Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und die Berufung des Klägers werden unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 1. Dezember 2020 teilweise aufgehoben sowie das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 18. Dezember 2019 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die Prämienerhöhungen in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer … in dem Tarif EC zum 1. Januar 2016 um 58,47 € sowie im Tarif E zum 1. Januar 2010 um 0,36 €, zum 1. Januar 2012 um 1,03 € und zum 1. Januar 2016 um 2,60 € jeweils für die Zeit bis zum 31. Oktober 2019 unwirksam waren und der Kläger zur Zahlung der jeweiligen Erhöhungsbeträge im Tarif EC bis zum 31. Dezember 2017 und im Tarif E bis zum 31. Dezember 2016 nicht verpflichtet ist. Im Übrigen wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Feststellung der Wirksamkeit der vorgenannten Erhöhungen ab dem 1. November 2019 erledigt ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.453,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 16. April 2019 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte
a) dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie in der Zeit vom 1. Januar 2017 bis zum 15. April 2019 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017 auf die Beitragserhöhungen im Tarif EC zum 1. Januar 2016 sowie im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 auf die Beitragserhöhungen im Tarif E zum 1. Januar 2010, 1. Januar 2012 und 1. Januar 2016 gezahlt hat, und
b) die herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 16. April 2019 zu verzinsen hat.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € freizustellen.
5. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 84 % und die Beklagte zu 16 % nach einem Streitwert von 17.477,18 €.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu 83 % und die Beklagte zu 17 % aus einem Streitwert von 16.419 €.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 71 % und die Beklagte zu 29 %.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5.499,76 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.
Rz. 2
Er unterhält in der Krankenversicherung unter anderem den Tarif EC und den Pflegeergänzungstarif E. Die Beklagte informierte ihn über folgende Beitragserhöhungen:
- zum 1. Januar 2010 im Tarif E um 0,36 € (Schreiben vom November 2009)
- zum 1. Januar 2012 im Tarif E um 1,03 € (Schreiben vom November 2011)
- zum 1. April 2013 im Tarif EC um 77,64 € (Schreiben vom Februar 2013)
- zum 1. Januar 2016 im Tarif EC um 58,57 € und im Tarif E um 2,60 € (Schreiben vom November 2015)
Rz. 3
Weitere Erhöhungen erfolgten im Tarif E zum 1. Januar 2017 und im Tarif EC zum 1. Januar 2018.
Im Anschreiben der Beklagten vom November 2009 hieß es u.a.:
"Aufgrund des medizinischen Fortschritts und der häufigeren und längeren Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen sind die Leistungsausgaben gestiegen. Dadurch ergibt sich für Ihren Vertrag zum 01.01.2010 eine Beitragserhöhung."
Rz. 4
Die mit dem Anschreiben vom November 2011 übersandten "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2012" lauteten auszugsweise:
"Die Beiträge der Pflegeversicherung müssen jährlich überprüft werden. Weichen die kalkulierten Leistungsausgaben von den zukünftig erforderlichen ab, ist eine Anpassung der Beiträge erforderlich. Bei der aktuellen Beitrags-Überprüfung zum 01.01.2012 ist zudem eine neue Statistik zur voraussichtlichen Lebensdauer (die sogenannte Sterbetafel) zu berücksichtigen."
Rz. 5
In der Anlage zum Schreiben vom Februar 2013 - "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.04.2013" - hieß es auszugsweise:
"Ihre private Krankenversicherung (PKV) sichert Ihnen lebenslang eine optimale Versorgung mit allen Möglichkeiten der modernen Medizin.
Darauf können Sie sich jetzt und in Zukunft verlassen!
Damit dies so bleibt, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen vergleichen. Diese Überprüfung erfolgt für jeden einzelnen Tarif. Weichen die Zahlen mindestens um den in den Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, sind wir gesetzlich verpflichtet, die Beiträge anzupassen. Dies muss zum 01.04.2013 in den gekennzeichneten Tarifen erfolgen."
Rz. 6
In der Anlage zum Schreiben vom November 2015 - "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2016" - hieß es auszugsweise:
"Mit Ihrer privaten Kranken-/Pflege-Versicherung sichern Sie sich lebenslang eine optimale Versorgung. In der privaten Krankenversicherung (PKV) stehen Ihnen alle Möglichkeiten der modernen Medizin offen - und das ein Leben lang! Denn die einmal vertraglich vereinbarten Leistungen sind lebenslang garantiert.
Darüber hinaus wächst mit dem medizinischen Fortschritt der Umfang Ihres privaten Krankenversicherungsschutzes: Denn er berücksichtigt neue Methoden bei Diagnostik, Therapie und Medikamenten.
Damit wir unser Leistungsversprechen dauerhaft einhalten können, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich alle Beiträge überprüfen. Dies erfolgt in der Kranken-, Krankenhaustagegeld- und Pflegeergänzungs-Versicherung für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und - für Verträge, die vor dem 21.12.2012 abgeschlossen wurden - zusätzlich nach Geschlecht.
Bei der Überprüfung vergleichen wir die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, müssen die Beiträge überprüft werden. Hierzu sind wir gesetzlich verpflichtet."
Rz. 7
Der Kläger hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Mit Anwaltsschreiben vom 2. April 2019 forderte er die Beklagte zur Rückzahlung überzahlter Beiträge sowie daraus gezogener Nutzungen auf.
Rz. 8
Soweit für die Revision noch von Interesse hat der Kläger mit seiner Klage zunächst die Rückzahlung der auf die genannten Erhöhungen entfallenden Prämienanteile in Höhe von 9.732,80 € nebst Zinsen, die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie die Feststellung verlangt, dass die Beitragserhöhungen unwirksam sind und er nicht zur Zahlung der jeweiligen Erhöhungsbeiträge verpflichtet ist. Mit Schriftsatz vom 24. September 2019 hat der Kläger diesen Feststellungsantrag für erledigt erklärt; die Beklagte hat sich dem nicht angeschlossen. Der Kläger hat daraufhin die Feststellung beantragt, dass der Feststellungsantrag ursprünglich zulässig und begründet war.
Rz. 9
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seine Klage um die Feststellung erweitert, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie aus dem vom Kläger auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteil gezogen hat, verpflichtet ist und diese Nutzungen zu verzinsen hat. Den Zahlungsantrag hat er in Höhe von 8.674,62 € weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil unter Abweisung der weitergehenden Klage dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 5.021,52 € nebst Zinsen ab dem 16. April 2019 und zur Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 571,44 € verurteilt worden ist. Es hat außerdem festgestellt, dass die Prämienerhöhungen im Tarif EC zum 1. April 2013 und 1. Januar 2016 sowie im Tarif E zum 1. Januar 2010, 1. Januar 2012 und 1. Januar 2016 jeweils für die Zeit bis zum 31. Oktober 2019 unwirksam waren, der Kläger nicht zur Zahlung der jeweiligen Erhöhungsbeträge verpflichtet ist und der Rechtsstreit hinsichtlich der vorgenannten Erhöhungen ab dem 1. November 2019 erledigt ist. Weiter hat es festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die genannten Beitragserhöhungen im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 1. Juni 2019 gezahlt hat, und zur Verzinsung dieser Nutzungen ab dem 16. April 2019 verpflichtet ist.
Rz. 10
Mit der Revision begehrt die Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und Klageabweisung, soweit zu ihrem Nachteil die Unwirksamkeit der Neufestsetzungen im Tarif EC zum 1. April 2013 und 1. Januar 2016 sowie im Tarif E zum 1. Januar 2010, 1. Januar 2012 und 1. Januar 2016 jeweils für die Zeit bis zum 31. Oktober 2019 und die fehlende Verpflichtung des Klägers zur Zahlung der jeweiligen Erhöhungsbeträge festgestellt worden ist, die Beklagte zur Zahlung von 5.021,52 € nebst Zinsen verurteilt worden ist, deren Verpflichtung zur Herausgabe gezogener Nutzungen aus Erhöhungsbeträgen im Tarif EC zum 1. April 2013 und im Tarif E zum 1. Januar 2010 und zum 1. Januar 2012 im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 1. Juni 2019 sowie im Tarif EC zum 1. Januar 2016 und im Tarif E zum 1. Januar 2016 für die Zeit vor dem 1. Januar 2017 und über den 15. April 2019 hinaus festgestellt worden ist, und die Beklagte zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 571,44 € verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe
Rz. 11
Die Revision hat teilweise Erfolg.
Rz. 12
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Feststellungsantrag so auszulegen, dass der Kläger nach seiner einseitigen Erledigungserklärung die Feststellung begehrt, die Prämienerhöhungen seien bis zum Zeitpunkt der Heilung unwirksam gewesen. Die Beitragserhöhungen in den Tarifen EC zu den Stichtagen 1. April 2013 und 1. Januar 2016 und E zu den Stichtagen 1. Januar 2010, 1. Januar 2012 und zum 1. Januar 2016 seien unwirksam gewesen und der Rechtsstreit hinsichtlich dieser Erhöhungen ab dem 1. November 2019 erledigt. Die Begründungen dieser Prämienerhöhungen erfüllten nicht die nach § 203 Abs. 5 VVG zu stellenden Mindestanforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe. Die weiteren Erhöhungen in den Tarifen EC zum 1. Januar 2018 und E zum 1. Januar 2017 seien wirksam.
Rz. 13
Die zunächst unzureichenden Begründungen für die Prämienerhöhungen seien mit Zustellung der Klageerwiderung am 5. September 2019 geheilt und zum 1. November 2019 wirksam geworden. Die zu viel gezahlten Beträge für die Prämienerhöhungen errechneten sich für den unverjährten Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 1. Juni 2019 in Höhe von 5.021,52 €. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den in diesem Zeitraum gezahlten erhöhten Prämienanteilen. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folge aus § 280 Abs. 1 Satz 1, § 257 BGB.
Rz. 14
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur zum Teil stand.
Rz. 15
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger den Rechtsstreit hinsichtlich des Feststellungsantrags erst ab dem 1. November 2019 für erledigt erklärt hat und für den davorliegenden Zeitraum den ursprünglichen Feststellungsantrag unverändert weiterverfolgt. Entgegen der Ansicht der Revision verstößt daher weder der Urteilstenor in diesem Punkt gegen § 308 Abs. 1 ZPO noch ist das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Feststellungsantrag entfallen. Die Auslegung der einseitigen Erledigungserklärung durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Für diese Auslegung ist nicht allein der Wortlaut der Erklärung maßgebend. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 - IV ZR 291/20, VersR 2022, 503 Rn. 12; st. Rspr.).
Rz. 16
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs entsprach es dem Interesse des Klägers, die Erledigungserklärung auf den Zeitraum ab Wirksamwerden der Prämienanpassungen zu beschränken. Sein Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienanpassungen entfiel durch eine nachgeholte Mitteilung der maßgeblichen Gründe nicht für die Vergangenheit. Auch sein Wille war erkennbar darauf gerichtet, bis zu diesem Zeitpunkt an seinem ursprünglichen Antrag festzuhalten und nur für die Zukunft die Erledigung zu erklären. Dies zeigt bereits die Formulierung seines geänderten Klageantrags, der sich nicht auf die Feststellung der Erledigung der Hauptsache beschränkte, sondern ausdrücklich die Feststellung der Zulässigkeit und Begründetheit des ursprünglichen Antrags in Verbindung mit dem Ausspruch der Unwirksamkeit der Prämienanpassungen und seiner Nichtzahlungspflicht umfasste.
Rz. 17
2. Entgegen der Ansicht der Revision ist das Berufungsgericht zu Recht von der Zulässigkeit der Klage auch für den auf die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen gerichteten Feststellungsantrag ausgegangen.
Rz. 18
Ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis liegt vor, soweit der Kläger die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen festgestellt wissen möchte. Allein mit dem vom Kläger erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge wäre nicht rechtskräftig festgestellt, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 17). Soweit die Revision rügt, das Feststellungsinteresse sei dadurch entfallen, dass das Berufungsgericht eine Heilung der früheren Begründungsmängel angenommen habe, kommt es darauf nicht an (vgl. Senatsurteil vom 14. April 2021 - IV ZR 36/20, juris Rn. 28).
Rz. 19
3. Das Berufungsgericht hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe zutreffend bestimmt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 16. Dezember 2020 (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 26).
Rz. 20
4. Die Revision hat jedoch teilweise Erfolg, soweit das Berufungsgericht entschieden hat, dass die Begründungen der Prämienanpassungen nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen; das trifft nur zum Teil zu. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 38).
Rz. 21
a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhungen zum 1. Januar 2010, 1. Januar 2012 und 1. Januar 2016 die Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung nicht erfüllten. Soweit es sich dabei um Prämienanpassungen im Pflegeergänzungstarif E handelte, war auf diese entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts der erst zum 1. Januar 2017 in Kraft getretene § 143 SGB XI nicht anwendbar.
Rz. 22
Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, es lasse sich weder den Anschreiben vom November 2009 und November 2011 noch den beigefügten Nachträgen zum Versicherungsschein entnehmen, dass der geltende Schwellenwert für die betroffene Rechnungsgrundlage überschritten sei. Es lässt keinen Rechtsfehler erkennen, dass es den allgemeinen Hinweis auf gestiegene Leistungsausgaben im Anschreiben vom November 2009 nicht genügen ließ. Entgegen der Rüge der Revision hat es damit auch den Inhalt dieser Mitteilung zur Kenntnis genommen. Auch dem Schreiben vom November 2011 musste das Berufungsgericht die erforderlichen Angaben nicht entnehmen, da dieses einerseits die Notwendigkeit einer Prämienanpassung bei einer Abweichung der kalkulierten von den zukünftig erforderlichen Leistungsausgaben erwähnt, ohne dies aber auf den konkreten Tarif zu beziehen, und andererseits auf eine neue Sterbetafel hinweist. Für dieses Ergebnis kommt es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht - insoweit gegebenenfalls abweichend von den zuvor zutreffend bestimmten Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung - darüber hinaus auch das Fehlen der Angabe beanstandet hat, ob der gesetzliche oder ein in den Versicherungsbedingungen festgelegter Schwellenwert überschritten wurde.
Rz. 23
Nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts konnte ein Versicherungsnehmer auch den allgemein gehaltenen Erläuterungen in der Mitteilung der Beitragserhöhung ab dem 1. Januar 2016 nicht entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat. Diese Beurteilung wird von der Revision zu Recht nicht angegriffen.
Rz. 24
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügte hingegen die Mitteilung der Prämienanpassung im Tarif EC zum 1. April 2013 den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG.
Rz. 25
aa) Nach § 203 Abs. 5 VVG müssen nicht alle Gründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 29). In diesem Sinne maßgeblich ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO). Dagegen ist es ohne Bedeutung, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist (Senatsurteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20, VersR 2022, 97 Rn. 27). Die Überprüfung der Prämie wird unabhängig von diesem Umstand ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird. Da die Mitteilungspflicht nicht den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 36), ist ein Hinweis des Versicherers darauf, in welche Richtung sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage verändert hat, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zur Information des Versicherungsnehmers erforderlich (Senatsurteile vom 22. Juni 2022 - IV ZR 193/20, juris Rn. 27, insoweit in r+s 2022, 462 nicht abgedruckt; vom 17. November 2021 aaO).
Rz. 26
bb) Ebenfalls unzutreffend ist die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass die Angaben zu den Voraussetzungen der Prämienanpassung ("Weichen die Zahlen mindestens um den […] festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab") aufgrund ihrer Abweichung vom Gesetzeswortlaut des § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG ("eine Abweichung von mehr als 10 Prozent") - der insoweit § 12b Abs. 2 Satz 2 VAG in der damals geltenden Fassung entspricht - nicht den Mindestanforderungen genügen. Dem Versicherungsnehmer wird damit dennoch der maßgebliche Grund der Prämienanpassung, eine nach den festgelegten Schwellenwerten relevante Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen, mitgeteilt (Senatsurteil vom 22. Juni 2022 aaO Rn. 28). Die genaue gesetzliche Bezeichnung dieser Veränderung ist dagegen aus Sicht des Versicherungsnehmers kein entscheidender Umstand für die Prämienanpassung (Senatsurteil vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, VersR 2022, 155 Rn. 31).
Rz. 27
cc) Die nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Angaben sind dagegen in dieser Mitteilung enthalten, was auch das Berufungsgericht insoweit zutreffend angenommen hat. Die Prämienanpassung wird in dieser Mitteilung damit begründet, dass die Beklagte bei einer bestimmten Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten "Leistungsausgaben", d.h. den Versicherungsleistungen, zur Anpassung der Beiträge verpflichtet sei und dies zum 1. April 2013 in den gekennzeichneten Tarifen erfolgen müsse. Dem kann der Versicherungsnehmer mit hinreichender Klarheit als Ergebnis der Überprüfung für den konkreten Tarif entnehmen, dass für diesen eine solche Abweichung eingetreten ist.
Rz. 28
4. Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die in der Klageerwiderung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen zu einer Heilung ex nunc führten (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 41 f.), so dass die zunächst unwirksamen Prämienerhöhungen gemäß § 203 Abs. 5 VVG ab dem zweiten auf die Zustellung der Klageerwiderung am 5. September 2019 folgenden Monat, d.h. zum 1. November 2019, wirksam wurden. Zu Unrecht hat es dagegen angenommen, dass der Kläger über den Zeitpunkt der nächsten wirksamen Prämienerhöhung im Tarif E zum 1. Januar 2017 und im Tarif EC zum 1. Januar 2018 hinaus nicht zur Zahlung des Prämienanteils, der betragsmäßig den zuvor erfolgten und noch unwirksamen Erhöhungen entsprach, verpflichtet sei. Ab diesem Zeitpunkt bestand vielmehr ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Prämie in der durch die letzte Anpassung festgesetzten Höhe. Eine spätere wirksame Prämienanpassung bildet fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 55).
Rz. 29
a) Davon ausgehend hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, auch der Antrag auf Feststellung, dass der Kläger nicht zur Zahlung der Erhöhungsbeträge aus den Prämienanpassungen im Tarif EC zum 1. Januar 2016 sowie im Tarif E zum 1. Januar 2010, 1. Januar 2012 und 1. Januar 2016 verpflichtet ist, habe sich in der Hauptsache nach Rechtshängigkeit durch die Angaben in der Klageerwiderung erledigt. Der Zeitraum, in dem keine Zahlungspflicht bestand, endete bereits vor der Rechtshängigkeit.
Rz. 30
b) Der Kläger kann daher die gezahlten und von der Verjährung nicht erfassten Erhöhungsbeträge nur für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 im Tarif E und bis zum 31. Dezember 2017 im Tarif EC zurückverlangen. Daraus folgt ein Zahlungsanspruch in Höhe von 1.453,56 € ((0,36 € + 1,03 € + 2,60 €) x 12 Monate + 58,57 € x 24 Monate). Dieser ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - ab Verzugsbeginn zu verzinsen.
Rz. 31
5. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Rückgewähranspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die er ohne wirksame Prämienanpassung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst.
Rz. 32
a) Im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung kommt eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes nicht in Betracht, wenn sich bei einem wirksamen Versicherungsvertrag als Rechtsgrund der erbrachten Leistungen nur eine Prämienerhöhung als unwirksam erweist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 46). Soweit die Revision geltend macht, die Beklagte sei durch die empfangenen Zahlungen in Höhe der kalkulierten Risikoprämien nicht bereichert, da diese der Erbringung von Versicherungsleistungen gedient hätten, trifft das nicht zu. Der weiterhin bestehende wirksame Versicherungsvertrag verpflichtete die Beklagte zur Erbringung von Versicherungsleistungen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO). Eine Entreicherung durch die Tilgung eigener Verbindlichkeiten kommt aber nur in Betracht, wenn der Bereicherungsschuldner deshalb freiwerdende Mittel ersatzlos verbraucht; unter diesen Umständen fehlt es an der Ursächlichkeit der rechtsgrundlosen Zahlung für den (zunächst) durch Tilgung der Verbindlichkeiten entstehenden Vermögensvorteil (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2016 - IX ZR 160/14, WM 2016, 2319 Rn. 15 m.w.N.). Das behauptet die Beklagte jedoch nicht. Zudem stehen auch Billigkeitserwägungen der Pflicht zur Rückzahlung rechtsgrundlos empfangener Erhöhungsbeträge, auch soweit sie betragsmäßig der kalkulierten Risikoprämie entsprechen, nicht entgegen, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. September 2022 (IV ZR 2/21, VersR 2022, 1414 Rn. 23) entschieden und im Einzelnen begründet hat.
Rz. 33
b) Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen, soweit die gezahlten Erhöhungsbeträge der Höhe nach den kalkulierten Beträgen für die Bildung der tariflichen Alterungsrückstellung, für den Beitragszuschlag nach § 149 Abs. 1 VAG und für die Zuschläge nach §§ 7, 8 Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) entsprechen.
Rz. 34
Entreicherung liegt vor, wenn der erlangte Vorteil nicht mehr im Vermögen des Empfängers enthalten ist und auch sonst kein auf die Zuwendung zurückzuführender Vermögensvorteil mehr vorhanden ist (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2016 - IX ZR 160/14, WM 2016, 2319 Rn. 13). Vermögensnachteile des Bereicherungsschuldners sind dabei nur berücksichtigungsfähig, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise adäquat-kausal auf der Bereicherung beruhen (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 36). Die Berechnung der Alterungsrückstellung aufgrund gesetzlicher Vorgaben unabhängig von der Wirksamkeit der Prämienanpassungen nach geänderten Rechnungsgrundlagen kann aber kein Vermögensnachteil sein, der auf der Prämienanpassung und der rückabzuwickelnden Prämienzahlung des Klägers beruht (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2021 - IV ZR 109/20, juris Rn. 27).
Rz. 35
Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens fest. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. September 2022 (IV ZR 2/21, VersR 2022, 1414 Rn. 26 f.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, wird der Versicherer im Verhältnis zum Versicherungsnehmer durch die Vorschriften zur Berechnung der Alterungsrückstellung und weiterer Zuschläge und ihre Einstellung in die Bilanz nicht berechtigt, ohne Rechtsgrundlage erlangte Beträge, die nicht der Prämienschuld entsprechen, zu vereinnahmen und der Alterungsrückstellung - oder auch den Zuschlägen nach §§ 7, 8 KVAV - zuzuordnen. Auch mit Billigkeitserwägungen kann ein Bereicherungsanspruch des Klägers nicht eingeschränkt werden (vgl. Senatsurteil vom 21. September 2022 aaO Rn. 28).
Rz. 36
c) Falls die Beklagte aus den Zahlungen des Klägers ohne gesetzliche Grundlage Beträge der Alterungsrückstellung zugeführt haben sollte, kommt es für die Entreicherung auf die Möglichkeiten einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung gegenüber dem Kläger an. Eine Bereicherung ist nicht weggefallen, soweit der Bereicherte seine eigene Verfügung über den empfangenen Vermögensvorteil wieder rückgängig machen kann (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 52). Dass dies nicht möglich wäre, hat die für den Wegfall der Bereicherung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte in den Vorinstanzen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geltend gemacht. Aber auch das Revisionsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Rückzahlung von Leistungen des Versicherungsnehmers, die der Versicherer ohne Rechtsgrund empfangen, aber nach seiner Behauptung wie eine geschuldete Prämienzahlung zum Teil der Alterungsrückstellung zugeführt haben will, keine Auflösung einer Rückstellung im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB und daher nicht von deren Voraussetzungen abhängig. Die Auflösung einer Rückstellung in diesem Sinne bedeutet vielmehr die Entfernung der ungewissen Verbindlichkeiten als Passiva aus der Bilanz und damit einen wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen oder die Ausweisung als Verbindlichkeit, wenn die Ungewissheit über das Bestehen der Verpflichtung entfällt (vgl. Senatsurteil vom 21. September 2022 - IV ZR 2/21, VersR 2022, 1414 Rn. 29; Beck Bilanz-Komm./Schubert, 13. Aufl. HGB § 249 Rn. 390). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Rz. 37
d) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die in der Klageerwiderung hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten mit vom Kläger erlangten Vermögensvorteilen abgelehnt. Sind die Gegenforderungen schon nicht bestimmbar und damit nicht hinreichend individualisierbar, hat das die Unzulässigkeit der Hilfsaufrechnung zur Folge (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2017 - VII ZR 36/17, BauR 2018, 145 Rn. 12). Das war hier der Fall, da die Beklagte keine Angaben zum Aufrechnungsbetrag oder dessen Zusammensetzung gemacht hat. Mit der erstmaligen Bezifferung der Aufrechnungsforderung in Gestalt der Beträge, die sie der Alterungsrückstellung zugeführt oder als Zuschläge nach §§ 7, 8 KVAV verbucht haben will, trägt die Beklagte mit der Revision neue Tatsachen vor, die gemäß § 559 Abs. 1 ZPO in dritter Instanz ausgeschlossen sind (vgl. auch Senatsurteil vom 21. September 2022 - IV ZR 2/21, VersR 2022, 1414 Rn. 29).
Rz. 38
6. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Herausgabepflicht der Beklagten nicht auf die Nutzungen beschränkt, die aus den im Tarif E bis zum 31. Dezember 2016 und im Tarif EC bis zum 31. Dezember 2017 gezahlten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden. Da - wie dargelegt - ab den wirksamen Prämienerhöhungen in diesen Tarifen zum 1. Januar 2017 bzw. 1. Januar 2018 auch die den früheren Erhöhungen entsprechenden Beträge geschuldet waren, besteht aus den ab diesen Zeitpunkten gezahlten Prämien auch kein Anspruch auf Nutzungen. Wie die Auslegung der Revisionsanträge anhand des Revisionsvorbringens ergibt, wird dies auch von der Revision angegriffen.
Rz. 39
Ebenfalls unzutreffend ist die Feststellung einer Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen auch insoweit, als diese im Jahr 2016 aus den nicht geschuldeten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden. Der mit der Ziehung der Nutzungen 2016 entstandene Anspruch verjährte mit dem Ablauf des 31. Dezember 2019, bevor die Verjährung des Nutzungsherausgabeanspruchs durch die am 24. Februar 2020 eingegangene Berufungsbegründung gehemmt wurde. Entgegen der Ansicht der Revision erfasst die Verjährung dagegen nicht den Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen, die ab dem 1. Januar 2017 aus den im Jahr 2016 gezahlten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden, da die Verjährungsfrist erst mit der Anspruchsentstehung durch die Nutzungsziehung zu laufen begann.
Rz. 40
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht außerdem einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen insoweit angenommen, als sie in demselben Zeitraum, für den dem Kläger auch Zinsen aus den zurückzuzahlenden Prämienanteilen zugesprochen worden sind, gezogen wurden. Der Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen ist vielmehr auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt. Prozess- und Verzugszinsen sollen den Nachteil ausgleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 58). Dieser Nachteil wird durch einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen vollkommen ausgeglichen. Daher besteht neben dem Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen kein Anspruch auf Prozess- oder Verzugszinsen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO). Eine Pflicht der Beklagten zur Herausgabe gezogener Nutzungen ist daher nur für die Zeit vor dem Verzinsungsbeginn am 16. April 2019 festzustellen. Die Feststellung einer Pflicht der Beklagten zur Verzinsung der herauszugebenden Nutzungen wird dagegen von der Revision nicht angegriffen.
Rz. 41
7. Bezüglich der Pflicht der Beklagten, den Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen, hat die Revision insoweit Erfolg, als der Kläger lediglich die Freistellung von Kosten in Höhe von 201,71 € verlangen kann.
Rz. 42
a) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings einen Schadensersatzanspruch wegen vertraglicher Pflichtverletzung aus §§ 280, 257 BGB angenommen.
Rz. 43
Das Berufungsgericht hat die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Begründung der Prämienanpassungen als Vertragsverletzung der Beklagten angesehen. Ungeachtet dessen, ob dies bereits eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung darstellt, liegt eine solche jedenfalls in der unberechtigten Geltendmachung der nicht geschuldeten Erhöhungsbeträge aus den unwirksamen Prämienanpassungen bei der Beitragsabrechnung der Beklagten (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 - IV ZR 291/20, VersR 2022, 503 Rn. 26). Entgegen der Ansicht der Revision kann diesem Anspruch nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber als Folge einer unzureichenden Begründung in § 203 Abs. 5 VVG allein das Nichtwirksamwerden der Prämienanpassung vorgesehen habe. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (Senatsurteil vom 9. Februar 2022 aaO m.w.N.). Wenn ein Partner eines gegenseitigen Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner ableitet, die ihm nicht zustehen, kommt daher ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 aaO m.w.N.).
Rz. 44
b) Von dem Vorwurf des nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermuteten Verschuldens hat sich die Beklagte nicht entlastet. Soweit sich die Revision darauf beruft, die Beklagte habe ihren Rechtsstandpunkt bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Begründungsanforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG für plausibel halten dürfen, beruft sie sich auf einen Rechtsirrtum, der im Allgemeinen nicht entschuldigt (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 aaO Rn. 27 m.w.N.). Insoweit werden an die Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen gestellt; es reicht nicht aus, dass sie sich ihre Meinung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat; entschuldigt wäre sie erst, wenn mit der Möglichkeit des Unterliegens im Rechtsstreit nicht zu rechnen war (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2022 aaO). Davon ist hier nicht auszugehen. Der Versicherer hat die Gestaltung seiner Mitteilungen zu Prämienanpassungen selbst in der Hand und kann auch angesichts der Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift, zu der noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, im Zweifel eine rechtssichere Formulierung wählen (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 37).
Rz. 45
c) Entgegen der Ansicht der Revision ist der Anspruch nicht wegen eines Mitverschuldens des Klägers nach § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Vorinstanzlich sind keine Tatsachen festgestellt oder behauptet worden, aus denen zu schließen wäre, dass die außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche vor Klageerhebung aus der ex-ante-Sicht des Klägers aussichtslos gewesen wäre. Ob der Kläger aufgrund einer Kenntnis seiner Rechtsanwälte aus vergleichbaren Mandaten bereits Anfang April 2019 wusste oder hätte wissen müssen, dass auch in seinem Fall eine Zahlungsaufforderung an die Beklagte erfolglos bliebe, ergibt sich auch aus dem Revisionsvortrag nicht und wäre im Übrigen als neue Tatsache gemäß § 559 Abs. 1 ZPO in dritter Instanz ausgeschlossen.
Rz. 46
d) Der Anspruch ist aber nur in Höhe von 201,71 € begründet. Der zugrunde zu legende Gegenstandswert entspricht dem begründeten Rückforderungsanspruch von 1.453,56 €. Bei Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr errechnet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung ein Betrag von 201,71 € (115 € Gebühr x 1,3 + 20 € Pauschale + 32,21 € Umsatzsteuer).
Rz. 47
III. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die Vorinstanzen beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG und berücksichtigt, dass erstinstanzlich ein höherer Zahlungsantrag gestellt wurde und bei einer negativen Feststellungsklage kein Feststellungsabschlag vorzunehmen ist.
Prof. Dr. Karczewski |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15585947 |