Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit des Urkundsprozesses
Leitsatz (amtlich)
1. Kann der Kläger, der eine Forderung im Urkundsprozess geltend macht (hier: Nutzungsentschädigung für die unterbliebene Bereitstellung eines Dienstwagens mit Fahrer) für die anspruchsbegründenden Tatsachen keinen Urkundsbeweis anbieten, fehlt es an der Statthaftigkeit des Urkundsverfahrens auch im Falle des Nichtbestreitens durch die Beklagte.
2. Die Tatsache, dass der Kläger als Organmitglied einer Aktiengesellschaft im Wege des Urkundsprozesses unter Bezugnahme auf die zwischen den Parteien abgeschlossene schriftliche Vergütungsvereinbarung eine Bruttovergütung geltend macht, steht der Statthaftigkeit des Urkundsverfahrens nicht entgegen. Weder vollstreckungsrechtliche noch haftungsrechtliche Aspekte, rechtfertigen eine andere Beurteilung. Auch stehen der Zweck und die Grundlage des Urkundsprozesses oder die Regelung und Wertung in § 46 Abs. 2 ArbGG der Statthaftigkeit nicht entgegen.
Normenkette
ZPO § 592 S. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 15.10.2010; Aktenzeichen 5 HKO 2122/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Vorbehalts- und Endurteil des LG München I vom 15.10.2010 - 5 HKO 2122/09, teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 133.333,32 EUR brutto zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz vom 2.1.2009 bis 1.2.2009 aus einem Betrag von 66.666,66 EUR sowie ab 2.2.2009 aus einem Betrag von 133.333,32 EUR zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen. In Höhe von 16.838,71 EUR brutto wird die Klage als im Urkundsprozess unstatthaft abgewiesen.
Der Beklagten bleiben die Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 11 %, die Beklagte 89 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Gegenseite vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht im Urkundsprozess Zahlungsansprüche wegen Vergütung aus seinem Vorstandsdienstvertrag sowie wegen unterbliebener Zurverfügungstellung eines Dienstwagens mit Fahrer vor allem für die Monate Januar und Februar 2009 geltend.
Die Beklagte ist die Strategie- und Finanzholding der H. R. E.-Gruppe. Die Hypo R. E.-Gruppe ist durch die am 29.9.2003 mit Eintragung in das Handelsregister wirksam gewordene Abspaltung von Teilen des gewerblichen Immobilienfinanzierungsgeschäfts der früheren H. V. Bank-Gruppe entstanden. Das operative Bankgeschäft übt die H. R. E.-Gruppe über mehrere rechtlich voneinander getrennte Tochtergesellschaften aus, die Banken sind. Die zentrale Aufgabe der Beklagten ist die strategische und operative Führung der H. R. E.-Gruppe. Dies erfolgt über eine Matrix-Organisation mit divisionalen Zuständigkeiten.
Der Kläger war seit der Gründung der Beklagten bis zur vorzeitigen Niederlegung seines Vorstandsamts am 7.10.2008 im Zusammenhang mit dem Beinahe-Zusammenbruch der H. R. E.-Gruppe ihr Vorstandsvorsitzender. Mit Beschluss vom 28.7.2003 hatte der Aufsichtsrat der Beklagten den Kläger für die Zeit ab Eintragung der Abspaltung bis zum 28.9.2008 zum Vorstandsmitglied bestellt und ihn zum Vorstandsvorsitzenden ernannt. Durch weiteren Beschluss des Aufsichtsrats vom 9.10.2007 war die Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied und seine Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden für die Zeit vom 29.9.2008 bis 28.9.2013 verlängert worden. Grundlage des Anstellungverhältnisses war zunächst der Vorstandsdienstvertrag vom 10./18.11.2003, der durch den Dienstvertrag vom 23./30.8.2005 (Anlage K 1 = B 20) ersetzt wurde. Die Vergütung des Klägers wurde durch den 1. Nachtrag vom 21./22.6.2007 (Anlage K 2 = B 21) angepasst. Durch den 2. Nachtrag zum Dienstvertrag vom 09./11.10.2007 (Anlage K 3 = B 22) wurde der Vorstandsdienstvertrag bis 30.9.2013 verlängert.
Der Vorstandsdienstvertrag traf Regelungen u.a. über die Vergütung des Klägers. Nach § 3 Abs. 1a) erhält der Kläger Festbezüge i.H.v. 800.000 EUR brutto/Jahr, die in zwölf gleichen Monatsraten am Anfang eines jeden Monats gezahlt werden. Als zusätzliche Leistung stellte die Beklagte dem Kläger gem. § 4 Abs. 2 des Dienstvertrags einen Dienstwagen (Typ gehobene Luxusklasse), mit Auto- und Mobiltelefon zur privaten Nutzung zur Verfügung und räumte dem Kläger das Recht ein, die Dienste eines persönlich zugeordneten Fahrers in Anspruch zu nehmen. Die Versteuerung des geldwerten Vorteils aus der Bereitstellung des Dienstwagens und des Fahrers übernahm die Beklagte. Hinsichtlich der Einzelheiten in den Vorstandsdienstverträgen wird auf die Anlagen K 1, K 2, K 3 = B 20, B 21, B 22 verwiesen.
Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Laufe des Jahres 2007 von den Vereinigten Staaten von Amerik...