Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Entscheidung vom 30.11.2022; Aktenzeichen 23 U 2809/21) |
LG Stuttgart (Entscheidung vom 27.05.2021; Aktenzeichen 12 O 99/21) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. November 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufungsanträge betreffend eine deliktische Schädigung des Klägers durch das Inverkehrbringen des in seinen Berufungsanträgen näher bezeichneten Fahrzeugs ohne Erfolg geblieben sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Im August 2017 erwarb der Kläger von der Beklagten als Verkäuferin einen gebrauchten Mercedes-Benz GLA 220d zu einem Kaufpreis von 25.790 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse: EURO 6) ausgestattet. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger über ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG (künftig Darlehensgeberin). Dem Darlehensvertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Darlehensgeberin zugrunde. Dort hieß es unter anderem:
"II. Sicherheiten
Der Darlehensnehmer räumt dem Darlehensgeber zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche des Darlehensgebers aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehenden Ziffern 1 - 3 ein. […]
[…]
3. Abtretung von sonstigen Ansprüchen
Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an den Darlehensgeber ab, [der] diese Abtretung annimmt:
- […]
- […]
- gegen den Verkäufer für den Fall einer Rückgängigmachung des finanzierten Vertrages oder Herabsetzung der Vergütung.
- gegen die […] [Beklagte], […], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die […] [Beklagte] oder einen Vertreter der […] [Beklagten]. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen.
[…]
6. Rückgabe der Sicherheiten
Der Darlehensgeber verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. […] 3) zurückzuübertragen […]. Bestehen mehrere Sicherheiten, hat der Darlehensgeber auf Verlangen des Darlehensnehmers schon vorher nach [seiner] Wahl einzelne Sicherheiten oder Teile davon freizugeben, falls deren realisierbarer Wert 120% der gesicherten Ansprüche des Darlehensgebers überschreitet. […]"
Rz. 3
Der Kläger hat die Beklagte in erster Linie unter dem Gesichtspunkt kaufrechtlicher Gewährleistung und in zweiter Linie unter dem Gesichtspunkt einer deliktischen Schädigung wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs auf Zahlung, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Anträge weiter, soweit er sie auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die wirksam beschränkte (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2023 - VIa ZR 1517/22, WM 2023, 1122 Rn. 4 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ; Urteil vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1620/22, zVb) Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 6
Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, weil er etwa bestehende Ansprüche gegen die Beklagte aus unerlaubter Handlung an die Darlehensgeberin abgetreten habe. Die in den Darlehensvertrag einbezogene Abtretungsklausel erfasse die geltend gemachten deliktischen Ansprüche und halte einer Inhaltskontrolle stand. Weder sei sie - weil bankenüblich - überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB noch benachteilige sie den Kläger unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel sei auch nicht unklar. Eine bloße Sicherungsabtretung berühre zwar regelmäßig nicht die Befugnis des Abtretenden, das übertragene Recht gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen. Aufgrund der Offenlegung der Sicherungsabtretung könne der Kläger aber nicht Zahlung an sich verlangen. Da der Kläger Schadensersatz nicht verlangen könne, sei weder der Annahmeverzug der Beklagten festzustellen noch seien dem Kläger die beantragten Nebenforderungen zuzuerkennen.
II.
Rz. 7
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts können die vom Kläger zuletzt geltend gemachten Ansprüche nicht abgelehnt werden. Der Kläger ist vielmehr Anspruchsinhaber möglicher deliktischer Ansprüche gegen die Beklagte, weil die in der Sicherungsabrede zwischen dem Kläger und der Darlehensgeberin enthaltene Abtretungsklausel nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung unwirksam ist (vgl. BGH, Urteile vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 1141/22, zVb; - VIa ZR 1619/22, zVb; - VIa ZR 1657/22, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ; Urteile vom 3. Juli 2023 - VIa ZR 1498/22, zVb; - VIa ZR 155/23, zVb).
III.
Rz. 8
Das Berufungsurteil ist daher, soweit das Berufungsgericht die Berufungsanträge betreffend eine deliktische Schädigung des Klägers in ihrer zuletzt gestellten Form zurückgewiesen hat, gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben, weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten wegen einer deliktischen Schädigung des Klägers getroffen, sodass die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Menges |
|
Krüger |
|
Rensen |
|
Wille |
|
Liepin |
|
Fundstellen
Dokument-Index HI15826251 |