Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 24.06.2015) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 24. Juni 2015 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die dagegen auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beschäftigte sich der in Serbien lebende Angeklagte seit 2013 mit alternativen Heilmethoden und spezialisierte sich im Laufe der Zeit auf die Herstellung und Anwendung von Cannabisöl zu Therapiezwecken in der Schmerz- und Krebsbehandlung. Durch den Verkauf des Öls verschaffte er sich eine fortlaufende Einnahmequelle, wodurch er mittlerweile überwiegend seinen Lebensunterhalt finanziert. Da sein bisheriger Lieferant aus Montenegro in Lieferschwierigkeiten geriet, „denn sowohl in Montenegro als auch in Serbien ist der Handel mit Cannabispflanzen illegal, wird jedoch in Serbien bei der Verwendung zu Heilzwecken geduldet”, musste sich der Angeklagte einen weiteren Lieferweg erschließen.
Rz. 3
Er fuhr deshalb Ende Januar/Anfang Februar 2015 in die Niederlande und kaufte dort sechs Kilogramm Cannabispflanzen für 2.400 Euro. Da ihm der Transport mit dem Auto durch Deutschland nach Serbien zu riskant erschien, weil er wusste, dass dies strafbar ist und die Pflanzen zu viel Stauraum in Anspruch nehmen und daher auffällig sein würden, verarbeitete er die Pflanzen noch in den Niederlanden zu insgesamt rund 1,7 Kilogramm Cannabisöl mit einem Wirkstoffgehalt von rund 870 Gramm THC. Am 5. Februar 2015 begab er sich in Begleitung der nichtrevidierenden Mitangeklagten auf den Weg über Deutschland nach Serbien. Die Behältnisse mit dem Cannabisöl verstaute er an verschiedenen Stellen im Fahrzeug. Auf die Gepäckstücke im Gepäckraum legte er griffbereit einen Schlagstock sowie eine Schutzweste, um sich und die mitgeführten Betäubungsmittel vor Angreifern zu schützen. Um 21.25 Uhr wurde er in der Nähe von Neu-Isenburg einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, bei der die Betäubungsmittel sowie der Schlagstock aufgefunden wurden.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Schuldspruch und Strafausspruch halten rechtlicher Überprüfung stand. Der Erörterung bedarf jedoch Folgendes:
Rz. 5
1. Der Angeklagte hat bereits mit dem Transport des Cannabisöls im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG „Handel getrieben”.
Rz. 6
Unter den Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln fällt jede eigennützige Bemühung, die darauf gerichtet ist, den Umsatz mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern (BVerfG, NJW 2007, 1193; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256). Das weit auszulegende Tatbestandsmerkmal „Handeltreiben” wird im Hinblick auf die „weit nach vorne” gelegte Vollendungsschwelle als (unechtes) Unternehmensdelikt bezeichnet (vgl. BGH, GSSt aaO, 262; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2006 – 3 StR 392/06, NStZ 2007, 531, 532).
Rz. 7
Der vorliegend erfolgte Transport des Cannabisöls diente dazu, den Umsatz des in den Niederlanden erworbenen Öls aus eigennützigen Gründen zu fördern. Der solchermaßen auf Absatz gerichtete Transport von Betäubungsmitteln ist daher bereits als Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG zu werten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1986 – 5 StR 143/86, NStZ 1986, 415; Beschluss vom 1. August 2006 – 3 StR 149/06, NStZ 2007, 287).
Rz. 8
2. Der Angeklagte war nach deutschem Betäubungsmittelstrafrecht zu bestrafen.
Rz. 9
a) Der Anwendungsbereich des nationalen Strafrechts bestimmt sich nach den §§ 3 ff. StGB, denen zunächst das Territorialitätsprinzip zu Grunde liegt, wonach das deutsche Strafrecht nur für solche Taten gilt, die im Inland sowie auf bestimmten Schiffen oder Luftfahrzeugen begangen werden (§§ 3, 4 StGB). Anknüpfungspunkt ist insoweit der Begehungsort der Tat, so dass die nationale Strafgewalt ihre Legitimation in dem Bezug des geahndeten Verhaltens zum Staatsgebiet findet. Die Feststellung des Tatorts entscheidet von daher, ob über § 3 StGB ohne weiteres deutsches Strafrecht anwendbar ist. Wo wiederum der Begehungsort einer Tat liegt, richtet sich für den Täter nach § 9 Abs. 1 StGB. Begangen ist danach eine Handlung an jedem Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen (Handlungsort) oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte (Erfolgsort). § 9 Abs. 1 StGB bestimmt demgemäß, dass der Ort des Handelns (§ 9 Abs. 1 Var. 1 und 2 StGB) und der Ort des Erfolgseintritts (§ 9 Abs. 1 Var. 3 und 4 StGB) gleichermaßen Tatorte und damit Anknüpfungspunkte für die Anwendung des Territorialgrundsatzes darstellen.
Rz. 10
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist ein Tätigkeitsdelikt. Für die Frage, ob die Tat gemäß § 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 StGB im Inland begangen ist, ist deshalb allein auf den Handlungsort abzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. März 2011 – 3 StR 400/10; vom 17. Juli 2002 – 2 ARs 164/02, NStZ 2003, 269; vgl. auch Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 83). Gemäß §§ 3, 9 Abs. 1 StGB ist der Täter dem deutschem Strafrecht unterworfen, wenn er im Inland eine zur Tatbestandsverwirklichung führende Tätigkeit vornimmt und sich dadurch in Widerspruch zur Rechtsordnung seines Aufenthaltsortes setzt. Demgemäß ist eine Tat als an jedem Ort begangen anzusehen, an dem der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet oder versucht hat (vgl. Schönke/Schröder/Eser, StGB, 29. Aufl., § 9 Rn. 3; LK-Werle/Jeßberger, 12. Aufl., § 9 Rn. 10). Beim Handeltreiben ist daher ein Handlungsort überall dort gegeben, wo ein Teilakt verwirklicht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2006 – 3 StR 149/06, NStZ 2007, 287; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., Vor §§ 29 Rn. 294), mithin auch dort, wo Betäubungsmittel zum Zweck des Umsatzgeschäftes transportiert werden (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., Vorb. §§ 29 ff. Rn. 105).
Rz. 11
Da der Angeklagte mit dem Transport des Cannabisöls durch die Bundesrepublik eine auf die Tatbestandsverwirklichung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG gerichtete Tätigkeit im Inland entfaltet hat, ist das durch diesen Teilakt verwirklichte einheitliche Handeltreiben als Inlandstat anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1986 – 5 StR 143/86, NStZ 1986, 415; NK/Böse, StGB, 4. Aufl., § 9 Rn. 6). Dass der Weiterverkauf des Cannabisöls erst im Ausland eintreten sollte, ist für die Bestimmung des Begehungsortes ebenso unerheblich wie der Umstand, dass es zu seiner Herbeiführung noch weiterer Tätigkeiten des Angeklagten bedurfte.
Rz. 12
b) Ob einer Strafbarkeit wegen Handeltreibens nach deutschem Recht entgegenstehen könnte, wenn dies in Serbien strafrechtlich nicht verfolgt würde, kann vorliegend schon deshalb dahinstehen, weil gemäß Artikel 246 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs der Republik Serbien der Handel mit Cannabisöl auch dann strafbar ist, wenn er zu Heilzwecken erfolgt; die Möglichkeit eines Absehens bzw. Erlasses von Strafe ist für diesen Fall gesetzlich nicht vorgesehen.
Unterschriften
Fischer, Appl, Ott, Zeng, Bartel
Fundstellen
Haufe-Index 9174333 |
NStZ 2016, 414 |
NStZ 2016, 6 |
NStZ-RR 2016, 6 |