Leitsatz (amtlich)
Zur Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers eines insolventen Schädigers durch den Geschädigten nach Feststellung des Haftpflichtanspruchs zur Tabelle.
Normenkette
VVG § 106 S. 1, § 110
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 30.10.2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 19.000 EUR festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt den beklagten Versicherer auf Leistungen aus einer von einer GmbH (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) gehaltenen Verkehrshaftungsversicherung in Anspruch. Versichert war das Risiko der gesetzlichen Haftpflicht der Versicherungsnehmerin als Umzugsunternehmen mit Lagerhaltung.
Rz. 2
Der Kläger beauftragte die Versicherungsnehmerin im Juni 2010 mit Umzugsleistungen sowie der Ein- und Auslagerung von Gegenständen. Er behauptet, es sei zu Schäden und Verlusten am Umzugsgut gekommen.
Rz. 3
Über das Vermögen der Versicherungsnehmerin wurde im September 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Streithelfer zu 1) der Beklagten zum Insolvenzverwalter (Streithelfer zu 2 der Beklagten) bestellt. Unter dem 18.10.2012 meldete der Kläger eine (Haftpflicht-)Forderung i.H.v. 33.530,15 EUR nebst 3.078,65 EUR Zinsen zur Tabelle an, die der Streithelfer zu 2) in voller Höhe feststellte. Er überließ dem Kläger mit Schreiben vom 11.12.2012 und 5.7.2013 die Geltendmachung des Deckungsanspruchs der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte und ermächtigte ihn, den Anspruch auch gerichtlich zu verfolgen. Die Beklagte verwies darauf, den Schaden bereits mit einer - unstreitigen - Zahlung von 6.000 EUR abgegolten zu haben, und lehnte eine weitere Regulierung ab. Im April 2018, während der Anhängigkeit des Rechtsstreits in zweiter Instanz, wurde das Insolvenzverfahren nach vollzogener Schlussverteilung, bei welcher der Kläger 14.307,07 EUR erhielt, aufgehoben.
Rz. 4
Das LG hat der auf Zahlung von 30.608,80 EUR nebst Zinsen und 4,50 EUR vorgerichtlicher Kosten gerichteten Klage stattgegeben. Das OLG hat, nachdem der Rechtsstreit i.H.v. 14.307,07 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt worden war, die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein über den zuletzt genannten Betrag hinausgehendes Begehren weiter, soweit nicht die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO und vorgerichtliche Kosten i.H.v. 4,50 EUR betroffen sind.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision hat keinen Erfolg.
Rz. 6
I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - ausgeführt, der Kläger sei nach § 110 VVG befugt, den ursprünglich der Versicherungsnehmerin zustehenden Deckungsanspruch als unmittelbaren Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Es sei ein von der Versicherung umfasster Versicherungsfall eingetreten. Dem Kläger habe (teilweise) ein fälliger Haftpflichtanspruch nach §§ 106, 110 VVG gegenüber der Versicherungsnehmerin zugestanden. Die abgesonderte Befriedigung nach § 110 VVG könne erst dann verlangt werden, wenn gem. § 106 VVG der Haftpflichtanspruch bindend festgestellt und der Entschädigungsanspruch fällig geworden sei. In § 106 VVG werde klargestellt, dass nicht jedes Urteil, Anerkenntnis oder jeder Vergleich automatisch bindend für den Versicherer sei, vielmehr müsse der Versicherer vorab die Möglichkeit zur Prüfung gehabt haben, ob er diese gegen sich gelten lasse oder deren materiell fehlende Berechtigung einwenden wolle. Eine solche bindende Feststellung des Haftpflichtanspruchs aufgrund eines außerhalb dieses Verfahrens erfolgten Anerkenntnisses oder Urteils sei vorliegend nicht eingetreten, weshalb die Prüfung, ob und in welchem Umfang der Haftpflichtanspruch dem Kläger zugestanden habe, inzidenter im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vorzunehmen gewesen sei.
Rz. 7
Eine bindende Feststellungswirkung im Sinne eines Anerkenntnisses sei insb. nicht durch die widerspruchslose Feststellung der Haftpflichtforderung des Klägers zur Tabelle eingetreten. An der nach neuem Recht für den Eintritt der Bindungswirkung erforderlichen Kenntnis und Zustimmung der Beklagten hinsichtlich der Feststellung zur Tabelle fehle es. Es lasse sich bereits nicht feststellen, dass die Beklagte Kenntnis von der Anmeldung der Forderung zur Tabelle gehabt habe. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Beklagte ihrerseits Insolvenzgläubigerin gewesen sei, müsse sie deshalb nicht automatisch Kenntnis von der Forderung des Klägers gehabt haben. Jedenfalls habe sie nicht die Verbindung zu dem gegen sie gerichteten Deckungsanspruch des Klägers herstellen müssen.
Rz. 8
Eine bindende Wirkung komme der Feststellung zur Tabelle auch nicht nach § 178 Abs. 3 InsO zu. Die Feststellung zur Tabelle sei einem bindenden Anerkenntnis i.S.v. § 106 VVG nur dann gleichzustellen, wenn das Anerkenntnis in Form der Feststellung der Forderung zur Tabelle mit Zustimmung des Versicherers erfolgt sei. Habe der Versicherer den Haftpflichtanspruch für unbegründet erachtet und eine gerichtliche Klärung für geboten gehalten, dann sei er an das (einseitige) Anerkenntnis des Versicherungsnehmers nur gebunden, soweit dieses der materiellen Rechtslage entspreche, was inzident im Deckungsprozess zu prüfen sei. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers könne eine Bindungswirkung der Eintragung der Haftpflichtforderung in die Tabelle gegenüber dem Versicherer nur dann eintreten, wenn er es trotz Kenntnis von der Anmeldung der Haftpflichtforderung unterlasse, den Insolvenzverwalter anzuweisen, der Feststellung der Forderung zu widersprechen, oder eine rechtskräftige Entscheidung nach § 183 Abs. 1 InsO ergehe. Vorliegend fehle es sowohl an der erforderlichen zurechenbaren Kenntnis der Beklagten von der Feststellung zur Tabelle als auch an einer Entscheidung nach § 183 Abs. 1 InsO.
Rz. 9
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen weiteren Anspruch des Klägers verneint. Dieser hat nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts einen Schaden von maximal 11.750 EUR erlitten und hierfür von der Beklagten sowie in der Schlussverteilung insgesamt 20.307,07 EUR erhalten. Entgegen der Auffassung der Revision kann der Kläger einen darüber hinausgehenden Anspruch gegen die Beklagte nicht auf die Feststellung einer höheren Forderung (33.530,15 EUR nebst 3.078,65 EUR Zinsen) zur Tabelle stützen. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei hieran nicht gebunden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Rz. 10
1. a) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, räumt § 110 VVG dem Geschädigten bei Insolvenz des Versicherungsnehmers ein Recht auf abgesonderte Befriedigung an dessen Freistellungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer ein, so dass der Geschädigte den Haftpflichtversicherer des Schädigers ohne Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruchs unmittelbar auf Zahlung in Anspruch nehmen kann (vgl. zu § 157 VVG in der bis 2007 geltenden Fassung [VVG a.F.] BGH, Urt. v. 20.4.2016 - IV ZR 531/14 VersR 2016, 783 Rz. 16; v. 17.3.2004 - IV ZR 268/03 VersR 2004, 634 unter II 2 [juris Rz. 11], jeweils m.w.N.). Voraussetzung für einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Versicherer ist aber - wie beim Zahlungsanspruch des Versicherungsnehmers - weiter, dass der Haftpflichtanspruch des Geschädigten gem. § 106 Satz 1 VVG festgestellt worden ist, weil dieser durch § 110 VVG keine weitergehende Rechtsstellung als der Versicherungsnehmer erlangt (vgl. zu § 154 VVG a.F. BGH, Urt. v. 20.4.2016 - IV ZR 531/14; v. 17.3.2004 - IV ZR 268/03, jeweils a.a.O., m.w.N.). Eine solche Feststellung kann nach dem Gesetz auch durch ein Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs erfolgen, sei es durch den (nicht insolventen) Versicherungsnehmer, sei es durch den Insolvenzverwalter (vgl. zu § 154 VVG a.F. BGH, Urt. v. 17.3.2004 - IV ZR 268/03, a.a.O.).
Rz. 11
b) Der Senat ist zum Versicherungsvertragsgesetz a.F. davon ausgegangen, dass in der widerspruchslosen Feststellung des Haftpflichtanspruchs des Geschädigten zur Tabelle ein Anerkenntnis i.S.v. § 154 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. liegt (BGH, Urt. v. 17.3.2004 - IV ZR 268/03 VersR 2004, 634 unter II 2, III [juris Rz. 11, 13]; v. 9.1.1991 - IV ZR 264/89, VersR 1991, 414 [juris Rz. 16]; ebenso OLG Hamm r+s 2013, 68 unter B I 2 [juris Rz. 43]; OLG Köln VersR 2006, 1207 unter 1 [juris Rz. 19]; OLG Dresden BauR 2006, 1328 unter II 1.3.1 [juris Rz. 17]; OLG Celle VersR 2002, 602 unter I 1a aa [juris Rz. 18]; vgl. auch RGZ 55, 157, 160). Hieran hält der Senat für das neue Recht (§ 106 Satz 1 VVG) fest (ebenso Armbrüster, r+s 2010, 441, 453; Heinrichs in Staudinger/Halm/Wendt, VVG 2. Aufl., § 105 Rz. 6; Bruck/Möller/Koch, VVG 9. Aufl., § 106 Rz. 24; MünchKomm/VVG/Littbarski, 2. Aufl., § 110 Rz. 24; Prölss/Martin/Lücke, VVG 31. Aufl., § 105 Rz. 12, § 110 Rz. 5; Mokhtari, VersR 2014, 665, 667 ff.; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, PK-VVG 3. Aufl., § 106 Rz. 10, § 110 Rz. 13; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 24 Rz. 158). Gründe für eine abweichende Beurteilung sind - auch nach Würdigung des Parteivorbringens in der Revisionsinstanz - nicht ersichtlich.
Rz. 12
c) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Versicherer im Deckungsverhältnis gebunden ist. Nach dem Versicherungsvertragsgesetz in der seit 2008 geltenden Fassung unterliegt das vom Versicherungsnehmer gegenüber dem Geschädigten erklärte Anerkenntnis zwar gem. § 105 VVG keinen bedingungsgemäßen Einschränkungen mehr, es bleibt aber grundsätzlich ohne Einfluss auf das Deckungsverhältnis. Verspricht der Versicherungsnehmer dem Geschädigten mehr, als diesem zusteht, geht der Mehrbetrag zu Lasten des Versicherungsnehmers (BT-Drucks. 16/3945, 86 li. Sp.). Nach dem Regelungsplan des neuen Rechts muss der Versicherer die Möglichkeit haben, die Berechtigung des vom Geschädigten geltend gemachten Anspruchs zu prüfen (vgl. BT-Drucks. 16/3945, 86 re. Sp.). Wird das Anerkenntnis ohne Zustimmung des Versicherers abgegeben, kommt ihm bindende Wirkung i.S.v. § 106 Satz 1 VVG deshalb regelmäßig nur in dem Umfang zu, in welchem eine Haftpflichtschuld des Versicherungsnehmers nach materieller Rechtslage tatsächlich besteht; Letzteres ist ggf. inzident im Deckungsprozess gegen den Versicherer zu klären (so auch Armbrüster, r+s 2010, 441, 447; Heinrichs in Staudinger/Halm/Wendt, VVG 2. Aufl., § 106 Rz. 13; Hofmann, Der Schutz von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, 2018, S. 249 f.; Klimke, r+s 2014, 105, 107; Bruck/Möller/Koch, VVG 9. Aufl., § 106 Rz. 30; Lange, r+s 2019, 613, 615 ff.; 2007, 401, 404; MünchKomm/VVG/Littbarski, 2. Aufl., § 106 Rz. 47 f.; Prölss/Martin/Lücke, VVG 31. Aufl., § 106 Rz. 10; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, PK-VVG 3. Aufl., § 106 Rz. 21; BeckOK VVG/Ruks, § 105 Rz. 2, § 106 Rz. 9 [Stand: 1.2.2021]; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG 4. Aufl., § 105 Rz. 4 f.; Schlegelmilch, VersR 2009, 1467; Looschelders/Pohlmann/Schulze Schwienhorst, VVG 3. Aufl., § 106 Rz. 2 f.; Thume, VersR 2010, 849, 852).
Rz. 13
Vorstehendes gilt auch dann, wenn das Anerkenntnis durch widerspruchslose Feststellung des Haftpflichtanspruchs zur Tabelle erfolgt ist (Hofmann, Der Schutz von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, 2018, S. 249 f.; Bruck/Möller/Koch, VVG 9. Aufl., § 110 Rz. 11; Lange, r+s 2019, 613, 616 ff.; Langheid/Rixecker/Langheid, VVG 6. Aufl., § 110 Rz. 4; Mokhtari, VersR 2014, 665, 667 f.; BeckOK VVG/Ruks, § 106 Rz. 8 [Stand: 1.2.2021]; a.A. - ohne Auseinandersetzung mit der Rechtslage nach der VVG-Reform - OLG Nürnberg VersR 2013, 711 unter 1 [juris Rz. 12]; wohl auch LG Koblenz r+s 2012, 447 unter II 1 [juris Rz. 19]; BeckOK VVG/Car, § 110 Rz. 3 [Stand: 1.2.2021]; Späte/Schimikowski/v. Rintelen, Haftpflichtversicherung 2. Aufl. AHB Ziff. 1 Rz. 382; unklar Prölss/Martin/Lücke, VVG 31. Aufl., § 110 Rz. 5). Anders als die Revision meint, wird der Geschädigte nicht im Insolvenzfall benachteiligt, wenn man die auch sonst für die Bindungswirkung von Anerkenntnissen nach § 106 Satz 1 VVG geltenden Grundsätze heranzieht. Vielmehr käme es einer nicht gerechtfertigten Privilegierung des Geschädigten im Insolvenzfall gleich, wollte man dem Insolvenzverwalter die Befugnis einräumen, den Versicherer zugunsten des Geschädigten zu belasten (vgl. BT-Drucks. 16/3945, 86 li. Sp.).
Rz. 14
d) Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, ergibt sich aus der Rechtskraftwirkung der Eintragung in die Tabelle nichts Anderes.
Rz. 15
aa) Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 178 Abs. 3 InsO). Nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens können die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO). Diese Vorschriften sehen, wie die Revision selbst erkennt, keine Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf Dritte vor (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.2016 - II ZR 394/13 WM 2016, 974 Rz. 19; Bruck/Möller/Koch, VVG 9. Aufl., § 106 Rz. 33; Lange, r+s 2019, 613, 617; Mokhtari, VersR 2014, 665, 668; Schumacher in MünchKomm/InsO, 4. Aufl., § 178 Rz. 72). Sie bewirken deshalb keine Bindung i.S.v. § 106 Satz 1 VVG zu Lasten des Haftpflichtversicherers des Schuldners.
Rz. 16
bb) Eine Bindung des Haftpflichtversicherers in analoger Anwendung von §§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 Satz 1 InsO kommt entgegen der Auffassung der Revision (ebenso Mokhtari, VersR 2014, 665, 668) nicht in Betracht, weil es jedenfalls an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Die aus dem Trennungsprinzip der Haftpflichtversicherung folgende, in § 106 Satz 1 VVG vorausgesetzte Bindung des Versicherers folgt nicht aus einer Rechtskraftwirkung, wie sie §§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 Satz 1 InsO vorsehen. Die Bindungswirkung ist vielmehr dem Leistungsversprechen zu entnehmen, das der Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gegeben hat (vgl. BGH, Urt. v. 28.9.2005 - IV ZR 255/04 VersR 2006, 106 Rz. 20; v. 20.6.2001 - IV ZR 101/00 VersR 2001, 1103 unter II 2b [juris Rz. 17]; v. 30.9.1992 - IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276 unter 2b aa, c [juris Rz. 16, 21]; v. 18.3.1992 - IV ZR 51/91, BGHZ 117, 345 unter 3c [juris Rz. 15]). Danach übernimmt der Versicherer in Fällen der vorliegenden Art keine Deckungspflicht, ohne dass er die Möglichkeit hat, die Berechtigung des von dem Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten Anspruchs zu prüfen (vgl. oben c). Fehlt es an einer solchen Prüfungsmöglichkeit, scheidet dann - auch mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG - eine Bindung des Versicherers ohne seine Zustimmung aus (vgl. zur Bindungswirkung gegenüber Gesellschaftern BGH, Urt. v. 20.2.2018 - II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rz. 30; v. 14.11.2005 - II ZR 178/03, BGHZ 165, 85 unter IV 1 [juris Rz. 23]).
Rz. 17
cc) Etwas anderes gilt entgegen der Auffassung der Revision auch dann nicht, wenn der Haftpflichtversicherer - wie es der Kläger vorliegend behauptet hat - im Einzelfall seinerseits eine Prämienforderung gegen den Schuldner zur Tabelle angemeldet hat. Damit ist der Versicherer zwar Insolvenzgläubiger i.S.v. § 178 Abs. 3 InsO. Das ändert aber nichts an dem für seine Bindung maßgeblichen Leistungsversprechen. Danach setzt die Deckungspflicht des Haftpflichtversicherers regelmäßig voraus, dass er dem Anerkenntnis der Haftpflichtforderung zugestimmt hat oder dass die ohne seine Zustimmung anerkannte Haftpflichtforderung nach materieller Rechtslage tatsächlich besteht (vgl. oben c). Mit dem Regelungskonzept der §§ 110, 106 VVG wäre es dagegen unvereinbar, eine Deckungspflicht für eine tatsächlich unbegründete Haftpflichtforderung aufgrund der bloßen Beteiligung des Versicherers am Insolvenzverfahren wegen einer Prämienforderung zu bejahen, den Versicherer also allein aufgrund einer in einem anderen Zusammenhang stehenden prozeduralen Situation zu Lasten der Versichertengemeinschaft für eine nicht bestehende Forderung einstehen zu lassen (vgl. Hofmann, Der Schutz von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, 2018, S. 250).
Rz. 18
2. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Die für eine Bindung der Beklagten gem. § 106 Satz 1 VVG erforderliche Kenntnis von der Anmeldung der Haftpflichtforderung zur Tabelle hat es mit revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbarer (vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2019 - IV ZR 323/18 VersR 2020, 152 Rz. 11 m.w.N.) und danach nicht zu beanstandender Begründung verneint. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte der Feststellung zur Tabelle weder zugestimmt noch hatte sie Kenntnis von der Anmeldung der Haftpflichtforderung. Anders als die Revision meint, musste das Berufungsgericht weder aufgrund der Befassung der Beklagten mit Schadensersatzforderungen des Klägers geraume Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Versicherungsnehmerin noch aufgrund der Ermächtigung des Klägers durch den Streithelfer zu 2), den Deckungsanspruch in eigener Zuständigkeit zu verfolgen, annehmen, die Beklagte habe Gelegenheit gehabt, sich mit der Forderungsanmeldung des Klägers auseinanderzusetzen. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
Rz. 19
3. Die zur Tabelle angemeldete Zinsforderung hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision zu Recht als unbegründet angesehen. Der Kläger beruft sich auf eine Mahnung vom 9.7.2013, welche die Beklagte - worauf die Streithelfer zu Recht hinweisen - indes nicht rückwirkend für den Zeitraum vom 13.12.2010 bis 31.8.2012, auf den sich die Zinsforderung erstreckt, in Verzug setzen konnte (§ 286 BGB).
Fundstellen
NJW 2021, 10 |
NJW 2021, 1823 |
EWiR 2021, 333 |
IBR 2021, 268 |
WM 2021, 650 |
ZIP 2021, 698 |
DZWir 2021, 513 |
JZ 2021, 279 |
JZ 2021, 282 |
MDR 2021, 621 |
NZI 2021, 491 |
NZI 2021, 7 |
VersR 2021, 584 |
ZInsO 2021, 844 |
ZfS 2021, 268 |
GWR 2021, 284 |
InsbürO 2021, 295 |
KSI 2021, 200 |
NJW-Spezial 2021, 373 |
RdTW 2021, 302 |
ZRI 2021, 365 |