Entscheidungsstichwort (Thema)
Urkundsprozess: Geltendmachung der Fortzahlung von Dienstbezügen durch ein fristlos gekündigtes Vorstandsmitglied
Normenkette
ArbGG § 46 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Stralsund (Urteil vom 23.06.2004; Aktenzeichen 7 O 458/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Stralsund vom 23.6.2004 - Az.: 7 O 458/03 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 30.229,65 EUR festgesetzt.
Das Verfahren wird zur Durchführung des Nachverfahrens an das LG Stralsund zurückverwiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt im Wege des Urkundenprozesses mit der Klage Zahlung seiner Dienstbezüge der Monate Dezember 2003 bis Februar 2004.
Er war für die Beklagte als Vorsitzender ihres Vorstandes tätig. Mit Vertrag vom 5.9./1.10.2002 wurde er von der Beklagten für die vierte Vertragszeit für weitere 2 Jahre angestellt. Ausweislich § 5 des Anstellungsvertrages sollte der Kläger jährlich einen Grundbetrag i.H.v. 69.024,36 EUR, eine marktbezogene Zulage von 23.265,84 EUR, eine Vorstandszulage von 17.253 EUR und eine Aufwandsentschädigung von 8.282,88 EUR erhalten. Diese Beträge waren monatlich im Voraus in zwölf Raten zu zahlen. Zuletzt erhielt der Kläger ein Festgehalt i.H.v. 9.362,67 EUR und eine Aufwandsentschädigung i.H.v. 713,88 EUR. Nach dem Vertrag endete das Dienstverhältnis am 31.12.2004. Nach § 7 Abs. 3 des Vertrages galt als wichtiger Grund zur Kündigung, dass Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Kläger sich nicht als Vorsitzender des Vorstandes eignet und aus diesem Grunde abberufen oder die Abberufung nach § 36 KWG verlangt werden kann.
Am 25.11.2003 widerrief der Verwaltungsrat der Beklagten nach Anhörung des Klägers dessen Bestellung als Vorstandsmitglied mit sofortiger Wirkung. Mit Schreiben vom 27.11.2003 erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses aus wichtigem Grund. Mit Schreiben vom 28.11.2003 forderte der Verwaltungsratsvorsitzende den Kläger auf, am selben Tag bis 14.00 Uhr das Büro zu räumen und die Dienstschlüssel herauszugeben; dem kam der Kläger nach.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich bereits Ende November 2003 im Annahmeverzug befunden, da ein Angebot des Klägers, für die Beklagte weiterhin Dienste zu leisten, bloße Förmelei gewesen sei. Die Beklagte habe mit der Aufforderung zur Rückgabe der Schlüssel und Räumung des Büros zum Ausdruck gebracht, dass sie an einer weiteren Tätigkeit das Klägers keinerlei Interesse habe. Auch sei sie zu einer Mitwirkung durch Arbeitsplatzzuweisung verpflichtet gewesen. Darüber hinaus sei der Kläger - unstreitig - seit dem 27.11.2003 arbeitsunfähig erkrankt gewesen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Urkundenprozess sei nach § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung über das Verfahren 7 O 115/04 auszusetzen, in dem der Kläger die Feststellung begehrt, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis unverändert fortbestehe und durch die Kündigung nicht aufgelöst worden sei. Auch sei die Klage im Urkundenprozess nicht statthaft, wie sich aus dem Rechtsgedanken des § 46 Abs. 2 ArbGG ergebe.
Sie hat behauptet, für die Kündigung habe ein wichtiger Grund vorgelegen, weil der Kläger zusammen mit dem weiteren Vorstandsmitglied S. die Mitglieder ihres Verwaltungsrates bewusst und kollusiv über den Verlauf eines Gespräches am 4.11.2003 bei der D.-bank in Hamburg getäuscht habe. Dort sei die kritische wirtschaftliche Lage der Beklagten und deren Bestandsgefährdung besprochen worden. Bis zu einem Schreiben des Finanzministeriums vom 13.11.2003 sei dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates von einer solchen Bestandsgefährdung nichts bekannt gewesen. Vielmehr habe der Kläger - ebenso wie Herr S. - ggü. dem Verwaltungsratsvorsitzenden geäußert, das Gespräch in Hamburg sei positiv verlaufen.
Der Kläger habe nicht einmal in der Tischvorlage vom 19.11.2003 zur Verwaltungsratssitzung vom 20.11.2003 eine Bestandsgefährdung erwähnt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf das Urteil des LG.
Das LG hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 30.229,65 EUR zu zahlen. Die Klage sei im Urkundenprozess statthaft, da die Voraussetzungen des § 592 ZPO gegeben seien. Der Kläger habe die seinen Anspruch aus §§ 615, 611 BGB begründenden Tatsachen - soweit sie nicht ohnehin unstreitig seien - durch Urkunden bewiesen. Dem stehe § 46 Abs. 2 S. 2 ArbGG nicht entgegen, der nur im arbeitsgerichtlichen Verfahren gelte. Ihm könne auch kein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen werden, nach dem Vergütungsansprüche des Dienstverpflichteten auch außerhalb des arbeitsgerichtlichen Verfahre...