Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anfechtungsmöglichkeit einer Gläubigerbefriedigung, die mit Mitteln erfolgt ist, die der Schuldner aus einer von der Bank lediglich geduldeten Kontoüberziehung erlangt hat
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft, kann die Deckung in der Insolvenz des Schuldners in der Regel mangels Gläubigerbenachteiligung nicht angefochten werden.
Normenkette
InsO § 129
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 13.1.2005 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Ellwangen vom 20.8.2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger verlangt als Verwalter in dem am 24.9.2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. GmbH (i. F.: Schuldnerin) von der Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr einer Scheckzahlung.
[2] Am 10.6.2002 übergab der Geschäftsführer der Schuldnerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge dem von der Beklagten beauftragten Vollziehungsbeamten einen auf den 24.6.2002 vordatierten Scheck über 13.869,16 EUR, der dem Konto der Schuldnerin bei der H. Sparkasse am 25.6.2002 belastet wurde. Das Konto, für das ein vertraglicher Dispositionskredit bis 102.000 EUR eingeräumt war, befand sich bei der Abbuchung mit 155.953,80 EUR im Soll. Am 22.7.2002 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag.
[3] Das LG hat die auf Zahlung von 13.869,16 EUR nebst Zinsen gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
[4] Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Erkenntnisses.
I.
[5] Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in ZInsO 2005, 942 abgedruckt ist, hat ausgeführt, der Kläger könne die Scheckzahlung an die Beklagte nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechten. Die zur Vermeidung der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgte Übergabe des Schecks innerhalb der Dreimonatsfrist vor Stellung des Insolvenzantrags stelle eine inkongruente Deckung dar. Die anfechtbare Rechtshandlung sei im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag vorgenommen worden. Es komme dabei nach § 140 Abs. 1 InsO nicht auf die Übergabe des Schecks, sondern auf die Belastung des Schuldnerkontos an, weil die bezogene Sparkasse keine Einlösungspflicht gehabt habe. Die Zahlung von dem debitorisch geführten Schuldnerkonto habe die Insolvenzgläubiger benachteiligt, auch wenn vorher kein dafür ausreichender Kreditrahmen vereinbart worden sei. Der Fall sei nicht anders zu beurteilen, als hätte der Schuldner die Forderung eines späteren Insolvenzgläubigers mit Mitteln aus einem Dispositionskredit erfüllt. Es könne davon ausgegangen werden, dass das Schuldnervermögen nicht ausreichen werde, um alle Forderungen zu befriedigen. Sozialversicherungsträger seien in der Insolvenz des Beitragsschuldners nicht anders zu behandeln als sonstige Insolvenzgläubiger.
II.
[6] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
[7] 1. Die zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erbrachte Leistung des späteren Insolvenzschuldners bewirkt innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag eine inkongruente Deckung i.S.d. § 131 InsO (BGH v. 9.9.1997 - IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309, 311 f.; 155, 75, 80 ff.; 157, 350, 353; BGH, Urt. v. 7.2.2002 - IX ZR 115/99, BGHReport 2002, 524 = MDR 2002, 844 = WM 2002, 561, 564; v. 15.5.2003 - IX ZR 194/02, MDR 2003, 1199 = WM 2003, 1278 f.; st.Rspr.). Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für Zahlungen des Schuldners als Arbeitgeber auf die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (vgl. BGH v. 25.10.2001 - IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100, 105 ff. = MDR 2002, 481 = MDR 2002, 418 = BGHReport 2002, 84; BGH, Urt. v. 10.7.2003 - IX ZR 89/02, BGHReport 2003, 1241 = MDR 2003, 1376 = WM 2003, 1776, 1777; BGH, Urt. v. 9.6.2005 - ZR 152/03, BGHReport 2005, 1285 = MDR 2005, 1312 = ZIP 2005, 1243; v. 8.12.2005 - X ZR 182/01, MDR 2006, 953 = BGHReport 2006, 397 = WM 2006, 190 ff.). Der Ansicht der Revision, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder deren Ankündigung durch Sozialversicherungsträger könnten nicht inkongruent sein, weil diese Zwangsgläubiger des Schuldners und als solche gesetzlich zur Einziehung und notfalls zwangsweisen Beitreibung der Beiträge verpflichtet seien, ist der Senat bereits mehrfach entgegen getreten. Zu einer nochmaligen Auseinandersetzung mit dieser Frage gibt der Streitfall keinen Anlass.
[8] 2. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis auch zutreffend davon ausgegangen, die angefochtene Rechtshandlung sei innerhalb des letzten Monats vor Stellung des Insolvenzantrags vorgenommen worden.
[9] a) Die Ausstellung eines Schecks und dessen Einlösung durch die bezogene Bank sind keine Teilakte eines einheitlichen Vorgangs, sondern anfechtungsrechtlich voneinander zu trennen (vgl. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 140 Rz. 9, § 129 Rz. 57 f.; HK-InsO/Kreft, 4. Aufl., § 129 Rz. 12; Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl., § 129 Rz. 70). Bei mehreren Rechtshandlungen ist grundsätzlich jede Handlung auf ihre Anfechtbarkeit zu prüfen (BGH, Urt. v. 21.3.2000 - IX ZR 138/99, NZI 2000, 310; v. 7.2.2002, a.a.O., 563).
[10] b) Eine Rechtshandlung gilt grundsätzlich als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 140 Abs. 1 InsO). Diese Wirkungen treten ein, sobald eine Rechtsposition begründet worden ist, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste (Begründung zu § 159 des Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/2443, 166), weil sie zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt hat (vgl. BGH v. 23.10.2003 - IX ZR 252/01, BGHZ 156, 350, 357 = BGHReport 2004, 195 m. Anm. Schuschke = MDR 2004, 596; BGH, Urt. v. 8.10.1998 - IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008, 2009; G. Fischer ZIP 2004, 1679, 1680). Die Hingabe eines Schecks stellt nach § 364 Abs. 2 BGB eine Leistung erfüllungshalber dar, mit der der Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers eine neue Verbindlichkeit übernimmt (vgl. BGHZ 44, 178, 179; 83, 96, 101). Ob für die Anfechtung wegen der Haftung des Ausstellers nach Art. 12 Satz 1 ScheckG bereits der Ausstellungszeitpunkt maßgeblich sein kann (vgl. Kirchhof in MünchKomm/InsO a.a.O.; einschränkend § 129 Rz. 145; HmbKomm-InsO/Rogge, § 129 Rz. 83; Spliedt EWiR 2005, 479), oder ob auf den Zeitpunkt der Einlösung abzustellen ist, weil der Schecknehmer vorher regelmäßig noch keine feste Rechtsposition besitzt (vgl. FK-InsO/Dauernheim, 4. Aufl., § 140 Rz. 8; Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rz. 819; wohl auch Uhlenbruck/Hirte, a.a.O. § 140 Rz. 5; Kübler/Prütting/Paulus, InsO § 140 Rz. 4), kann offen bleiben, weil sich die verschärfte Haftung des Scheckausstellers vorliegend nicht ausgewirkt hat. Die Beklagte hätte den Scheck zwar ungeachtet der Vordatierung nach Art. 28 Abs. 2 ScheckG sofort zur Einlösung vorlegen können. Mit der Annahme einer Leistung erfüllungshalber ist aber in der Regel eine Stundung der ursprünglichen Forderung verbunden, die entweder mit der Erfüllung oder dadurch endet, dass der Versuch der anderweitigen Befriedigung misslingt (vgl. BGH v. 30.10.1985 - VIII ZR 251/84, BGHZ 96, 182, 193z = MDR 1986, 402um Wechsel; BGH v. 11.12.1991 - VIII ZR 31/91, BGHZ 116, 278, 282 = MDR 1992, 227; Palandt/Grüneberg, BGB 66. Aufl., § 364 Rz. 9). Das gilt bei der Annahme eines Schecks jedenfalls dann, wenn dieser vom Aussteller mit einem späteren Datum versehen wird (vgl. Staudinger/Olzen, BGB Neubearbeitung 2006 § 364 Rz. 60 m.w.N.). Eine Stundung der ursprünglichen Forderung, der die Beklagte hier auch Rechnung getragen hat, ist aber als solche nicht gläubigerbenachteiligend (vgl. BGH, Urt. v. 2.2.2006 - IX ZR 67/02, MDR 2006, 1191 = BGHReport 2006, 678 m. Anm. Schneider = GmbHR 2006, 487 m. Anm. Blöse = BGH v. 2.2.2006 - IX ZB 67/02, WM 2006, 621, 625 zur Wechselbegebung).
[11] 3. Mit den Feststellungen des Berufungsgerichts kann eine Gläubigerbenachteiligung nicht bejaht werden. Wird ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft, kann die Deckung in der Insolvenz des Schuldners in der Regel mangels Gläubigerbenachteiligung nicht angefochten werden. Für eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ist in diesem Fall nur Raum, wenn der Anspruch der Bank auf Rückzahlung des Kredits, auf dessen Gewährung der Schuldner keinen Anspruch hatte (Überziehungskredit), für die Insolvenzmasse ungünstiger ist als der Anspruch des befriedigten Gläubigers, insb. weil die Bank für ihren Darlehensrückzahlungsanspruch über (bessere) Sicherheiten verfügt (vgl. Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 129 Rz. 108, 123, 144). Vorliegend bedarf die letztgenannte Frage indes aus prozessualen Gründen keiner Entscheidung.
[12] a) Gläubigerbenachteiligung tritt ein, wenn die Insolvenzmasse durch eine Rechtshandlung verkürzt wird, so dass sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH v. 11.11.1993 - IX ZR 257/ 92, BGHZ 124, 76, 78 f.; 155, 75, 80f.; HK-InsO/Kreft, a.a.O. § 129 Rz. 36). Eine solche Verkürzung der Masse ist grundsätzlich auch in Fällen zu bejahen, in denen der Schuldner mit den Mitteln eines ihm zuvor zur Disposition gestellten Kredits einen Gläubiger befriedigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2001 - IX ZR 195/00, MDR 2001, 1258 = BGHReport 2001, 897 = WM 2001, 1476, 1477; v. 7.2.2002 - IX ZR 115/99, BGHReport 2002, 524 = MDR 2002, 844 = WM 2002, 561). Der Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten Darlehens ist mit dessen Abruf pfändbar (vgl. BGH v. 29.3.2001 - IX ZR 34/00, BGHZ 147, 193, 195 ff. = MDR 2001, 1014 = BGHReport 2001, 437 m. Anm. Krüger) und daher vom Insolvenzbeschlag erfasst. Durch die isoliert auf ihre gläubigerbenachteiligende Folge zu prüfende Tilgung der Gläubigerforderung mit den gewährten Darlehensmitteln wird das Aktivvermögen des Schuldners grundsätzlich zu Lasten der übrigen Insolvenzgläubiger verringert, wenn die Masse im eröffneten Verfahren nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht und der Gläubiger einer Insolvenzforderung nicht lediglich unmittelbar durch einen anderen, nicht besser gesicherten gleichartigen Gläubiger ersetzt wird (vgl. Urt. v. 7.2.2002a.a.O., 562 f.).
[13] b) Eine Verfügung des Schuldners über Gegenstände, die aus Rechtsgründen nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, weil sie nicht gepfändet werden können, bewirkt indes keine Gläubigerbenachteiligung, weil sie zur Gläubigerbefriedigung von vornherein ungeeignet sind und nicht zur Insolvenzmasse i.S.d. §§ 35 f InsO gehören (vgl. BGH v. 8.7.1993 - IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183, 185 = MDR 1994, 203 zur Gläubigeranfechtung; BGH v. 27.5.2003 - IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 82 = BGHReport 2003, 1177 m. Anm. Runkel = MDR 2003, 1256; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 129 Rz. 84; HK-InsO/Kreft, a.a.O. § 129 Rz. 50; Uhlenbruck/Hirte, a.a.O. § 129 Rz. 98; Kübler/Prütting/Paulus, a.a.O. § 129 Rz. 29). So liegt der Fall auch bei Tilgung von Gläubigerforderungen mit Mitteln aus einer ungenehmigten Kontoüberziehung.
[14] aa) Die bloße Duldung einer Kontoüberziehung gibt dem Kunden gegen die Bank keinen Anspruch auf Kredit und schafft damit keine pfändbare Forderung (vgl. BGH v. 24.1.1985 - IX ZR 65/84, BGHZ 93, 315, 325 = MDR 1985, 576; 147, 193, 202). Dagegen ist eingewendet worden, bei der geduldeten Überziehung werde schon "eine juristische (oder: logische) Sekunde" vor der Ausführung der Zahlungsanweisung durch das Kreditinstitut ein Darlehensvertrag und somit ein pfändbarer Anspruch des Kunden auf Auszahlung der Darlehensvaluta begründet (vgl. Grunsky JZ 1985, 490, 491; Wagner ZIP 1985, 849, 853; Baßlsperger Rpfleger 1985, 177, 180; Peckert ZIP 1986, 1232, 1234; Gaul KTS 1989, 3, 7; Jungmann ZInsO 1999, 64, 71 f.; Spliedt a.a.O., 480; Henkel ZInsO 2005, 468, 469; Zeller, Die Vollstreckung in offene Kreditlinien, 2006, S. 288 ff.; im Ansatz auch Bitter WM 2004, 1109, 1110 sowie Lwowski/Bitter in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch 2. Aufl. Bd. I § 33 Rz. 53, welche die Pfändbarkeit aber aus anderen Gründen ablehnen). Dieser Anspruch unterliege dann auch dem Insolvenzbeschlag (vgl. Vendolsky ZIP 2005, 786, 788; Stiller ZInsO 2005, 72, 73 f.; Blank ZInsO 2004, 983). Aus insolvenzrechtlicher Sicht wird - so auch seitens des Berufungsgerichts - weiterhin zu bedenken gegeben, es mache wirtschaftlich keinen Unterschied und führe zu Zufallsergebnissen, wenn die Anfechtbarkeit von Zahlungen davon abhinge, ob der Schuldner in der Krise Bargeld, Guthabensbestände oder Kreditmittel welcher Art auch immer zur Befriedigung eines Gläubigers einsetze. Die meisten Zahlungen in dieser Situation würden durch weitere Belastungen eines debitorisch geführten Bankkontos erbracht. Eine Zahlung sei ohne Weiteres anfechtbar, wenn der Schuldner diese nach Abhebung von einem debitorisch geführten Konto, auch außerhalb einer bewilligten Kreditlinie, in bar leiste. Bei mehreren Bankverbindungen des Schuldners käme es darauf an, ob er für eine bargeldlose Zahlung ein im Haben oder im Soll geführtes Konto wähle. Auch könne es dann einen Unterschied machen, ob auf einem Konto zunächst eine Gutschrift erfolge, so dass die angefochtene Zahlung aus einem Guthaben vorgenommen werde, oder ob die Zahlung aus einem Konto im Debet stattfinde, und diesem Konto erst dann etwas gutgebracht werde (vgl. OLG Hamburg v. 22.3.2002 - 1 U 55/01, ZIP 2002, 1360, 1364). Schließlich könnten Schuldner, die ausgewählte Einzelgläubiger vorrangig befriedigen wollten, die Durchsetzung von anfechtungsrechtlichen Rückgewähransprüchen durch Zahlungen im Rahmen einer nur geduldeten Überziehung ihrer Bankkonten unterlaufen (vgl. Stiller a.a.O., 74).
[15] bb) Der Senat hält an seiner Auffassung auch für die Insolvenzanfechtung fest. § 488 Abs. 1 BGB n.F., wonach der Darlehensvertrag ein Konsensualvertrag ist, steht dem nicht entgegen. Beim Dispositionskredit geht der Auszahlungshandlung der Bank stets der Abruf durch den Kunden voraus, mit dem das Darlehensangebot angenommen und damit der Anspruch auf Auszahlung begründet wird (vgl. BGH v. 29.3.2001 - IX ZR 34/00, BGHZ 147, 193, 195 = MDR 2001, 1014 = BGHReport 2001, 437 m. Anm. Krüger; 157, 350, 355). Hier besteht - möglicherweise nur für kurze Zeit - ein Darlehensanspruch von Rechts wegen und die Pfändung, die mit dem Abruf als vorgenommen gilt (BGH v. 22.1.2004 - IX ZR 39/03, BGHZ 157, 350, 355 f. = BGHReport 2004, 696 m. Anm. Ringstmeier = MDR 2004, 775; BGH, Urt. v. 17.2.2004 - IX ZR 318/01, BGHReport 2004, 695 = WM 2004, 669, 670), kann Wirkung entfalten. Bei der ungenehmigten Kontoüberziehung besteht dagegen vor der im Belieben der Bank stehenden Durchführung der Zahlungsanweisung - die zugleich die konkludente Annahme des Kundenangebots auf Abschluss des Darlehensvertrages darstellt (vgl. Ganter in Horn/Krämer, Bankrecht (2002), S. 135, 141; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearbeitung 2004 § 493 Rz. 33) - kein Anspruch auf den Kredit, sondern nur eine Chance, dass die Bank die Überziehung duldet. Die zusätzliche Liquidität, die der Schuldner durch eine geduldete Kontoüberziehung erhält, ist damit auch kein den Insolvenzgläubigern haftendes Vermögen, solange der fragliche Betrag nicht an ihn ausbezahlt oder auf ein im pfändbaren Bereich geführtes Konto übertragen wird. Was für die Einzelzwangsvollstreckung gilt, muss im Bereich der Insolvenzanfechtung ebenfalls Beachtung finden. Dass mehrere einem Schuldner zu Gebote stehende wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten unterschiedliche anfechtungsrechtliche Konsequenzen haben können, ist dabei grundsätzlich hinzunehmen. Der Senat hat zwar auch einen zweckgebundenen Darlehensanspruch, der möglicherweise unpfändbar war, dem Insolvenzbeschlag unterworfen, weil die Zweckbindung nicht den Interessen des Schuldners, sondern denen der Bank und des mit dem Darlehen befriedigten Gläubigers diente (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2001a.a.O.). Der vorliegende Sachverhalt liegt jedoch rechtlich anders, weil hier kein Anspruch auf das Darlehen begründet worden ist.
[16] c) Von einer konkludenten Einigung über eine Erweiterung der Kreditlinie (vgl. dazu BGH, Urt. v. 17.6.1999 - IX ZR 62/98, MDR 1999, 1154 = WM 1999, 1577, 1578 m.w.N.; Ganter a.a.O., 141 f, 151, 157) kann im Streitfall nicht ausgegangen werden, weil Vortrag des Klägers hierzu fehlt und das Berufungsgericht keine entsprechenden Feststellungen getroffen hat. Offen bleiben kann daher, ob und unter welchen Voraussetzungen die konkludente Vereinbarung einer erhöhten Kreditlinie in Betracht kommt, wenn die Bank eine an sich vertragswidrige Überziehung über einen längeren Zeitraum zulässt.
III.
[17] Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des LG ist unbegründet. Das weitere Vorbringen des Klägers zur Begründung seines Anspruchs muss nach § 531 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt bleiben, so dass eine Zurückweisung zwecks weiterer Feststellungen hierzu nicht in Betracht kommt.
[18] 1. Der Kläger hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil des LG ergangen ist, erstmals vorgetragen, dass die H. Sparkasse für ihre Forderungen durch eine Globalzession sowie durch vorrangige Grundschulden an einem Grundstück der Schuldnerin gesichert gewesen sei und deshalb in der Insolvenz des Schuldners ein durchsetzbares Absonderungsrecht erworben habe. Diesen Vortrag hat das LG ohne Rechtsfehler als verspätet unberücksichtigt gelassen (§ 296a ZPO). Vertagung oder eine Schriftsatzfrist gem. § 139 Abs. 5 ZPO zur Erklärung auf den in der Güteverhandlung erteilten Hinweis des Gerichts auf die Unschlüssigkeit der bisherigen Klagebegründung hat der Kläger nicht beantragt. Eine Pflicht des Gerichts zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung von Amts wegen (§ 156 Abs. 2 ZPO) bestand nicht. Danach ist - von dem Sonderfall eines Wiederaufnahmegrundes abgesehen - die Wiedereröffnung nur dann geboten, wenn sich aus dem nicht nachgelassenen Vorbringen ergibt, dass es aufgrund eines nicht prozessordnungsgemäßen Verhaltens des Gerichts, insb. einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht rechtzeitig in den Rechtsstreit eingeführt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1999 - IX ZR 341/98, NJW 2000, 142, 143 m.w.N.). Hierfür ist im gegenwärtigen Rechtsstreit nichts ersichtlich, vielmehr beruhte das verspätete Vorbringen allein auf der Nachlässigkeit der Klagepartei. Das Vorbringen durfte nach dem im Fall des § 296a ZPO anwendbaren § 531 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.1979 - VI ZR 223/78, NJW 1979, 2109, 2110; v. 10.3.1983 - VII ZR 135/82, MDR 1983, 838 = NJW 1983, 2030, 2031 jeweils zu § 528 Abs. 2 ZPO a.F.) im Berufungsverfahren und folglich auch bei einer ersetzenden Entscheidung in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden. Die Tatsache, dass das Berufungsgericht die Frage der Banksicherheiten nicht erörtert hat, weil es sie - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht für erheblich hielt, ändert daran nichts.
[19] 2. Das in der Berufungsbegründung wiederholte Vorbringen zu den Sicherheiten der H. Sparkasse war in zweiter Instanz auch nicht deshalb zu berücksichtigen, weil es als unstreitig hätte gewertet werden müssen (zur Berücksichtigung unstreitiger Noven in der Berufung vgl. BGH v. 18.11.2004 - IX ZR 229/03, BGHZ 161, 138, 142 = BGHReport 2005, 318 m. Anm. Schultz = MDR 2005, 527 m. Anm. Timme; BGH, Urt. v. 6.12.2004 - II ZR 394/02, BGHReport 2005, 452 m. Anm. Burgermeister = MDR 2005, 588 = WM 2005, 295, 296). Die Beklagte hat im Einzelnen bestritten, dass die Sparkasse aus den behaupteten Sicherheiten Befriedigung erlangen konnte.
Fundstellen
BGHZ 2007, 276 |
BB 2007, 630 |
NJW 2007, 1357 |
BGHR 2007, 474 |
EBE/BGH 2007 |
StuB 2007, 598 |
WM 2007, 508 |
WuB 2007, 373 |
ZIP 2007, 435 |
DZWir 2007, 248 |
InVo 2007, 276 |
MDR 2007, 861 |
NZI 2007, 225 |
NZI 2008, 23 |
ZInsO 2007, 269 |
BKR 2007, 289 |
ZBB 2007, 143 |
ZVI 2007, 379 |
Kreditwesen 2007, 507 |
SJ 2007, 41 |