Leitsatz (amtlich)
Die Ausgabe von Büchern einer Werkbücherei an Betriebsangehörige stellt keine „Vermietung” im Sinne des § 27 Abs. 1 UrhG dar, wenn für die Gebrauchsüberlassung der Bücher kein besonderes Nutzungsentgelt zu zahlen ist.
Normenkette
UrhG § 27 Abs. 1
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 05.11.1968) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 5. November 1968 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist ein rechtsfähiger Verein kraft Verleihung. Sie führt den Namen Verwertungsgesellschaft W.. Die nach § 1 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Wahrnehmungsgesetz) vom 9. September 1965 (BGBl I 1294) erforderliche Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb einer Verwertungsgesellschaft ist ihr durch das Deutsche Patentamt erteilt worden. Nach ihrer Satzung verfolgt sie den Zweck, die Wortautoren und ihre Verleger zu einer Gesellschaft zusammenzuschließen, um die sich ergebenden Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Gemäß § 1 Abs. 3 der Satzung vom 21. März 1966 ist es Ziel der Klägerin, die urheberrechtlichen Befugnisse ihrer Mitglieder und Wahrnehmungsberechtigten treuhänderisch wahrzunehmen, die ihr vertraglich diese Wahrnehmung anvertrauen. Zu diesem Zweck schließt sie mit den Inhabern von Urheber- und Nutzungsrechten an Sprachwerken Wahrnehmungsverträge ab, nach deren § 1 der Klägerin aus allen dem Vertragsschließenden zustehenden oder erwachsenden Urheber- und Verlagsrechten die näher bezeichneten Rechtsbefugnisse zur treuhänderischen Wahrnehmung eingeräumt werden. Zu diesen Rechtsbefugnissen zählt gemäß § 1 Abs. 4 des Wahrnehmungsvertrages auch der Vergütungsanspruch des Berechtigten für die Vermietung von Vervielfältigungsstücken seines Werkes aus § 27 UrhG. Gemäß § 4 des Wahrnehmungsvertrages übt die Verwertungsgesellschaft W. die ihr eingeräumten Rechte in eigenem Namen aus. Sie ist ferner berechtigt, alle ihr zustehenden Rechte auch gerichtlich im eigenen Namen geltend zu machen.
Nach ihrem Vortrag gehören der Klägerin nahezu alle deutschen Buch- und Bühnenverleger und eine Überwiegende Zahl von Schriftstellern deutscher Sprache an, die im einzelnen in den von der Klägerin überreichten Listen aufgeführt sind.
Die Beklagte unterhält eine Werkbücherei, die an verschiedenen Standorten in der Bundesrepublik und West-Berlin gelegen ist. Zu deren Bestand gehören neben Fachbüchern auch Bücher sonstiger, insbesondere der schönen Literatur deutscher und ausländischer Autoren. Die Beklagte gibt die Bücher an ihre Betriebsangehörigen aus, wobei diese Bücher zum Teil auch von deren Familienangehörigen gelesen werden. Für die Benutzung der Bücher brauchen die Betriebsangehörigen nichts zu bezahlen.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, für die Gebrauchsüberlassung von Büchern derjenigen Schriftsteller, deren Rechte ihr zur Wahrnehmung eingeräumt worden seien, gemäß § 27 UrhG eine angemessene Vergütung zu zahlen. Denn bei der Gebrauchsüberlassung von Büchern aus der Werkbücherei der Beklagten an ihre Betriebsangehörigen handele es sich um eine Vermietung, die Erwerbszwecken der Beklagten diene. Wenn die Arbeitnehmer auch kein Entgelt in bar entrichteten, so liege gleichwohl eine Vermietung vor, weil die Gebrauchsüberlassung nicht unentgeltlich erfolge. Das Entgelt bestehe einmal in der vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsleistung und zum anderen in der Lohnbemessung mit Rücksicht auf diese ihm zu gewährende Zusatzleistung des Arbeitgebers. Eine andere Auslegung des § 27 UrhG widerspreche dem Grundgedanken des Urheberrechts, daß dem Urheber ein Entgelt für jede wirtschaftliche Nutzung seines Werkes gebühre. Sie sei auch unvereinbar mit Art. 3 GG, weil der Gesetzgeber nicht eine einseitige Belastung der privaten Mietbüchereien gewollt habe.
Zur Vorbereitung des Zahlungsanspruchs begehrt die Klägerin von der Beklagten Auskunft über den Bestand ihrer Werkbücherei sowie über die Zahl der Ausleihungen bezüglich solcher Bücher, deren Autorenrechte von der Klägerin wahrgenommen werden. Dabei hat die Klägerin klargestellt, daß mit den Klageanträgen nicht die Bücher erfaßt werden sollen, die von den Betriebsangehörigen der Beklagten am Arbeitsplatz benutzt werden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet, verfolgt die Klägerin die Klageanträge weiter.
Der erkennende Senat hatte auf Antrag der Beklagten die Verhandlung gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung über die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden (1 BvR 764/66) ausgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluß vom 7. Juli 1971 die Verfassungsbeschwerden mit der Begründung zurückgewiesen, daß es nicht verfassungswidrig sei, wenn § 27 Abs. 1 UrhG den urheberrechtlichen Vergütungsanspruch auf eine Vermietung „zu Erwerbszwecken” beschränke. Ob Werkbüchereien und Werkdiskotheken unter diese Vergütungspflicht fielen, sei zweifelhaft. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde sei zur Klärung dieser Auslegungsfrage zunächst der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zu erschöpfen (1 BvR 764/66, NJW 1971, 2165).
Nach Wiedereröffnung der Verhandlung verfolgen die Parteien ihre im Revisionsrechtszug gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klagebefugnis der Klägerin ohne Rechtsverstoß bejaht. Es legt unter Bezugnahme auf deren Satzung und auf die Bestimmung des Wahrnehmungsvertrags im einzelnen dar, daß die Klägerin befugt ist, die hier streitigen Ansprüche im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen (vgl. BGH GRUR 1963, 213, 214 – Fernsehwiedergabe von Sprachwerken).
II. In der Sache gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß den von der Klägerin nach ihrem Vorbringen vertretenen Verlegern und Wortautoren gegen die Beklagte kein Vergütungsanspruch gemäß § 27 UrhG zustehe.
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Beklagte bei der Ausgabe von Schriftwerken aus ihrer Werkbücherei Erwerbszwecke verfolgt, offengelassen. Nach seiner Auffassung ist jedenfalls das weitere Tatbestandsmerkmal, an das § 27 UrhG die Vergütungspflicht knüpft, eine „Vermietung” der Schriftwerke nicht erfüllt.
Bei Auslegung des Begriffs „Vermietung” in § 27 UrhG greift das Berufungsgericht auf die Begriffsbestimmung in § 535 BGB zurück, wonach es sich bei dem Mietvertrag um einen gegenseitigen Vertrag handele, der den Vermieter verpflichte, dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit zu gewähren und dem Mieter auferlege, dem Vermieter den vereinbarten Mietzins zu entrichten. Bei der zeitweiligen Gebrauchsüberlassung der Bestände der Werkbücherei an die einzelnen Betriebsangehörigen ohne Forderung einer besonderen Nutzungsentschädigung fehle es jedoch an der Vereinbarung eines Mietzinses. Die Arbeitsleistung der Betriebsangehörigen könne nicht als Entgelt, m. a. W. als der Mietzins im Sinne eines Mietvertrages nach § 535 BGB für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden. Es fehle insoweit an einer „finalen Gegenseitigkeitsbindung” zur Buchausgabe, also an einer wechselseitigen, von den Vertragspartnern beabsichtigten Abhängigkeit ihrer Leistung. Auch sei die Höhe der Gegenleistung nicht bestimmbar, wollte man einen Teil der Arbeitsleistung als Mietzins ansehen. Dieses Element sei aber für das Bestehen eines Mietvertrags als eines gegenseitigen Vertrages begriffsnotwendig. Auch würde die Anwendung der Vorschriften des Mietvertragsrechtes z.B. über die Ansprüche bei Mängeln der Mietsache auf das Ausleihen von Schriftwerken durch die Werkbücherei der Beklagten nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen. Aus diesem Grunde könne nicht angenommen werden, daß durch die Gebrauchsüberlassung aus der Werkbücherei das Tatbestandsmerkmal der Vermietung im Sinne des § 27 UrhG erfüllt werde.
Dieses Ergebnis stimme auch mit der Entstehungsgeschichte und den Materialien des Urheberrechtsgesetzes überein. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz liege nicht vor. Die ungleiche Behandlung von Mietbüchereien und Werkbüchereien in bezug auf die Autorentantieme verletze insbesondere nicht Art. 3 GG, da sie im Hinblick auf rechtliche, wirtschaftliche und soziale Unterschiede der Vorgänge bei der Buchausgabe nicht als willkürlich angesehen werden könne.
III. Den hiergegen gerichteten Angriffen der Revision muß im Ergebnis der Erfolg versagt bleiben.
1. Zwar ist der Revision beizupflichten, daß die Buchausgabe durch Werkbüchereien an Betriebsangehörige – entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung – auch dann Erwerbszwecken des Unternehmens im Sinne des § 27 Abs. 1 UrhG dient, wenn hierfür kein besonderes Nutzungsentgelt gefordert wird. Die Buchausgabe findet innerhalb der Sphäre des gewerblichen Unternehmens statt. Sie soll, wie andere soziale Einrichtungen eines Unternehmens, mit dazu beitragen, den Arbeitsfrieden und die Arbeitsfreude zu fördern, das Arbeitsklima insgesamt zu verbessern. Damit dienen die Werkbüchereien aber zugleich mittelbar dem Erwerbsinteresse des Unternehmens, was allein die steuerliche Begünstigung der Kosten für Einrichtung und Unterhaltung der Werkbüchereien als Betriebsausgaben rechtfertigt.
Aus den gleichen Erwägungen, aus denen der Senat unter der Geltung des Literatururheberrechtsgesetzes Musikveranstaltungen bei öffentlichen Betriebsfeiern als tantiemepflichtig angesehen hat, weil sie mittelbar gewerblichen Zwecken dienen (BGHZ 17, 376), ist auch bei den Werkbüchereien und Werkdiskotheken davon auszugehen, daß sie dem Gewerbebetrieb in seiner Gesamtheit zugute kommen, also wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens dienen (vgl. hierzu auch BGHZ 19, 227, 233 – Kirmes; BGH GRUR 1959, 428 f – Michaelismesse; OLG Frankfurt GRUR 1969, 53 re = NJW 68, 1144 – Fernsehübertragungen im Sozialwerk der Bundesbahn).
Dem steht nicht entgegen, daß in § 27 Abs. 1 UrhG nicht auf den „gewerblichen Zweck”, wie in § 27 Abs. 1 Satz 1 LitUrhG, sondern auf den „Erwerbszweck” abgestellt ist. Hierdurch sollte nicht etwa – entgegen der angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung – eine Freistellung von einer Urhebertantieme für diejenigen Fälle vorgesehen werden, in denen aus der Nutzung von Urhebergut innerhalb der gewerblichen Sphäre keine unmittelbaren Einnahmen erzielt werden, diese vielmehr nur mittelbar den eigenen Erwerb fördert. Vielmehr war durch die Wahl des Wortes „Erwerbszweck” anstelle der Worte „gewerblichen Zweck” insoweit keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung der Nutzungsfreiheit gewollt, indem nunmehr auch solche Werknutzungen einer Gebührenpflicht unterstellt werden sollten, die zwar nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebes durchgeführt werden, gleichwohl aber mittelbar die Erwerbsinteressen desjenigen fördern, der eine urheberrechtliche Nutzungshandlung vornimmt. Dies ergibt sich eindeutig aus der amtlichen Begründung zu dem mit § 52 Abs. 1 Nr. 1 UrhG übereinstimmenden § 53 Abs. 1 Nr. 1 des Regierungsentwurfs zum Urhebergesetz (abgedr. Ufita Bd. 45 S. 286; vgl. auch v. Gamm, § 27 Anm. 4, § 52 Anm. 9; Möhring/Nicolini, § 27 Anm. 7, § 52 Anm. 4 a; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 2. Aufl., § 27 Anm. 4; Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl., S. 152; Samson, Ufita Bd. 54 S. 27; Reichel, BB 1966, 1428 zu Ziff. III; a. Mg. Deringer, Urheberrecht, § 27 Anm. 3).
2. Gleichwohl kann die Klägerin mit ihrem Klagebegehren nicht durchdringen, weil das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei verneint hat, daß die Gebrauchsüberlassung aus den Beständen der Werkbücherei der Beklagten, für die kein Barentgelt von den Betriebsangehörigen erhoben wird, das weitere Tatbestandsmerkmal der „Vermietung” im Sinne des § 27 Abs. 1 UrhG erfüllt. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Begriff der Vermietung im Sinne dieser Bestimmung nicht das unentgeltliche Verleihen umfaßt, sondern eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung voraussetzt.
a) In den bis zum Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes geltenden Gesetzen ist ausdrücklich bestimmt gewesen, daß die ausschließliche Befugnis des Urhebers, das Werk zu vervielfältigen und gewerbsmäßig zu verbreiten, sich nicht auf das Verleihen erstreckt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 LitUrhG; § 15 Abs. 1 Satz 1 KunstUrhG). Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, war dabei jedoch in erster Linie an das Vermieten von Vervielfältigungsstücken durch sogenannte Leihbüchereien gedacht, so daß unter dem „Verleihen” im Sinne dieser beiden Gesetzesbestimmungen nicht nur die (unentgeltliche) Leihe im Sinne des § 598 BGB, sondern auch die (entgeltliche) Vermietung im Sinne des § 535 BGB zu verstehen war (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Urheberrechtsgesetzes, BT-Drucks. IV/270 zu § 27, abgedruckt Ufita Bd. 45 S. 269). Wenn in Kenntnis dieses Umstandes der Gesetzgeber nunmehr durch die Vorschrift des § 27 Abs. 1 UrhG dem Urheber einen Anspruch auf angemessene Vergütung gegen den Vermieter unter der Voraussetzung gewährt hat, daß die Vermietung Erwerbszwecken des Vermieters dient, so kann nicht angenommen werden, ebenso wie während der Geltung der früheren Gesetze unter dem Verleihen auch das Vermieten zu verstehen gewesen sei, sei nun unter dem Vermieten im Sinne des § 27 Abs. 1 UrhG auch das Verleihen zu verstehen. Im Gegenteil ist aus der Wahl des Wortes „Vermietung”, das bisher auch für die gewerbliche entgeltliche Buchausgabe unüblich war, zu folgern, daß der Gesetzgeber nur für die entgeltliche Gebrauchsüberlassung eine Urhebergebühr einführen wollte.
b) Zu Unrecht beanstandet die Revision, das Berufungsgericht habe bei der Auslegung des Begriffs der Vermietung den urheberrechtlichen Grundsatz verletzt, daß der Urheber möglichst an den wirtschaftlichen Früchten zu beteiligen sei, die Dritte aus der Nutzung seines Werkes ziehen.
Wie schon aus dem doppelten Erfordernis hervorgeht, daß die Vermietung Erwerbszwecken des Vermieters dienen müsse, reicht es für die Entstehung des Vergütungsanspruchs nicht schon aus, daß die Gebrauchsüberlassung mittelbar die Erwerbsinteressen des Betriebsinhabers fördert. Vielmehr ist weiter erforderlich, daß sie als „Vermietung” anzusehen ist, also entgeltlich geschieht. Daß dies auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht, zeigt die Begründung zu § 27 des Regierungsentwurfs eines Urheberrechtsgesetzes (BT-Drucks. IV/270; abgedruckt Ufita 45, 269). Dort heißt es, entsprechend dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, daß der Urheber tunlichst angemessen an den wirtschaftlichen Früchten zu beteiligen sei, die aus seinem Werk gezogen werden, werde heute eine angemessene Beteiligung des Urhebers an den Einnahmen der Leihbüchereien und Lesezirkel für billig gehalten; die hierdurch eintretende Verteuerung der Ausleihgebühren dürfte gering sein und in Kauf genommen werden können. Hieraus folgt aber, daß entgegen der Ansicht der Revision nicht jede gewerblichen Zwecken dienende Nutzung des Werkes im Wege der Verbreitung eines Vervielfältigungsstückes einen Vergütungsanspruch des Urhebers auslöst, sondern nur diejenige Nutzung, für die der Verbreitende ein Entgelt erhält.
c) Ob die hiernach erforderliche Entgeltbeziehung, die auch im Urheberrecht dem Begriff der Miete eigen ist, ausreichend durch das zwischen der Beklagten und ihren Betriebsangehörigen bestehende Arbeitsverhältnis begründet wird (so Möhring/Nicolini § 27 Anm. 7; Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl., S. 152; Reichel, BB 1966, 1427; a. Mg. von Gamm, § 27 Anm. 4; Samson, Ufita Bd. 47, 27), läßt sich weder aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 UrhG noch aus dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung eindeutig erschließen. Soweit das Berufungsgericht insoweit auf den Mietbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches abstellt, ist dies nicht zwingend, weil der Begriff der Vermietung im Urheberrecht nicht notwendig den gleichen Sinn haben muß wie in anderen Gesetzen (vgl. BGHZ 46, 74, 77 – Schallplatten). Doch hat das Berufungsgericht aus der Entstehungsgeschichte und den Materialien zum Urheberrechtsgesetz, die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen sind (BGHZ 46, 74, 79), zu Recht gefolgert, daß der Gesetzgeber bei Erlaß dieser Bestimmung davon ausgegangen ist, in der Bücherausgabe durch Werkbüchereien sei nicht allein schon deshalb eine „Vermietung” zu erblicken, weil sie nur an Betriebsangehörige erfolgt, ein Arbeitsverhältnis also Voraussetzung der Bücherausgabe bildet.
Bei Erlaß des Urheberrechtsgesetzes sind Werkbüchereien bereits in großem Umfang vorhanden gewesen. Im Schrifttum ist schon vorher im Hinblick auf die in § 54 Satz 2 des Ministerialentwurfs eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (1959) vorgesehene Regelung, nach der dem Urheber für die gewerbsmäßige Vermietung eine angemessene Vergütung zu gewähren sein sollte, eine Klarstellung der Frage als erwünscht angesehen worden, ob dann, wenn für die Bücherausgabe in Werkbibliotheken keine besondere Vergütung gefordert wird, schon das Arbeitsverhältnis die für die Annahme einer Vermietung erforderliche Entgeltsbeziehung begründet (Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl., 1960, S. 198). Der spätere Regierungsentwurf (1961) beließ es sodann in § 27 bei der Formulierung, daß eine Erwerbszwecken dienende Vermietung vorliegen müsse. In der Begründung des Entwurfs ist die Frage der Werkbüchereien nicht angesprochen.
Die beteiligten Ausschüsse des Bundestags haben sich jedoch bei der Beratung des Regierungsentwurfs übereinstimmend dahin geäußert, daß Werkbüchereien von der Vergütungspflicht des § 27 freizustellen sind. In dem Kurzprotokoll der 108. Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestags vom 3. Dezember 1964 S. 108/9 heißt es: „Auf Rückfragen wird ausdrücklich klargestellt, daß öffentliche, kirchliche und Werkbüchereien nicht unter die Vorschrift (§ 27) fallen”. (Vgl. 10. Sitzung vom 3. Dezember 1964). Der Unterausschuß „Urheberrecht” des Ausschusses für Kulturpolitik und Publizistik hatte eine Fassung vorgeschlagen, nach der auch die Erwerbszwecken dienende Leihe eine Vergütungspflicht begründen und auch die Werkbüchereien unter die Vergütungspflicht fallen sollten. Diese Fassung ist sowohl vom Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik (45. Sitzung vom 11. März 1965) als auch vom Unterausschuß „Urheberrecht” des Rechtsausschusses abgelehnt worden (12. Sitzung vom 16. November 1964). Diese beiden Ausschüsse haben sich demgegenüber für die Beibehaltung der Fassung des Regierungsentwurfs ausgesprochen. In dem schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses über den Regierungsentwurf vom 14. Mai 1965 heißt es (BT-Drucks. IV/3401 S. 4 zu § 27; abgedr. Ufita Bd. 46 S. 174, 180):
„Von dem Vergütungsanspruch werden Werkbüchereien, kirchliche Büchereien und öffentliche Büchereien nicht erfaßt, da diese keine Erwerbszwecke verfolgen und in der Regel auch keine Vergütung für die Ausleihe fordern, also nicht vermieten.”
Bei der zweiten und dritten Lesung des Regierungsentwurfs im Bundestag führte der Berichterstatter aus, die vorgesehene Regelung solle ein erster Schritt sein; es sei gewollt, alle die Büchereien auszunehmen, die aus dem Verleih – wie man im Volksmunde sage, in Wirklichkeit liege ja eine Vermietung vor, wenn Bezahlung erfolge – keinen Gewinn zögen (vgl. Ufita Bd. 46 S. 226).
Der Bundestag hat sodann auf Antrag des Rechtsausschusses die §§ 1–52 unverändert angenommen. Angesichts dieser Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, daß im Falle der Bücherausgabe durch eine Werkbücherei nur dann eine Vergütungspflicht besteht, wenn infolge eines als Mietzins anzusehenden Entgelts das Vorliegen einer Vermietung zu bejahen ist, die hiernach erforderliche Entgeltsbeziehung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers aber nicht bereits dadurch begründet wird, daß die Bücher nur an solche Personen ausgegeben werden, die zu dem Unternehmen, das die Werkbücherei unterhält, in einem Arbeitsverhältnis stehen.
IV. § 27 Abs. 1 UrhG verstößt, auch wenn von dieser Auslegung ausgegangen wird, nicht gegen das Grundgesetz.
1. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 7. Juli 1971 ausgeführt hat, gebietet die Eigentumsgarantie nicht, dem Urheber jede nur denkbare wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit seines Werkes zuzuordnen. Auch liegt keine Enteignung vor, da nach dem bisherigen Rechtszustand dem Urheber weder bei der entgeltlichen noch der unentgeltlichen gewerbsmäßigen Gebrauchsüberlassung seines Werkes ein Vergütungsanspruch zustand, ihm somit durch die fragliche Freistellung der Werkbüchereien von einer Autorentantieme keine Rechte entzogen worden sind.
2. Es bleibt hiernach nur zu prüfen, ob § 27 Abs. 1 UrhG nach der hier vertretenen Auslegung etwa deshalb zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung gegenüber den gewerblichen Mietbüchereien und Lesezirkeln führt, weil sie Werkbüchereien, die für die Buchausgabe kein Barentgelt fordern, von einer Urhebertantieme freistellt, obwohl auch diese Ausleihe den gewerblichen Interessen des Unternehmers dient, der die Werkbücherei unterhält. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem angeführten Beschluß einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch die Freistellung der öffentlichen und kirchlichen Bibliotheken von einem urheberrechtlichen Vergütungsanspruch mit der Begründung verneint, daß diese sich von den gewerblichen Mietbüchereien und Lesezirkeln in wesentlichen Punkten unterschieden. Die öffentlichen und kirchlichen Bibliotheken, welche Bücher unentgeltlich oder nur gegen einen Unkostenbeitrag ausliehen, verfolgten weitgehend volksbildende Aufgaben; sie erfüllten eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende Aufgabe. Die Bereitstellung belletristischer und auch wissenschaftlicher Literatur ermögliche vielen Bürgern die Teilnahme am kulturellen und geistigen Geschehen. Demgegenüber seien die gewerblichen Mietbüchereien auf die Erzielung privaten wirtschaftlichen Gewinns angewiesen; sie müßten ihr Sortiment danach ordnen. Es seien also durchaus sachgerechte Gesichtspunkte, die insoweit eine verschiedene Behandlung rechtfertigten.
Es ist der Revision zuzugeben, daß ohne nähere Prüfung nicht davon ausgegangen werden kann, die Werkbüchereien seien schon im Hinblick auf ihren Bücherbestand und ihre Aufgabenstellung den öffentlichen und kirchlichen Bibliotheken gleichzustellen. Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verbietet jedoch nur, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 21, 12, 26 f; 21, 73, 84; 12, 341, 348; 9, 201, 206). Dagegen fallen unter das eng zu begrenzende Willkürverbot nicht solche Tatbestände, die Unterschiede aufweisen, die eine verschiedene rechtliche Behandlung sachlich vertretbar erscheinen lassen.
So aber liegt es bei den Werkbüchereien, die ihre Bestände ausleihen, ohne hierfür ein besonderes Entgelt zu fordern, im Vergleich zu den gewerblichen Mietbüchereien und Lesezirkeln. Denn während erstere aus der Buchausgabe keine unmittelbaren Einnahmen erzielen, sondern wie unter III 1 dargelegt wurde, nur mittelbar gewerbliche Unternehmerinteressen fördern, dient die Buchausgabe den Inhabern von Mietbüchereien und Lesezirkeln als unmittelbare Einnahmequelle, mit der eine Gewinnerzielung angestrebt wird. Es kommt hinzu, daß bei den Werkbüchereien der soziale Fürsorgegedanke im Vordergrund steht, den Bildungs- und Unterhaltungsinteressen der Betriebsangehörigen zu dienen und die damit verbundene Förderung gewerblicher Belange des Unternehmers nur eine mittelbare Folgeerscheinung dieser Fürsorgemaßnahme ist. Wird berücksichtigt, daß es einerseits dem Gesetzgeber freistand, dem Urheber überhaupt für gewerbliche Gebrauchsüberlassungen seiner rechtmäßig in den Verkehr gelangten Werke einen Vergütungsanspruch einzuräumen – insoweit also eine andere rechtliche Ausgangslage vorlag als beispielsweise bei öffentlichen Aufführungen geschützter Werke, die nach Art. 11 RBÜ uneingeschränkt dem Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers unterstellt sind (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom gleichen Tage I ZR 30/70) –, andererseits die soziale Bindung des Urheberrechts anerkannt ist (vgl. hierzu z.B. § 13 Abs. 3 des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten vom 9. September 1965 – BGBl I S. 1294), so kann es nicht als willkürlich angesehen werden, wenn die Ausleihe durch Werkbüchereien, bei denen die aus sozialen Gründen freiwillig erbrachte Leistung keine unmittelbare Einnahmequelle für das Unternehmen darstellt, entgegen den auf Gewinnerzielung aus der Vermietung von Büchern angewiesenen Mietbüchereien und Lesezirkeln von einer Urhebertantieme freigestellt worden ist. Ob diese Freistellung angesichts der Tatsache, daß die Werkbüchereien neben ihrer sozialen Zweckbestimmung mittelbar auch den Erwerbsinteressen der sie unterhaltenden Unternehmen dienen, rechtspolitisch erwünscht erscheint, kann bei der Auslegung des § 27 Abs. 1 in seiner geltenden Fassung im Hinblick auf die dargelegte Entstehungsgeschichte dieser Norm und dem daraus zu entnehmenden Willen des damaligen Gesetzgebers nicht berücksichtigt werden, sondern steht allein zur Entscheidung des künftigen Gesetzgebers (vgl. hierzu die zur Änderung des § 27 eingebrachten Gesetzentwürfe, abgedr. Ufita Bd. 58 S. 256 und S. 258).
V. Demnach ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Krüger-Nieland, Sprenkmann, Merkel, Schönberg, v. Gamm
Fundstellen
Haufe-Index 1237562 |
BGHZ |
BGHZ, 270 |
NJW 1972, 1270 |
Nachschlagewerk BGH |