Leitsatz (amtlich)
Gegenüber einer weder im Baugewerbe tätigen noch sonst im Baubereich bewanderten Vertragspartei kann die VOB/B nicht durch die Klausel in den Vertrag einbezogen werden, dem Vertragspartner werde vom Verwender der Text auf Wunsch kostenlos zur Verfügung gestellt.
a) Der Einzug in das Bauwerk oder dessen Nutzung sind jedenfalls dann keine hinreichende Grundlage für eine konkludente Abnahme, wenn der Auftraggeber vor dem Einzug oder der Nutzung die Abnahme zu Recht aufgrund von Mängeln verweigert hat, die zum Zeitpunkt des Einzugs oder der Nutzung nicht beseitigt worden sind.
b) Der Auftraggeber ist in einem derartigen Fall nicht gehalten, beim Einzug oder mit dem Beginn der Nutzung die Abnahmeverweigerung zu wiederholen.
Normenkette
AGBG § 2 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 640 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Aktenzeichen 9 U 1449/97) |
LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 8 O 46/97) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 31. März 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn von der Beklagten für ein von ihr errichtetes Bauwerk. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob die Beklagte das Werk im Jahre 1994 abgenommen hat.
II.
Im Februar 1993 schlossen die Parteien einen Bauvertrag über die Errichtung eines Hauses mit drei Wohnungen und einer Arztpraxis zu einem Festpreis von 884.000 DM. Der Text des Vertrages sieht vor, daß die VOB Teil B Bestandteil der Vereinbarung sein soll. Die Beklagte hat bestritten, daß sie die Möglichkeit erhalten habe, sich in geeigneter Weise Kenntnis von dem Text der VOB Teil B zu verschaffen.
Während der Bauausführung leistete die Beklagte sieben Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 839.000 DM. Nachdem der Bau weitgehend fertiggestellt war, nutzte die Beklagte die Arztpraxis seit Juli/August 1994. Ende 1994 zog sie in eine der drei Wohnungen ein.
Im August 1994 hatte eine gemeinsame Begehung des Objektes stattgefunden, die aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, abgebrochen wurde. Nach den unstreitigen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte mit Schreiben vom 11. Oktober 1994, das sich nicht bei den Akten befindet, Mängel gerügt. Die Klägerin hat darüber hinaus vorgetragen, die Beklagte habe darin die Abnahmeverweigerung erklärt. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz hat die Beklagte in ihrem Antrag auf Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens vom 24. März 1996 bestätigt, daß eine Abnahme nicht erfolgt sei.
Im Beweissicherungsverfahren stellte der Sachverständige in seinem Gutachten vom Juli 1996 eine Reihe von Mängeln fest; die Mängelbeseitigungskosten schätzte er auf insgesamt 21.000 DM.
III.
Mit ihrer am 12. Februar 1997 beim Landgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin Zahlung von 74.778,72 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Werklohnforderung sei verjährt. Das Landgericht hat die wirksame Einbeziehung der VOB/B verneint und angenommen, daß die Verjährung mit Eintritt der Fälligkeit zum Zeitpunkt der im Oktober 1994 erfolgten konkludenten Abnahme nach § 640 Abs. 1 BGB begonnen habe. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil bestätigt. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision der Klägerin hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
II.
1. Das Berufungsgericht hat die Wirksamkeit der Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag mit folgenden Erwägungen verneint:
a) Die Fälligkeit der Werklohnforderung und der Beginn der Verjährungsfrist richte sich nach § 640 Abs. 1 BGB und nicht nach § 16 Nr. 3 VOB/B, weil die VOB/B nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden sei. Gegenüber einer Vertragspartei, die weder im Baugewerbe tätig noch im Baurecht bewandert sei, genüge der Hinweis auf die VOB/B im Vertrag nicht. Der Verwender müsse seiner zukünftigen Vertragspartei in geeigneter Weise Gelegenheit geben, sich bei Vertragsschluß über den Inhalt der VOB/B zu informieren.
b) Diesen Anforderungen genüge die Klausel im Vertrag nicht, die vorsehe, daß der Beklagten der Text der VOB/B auf Wunsch zur Verfügung gestellt werde, weil die Beklagte nicht zu den Personen gehöre, denen gegenüber ein Hinweis auf die VOB/B für eine wirksame Einbeziehung ausreiche.
2. Diese Erwägungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Hinweis auf die VOB/B im Vertrag für eine wirksame Einbeziehung nur, wenn die Vertragspartei des Verwenders im Baurecht bewandert ist. Gegenüber Vertragsparteien, die im Baurecht nicht bewandert sind, wird die VOB/B nur wirksam einbezogen, wenn der Verwender seinem zukünftigen Vertragspartner die Gelegenheit einräumt, den vollen Text zur Kenntnis zu nehmen (Urteil vom 9. November 1989 - VII ZR 16/89, BGHZ 109, 192, 194 ff; Urteil vom 14. Februar 1991 - VII ZR 132/90 = BauR 1991, 328 = ZfBR 1991, 151; Urteil vom 26. März 1992 - VII ZR 298/90 = BauR 1992, 503 = ZfBR 1992, 206). Der Hinweis im Vertrag, dem Vertragspartner werde der Text der VOB/B auf Wunsch kostenlos zur Verfügung gestellt, genügt diesen Erfordernissen nicht. Nach den in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. November 1989 - VII ZR 16/89 = BGHZ 109, 192, 196 wiedergegebenen Erwägungen des Gesetzgebers muß der Verwender seine Bedingungen offenlegen und auf die von ihm beabsichtigte Einbeziehung hinweisen. Die Möglichkeit der unmittelbaren Kenntnisnahme hat für den Bauherrn eine andere Bedeutung, als wenn er sich auf seinen Wunsch selbst darum kümmern muß, die VOB/B zu erhalten, um seine Informationsmöglichkeiten zu wahren. Die ihm angediente Entscheidung, ob er die Geschäftsbedingungen des Verwenders erst anfordern und dann kennenlernen will, verschiebt, wenn auch kaum merklich, die Gewichte zugunsten des Verwenders.
III.
1. Das Berufungsgericht hat die Verjährung des Werklohnanspruches mit folgenden Erwägungen bejaht:
Die Verjährung habe mit Ablauf des Jahres 1994 zu laufen begonnen, weil die Abnahme des Werkes spätestens zum Ende des Jahres 1994 erfolgt sei. Die Beklagte habe das Werk mit ihrem Einzug in die Wohnung im Oktober 1994 konkludent abgenommen, so daß die Abnahmewirkungen nach Ablauf einer zweimonatigen rügelosen Nutzung eingetreten seien. Eine möglicherweise von der Beklagten vor dem Einzug erklärte Abnahmeverweigerung sei bedeutungslos, weil die Beklagte die Abnahmeverweigerung beim Einzug nicht aufrechterhalten habe. Eine Abnahme setze keine Vollendung des Werkes voraus, es genüge, daß der Auftraggeber die Werkleistung als im wesentlichen vertragsgemäß anerkenne.
Das Schreiben der Beklagten vom 11. Oktober 1994, mit der sie eine Abnahme wegen der nicht vollständigen und mangelfreien Leistung verweigert habe, sei im Hinblick auf die im Verhältnis zum Umfang des Auftrags relativ geringfügigen Mängel und Mängelbeseitigungskosten unerheblich. Eine Ingebrauchnahme der Werkleistung, die mit derartigen geringfügigen Mängeln behaftet sei, sei eine schlüssige Abnahme.
2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht dessen Annahme, das Werk sei durch Einzug und Nutzung konkludent abgenommen worden.
a) Eine konkludente Abnahme setzt voraus, daß nach den Umständen des Einzelfalles das Verhalten des Auftraggebers den Schluß rechtfertigt, er billige das Werk als im wesentlichen vertragsgemäß. Ein typischer Sachverhalt, auf den eine konkludente Abnahme gestützt werden kann, ist der Einzug und die Nutzung des Gebäudes (BGH, Urteil vom 12. Juni 1975 - VII ZR 55/93, NJW 1975, 1701; Urteil vom 25. Januar 1996 - VII ZR 26/95 = BauR 1996, 390 = ZfBR 1996, 156).
b) Nach den festgestellten Umständen hat die Beklagte das Bauvorhaben im Oktober 1994 trotz Einzug und Nutzung nicht konkludent abgenommen:
(1.) Im Hinblick auf den von der Klägerin behaupteten und vom Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegten Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 11. Oktober 1994 rechtfertigen der Einzug der Beklagten in das Bauwerk und dessen Nutzung durch die Beklagte nicht den Schluß, sie akzeptiere die Werkleistung der Klägerin als im wesentlichen vertragsgemäß, obwohl die von ihr beanstandeten Mängel noch nicht beseitigt waren.
(2.) Verweigert der Auftraggeber die Abnahme unter Hinweis auf Mängel, die ihn berechtigen, die Abnahme zu verweigern, dann begründet der anschließende Einzug und die Nutzung im Regelfall keine konkludente Abnahme. Der Auftraggeber muß beim Einzug in das Bauwerk, wenn er zuvor die Abnahme berechtigterweise verweigert hat, im Regelfall nicht noch einmal die Abnahmeverweigerung erklären.
(3.) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Beklagte aufgrund der von ihr im Schreiben vom 11. Oktober 1994 genannten Mängel, die später durch den Sachverständigen bestätigt worden sind, berechtigt, die Abnahme zu verweigern. Im BGB-Vertrag ist der Auftraggeber dann verpflichtet, das Werk abzunehmen, wenn es vertragsgemäß erstellt worden ist. Im Unterschied zum VOB-Vertrag ist der Auftraggeber auch bei nicht wesentlichen Mängeln im Regelfall nicht verpflichtet, das Werk abzunehmen es sei denn, seine Verweigerung verstößt gegen Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 25. Januar 1996 - VII ZR 26/95 = BauR 1996, 390 = ZfBR 1996, 156).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lagen zum Zeitpunkt der Abnahmeverweigerung und des Einzugs der Beklagten Mängel vor, so daß die Werkleistung nicht vertragsgemäß i.S.d. § 640 Abs. 1 BGB hergestellt war. Umstände, die den Schluß rechtfertigen, daß die Beklagte mit ihrem Einzug trotz der Mängel die Werkleistung abnehmen wollte, liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor. Der Umstand, daß im Zeitpunkt des Einzuges die ursprünglich beanstandeten Mängel noch nicht beseitigt waren, spricht gegen eine Billigung des Werkes als im wesentlichen vertragsgemäß, weil die Beklagte mit der vorbehaltlosen konkludenten Abnahme die Gewährleistungsansprüche nach §§ 633, 634 BGB hinsichtlich der ihr bekannten Mängel nach § 640 Abs. 2 BGB verloren hätte.
IV.
Die Werklohnforderung der Klägerin ist infolge der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehlenden Abnahme nicht fällig geworden und deshalb auch nicht verjährt. Eine Entscheidung in der Sache durch den Senat ist nicht möglich, weil nicht auszuschließen ist, daß die Mängel nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerin, der in der Revision als richtig zu unterstellen ist, im Jahre 1996 beseitigt worden sind. Sollten die Mängel beseitigt und das Werk damit vertragsgemäß errichtet sein, wäre die Beklagte zu diesem Zeitpunkt zur Abnahme verpflichtet gewesen. Unter dieser Voraussetzung wäre die Klägerin berechtigt, ohne vorher eine Klage auf Abnahme zu erheben, ihren Werklohn einzuklagen.
Unterschriften
Herr RiBGH Hausmann ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben. Ullmann, Thode, Ullmann, Wiebel, Kuffer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.06.1999 durch Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539069 |
BB 1999, 2103 |
DB 1999, 2308 |
BauR 1999, 1186 |
EBE/BGH 1999, 239 |
NJW-RR 1999, 1246 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 2116 |
MDR 1999, 1061 |
NJ 1999, 600 |
ZfBR 1999, 236 |
ZfBR 1999, 327 |
RdW 1999, 560 |