfall in der Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit auch ein Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 1 UWG liegen könne, etwa wenn durch eine intensiv ausgeübte Nebentätigkeit die Gesundheit Dritter gefährdet oder das Ansehen der Behörde oder der Beamtenschaft insgesamt beeinträchtigt würde. Dies bedürfe aber keiner Vertiefung, da es um derartige Sachverhalte im Streitfall nicht gehe. Vorliegend handele es sich jeweils nur um relativ geringfügige Verstöße gegen eine ungenehmigte Nebentätigkeit, durch welche gravierende Belange der Allgemeinheit nicht berührt worden seien. Soweit es um die vom Kläger beanstandete Inanspruchnahme dienstlicher Einrichtungen wie die des Dienstzimmers, Telefonbenutzung usw. gehe, sei ein Verstoß gegen die Nebentätigkeitsregelung schon dem Grunde nach nicht ohne weiteres ersichtlich. Die erteilten Genehmigungen und späteren Stellungnahmen der Dienstherren ließen vielmehr erkennen, daß diese gegen die Inanspruchnahme von Diensteinrichtungen in der vorliegend in Rede stehenden Form keine Einwendungen gehabt hätte. Aber auch ein Verstoß gegen diese Vorschriften hätten nicht zur Annahme eines Wettbewerbsverstoßes geführt, da es sich hier um Vorschriften handele, die nach ihrer Zweckbestimmung allein dazu dienten, eine zweckfremde Verwendung öffentlicher Mittel zu verhindern. Dabei sei nicht zu verkennen, daß es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen könne, wenn Angehörige des öffentlichen Dienstes während der Dienstzeit öffentliche Einrichtungen für private Versicherungsvermittlungen in Anspruch nähmen und dabei eigenen Aufwand für Raummiete, Energiekosten und Büromaterial ersparten. Andererseits sei es jedoch nicht grundsätzlich Aufgabe der ordentlichen Gerichte, im Rahmen von Wettbewerbsprozessen über Zulässigkeit und Grenzen erwerbswirtschaftlicher Betätigungen im Bereich der öffentlichen Hand zu entscheiden, vielmehr sei dies Sache der Gesetzgebung und der Verwaltung. Der Verstoß gegen derartige Vorschriften, die nur dienstlichen Interessen dienten, sei wettbewerbsrechtlich nicht relevant, und zwar auch dann nicht, wenn er sich mittelbar auf private Mitbewerber nachteilig auswirke. Für eine Gefährdung des Wettbewerbsbestands insgesamt seien aufgrund der Tätigkeit der Beklagten als Vertrauensleute für die von ihnen vertretene Versicherung auch nach dem Vorbringen des Klägers keine genügenden Anhaltspunkte gegeben.
II. Die Revision hat Erfolg. Die Vermittlung von Versicherungsverträgen und die damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten von Angehörigen des öffentlichen Dienstes während der Dienstzeit mit oder ohne Inanspruchnahme sachlicher Einrichtungen des Dienstherren sind mit § 1 UWG nicht zu vereinbaren.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagten bei der Ausübung ihrer Vermittlungstätigkeit zu Wettbewerbszwecken im Sinne des § 1 UWG gehandelt haben. Nicht zu beanstanden ist ferner die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß diese Tätigkeiten von der den Beklagten jeweils erteilten Genehmigung nicht gedeckt waren, wie auch die Revisionserwiderung nicht in Abrede stellt. Des weiteren ist dem Berufungsgericht auch darin beizutreten, daß allein wegen dieses Verstoßes das vorliegend in Rede stehende Verhalten der Beklagten wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden ist, da die Vorschriften über die Nebentätigkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes dienstlichen Interessen dienen und nicht die Individualinteressen der Mitbewerber oder sonstiger Dritter schützen (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.7.1983 - 2 C 55.80, DÖV 1984, 346).
2. Dem Berufungsgericht kann aber nicht darin beigetreten werden, daß das angegriffene Verhalten - auch unabhängig von der dienstrechtlichen Beurteilung - wettbewerbsrechtlich (§ 1 UWG) nicht zu beanstanden ist. Bei seiner gegenteiligen Ansicht, die sich darauf stützt, daß es sich bei dem Vorgehen der Beklagten nur um mehr oder weniger geringfügige Verstöße gegen die Nebentätigkeitsgenehmigungen handelt, ist das Berufungsgericht der wettbewerbsrechtlichen Bedeutung und Bewertung des Verhaltens der Beklagten nicht hinreichend gerecht geworden. Mit den sittlich-rechtlichen Anforderungen, die sowohl aus der Sicht der Mitbewerber als auch aus der der Allgemeinheit an das Verhalten von Angehörigen des öffentlichen Dienstes bei der Ausübung von Nebentätigkeiten wie hier zu richten sind, ist das in Rede stehende Handeln der Beklagten nicht zu vereinbaren. Denn unabhängig von der im innerdienstlichen Interesse getroffenen dienstrechtlichen Ausgestaltung des Verbots von Nebentätigkeiten ist es wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht hinnehmbar, daß Angehörige des öffentlichen Dienstes ihre Dienstzeit nicht in vollem Umfang dienstlichen Interessen widmen, sondern dazu übergehen, die Dienstzeit (auch) für private Zwecke zu nutzen und mit der insoweit entfalteten Tätigkeit in den Diensträumen - sei es mit, sei es ohne Benutzung dienstlicher Geräte usw. - in Konkurrenz zu privaten Mitbewerbern zu treten. Diese Beurteilung schließt nicht aus, daß Fallgestaltungen denkbar sind, deren wettbewerbsrechtliches Gewicht so gering ist, daß sie dem Unwerturteil aus § 1 UWG nicht unterfallen. Für die hier in Frage stehenden Fälle gilt letzteres aber nicht. Beratungstätigkeiten über den Abschluß von Versicherungsverträgen während der Dienstzeit, die Ausfüllung von Anträgen und Deckungszusagen, die fernmündliche Einholung von Weisungen oder Stellungnahmen des Versicherers oder ähnliche Betätigungen im Dienst aus Anlaß der Wahrnehmung privater Aufgaben überschreiten die Grenze des wettbewerbsrechtlich Zulässigen, wobei es auf die Dauer der dafür jeweils aufgewendeten Zeit - 20 Minuten im Falle des Beklagten zu 1, eine kürzere Zeitspanne in den übrigen Fällen - nicht entscheidend ankommt.
III. Danach kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen und deren Würdigung durch das Berufungsgericht das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Jedoch ist damit nicht entschieden, ob die Klage letztlich auch Erfolg haben muß. Das wäre (nur) dann der Fall, wenn hinsichtlich aller vier Beklagten die Wiederholungsgefahr als weitere materiell-rechtliche Voraussetzung des in die Zukunft gerichteten Klagebegehrens zum Wettbewerbsverstoß hinzuträte. Diese Frage kann das Revisionsgericht nicht selbst entscheiden. Insoweit bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Zwar spricht im Wettbewerbsrecht, wenn ein Wettbewerbsverstoß begangen ist, eine (widerlegliche) tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, und nach ständiger Rechtsprechung kann diese Vermutung in aller Regel nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung - d.h. nur durch eine uneingeschränkte, bedingungslose und unwiderrufliche Unterwerfungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung - ausgeräumt werden, weil regelmäßig nur dann an der Ernstlichkeit der Unterwerfungserklärung kein Zweifel besteht (st. Rspr., zuletzt BGH, Urt. v. 9.12.1993 - I ZR 276/91 - Zigarettenwerbung in Jugendzeitschriften). Von dieser Vermutung kann jedoch das Revisionsgericht ungeachtet der Tatsache, daß sie im Streitfall in keinem der vier Fälle durch eine Unterwerfungserklärung ausgeräumt worden ist, nicht ausgehen, weil in Betracht zu ziehen ist, daß vorliegend - was tatrichterlicher Prüfung bedarf - die Vermutung der Wiederholungsgefahr ausnahmsweise aufgrund anderer Umstände entfallen kann. Insoweit ist einmal zu berücksichtigen, daß die wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit von Tätigkeiten wie den vorliegenden während der Dienstzeit erst jetzt höchstrichterlich klargestellt worden ist und die Sachlage deshalb Fallgestaltungen vergleichbar ist, in denen eine Unkenntnis oder ein Verkennen der Gesetzeslage als milder oder als entschuldigt angesehen werden kann und bei denen nicht ohne weiteres davon auszugehen ist, daß sich der Gesetzesverstoß wiederholt (vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1993 - I ZR 218/91, WRP 1994, 101, 104 - Flaschenpfand). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß es sich vorliegend in allen vier Fällen um provozierte Verstöße gehandelt hatte, bei denen die Bitte um Hilfe herausgestellt worden war, deren Erfüllung sich aber in Zukunft in dieser Form schwerlich wiederholen dürfte. Schließlich kann im Rahmen dieser Prüfung nicht außer acht gelassen werden, daß auch die Kontrolle durch die Dienstvorgesetzten der Beklagten, denen das angegriffene Verhalten zur Kenntnis gelangt ist, dazu angetan sein kann, einem erneuten Verstoß entgegenzuwirken.
IV. Danach war auf die Revision des Klägers das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3017217 |
NJW 1994, 2096 |
BGHR UWG § 1 Öffentlicher Dienst 1 |
BGHR UWG vor § 1 Wegfall 2 |
NVwZ 1994, 932 |
GRUR 1994, 443 |
DÖV 1994, 613 |
JZ 1994, 965 |
MDR 1994, 677 |
VersR 1994, 674 |
WRP 1994, 504 |