Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung zur Auszahlung eines Sparguthabens aufgrund einer Schenkung
Normenkette
BGB § 516; ZPO §§ 398, 286; BGB § 518 Abs. 2, § 2301 Abs. 2
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Januar 1988 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt mit der Klage Zustimmung zur Auszahlung eines Sparguthabens an sie. Sparkonto und Sparbuch lauten auf den Namen der am 5. März 1984 verstorbenen Adele M. (Erblasserin). Diese wurde von ihren Geschwistern Otto-Theodor M. (früherer Beklagter zu 2)) und Elisabeth M. (frühere Beklagte zu 1)) zu gleichen Teilen beerbt.
Die Erblasserin hatte am 27. Dezember 1983 einen Schlaganfall erlitten. Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus kam sie am 13. Januar 1984 in ein Altenpflegeheim am Wohnort der Klägerin. Schon während des Krankenhausaufenthaltes hatte die Erblasserin der Klägerin persönliche Papiere und das genannte Sparbuch in Verwahrung gegeben. Bei einem Besuch im Pflegeheim hatte die Erblasserin der Klägerin außerdem am 20. Januar 1984 formularmäßig Vollmacht erteilt, über ihr Girokonto zu verfügen, damit diese die laufenden finanziellen Angelegenheiten regeln konnte.
Die Klägerin behauptet, die Erblasserin habe ihr am 20. Januar 1984 das Sparguthaben übertragen, das einen Betrag von annähernd 100.000 DM aufwies und ihr wesentliches Vermögen darstellte, und zwar mit der Auflage, nach Auszahlung die Hälfte des Guthabens dem Bruder der Klägerin zuzuwenden. Die Beklagten haben bestritten, daß eine Schenkung zustande gekommen sei; jedenfalls habe die Erblasserin eine solche nicht vollzogen. Sie haben Widerklage erhoben mit dem Antrag, die Klägerin zur Herausgabe des Sparbuchs zu verurteilen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und hat die Widerklage abgewiesen. Die früheren Beklagten haben Berufung eingelegt. Danach ist Elisabeth M. am 19. April 1987 nachverstorben und von ihrem Bruder Otto-Theodor allein beerbt worden. Daraufhin ist der Rechtsstreit auf der Beklagtenseite allein von dem früheren Beklagten zu 2) fortgeführt worden. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Zurückweisung der Berufung. Im Laufe des Revisionsverfahrens ist der frühere Beklagte ebenfalls verstorben; sein Alleinerbe hat das ausgesetzte Verfahren auf der Beklagtenseite aufgenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Klägerin, ihr Bruder und ihr Ehemann die Erblasserin am 20. Januar 1984 im Pflegeheim besucht. Aufgrund von Bekundungen der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen sind Landgericht und Oberlandesgericht davon überzeugt, daß die Erblasserin bei dieser Gelegenheit geäußert hat, die Klägerin möge das umstrittene Sparbuch gut verwahren, "denn es gehöre jetzt ihr". Während das Landgericht diese Äußerung im Sinne einer - durch Abtretung sofort vollzogenen - "Handschenkung" (§ 516 BGB) verstanden hat, legt das Berufungsgericht sie anders aus. Es erklärt sich für "nicht überzeugt", daß die Sparguthabenforderung auf diese Weise (mit sofortiger Wirkung) schenkweise abgetreten worden sei. Zweifel in diesem Zusammenhang leitet das Berufungsgericht insbesondere daraus ab, daß die Erblasserin der Äußerung "denn es gehöre jetzt ihr" in einem Atemzug eine Einschränkung hinzugefügt habe ("besonders gut verwahren"; "dürfe es nicht weggeben"), die es in die Richtung deutet, daß die Klägerin über das Guthaben erst solle verfügen dürfen, wenn die Erblasserin es keinesfalls mehr benötige. Auch dem Verhalten der Klägerin gegenüber der Erblasserin entnimmt das Berufungsgericht einen Hinweis darauf, daß die Klägerin die Äußerung der Erblasserin selbst nicht als sofortige, endgültige Zuwendung des Guthabens verstanden habe. Verbleibende Zweifel über den Vollzug noch zu Lebzeiten der Erblasserin gingen zu Lasten der dafür beweispflichtigen Klägerin.
Diese Begründung ist, wie die Revision mit Recht ausführt, nicht rechtsfehlerfrei.
2.
Unbegründet ist allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen unter Verletzung von §§ 398, 286 ZPO anders gewürdigt als das Landgericht.
Entgegen der Meinung der Revision hat das Berufungsgericht die Zeugenaussagen nicht anders gewürdigt. Es folgt vielmehr den Zeugenaussagen ebenso wie das Landgericht und legt seiner Entscheidung dieselben Feststellungen zugrunde, die auch das Landgericht über die Äußerungen der Erblasserin getroffen hat. Anders ist nur die Auslegung dieser Äußerungen der Erblasserin. In dieser Auslegung war das Berufungsgericht aber frei. Sie ist, soweit es sich nicht um die Feststellung der bei der Auslegung zu berücksichtigenden (inneren und äußeren) tatsächlichen Umstände handelt (wie der Tatsache und des Wortlauts der abgegebenen Erklärungen und der Begleitumstände), eine rechtliche Würdigung durch den Richter und hat insofern nichts mit Tatsachenfeststellung, Beweiswürdigung oder Beweislast zu tun (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 1986 - IVa ZR 169/85 - NJW 1987, 901).
3.
Das Berufungsgericht verkennt auch nicht die Bedeutung eines Sparbuchs im Rechtsverkehr. Die festgestellte Äußerung der Erblasserin, das Sparbuch gehöre jetzt der Klägerin, war entgegen der Auffassung der Revision außerdem nicht eindeutig in dem Sinne, daß sie - in Verbindung mit den Umständen - nicht dahin verstanden werden könnte, mit ihr sei keine "sofortige", nämlich keine nicht aufschiebend befristete Abtretung gemeint.
Rechtlich bedenklich ist es jedoch, wenn das Berufungsgericht im Rahmen der Auslegung wiederholt von seiner fehlenden Überzeugung spricht (BU 6 II, IV, 7 II) und schließlich sogar auf die vermeintliche "Beweislast" der Klägerin abstellt (BU 10 III). Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 1986 (IVa ZR 169/85 - NJW 1987, 901) daran erinnert, daß Auslegung als solche nichts mit Beweislast zu tun hat. Bei ihr geht es weithin nicht um eine der Beweisaufnahme zugängliche Tatsachenfeststellung, sondern um eine nach bestimmten rechtlichen Regeln vorzunehmende Würdigung, die dazu dient, unter mehreren möglichen Bedeutungen einer Willenserklärung deren rechtlich maßgebenden Sinn aufzusuchen und festzulegen (vgl. dazu oben unter 1.). Nur das "Material", das dieser Würdigung zugrunde zu legen ist, wie die Tatsache der Erklärung selbst, ihr Wortlaut und die sonstigen zur Aufdeckung ihres Sinnes dienlichen Umstände können und müssen mit den üblichen Mitteln des Beweisverfahrens festgestellt oder - gegebenenfalls nach Beweislastgrundsätzen - ausgeräumt werden. Der daran anschließende Teil der Auslegung, nämlich die richterliche Würdigung des "Auslegungsmaterials", hat dagegen mit Beweislast nichts zu tun und kann daher im allgemeinen auch nicht zu einem non liquet führen. Das hat das Berufungsgericht nicht klar erkannt.
4.
Dem Berufungsgericht ist aber auch ein Rechtsfehler im Zusammenhang mit der von ihm verneinten Vollziehung der Schenkung durch die Erblasserin unterlaufen.
Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils lassen an mehreren Stellen erkennen (BU 7 III: "erst sollte verfügen können"; BU 9 III: "nicht als sofortige und endgültige Zuwendung"; BU 10 II: "erst nach dem ... Tod"), daß das Berufungsgericht lediglich eine "sofortige" Abtretung bezweifelt. Die Frage, ob es sich zwar nicht um eine sofortige (unbefristete), aber doch um eine solche Abtretung handelt, die mit dem Tode der Erblasserin wirksam werden sollte (aufschiebend befristet), behandelt das Berufungsgericht dagegen nicht. Das beruht möglicherweise darauf, daß das Berufungsgericht von der Vorstellung ausging, eine aufschiebend befristete (oder bedingte) Abtretung reiche als Schenkungsvollzug nicht aus. Eine derartige Auffassung stünde aber mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang. Auch der erkennende Senat hat wiederholt entschieden, daß die aufschiebend bedingte Abtretung als Vollzug sowohl bei § 518 Abs. 2 BGB als auch bei § 2301 Abs. 2 BGB ausreicht (Senatsurteile vom 16. April 1986 - IVa ZR 198/84 - WM 1986, 786; 11. Januar 1984 - IVa ZR 30/82 - FamRZ 1985, 693 und ständig). Daß ein Vorbehalt des Erblassers, bei Lebzeiten selbst noch Beträge von dem Sparguthaben abheben und für sich verwenden zu können, der Annahme einer wirksamen Vollziehung nicht entgegensteht, ist ebenfalls anerkannt (vgl. z.B. Senatsurteil vom 11.1.1984 a.a.O. unter I. 5. b)).
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Dr. Ritter
Fundstellen