Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit des Urkundsprozesses
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tatsache, dass der Kläger als Organmitglied einer Aktiengesellschaft im Wege des Urkundsprozesses unter Bezugnahme auf die zwischen den Parteien schriftlich abgeschlossene Vergütungsvereinbarung eine Bruttovergütung geltend macht, steht der Statthaftigkeit des Urkundsverfahrens nicht entgegen. Weder vollstreckungsrechtliche noch haftungsrechtliche Aspekte, rechtfertigen eine andere Beurteilung. Auch stehen der Zweck und die Grundlage des Urkundsprozesses oder die Regelung und Wertung in § 46 Abs. 2 ArbGG der Statthaftigkeit nicht entgegen.
2. Kann der Kläger, der eine Forderung im Urkundsprozess geltend macht (hier: Nutzungsentschädigung für die unterbliebene Bereitstellung eines Dienstwagens) für die anspruchsbegründenden, bestrittenen Tatsachen zwar einen Urkundsbeweis anbieten, gibt die vorgelegte Urkunde jedoch inhaltlich keinen hinreichenden Nachweis, ist das Urkundsverfahren statthaft, jedoch unbegründet.
Normenkette
ZPO § 592 S. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 15.10.2010; Aktenzeichen 5 HKO 1762/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Vorbehalts- und Endurteil des LG München I vom 15.10.2010 - 5 HKO 1762/09, teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 37.500 EUR brutto nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.1.2009 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt bzw. wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagten bleiben die Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 6 %, die Beklagte 94 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Gegenseite vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht im Urkundsprozess Zahlungsansprüche wegen Vergütung aus seinem Vorstandsdienstvertrag sowie wegen unterbliebener Zurverfügungstellung eines Dienstwagens mit Fahrer für den Monat Januar 2009 geltend.
Die Beklagte ist die Strategie- und Finanzholding der H. R. E.-Gruppe. Die H. R. E.-Gruppe ist durch die am 29.9.2003 mit Eintragung in das Handelsregister wirksam gewordene Abspaltung von Teilen des gewerblichen Immobilienfinanzierungsgeschäfts der früheren H. V. Bank-Gruppe entstanden. Das operative Bankgeschäft übt die H. R. E.-Gruppe über mehrere rechtlich voneinander getrennte Tochtergesellschaften aus, die Banken sind. Die zentrale Aufgabe der Beklagten ist die strategische und operative Führung der H. R. E.-Gruppe. Dies erfolgt über eine Matrix-Organisation mit divisionalen Zuständigkeiten.
Der Aufsichtsrat der Beklagten bestellte mit Beschluss vom 28.7.2003 für die Zeit ab der Eintragung der Abspaltung den Kläger bis zum 28.9.2008 zum Vorstandsmitglied. Durch weiteren Beschluss des Aufsichtsrats vom 9.10.2007 wurde der Kläger als Vorstandsmitglied für die Zeit vom 29.9.2008 bis 28.9.2013 wiederbestellt. Vertragliche Grundlage der Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied war zunächst der Dienstvertrag vom 23.08./10.9.2005 (Anlage K 1 = B 20). Der Vorstandsdienstvertrag traf Regelungen u.a. über die Vergütung des Klägers. Nach § 3 Abs. 1a) erhält der Kläger Festbezüge i.H.v. 420.000 EUR brutto/Jahr, die in zwölf gleichen Monatsraten am Anfang eines jeden Monats gezahlt werden. Als zusätzliche Leistung stellte die Beklagte dem Kläger gem. § 4 Abs. 2 des Dienstvertrags einen Dienstwagen (Typ gehobene Luxusklasse), mit Auto- und Mobiltelefon zur privaten Nutzung zur Verfügung und räumte dem Kläger das Recht ein, die Dienste eines Fahrers aus dem Fahrerpool in Anspruch zu nehmen. Die Versteuerung des geldwerten Vorteils aus der Bereitstellung des Dienstwagens und sofern erforderlich des Fahrers übernahm die Beklagte. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorstandsdienstvertrages wird auf die Anlage K 1 = B 20 verwiesen. Mit Schreiben vom 9.10.2007 (Anlage K 2) teilte der damalige Vorsitzende des Aufsichtsrats des Aufsichtsrats der Beklagten dem Kläger mit, dass das Vorstandsmandat bis zum Ablauf des 28.9.2013 verlängert werde. Aufgrund der Regelung in § 1 Abs. 2 des Dienstvertrags kam es auch zu einer Verlängerung des Vorstandsdienstvertrags bis zum Ablauf des 30.9.2013. Zuletzt bezog der Kläger ein Jahresfestgehalt i.H.v. 450.000 EUR, mithin 37.500 EUR monatlich brutto. Dem Kläger wurde die Verdienstabrechnung für Januar 2009 vom 17.12.2008 übermittelt (Anlage K 3), zu einer Auszahlung kam es indes nicht.
Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Laufe des Jahres 2007 von den Vereinigten Staaten von Amerika ausgehend begann und sich im Jahr 2008 verschärfte, musste die amerikanische Investmentbank Lehman B. Insolvenz anmelden, wodurch der für die Refinanzierung der Banken unter...