Leitsatz (amtlich)
Wenn der Dienstberechtigte sich gegenüber dem Vergütungsanspruch nach § 615 BGB auf eine Kündigung des Dienstverhältnisses beruft, muß er diejenigen Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich die Berechtigung der Kündigung ergibt.
Normenkette
BGB § 615
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 26.06.1987) |
LG Bonn |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Juni 1987 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 16. März 1977 schloß der Kläger mit der Beklagten einen Beratervertrag ab. Durch Vereinbarung vom 10. Mai 1978 wurde die Laufzeit des zunächst auf fünf Jahre abgeschlossenen Vertrages bis zur Vollendung seines 68. Lebensjahres, d.h. bis zum 13. Mai 1988, verlängert. Am 17. Februar 1977 wurde der Kläger durch Beschluß des Amtsgerichts Bonn zum Aufsichtsratsmitglied der Beklagten bestellt. Aus dieser Position schied er am 3. April 1984 wieder aus. Vorher hatte die Beklagte den Beratervertrag mit Schreiben vom 9. März 1984 „aus wichtigem Grund beziehungsweise wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage” mit sofortiger Wirkung gekündigt. In der Folgezeit hat der Kläger keine Leistungen mehr aufgrund des Vertrages erbracht.
Mit der Klage macht der Kläger die vertraglich vereinbarte Vergütung von 187.006,44 DM für das Jahr 1985 im Urkundenprozeß geltend. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Das Berufungsgericht hat die Klage als in der gewählten Prozeßart unstatthaft abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts findet die Klage ihre rechtliche Grundlage in § 615 BGB. Hierzu stellt es fest, daß der Kläger den Abschluß des Beratervertrages und die Höhe der verlangten Vergütung durch Urkunden belegt habe, was im übrigen aber auch unstreitig sei. Dasselbe gelte für das Angebot der Dienstleistung durch den Kläger und deren Ablehnung durch die Beklagte. Damit seien aber die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 615 BGB noch nicht erfüllt. Ein Annahmeverzug der Beklagten setze voraus, daß ihre Kündigung unrechtmäßig gewesen sei. Da der Kläger die Voraussetzungen des Annahmeverzuges darzulegen und zu beweisen habe, müsse er auch die Unrechtmäßigkeit der Kündigung beweisen. Diesen Beweis habe er mit Urkunden nicht erbringen können. Deshalb müsse seine Klage als im Urkundenprozeß unstatthaft abgewiesen werden.
II.
Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
Nach § 615 BGB kann der Dienstverpflichtete die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, wenn der Berechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt. Diese Anspruchsgrundlage hat drei Voraussetzungen: Es muß ein Dienstverhältnis vorliegen, der Dienstpflichtige muß seine Dienste angeboten und der Dienstberechtigte sie nicht angenommen haben (vgl. MünchKomm/Schaub, BGB § 615 Rdnr. 9 ff; Baumgärtel, Handb. der Beweislast im Privatrecht § 615 BGB Rdnr. 1). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind der Abschluß eines Dienstvertrages sowie Angebot und Nichtannahme der Dienste urkundlich belegt und im übrigen auch unstreitig. Auf die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob der Beweis im Urkundenprozeß nur durch Vorlage der Originalurkunden geführt werden kann, kommt es nicht an. Da die vorstehend wiedergegebenen Anspruchsvoraussetzungen unstreitig sind, erübrigt sich auch im Urkundenprozeß eine Beweisführung (BGHZ 62, 286, 289).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gehört die Unrechtmäßigkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung nicht zu den vom Kläger zu beweisenden Anspruchsvoraussetzungen. Das Berufungsgericht meint, nur eine unrechtmäßige Kündigung des Dienstverhältnisses könne einen Annahmeverzug des Dienstberechtigten begründen; wenn der Dienstherr zur Kündigung berechtigt sei, sei er auch zur Verweigerung der Annahme berechtigt und könne nicht in Annahmeverzug geraten. Diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze. Die §§ 293 ff BGB gehen davon aus, daß der Gläubiger zur Annahme der Leistung nur berechtigt, aber nicht verpflichtet ist (Palandt/Heinrichs, BGB 47. Aufl. § 293 Anm. 1 a). Wenn der Gläubiger aber nicht zur Annahme der Leistung verpflichtet ist, dann ist es verfehlt, danach zu fragen, ob er die angebotene Leistung zu Recht oder zu Unrecht ablehnt. Die Frage der Berechtigung der Annahmeverweigerung spielt beim Annahmeverzug ebensowenig eine Rolle wie die Frage des Verschuldens (vgl. dazu BGHZ 24, 91, 96). Die vom Berufungsgericht zur Begründung seiner These angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 15. Februar 1968 – II ZR 92/66, WM 1968, 611, 612 = BB 1968, 559) ist nicht einschlägig. In jenem Fall stand die Unwirksamkeit der Kündigung fest, so daß sich die Frage, ob dies eine Voraussetzung des Annahmeverzuges bildet, nicht stellte.
Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist ausschließlich insofern erheblich, als sie – im Falle ihrer Berechtigung – die erste Voraussetzung des Anspruchs aus § 615 BGB, das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, beseitigt. Die Kündigung des Dienstverhältnisses ist aber keine Anspruchsvoraussetzung, sondern eine rechtsvernichtende Einwendung. Deshalb muß die Beklagte, die sich auf die Kündigung beruft, diejenigen Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich die Berechtigung der Kündigung ergibt (vgl. Baumgärtel a.a.O. § 626 BGB Rdnr. 1 m.w.N.).
III.
Aus den dargelegten Gründen kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
Eine Entscheidung in der Sache ist dem Senat nicht möglich. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Kündigung der Beklagten nicht bereits nach deren eigenem Vorbringen unbegründet. Die Beklagte hat behauptet, aufgrund des Beratervertrages habe der Kläger keine außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit liegende Leistung erbringen sollen. Der Abschluß des Beratervertrages habe nur den Zweck gehabt, dem Kläger eine zusätzliche Vergütung für seine Aufsichtsratstätigkeit zu gewähren. Deshalb sei die Mitgliedschaft des Klägers im Aufsichtsrat die Grundlage für den Abschluß und den Fortbestand des Vertrages gewesen. Wenn das stimmt, ist die anläßlich des Ausscheidens des Klägers aus dem Aufsichtsrat ausgesprochene Kündigung des Beratervertrages nicht von vornherein unbegründet. Da die Beklagte ihre Behauptungen durch Vorlage von Urkunden und den Antrag auf Parteivernehmung des Klägers unter Beweis gestellt hat, wird das Berufungsgericht auch im Urkundenprozeß diesem Vorbringen nachgehen müssen.
Desgleichen wird das Berufungsgericht sich mit diesem – mit im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln unter Beweis gestellten – Vorbringen unter dem Gesichtspunkt befassen müssen, ob der Beratervertrag wegen Verstoßes gegen §§ 113, 114 AktG nichtig ist.
Unterschriften
Merz, Henkel, Winter, Schmitz, Kreft
Fundstellen
Haufe-Index 1502487 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1988, 905 |
JZ 1988, 980 |