Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorversterben des Begünstigten aus Todesfall
Leitsatz (amtlich)
- Bei Vorversterben des gem. § 331 BGB Begünstigten steht das Recht auf die Leistung im Zweifel dem Versprechensempfänger zu oder fällt in dessen Nachlaß, soweit kein Ersatzbegünstigter benannt worden ist.
- Für die Auslegung der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, durch die der Anspruch aus § 331 BGB begründet wird, sind §§ 133 und 157 BGB maßgebend. Die besonderen erbrechtlichen Auslegungsregeln für letztwillige Verfügungen sind dagegen auch nicht entsprechend anwendbar.
Normenkette
BGB § 331
Tatbestand
In ihrem Testament vom 2. Februar 1976 hatte die am 16. Juli 1989 verstorbene Frau B. (Erblasserin) der Klägerin, ihrer Großnichte, ein Reihenhaus hinterlassen; ihren Sohn, der mit der Beklagten verheiratet war und zwei Kinder hat, bedachte sie im wesentlichen mit einem Sparguthaben, das sie am 5. Januar 1976 auf seinen Namen hatte umschreiben lassen (letzter Stand rund 86000 DM). Das Sparbuch behielt die Erblasserin bei sich.
Der Sohn verunglückte am 24. Mai 1984 tödlich und wurde ausweislich eines Erbscheins vom 13. August 1984 von der Beklagten allein beerbt. Am 1. Oktober 1986 vereinbarte die Erblasserin mit der Sparkasse eine Hinterlegung des auf den Namen ihres Sohnes lautenden Sparbuchs. Der Hinterlegungsschein, den die Erblasserin bei sich verwahrte, gelangte nach ihrem Tod in die Hände der Mutter der Klägerin, die sich um den Nachlaß kümmerte. Sie sandte ihn auf Bitten eines der Enkelkinder, die Pflichtteilsansprüche verfolgten, am 18. August 1989 an die Beklagte. Diese legte ihn der Sparkasse vor, erhielt das Sparbuch und ließ sich Ende September 1989 das Guthaben auszahlen. Die Klägerin erlangte am 27. Dezember 1989 den Erbschein, der sie als Alleinerbin nach der Erblasserin ausweist.
Die Klägerin vertritt den Standpunkt, mit dem Tod des Sohnes sei eine eventuelle Begünstigung gemäß § 331 BGB entfallen und das Vermächtnis gemäß § 2160 BGB unwirksam geworden; das Sparguthaben falle daher in den Nachlaß. Sie fordert von der Beklagten 10000 DM als erstrangigen Teilbetrag sowie 7% Verzugszinsen seit dem 25. März 1990. Die Beklagte meint, sie sei an die Stelle ihres verstorbenen Ehemannes getreten.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Das Berufungsgericht sieht im Anschluß an das Urteil des Bundesgerichtshofs BGHZ 46, 198 ff., in der Umschreibung des in der Hand der Erblasserin verbliebenen Sparbuchs auf den Namen ihres Sohnes am 5. Januar 1976 eine Vereinbarung mit der Sparkasse, dem Sohn den Anspruch auf das Guthaben gemäß § 331 Abs. 1 BGB zuzuwenden, soweit es beim Tod der Erblasserin noch vorhanden sein würde; darin liege zugleich ein Schenkungsangebot.
Der Sohn der Erblasserin habe bis zu seinem Tod keine Rechte auf das Sparguthaben erworben, die auf die Beklagte im Wege der Erbfolge hätten übergehen können. Eine Gesamtwürdigung der Umstände des vorliegenden Falles spreche gegen die Annahme, daß die Erblasserin das Sparguthaben im Falle eines Vorversterbens ihres Sohnes dessen Erben habe überlassen wollen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß das Verhältnis der Erblasserin zur Beklagten unstreitig nicht gut gewesen sei. Vielmehr habe die Erblasserin das Sparguthaben bei einem vorzeitigen Tod ihres Sohnes dessen Kindern zuwenden wollen. Sie stünden ihr am nächsten. Diese Auslegung sei im Hinblick auf § 2069 BGB nicht zu weit hergeholt; diese erbrechtliche Regelung sei vielmehr auch für das Recht auf eine Leistung nach dem Todesfall gemäß § 331 BGB von Bedeutung.
Da das Guthaben den Enkelkindern zugedacht sei, habe die Beklagte zwar als Nichtberechtigte über das Sparguthaben verfügt. Gleichwohl stünden der Klägerin keine Ansprüche gegen die Beklagte zu. Denn die Erblasserin habe das Sparguthaben nicht der Klägerin zugewendet. Die Beklagte habe nichts auf Kosten der Klägerin erlangt, sondern allenfalls auf Kosten ihrer Kinder.
2.
Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß bei Vorversterben des gemäß § 331 BGB Begünstigten das Recht auf die Leistung im Zweifel dem Versprechensempfänger, hier der Erblasserin, zusteht oder in ihren Nachlaß fällt, soweit kein anderer Begünstigter benannt worden ist (MK/Gottwald, 2. Aufl. § 331 BGB Rdn. 1; Staudinger/Kaduk, BGB 12. Aufl. § 331 Rdn. 4 und 10; vgl. auch Soergel/Hadding, BGB 12. Aufl. § 331 Rdn. 7). Zwar ist nicht ausgeschlossen, daß sich aus der Auslegung der Vereinbarungen zwischen der Erblasserin und der Sparkasse die stillschweigende Benennung eines ersatzweise Begünstigten ergeben kann. Ein dahingehender Wille der Erblasserin hätte aber der Sparkasse erkennbar und auch von ihrem Vertragswillen mitumfaßt sein müssen (vgl. BGHZ 46, 198, 202; Urteil vom 19. Oktober 1983 - IVa ZR 71/82 - NJW 1984, 480). Für die Auslegung der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, durch die der Anspruch aus § 331 BGB begründet wird, sind §§ 133 und 157 BGB maßgebend. Die besonderen erbrechtlichen Auslegungsregeln für letztwillige Verfügungen sind dagegen auch nicht entsprechend anwendbar.
Das hat das Berufungsgericht verkannt. Seine Auslegung richtet sich lediglich darauf, den mutmaßlichen Willen der Erblasserin zu ermitteln. Daß der Sparkasse bei der Umschreibung des Sparbuchs auf den Namen des Sohnes am 5. Januar 1976 ein Wille der Erblasserin erkennbar gewesen wäre, ersatzweise ihre Enkelkinder zu begünstigen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dafür bietet der Prozeßstoff auch keinen Anhaltspunkt. Danach kann von einer Begünstigung der Enkelkinder gemäß § 331 BGB nicht ausgegangen werden.
3.
Darüber hinaus trifft die Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu, die Klage sei schon deshalb abzuweisen, weil die Erblasserin das Sparguthaben jedenfalls nicht der Klägerin zugedacht habe. Selbst wenn die Erblasserin die Enkelkinder als Ersatzbegünstigte benannt hätte, könnten sie, wie das Berufungsgericht nicht verkennt, das Sparguthaben nur behalten, wenn in ihrem Verhältnis zur Erblasserin oder deren Erben (Valutaverhältnis) eine rechtswirksame Schenkung vorliegt. Andernfalls müßten sie den Anspruch oder das daraus Erlangte als ungerechtfertigte Bereicherung den Erben herausgeben (BGH, Urteil vom 14. Juli 1976 - IV ZR 123/75 - WM 1976, 1130 unter II; BGHZ 91, 288, 290f. m.w.N.). Ob die Enkelkinder den vom Berufungsgericht angenommenen Anspruch aus § 331 BGB der Klägerin gegenüber mit Rechtsgrund erworben haben, hat das Berufungsgericht ausdrücklich offengelassen. Ob die Beklagte im Valutaverhältnis zur Klägerin zum Behalten des an sie ausbezahlten Sparguthabens berechtigt ist, hat das Berufungsgericht nicht geprüft. Sein Urteil kann daher nicht bestehenbleiben.
4.
Der Klägerin stünde der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte allerdings nur zu, wenn das Sparguthaben in den Nachlaß gefallen wäre, weil anstelle des vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin kein Ersatzbegünstigter bestimmt worden ist, oder wenn es jedenfalls an einem wirksamen Valutaverhältnis fehlte. Die Beklagte hat jedoch behauptet, die Erblasserin habe mit der Sparkasse schon bei der Umschreibung des Sparbuchs auf den Namen ihres Sohnes ausdrücklich vereinbart, daß die Erben des Sohnes ersatzweise begünstigt werden sollten. Für diesen von der Klägerin bestrittenen Vortrag hat die Beklagte keinen Beweis angetreten. Deshalb hat das Berufungsgericht gemeint, das Vorbringen der Beklagten sei für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung.
Im Rahmen des § 816 Abs. 2 BGB trifft die Beweislast für die Nichtberechtigung des Leistungsempfängers jedoch den Anspruchsteller, also die Klägerin (BGH, Beschluß vom 29. Oktober 1987 - III ZR 210/86 - BGHR BGB § 816 Abs. 2 Beweislast 1; Urteil vom 12. April 1978 - IV ZR 68/77 - NJW 1978, 2027). Wenn das Vorbringen der Klägerin zutreffen würde, wäre der Beklagten mit dem Sparbuch ein Schenkungsangebot der Erblasserin zugegangen, das die Beklagte mangels Widerrufs der Erben auch nach dem Erbfall noch hätte annehmen und damit der Zuwendung im Verhältnis zur Klägerin den rechtfertigenden Grund zum Behalten verschaffen können. Die Sparkasse hätte die der Beklagten im Valutaverhältnis zugedachte Leistung erbracht und damit den Schenkungsvertrag erfüllt. Die Klägerin, die dieses Vorbringen bestreitet und die Leistung zurückfordert, ist für das Fehlen des Rechtsgrundes beweispflichtig. Wer einen Bereicherungsanspruch aus Leistungskondiktion geltend macht, hat die Tatsachen, aus denen die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird, also das Nichtbestehen eines Rechtsgrundes der erbrachten Leistung, in vollem Umfang zu beweisen (BGH, Urteil vom 9. Juni 1992 - VI ZR 215/91VI ZR 215/91 - BGHR § 812 Abs. 1 Satz 1 Beweislast 3). Das hat das Berufungsgericht verkannt, wie die Beklagte mit Recht rügt. Die Klägerin muß durch Zurückverweisung der Sache Gelegenheit erhalten, sich mit ihrem Vorbringen auf die von der Auffassung des Berufungsgerichts abweichende Rechtslage einzustellen und gegebenenfalls Beweis anzutreten.
Die Beklagte hat weiter behauptet, nach dem Tod ihres Sohnes sei der Erblasserin in der Sparkasse erklärt worden, sie könne über das Sparguthaben und die Zinsen nicht mehr verfügen, dazu seien nur noch die Erben ihres Sohnes berechtigt; damit habe sich die Erblasserin ausdrücklich einverstanden erklärt, aber angemerkt, sie wolle das Sparbuch noch nicht zu ihren Lebzeiten der Beklagten aushändigen. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag dahin gewürdigt, die Erblasserin habe sich einer offenbar unrichtigen Rechtsauskunft gefügt; ein rechtsgeschäftliches Handeln der Erblasserin sei damit nicht dargetan. Dieses Verständnis des Parteivorbringens ist möglich; ein Rechtsfehler ist insoweit weder von der Beklagten dargetan noch ersichtlich.
5.
Wenn der Klägerin der Nachweis gelingt, daß die Erblasserin entgegen der Behauptung der Beklagten die Erben ihres Sohnes nicht gemäß § 331 BGB begünstigt und beschenkt hat, käme noch ein Anspruch der Beklagten auf das Sparguthaben aufgrund des Testaments in Betracht.
Die Beklagte hat in zweiter Instanz geltend gemacht, ein eventuelles Vermächtnis zugunsten des Sohnes der Erblasserin sei dahin auszulegen, daß im Falle seines Vorversterbens seine Erben ersatzweise bedacht seien. Mit diesem Anspruch hat sie hilfsweise die Aufrechnung erklärt. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Auslegung des Testaments hat die Beklagte nicht vorgetragen. Andererseits rügt die Klägerin, nach den Umständen habe die Erblasserin ausschließlich ihren Sohn bedenken wollen. Insoweit hat das Berufungsgericht das Testament jedoch rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, daß bei Vorversterben des Sohnes gemäß § 2069 BGB nicht dessen Erben, sondern seine Abkömmlinge, die Enkelkinder der Erblasserin, begünstigt seien.
In der Revisionsinstanz vertritt die Beklagte den Standpunkt, das Testament der Erblasserin sei abweichend vom Erbschein auszulegen, von dem die Parteien bisher ausgegangen sind. Die Erblasserin habe nicht nur die Klägerin, sondern in erster Linie ihren Sohn als Erben eingesetzt, und zwar nach Quoten, die dem Wertverhältnis der jedem von ihnen zugedachten Vermögensgegenstände entsprechen. Im Streit der Erbprätendenten ist der Prozeßrichter, soweit es lediglich um die Auslegung des Testaments geht, nicht an den Erbschein gebunden (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 4. Februar 1987 - IVa ZR 229/85 - NJW-RR 1987, 1090 f. unter II 1.; BGHZ 86, 41, 51). Wenn von einer Erbengemeinschaft der Klägerin etwa mit den gemäß § 2069 BGB ersatzweise berufenen Enkelkindern der Erblasserin auszugehen wäre, könnte die Klägerin gemäß § 2039 BGB nur Leistung an alle Miterben verlangen. Auch insoweit wird das Berufungsgericht die Sache weiter aufzuklären haben
Fundstellen
Haufe-Index 1456236 |
NJW 1993, 2171 |
DNotZ 1994, 49 |
ZBB 1993, 187 |