Leitsatz (amtlich)
Der Nachbesserungsanspruch kann auch nach Abnahme des Werks auf Neuherstellung gerichtet sein, wenn nur auf diese Weise Mängel nachhaltig zu beseitigen sind, gleichviel ob der Werkvertrag allein dem Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches unterliegt oder ob für ihn die VOB/B gilt (Abweichung von BGHZ 26, 337, 340; 42, 232, 233; 38, 7, 9; 61, 42, 43).
Normenkette
BGB § 633; VOB/B § 13 Nr. 5
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 06.11.1984; Aktenzeichen 21 U 2074/84) |
LG Berlin (Urteil vom 06.01.1984; Aktenzeichen 3 O 218/83) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 6. November 1984 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger beauftragte die Beklagte 1977, in seinem Einfamilienhaus gegen eine Vergütung von 21.607,04 DM Fenster und Türen mit Aluminiumrahmen einzubauen. Da der Kläger einen möglichst geringen Wärmedurchlaßwert (K-Wert) forderte, bot die Beklagte eine Konstruktion mit einem K-Wert von 2,4 bis 2,6 für die Rahmen an. Dieses Angebot und die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten wurden dem Vertrag zugrunde gelegt; im übrigen sollte die VOB/B gelten.
Zur Gewährleistung heißt es in Nummer 9 der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen u. a.:
„Bei berechtigten Mängeln erfolgt kostenlose Nacharbeit oder Ersatz, wofür eine angemessene Frist als vereinbart gilt. Weitere Ansprüche, z. B. auf Schadensersatz, sind ausgeschlossen.”
Im Jahre 1977 wurden die von der Beklagten erbrachten Leistungen abgenommen. Nach deren Abnahme stellte sich heraus, daß der tatsächliche K-Wert bei den Fenster- und Türrahmenteilen 3,8 (W/m²) beträgt.
Mit der Klage fordert der Kläger Nachbesserung in Form eines Austauschesaller Rahmen und Flügel der Fenster und Türen gegen neue mit einem K-Wert von 2,4 bis 2,6 sowie alle erforderlichen Nebenarbeiten. Zur Begründung verweist er darauf, daß infolge der schlechteren Wärmedämmung zusätzlicher Wärmebedarf entstehe und leichter Schwitzwasser in den Profilen der Fenster und Türen auftrete, das u. a. zur Schimmelbildung an Tapeten und Putz führe.
Hilfsweise fordert der Kläger Zahlung von 25.145,13 DM, weiter hilfsweise, näher bezeichnete einzelne Mängel zu beseitigen sowie 11.078,79 DM nebst Zinsen an ihn zu bezahlen.
Die Beklagte hält dem entgegen:
Der Austausch aller Fenster und Türen erfordere einen unverhältnismäßigen, für sie mit Selbstkosten in Höhe von rund 22.000,– DM unzumutbaren Aufwand. Dieser bedeute praktisch eine Neuherstellung, zu der sie nach Abnahme nicht mehr verpflichtet sei. Sie habe in ihr Vertragsangebot die K-Werte übernommen, die ihr von ihrem Lieferanten genannt worden seien; tatsächlich sei im Jahre 1977 nach dem damaligen Stand der Technik ein K-Wert von 2,4 bis 2,6 für die Rahmen überhaupt nicht zu erreichen gewesen. Die Nichteinhaltung des von ihr im Angebot dem Kläger mitgeteilten K-Wertes mindere den Wert oder die Tauglichkeit der Fenster und Türen nur unerheblich. Die Schwitzwassergefahr bestehe bei Außentemperaturen von -5 bis -10° Celsius und damit nur an wenigen Tagen im Jahr.
Landgericht und Kammergericht haben dem Hauptantrag stattgegeben. Mit der – zugelassenen – Revision, die der Kläger zurückzuweisen bittet, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I.
1. Das Berufungsgericht hält Nummer 9 der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen gemäß § 11 Nr. 10 b AGBG für unwirksam, da diese Klausel die Gewährleistungsansprüche gegen den Verwender auf Nacharbeit oder Ersatz beschränke, ohne durch ausdrücklichen Vorbehalt dem anderen Vertragsteil das Recht einzuräumen, bei Fehlschlagen von Nachbesserung oder Ersatzlieferung Wandlung oder Minderung verlangen zu können.
Damit greife insoweit aufgrund des Vertrages die VOB/B ein.
2. Dagegen wehrt sich die Revision vergeblich. Sie macht geltend, daß das AGBG hier nicht anwendbar sei, da der von den Parteien geschlossene Vertrag auf dem Angebot vom 16. Februar 1977 beruhe und somit in die Zeitvor dem Inkrafttreten des AGBG am 1. April 1977 (§ 30 AGBG) zurückgehe.
Das geht schon deshalb fehl, weil für die Frage des Stichtages allein der Zeitpunkt desVertragsschlusses entscheidend ist (§ 28 Abs. 1 AGBG). Insoweit ist aber aufgrund der von keiner Partei in Zweifel gezogenen und somit als unstreitig anzusehenden Erklärung der Beklagten in ihrer Rechnung vom 31. Oktober 1977 davon auszugehen, daß der Auftrag am 30. August 1977, alsonach dem Inkrafttreten des AGBG, erteilt wurde.
II.
1. Das Berufungsgericht nimmt an, die Beklagte habe für die Fenster- und Türrahmen einen K-Wert von 2,4 bis 2,6vertraglich zugesichert. Mit der in ihrem Kostenangebot enthaltenen Beschaffenheitsangabe habe die Beklagte die ernsthafte Erklärung abgegeben, daß die von ihr zu liefernden Fenster und Türen im Zeitpunkt der Abnahme den vorbezeichneten Wärmedurchlaßwert auf weisen würden. Sie habe wegen der vertraglichen Zusicherung gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B Gewähr zu leisten. Unerheblich sei demgegenüber, ob es nach dem Stand der Technik zur Zeit des Einbaus überhaupt möglich gewesen sei, diesen Wert einzuhalten, und ob das Werk im übrigen den anerkannten Regeln der Technik entsprochen habe.
2. Die Revision meint dagegen, eine Zusicherung des vereinbarten K-Wertes komme hier nicht in Betracht, weil die Beklagte technisch gar nicht in der Lage gewesen sei, die Rahmen auf ihren Wärmedurchlaßwert zu überprüfen; sie habe sich vielmehr voll auf die Angaben ihres Lieferanten verlassen müssen.
Auch diese Rüge dringt nicht durch.
a) Zwar stellt nicht jede Beschreibung einer Bauleistung in einem Leistungsverzeichnis oder Angebot ohne weiteres die Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft dar. So hat der Senat beispielsweise die nähere Beschreibung, wie eine Bauleistung ausgeführt werden soll – im konkreten Falle die Bezeichnung,wo die Fugen zwischen Fassadenblenden zu hinterlegen sind – noch nicht als Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft – der Fassadenverkleidung –, also etwa ihrer Güte, Widerstandsfähigkeit, Brauchbarkeit zu besonderen Zwecken oder dergleichen gewertet (NJW 1981, 1448 m.w.N.).
Im Unterschied dazu dient hingegen die Angabe eines bestimmten Wärmedurchlaßwert es bei Fenster- und Türrahmen gerade der Beschreibung einerEigenschaft des Leistungsgegenstandes.
b) Diese Eigenschaft wurde auch zugesichert. Zusicherung im Sinne des § 13 Nr. 1 VOB/B (und des § 633 BGB) ist das vertraglich vom Auftragnehmer gegebene, vom Auftraggeber angenommene Versprechen, das Werk mit einer bestimmten Eigenschaft auszustatten. Nicht erforderlich ist – anders als im Kaufrecht –, daß der Auftragnehmer zum Ausdruck bringt, er werde für alle Folgen einstehen, wenn die Eigenschaft nicht erreicht werde (Glanzmann in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 633 Rdn. 12).
Dabei spielt es keine Rolle, ob der zusichernde Unternehmer in der Lage ist, die von einem Hersteller bezogenen Rahmenteile selbst auf die von diesem angegebenen K-Werte hin zu überprüfen und ob die Zusicherung schuldhaft falsch abgegeben wurde. Von Bedeutung für die Annahme einer Zusicherung im vorliegenden Falle ist hingegen auch, daß der Kläger unstreitig großen Wert auf eine optimale Wärmedämmung legte und es ihm deshalb gerade auf einen möglichst niedrigen K-Wert ankam (vgl. hierzu Ingenstau/Korbion, VOB/B, 10. Aufl., § 13 Rdn. 33, 34).
c) Schließlich scheitert das Vorliegen einer Zusicherung auch nicht daran, daß möglicherweise der angegebene K-Wert zum Zeitpunkt seiner Zusicherung als Eigenschaft technisch noch gar nicht erreicht werden konnte. Wie der Senat bereits entschieden hat, haftet derjenige, der eine Eigenschaft eines Werkes zusichert, auch dann nach den §§ 633 ff BGB, wenn es technisch nicht möglich ist, dem Vertragsgegenstand die zugesicherte Eigenschaft zu verleihen (BGHZ 54, 236, 238). Dies gilt auch für den Anwendungsbereich des § 13 VOB/B.
III.
Das Berufungsgericht hält den Kläger für berechtigt, von der Beklagten die Neuherstellung der Türen und Fenster mit dem zugesicherten K-Wert zu fordern; auf anderem Wege könne auch bei Berücksichtigung der Interessen der Beklagten der Kläger einen zumutbaren Ausgleich für die erlittenen Nachteile nicht erlangen. Die Nachbesserung könne von der Beklagten auch nicht mit der Begründung verweigert werden, sie erfordere unverhältnismäßig hohen Aufwand.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.
1. Die Frage, ob nach Abnahme des Werks noch Neuherstellung gefordert werden kann, wird in Rechtsprechung und Schrifttum für den Geltungsbereich von BGB einerseits und VOB/B andererseits nicht einheitlich beantwortet.
a) Für dasgesetzliche Werkvertragsrecht (§ 633 Abs. 2 BGB) hat der Bundesgerichtshof einen so weitgehenden Anspruch nach Abnahme des Werks verneint (BGHZ 42, 232, 233 m.w.N.). Er hat dabei darauf abgehoben, daß § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB einenErfüllungsanspruch gewähre, der sich durch die Abnahme inhaltlich ändere, indem er sich auf das abgenommene Werk beschränke, so daß der Unternehmer nur dessen Mängel abzustellen habe (BGHZ 61, 42, 45 m.w.N.).
Das ist auch die überwiegende Meinung des Schrifttums (vgl. etwa Glanzmann aaO Rdn. 19 u. 44; Korintenberg. Der Mängelbeseitigungsanspruch und der Anspruch auf Neuherstellung beim Werkvertrag, Dissertation (1927), 28 f, 32 f; derselbe, Erfüllung und Gewährleistung beim Werkvertrage (1935), Seite 131; Soergel in MünchKomm, BGB, § 633 Rdn. 79 m.w.N.; Erman-Seiler, BGB, 6. Aufl., § 633 Rdn. 30-32; Jauernig/Schlechtriem, 3. Aufl., § 633 BGB Anm. 6; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Besonderer Teil, 12. Aufl., § 53 II, Seite 284). Immerhin halten Esser/Weyers den Unternehmer in Ausnahme fällen nach Treu und Glauben auch nach der Abnahme des Werks zur Neuherstellung für verpflichtet (Schuldrecht, Besonderer Teil, 6. Aufl., § 32 II 3, S. 234).
b) Für den Anwendungsbereich derVOB/B hat der Senat zunächst im Urteil vom 24. Mai 1962 (VII ZR 23/61 = LM Nr. 5 zu § 13 VOB/B, insoweit nicht abgedruckt in NJW 1962, 1569) ebenfalls einen auf Neuherstellung eines Werks gerichteten Anspruch nach Abnahme verneint. In späteren Entscheidungen (vor allem BGHZ 42, 232, 233) hat er allerdings bezweifelt, ob diese Rechtsprechung der besonderen Regelung in der VOB/B wirklich gerecht wird, die Entscheidung dieser Frage jedoch offen gelassen (ebenso BGHZ 58, 7, 9; Urteil vom 27. Januar 1966 – VII ZR 278/63 = Schaefer/Finnern Z. 2.414 Blatt 153).
Im Schrifttum wird teilweise ein Neuherstellungsanspruch auch für den Anwendungsbereich der VOB/B ausnahmslos verneint (so insbesondere Wussow, NJW 1967, 953 ff; Daub/Piel/Soergel/Steffani, VOB/B, § 13 ErlZ 13.415; Kaiser, Mängelhaftungsrecht, 4. Aufl., Rdn. 77). Andere bejahen einen Neuherstellungsanspruch grundsätzlich noch nach der Abnahme (insbesondere Ganten, BauR 1971, 161 ff m.w.N.).
Überwiegend wird der Anspruch nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen für möglich erachtet. Heiermann/Riedl/Schwaab wollen ihn lediglich bei arglistig erschlichener Abnahme und schwerwiegenden Mängeln zugestehen (Heiermann/Riedl/Schwaab, VOB/B, 3. Aufl., § 13 Rdn. 62). Einige Autoren fordern, daß das Werk völlig unbrauchbar sein muß und auf andere Weise ein gerechter und zumutbarer Ausgleich nicht erzielt werden kann. Nur wenn ein Minderungsanspruch nach § 13 Nr. 6 oder ein Schadensersatzanspruch nach § 13 Nr. 7 VOB/B keinen gerechten Ausgleich zu schaffen vermögen, könne dem Auftraggeber das Recht zustehen, vom Auftragnehmer Neuherstellung zu verlangen, sofern dies „bei gerechter Interessenabwägung zugunsten des Auftraggebers im Einzelfall aus Gründen der Billigkeit geboten erscheint” (Ingenstau/Korbion, 10. Aufl., § 13 Rdn. 154-154 b; Vygen, Bauvertragsrecht, Rdn. 530; ähnlich Nicklisch in Nicklisch/Weick, VOB vor § 13 Rdn. 6-10, § 13 Rdn. 122). Nach Kiesel (VOB/B, § 13 Rdn. 17) hat sich „die Gewährung oder Nichtgewährung eines Neuherstellungsanspruches nach Abnahme am berechtigten Interesse des Auftraggebers an der Erhaltung der Gebrauchstauglichkeit des Bauwerks und der Verhinderung von Schädigungen durch das (mangelhafte) Bauwerk, aber auch am Interesse des Auftragnehmers an der Beschränkung seines Gewährleistungsaufwands zu orientieren (§ 242 BGB)”.
2. Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung auf und entscheidet die auch für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens maßgebliche Rechtsfrage nunmehr dahin, daß der Nachbesserungsanspruch auf nochmalige Herstellung (Neuherstellung) des Werks immer dann gerichtet sein kann, wenn nur auf diese Weise Mängel nachhaltig zu beseitigen sind, gleichviel ob der Werkvertrag dem Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches unterliegt oder ob für ihn die VOB/B gilt.
a) Bei der bisherigen Beurteilung wird allgemein zu sehr auf (vermeintlich)begriffliche Unterschiede zwischen Neuherstellung und Nachbesserung und nicht genügend auf denZweck der im Werkvertragsrecht im Vordergrund stehenden Mängelbeseitigung abgehoben.
Das Gesetz und auch die VOB/B verwenden das Wort „Nachbesserung” nicht, sondern sprechen allein von der Beseitigung eines Mangels, die verlangt werden kann (§§ 633, 634 BGB; §§ 4 Nr. 7, 13 VOB/B). Mängelbeseitigung bedeutet aber bei natürlicher Betrachtungsweise nichts anderes, als daß mangelhafte Leistungen durch mangelfreie ersetzt werden müssen,soweit daserforderlich ist, uminsgesamt ein mangelfreies Werk entstehen zu lassen. Je weiter der Mangel reicht, desto größer ist der Umfang der Nachbesserung, die gefordert werden kann. Es liegt deshalb an sich von vornherein in der Natur umfassender Mängelbeseitigung, daß sie auch zu einem vollständigen Ersatz der bisher mangelhaft erbrachten Leistungen durch neue mangelfreie führen kann, wenn nämlich anders der mit der Mängelbeseitigung verfolgte Zweck verfehlt würde. Neuherstellung bedeutet dann der Sache nach lediglich Nachbesserung im größtmöglichen, aber auch notwendigen Umfang. Nachbesserung, bei der von der ursprünglich erbrachten Leistung nur ein – möglicherweise geringfügiger – Rest verbleibt, geht häufig nahtlos in Neuherstellung über, wenn auch die letzte erbrachte Teilleistung ersetzt werden muß, Zwischen solchen Mängelbeseitigungsmaßnahmen besteht kein wesensmäßiger, sondern nur dem Umfang nach ein Unterschied. Davon, ob das eine oder das andere gegeben ist, die Mängelbeseitigungspflicht des Unternehmers abhängig zu machen, ist mit schwer überwindbaren Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden und führt nicht selten zu rein zufälligen und damit unbefriedigenden Ergebnissen.
Das wird besonders deutlich, wenn man sich die – von seinem früheren Standpunkt aus durchaus folgerichtige – Rechtsprechung des Senats vor Augen führt, wonach anhand desGesamtumfangs eines bestellten Werkes zu beurteilen ist, ob eine zur Erreichung des vertragsmäßigen Zustandes in Betracht kommende Maßnahme noch als Mängelbeseitigung oder schon als Neuherstellung anzusehen ist, Neufertigung eines Teils also noch unter Nachbesserung fällt (vgl. etwa BGHZ 58, 7, 9/10 m.N.). Das heißt: je umfassender der Auftrag ist, desto seltener, je begrenzter er ist, desto häufiger kommt Neuherstellung in Frage, soll der jeweilige Unternehmer/Auftragnehmer alsojede Nachbesserung verweigern dürfen – und das bei gleich mangelhafter Einzelleistung, Geradezu widersinnig wird es, wenn Gesamtauftrag und Teilauftrag an einem Werk zusammentreffen: So müßte z. B. ein Generalunternehmer, der ein schlüsselfertiges Haus zu erstellen hat, ein mit durchweg schadhaften Ziegeln gedecktes Dach vollständig erneuern lassen; er könnte dasselbe aber von seinem Subunternehmer, der nur das Dach zu decken hatte, nicht verlangen. Dieselbe Mängelbeseitigungsmaßnahme wäre für den einen Nachbesserung, für den anderen Neuherstellung.
An derartigen Ungereimtheiten zeigt sich, daß es allein sachgerecht ist, in die Mängelbeseitigungalle Maßnahmen einzubeziehen, dienotwendig sind, um eininsgesamt vertragsmäßiges mangelfreies Werk zu erstellen, auch den vollständigen Austausch schon erbrachter Leistungen. Dabei kann in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen, welche Kosten die Neuherstellung als Mängelbeseitigung verursacht. Auch die Nachbesserung einzelner Teile eines Werks kann sehr aufwendig sein und übersteigt häufig ihrem Volumen nach den Werklohn für die Gesamtleistung bei weitem. Andererseits kann völlige Erneuerung für den Unternehmer durchaus billiger sein als Nachbesserung einer Mehrzahl von Einzelteilen, Deshalb mußte dem Unternehmer schon bisher zumindest nach Treu und Glauben gestattet sein, ein von ihm nachzubesserndes Werk lieber neu herzustellen, falls das für den Besteller nicht nach den jeweiligen Umständen unzumutbar ist (vgl. a. Glanzmann aaO Rdn. 20; Ingenstau/Korbion aaO Rdn. 154 a m.N.).
b) Der Einbeziehung der Neuherstellung in die Mängelbeseitigung nach Abnahme des Werks steht die Natur des Nachbesserungsanspruchs alsErfüllungsanspruch, der sich mit der Abnahme auf das abgenommene Werk beschränkt, nicht entgegen. Diese Beschränkung bedeutet keineswegs zwangsläufig, daß die vom Unternehmer dann noch geschuldete Mängelbeseitigung auf keinen Fall die vollständige Erneuerung der erbrachten Leistung umfassen dürfte. Für eine so weitreichende Wirkung der Abnahme gibt es keinen rechtfertigenden Grund. Erkannte und bei der Abnahme vorbehaltene Mängel müssen ohne weiteres beseitigt werden, auch wenn das einer Neuherstellung gleichkäme. Der Besteller könnte insoweit meist sogar die Abnahme verweigern. Warum das bei erst nach der Abnahme sichtbar gewordenen Mängeln anders seinmüßte, ist nicht einzusehen. Auch wenn Mängel bereitsvor der Abnahme erkannt werden, wird nicht immer Neuherstellung des Werks verlangt werden können, sondern je nach dem Leistungsstand (etwa dem Baufortschritt) – zumindest nach Treu und Glauben – nur Nachbesserung an einzelnen Teilen, wenn damit der vertraglich geschuldete Erfolg, das mangelfreie Werk, zu erreichen ist (vgl. auch § 4 Nr. 7 VOB/B; Glanzmann aaO Rdn. 36). Umgekehrt muß dann nach Abnahme Mängelbeseitigung ebenfalls in Form völliger Erneuerung der erbrachten Leistungen verlangt werden können, wenn nur so das Werk mangelfrei wird.
c) Daran ändert auch das Wesen der Abnahme nichts, mit der der Besteller zu erkennen gibt, daß er das Werk als in der Hauptsache vertragsgemäße Erfüllung gelten lassen will (Senat zuletzt NJW 1985, 731, 732 m.N.). Denn das bezieht sich auf seinen Kenntnisstand bei der Abnahme. Es versteht sich von selbst, daß er ihm unbekannte, später auftretende Mängel dann auch beseitigt haben möchte (vgl. den ähnlichen Ansatzpunkt bei Nicklisch aaO vor § 13 Rdn. 8 und Kiesel aaO). Daß das je nach Art, Schwere und Tragweite der Mängel bis zur Erneuerung des Werks gehen kann, wird durch die Abnahme nicht zwingend ausgeschlossen. Darauf, daß er nur noch am abgenommenen Werk nachbessern muß, darf der Unternehmer nicht ohne weiteres vertrauen (anders wohl Larenz aaO). Zumindest wäre sein Vertrauen nicht schutzwürdig, wenn er so mangelhaft gearbeitet hat, daß Nachbesserung einzelner Teile nicht mehr ausreicht, um den von ihm geschuldeten Erfolg, das mangelfreie Werk, herbeizuführen.
Die Funktion der Abnahme als einem für beide Vertragsteile wichtigen Einschnitt bei der Abwicklung des Werkvertragsverhältnisses wird dadurch nicht in Frage gestellt: Es bleibt das damit verbundene Ende der Vorleistungspflicht des Unternehmers, der grundsätzliche Eintritt der Fälligkeit des Werklohns, die Umkehr der Beweislast für nach der Abnahme sichtbar werdende Mängel und für den Regelfall auch die Beschränkung des Erfüllungsanspruchs des Bestellers auf das abgenommene Werk, die nur nicht bedeutet, daß der Besteller im Rahmen der Mängelbeseitigung nicht auch vollständige Erneuerung verlangen kann, wenn das – je nach Art, Schwere und Tragweite der Mängel – erforderlich ist.
d) Das alles gilt in gleichem Maße für den Bauvertrag, der der VOB/B unterliegt. Er unterscheidet sich in diesem Punkt nicht vom Werkvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Am wenigsten überzeugen würde freilich, Neuherstellung im Rahmen der Mängelbeseitigung gerade beim VOB/B-Vertrag für möglich zu halten, nur weil der Anspruch auf Nachbesserung gemäß § 13 Nr. 5 VOB/B – im Gegensatz zur Rechtslage nach § 633 BGB – ein „reiner” Gewährleistungsanspruch sein könnte (wie z. B. Hereth NJW 1959, 483 annimmt). Es ist nicht zu erkennen, wie ein Gewährleistungsanspruch als abgeleiteter Anspruch soll weiterreichen können als ein – wenn auch modifizierter – Erfüllungsanspruch, dem sonst inhaltlich stärksten Anspruch (vgl. a. Nicklisch aaO vor § 13 Rdn. 8; Kaiser aaO).
e) Das vom Senat erzielte Ergebnis ist auch interessengerecht. Es bewirkt einen angemessenen Ausgleich der Interessen zwischen den Werkvertragsparteien ohne Rücksicht darauf, ob auf den Vertrag das BGB oder die VOB/B anzuwenden ist.
Die Interessenlage bei der Mängelbeseitigung wird geprägt von dem vorrangigen Interesse des Bestellers/Auftraggebers an der Erstellung einesmangelfreien Werks, so wie es der Unternehmer/Auftragnehmer schuldet. Dessen Interesse daran, sich von der Abnahme an auf das abgenommene Werk beschränken zu dürfen und nur noch einzelne Teile nachbessern zu müssen, hat demgegenüber zurückzutreten. Es ist, gemessen an dem Erfolg, für den er vertraglich einzustehen hat, weniger schutzwürdig. Deshalb überwiegt das Interesse des Bestellers/Auftraggebers an der Erstellung des mangelfreien Werks auch und gerade dann, wenn dieses Ziel nach Art, Schwere und Tragweite der Mängel nur durch vollständigen Austausch der bereits erbrachten Leistungen (Neuherstellung) zu erreichen ist.
Dabei ist der Unternehmer/Auftragnehmer dem Neuherstellungsverlangen des Bestellers/Auftraggebers keineswegs schutzlos ausgeliefert: So muß er das Werk nur dann noch einmal vollständig herstellen, wenn das zur nachhaltigen Beseitigung der Mängel wirklicherforderlich ist, wenn also Nachbesserung an einzelnen Teilen des hergestellten Werks nicht ausreicht (vgl. a. Esser/Weyers aaO). Auch sonst richtet sich der Umfang der geschuldeten Nachbesserungsarbeiten danach, was notwendig ist, um die Mängelfreiheit des Werks herbeizuführen.
Eine weitere Einschränkung erfährt der auf Neuherstellung gerichtete Mängelbeseitigungsanspruch dadurch, daß der Unternehmer/Auftragnehmer die Beseitigung des Mangels verweigern darf, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Auch das ist eine Schranke, der jeder Nachbesserungsanspruch unterliegt (§ 633 Abs. 2 Satz 2 BGB; § 13 Nr. 6 Satz 1 VOB/B). Sie genügt in aller Regel, um im Einzelfall unbillige Ergebnisse zu verhindern.
Inwieweit darüberhinaus in besonders gelagerten Ausnahmefällen der Unternehmer aus anderen Gründen nochmalige Herstellung eines Werks nach Treu und Glauben verweigern darf, kann offen bleiben. Ein solcher Fall liegt nicht vor.
3. Hier können unstreitig die von der Beklagten dem Kläger zugesicherten Wärmedurchlaßwerte bei den Tür- und Fensterrahmen nur durch vollständigen Austausch (einschließlich der Scheiben) erzielt werden. Das kommt der Neuherstellung gleich. Der Kläger hat bei der Planung des Bauwerks besonderen Wert auf überdurchschnittliche Isolierung gelegt. Es kam ihm deshalb maßgeblich darauf an, daß Fenster- und Türrahmen eine hohe Wärmedämmung haben, Demgegenüber bedeuten nach den auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffenen Pest Stellungen des Berufungsgerichts die von der Beklagten eingebauten Fenster und Türen bei der Gesamtisolierung des Hauses „einen erheblichen Schwachpunkt und stellen die Wärmedämmung in nicht unerheblicher Weise in Frage”.
Bei dieser Sachlage ist dem Kläger mit der Nachbesserung einzelner Teile nicht gedient, vielmehr läßt sich das von der Beklagten geschuldete Werk mit den zugesicherten Eigenschaften, also mangelfrei, nur herstellen, wenn die Fenster und Türen ausnahmslos ausgetauscht werden. Das kann der Kläger dann auch verlangen, er braucht sich insbesondere nicht mit Minderung des Werklohns zufrieden geben. Darauf, inwieweit er auch Schadensersatz verlangen könnte, kommt es nicht an.
4. Zu Recht hält das Berufungsgericht ferner die Beklagte nicht für berechtigt, die geforderte Art der Nachbesserung (hier: Neuherstellung) zu verweigern, weil sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde (§ 13 Nr. 6 VOB/B).
Die Beklagte könnte die Nachbesserung nur dann verweigern, wenn der Aufwand für die Mängelbeseitigung bei Abwägung aller Umstände in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem mit der Beseitigung der Mängel erzielbaren Erfolg stehen würde (vgl. BGHZ 59, 365, 367/368). Dabei kommt es nicht allein auf die Höhe der entstehenden Kosten an, sondern darauf, in welchem Verhältnis diese Aufwendungen zu dem Vorteil stehen, den der Auftraggeber durch die Mängelbeseitigung erlangt. Die danach zu erzielende Verbesserung des K-Wertes stellt einen erheblichen Vorteil für den Kläger dar, da hierdurch ein wesentlicher „Schwachpunkt” in der Wärmedämmung des Bauwerkes beseitigt wird. Der Kläger will durch die von ihm gewünschte hohe Wärmedämmung u. a. das Risiko von Schwitzwasserbildung über eine längere Frostperiode hinweg beseitigen, so daß es nicht darauf ankommt, an wievielen Tagen durchschnittlich im Jahr bei den derzeit eingebauten Rahmen Schwitzwasser auftritt.
Auch hinsichtlich der entstehenden Heizungsmehrkosten läuft der Kläger Gefahr, bei unerwartetem und erheblichem Ansteigen der Heizungskosten einen entsprechenden Verlust zu erleiden. Die Neuherstellung der Fenster und Türen mit den zugesicherten K-Werten steht daher unter Berücksichtigung aller Umstände in keinem unvernünftigen Verhältnis zu dem vom Beklagten mit Selbstkosten i.H.v. rund 22.000,– DM bezifferten Aufwand. Auf die Höhe des Werklohnanspruchs kommt es für die Frage der „Unverhältnismäßigkeit” nicht an (BGHZ aaO S. 368/369).
IV.
Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
G, D, B, O, Q
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.10.1985 durch Werner, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512628 |
BGHZ |
BGHZ, 111 |
NJW 1986, 711 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1986, 291 |