Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. April 1999 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegten – vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revisionen haben mit der Sachrüge Erfolg.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die Angeklagten im Herbst 1997 gemeinsam den Entschluß gefaßt, durch den gewinnbringenden Verkauf von Cannabis sich das Startkapital für den Betrieb einer Holz- und Bautenschutzfirma zu verschaffen. Von Ende Oktober 1997 bis Anfang Februar 1998 erwarben sie von dem anderweitig verfolgten B insgesamt fünf bis sechs kg Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 7 % THC. Das Cannabis bestand je zur Hälfte aus Haschisch und Marihuana. Die Lieferung erfolgte in dem genannten Zeitraum in mindestens 26 Teilmengen, wobei sich der Lieferumfang von anfangs 50 bis 200 g pro Einheit zum Ende des Tatzeitraumes auf Einzellieferungen von 500 g bis zu 1 kg steigerte, während gleichzeitig sich der Bezugspreis für die Angeklagten verringerte. Die Angeklagten orderten jeweils Nachlieferungen, bevor der Vorrat im Keller des von ihnen gemeinsam bewohnten Hauses zur Neige ging. Das Rauschgift veräußerten die Angeklagten im Dezember 1997 und am 13. Februar 1998 unter anderem an den am 21. Februar 1980 geborenen W, ohne allerdings damit zu rechnen, daß dieser das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben könnte. Am 13. Februar 1998 lieferte der anderweitig verfolgte Bo 200 g Cannabis aus dem Gesamtvorrat aus, wobei er einen neun Monate alten Pitbullterrier und eine „CO2-Luftdruckpistole” mit sich führte. Diese sowie eine weitere gleichartige Waffe hatten die Angeklagten wenige Tage zuvor erworben.
II. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Das Urteil unterliegt der Aufhebung, weil das Landgericht den Verbrechenstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht ausreichend geprüft und damit seiner Kognitionspflicht nicht genügt hat.
a) Das Landgericht hat offen gelassen, ob der gesondert verfolgte Bo die Luftdruckpistole auf Anweisung der Angeklagten bei der Auslieferung von 200 g Cannabis aus dem Gesamtvorrat mit sich führte. Eine mittäterschaftliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Waffen gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG komme nach seiner Auffassung nicht in Betracht, weil die Angeklagten keine Sachherrschaft über die Waffe gehabt hätten. Eine Verurteilung der Angeklagten wegen Anstiftung würde aber nicht zu einer höheren Strafe führen. In diesem Falle wäre im Hinblick auf die dargestellten Milderungsgründe von einem minder schweren Fall auszugehen und dieselbe Strafe festzusetzen.
b) Diese Erwägungen sind nicht geeignet, die Prüfung einer Strafbarkeit nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG entbehrlich zu machen.
aa) Grundsätzlich stellt eine funktionsfähige Luftdruckpistole – ebenso wie eine CO2-Pistole – eine Schußwaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG dar (Weber, BtMG, § 30a Rdn. 114). Maßgeblich ist dabei, daß die jeweiligen Geschosse – entsprechend der gesetzlichen Definition in § 1 Abs. 1 WaffG – durch einen Lauf getrieben werden (BGHSt 24, 136). Dies ist bei Luftpistolen grundsätzlich der Fall (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1974, 547 hinsichtlich des wortgleichen Tatbestandsmerkmals in § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F.).
bb) Zwar trifft zu, daß als Täter nur derjenige bestraft werden kann, der die Waffe gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich ihrer jeder Zeit bedienen kann (BGHSt 42, 368). Auch wenn diese Voraussetzung bei den während der Rauschgiftauslieferung ortsabwesenden Angeklagten im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, schließt dies eine Verurteilung wegen Anstiftung nicht aus (BGHSt 42, 368, 371). Sowohl das Rauschgift als auch die Luftdruckpistole stammten aus dem Besitz der Angeklagten. Bei dieser Sachverhaltskonstellation hätte die Prüfung nahegelegen, ob der anderweitig verfolgte Bo nicht nur Cannabis, sondern auch die Luftdruckpistole auf Veranlassung der Angeklagten an sich genommen hat.
cc) Zudem läge ein Verbrechen des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht nur vor, wenn bei der Auslieferung der Betäubungsmittel der Täter einen entsprechenden Gegenstand mit sich führt. Zur Tatbestandserfüllung reicht ein Mitsichführen bei jedem Teil des Handeltreibens aus, mithin auch während der Besitzausübung an dem zum Verkauf bereit gehaltenen Rauschgift (BGHSt 43, 8, 11). Hier lagerten die Angeklagten das Cannabis in dem von ihnen bewohnten Haus. Nach dem Gesamtzusammenhang liegt nahe, daß sie gleichzeitig die beiden Luftdruckpistolen dort aufbewahrten und sie zudem teilweise das Rauschgift aus dem Haus heraus unmittelbar verkauften. Abhängig von den räumlichen Verhältnissen kann dies genügen, um in dieser Tatphase eine gleichzeitige Verfügbarkeit der Waffe anzunehmen (vgl. BGHSt 43, 8, 14 auch zu den Anforderungen an die subjektive Tatseite).
c) Das Landgericht konnte das Vorliegen des Qualifikationstatbestandes, aus dessen Strafrahmen möglicherweise die zu verhängende Strafe hätte gebildet werden müssen, nicht dahin stehen lassen. Insoweit hat es den grundsätzlichen Vorrang des Schuldspruches vor dem Sanktionsausspruch (vgl. BGH NJW 1997, 1455) hintangestellt. Regelmäßig kann aber die Strafzumessung erst nach der Entscheidung, welcher Straftatbestand verwirklicht ist, erfolgen. Hier hat der Tatrichter zudem die mögliche Erfüllung des Qualifikationstatbestands nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht erschöpfend gewürdigt (vgl. oben b, cc).
2. Hinsichtlich der von der Staatsanwaltschaft ebenfalls beanstandeten Konkurrenzfrage, deren Beurteilung („Silotheorie”) zwischen den Senaten des Bundesgerichtshofs nicht im einzelnen geklärt ist (vgl. nur BGHR BtMG § 29 – Bewertungseinheit 3 und 9 einerseits, 10 andererseits), beschränkt sich der Senat auf folgenden Hinweis: es besteht jedenfalls insoweit Einigkeit, daß allein der gleichzeitige Besitz zum Handel bestimmter Betäubungsmittelmengen aus verschiedenen Liefervorgängen nicht geeignet ist, mehrere selbständige Taten des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit zu verbinden (BGHR aaO 9 und 10). Insbesondere weist der Senat aber darauf hin, daß bei feststehendem Gesamtschuldumfang eine Zusammenfassung von Einzelakten zu Tateinheit oder deren tatmehrheitliche Aburteilung regelmäßig ohne Einfluß auf die für das gesamte Tatgeschehen im Ergebnis zu verhängende Sanktion zu bleiben hat (BGHR aaO 9 m.w.N.).
Der neue Tatrichter wird Gelegenheit zur Prüfung haben, ob der Pitbullterrier als sonstiger Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG einzuordnen ist. Dies ist dann der Fall, wenn er seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist. Da es sich bei einem Pitbullterrier nicht um eine Waffe im technischen Sinne handelt, bedarf es für die Tatbestandsverwirklichung einer konkreten Zweckbestimmung durch den Täter (BGHSt 43, 266). Diese könnte dann gegeben sein, wenn der Hund speziell abgerichtet und „scharf” gemacht worden wäre. Selbst wenn im Hinblick auf den Pitbullterrier oder die Luftdruckpistole der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfüllt sein sollte, muß dies – insbesondere wegen des mittlerweile eingetretenen weiteren Zeitablaufes – allerdings nicht notwendig zu einer anderen Sanktion führen.
Unterschriften
Harms, Häger, Basdorf, Tepperwien, Raum
Fundstellen
Haufe-Index 541025 |
NStZ 2000, 431 |