Entscheidungsstichwort (Thema)
Diebstahl
Tenor
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. April 1998 wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat das Verfahren gegen den Angeklagten wegen eines Verfahrenshindernisses (Grundsatz der Spezialität) eingestellt, soweit ihm vorgeworfen worden war, einen Einbruchsdiebstahl in der Sparkasse U., Zweigstelle H., begangen zu haben. Soweit ihm ein Diebstahl zum Nachteil der Sparkasse I. in T. zur Last gelegt worden war, hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt nur hinsichtlich der Einstellung des Verfahrens vertretene Rechtsmittel hat insgesamt keinen Erfolg.
I.
Die Verfahrensrüge „gemäß § 338 Nr. 1 StPO”, die Strafkammer sei zu Beginn der Hauptverhandlung nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil die Schöffin M. erst nach „Belehrung” der Zeugen H. und P. vereidigt wurde und „die Belehrung” nicht nachgeholt worden sei, ist schon deswegen unzulässig erhoben, weil die Revision nicht mitteilt, worüber die Zeugen belehrt worden waren. Der in der Revisionsbegründung wiedergegebene Auszug aus dem Sitzungsprotokoll, „die Zeugen wurden wie Bl. 2 belehrt”, genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Soweit die Beschwerdeführerin – vermutlich – beanstanden will, die Belehrung nach § 57 StPO sei nicht wiederholt worden, wäre die Rüge auch unbegründet; denn wenn ein mitwirkender Schöffe nicht vereidigt war und der Mangel – wie hier – in der Hauptverhandlung behoben wird, muß die Hauptverhandlung nur in ihren wesentlichen Teilen wiederholt werden (vgl. RGSt 64, 308, 309; BGH NJW 1953, 1800, 1801; OLG Hamm VRS 14, 370; Hanack in Löwe-Rosenberg StPO 24. Aufl. § 338 Rdn. 32). Die – nur dem Schutz des Zeugen dienende – Belehrung nach § 57 StPO ist aber kein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung (vgl. BGH bei Spiegel DAR 1981, 197; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 338 Rdn. 38).
II.
Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen zum Fall II 1 der Urteilsgründe drang(en) in der Zeit vom 30. April 1993 ab 16.30 Uhr bis zum 2. Mai 1993, 14.10 Uhr, „entweder der Angeklagte oder andere Täter” nach dem Einschlagen eines Fensters in die Sparkasse U., Zweigstelle H., ein. Dort hebelte(n) der oder die Täter verschiedene Behältnisse auf. Aus aufgebrochenen Schließfächern wurden Geld, eine goldene Damenuhr und drei Inhaberschuldverschreibungen zu je 10.000 DM samt Zinsscheinen entwendet. Am 4. Mai 1993 hinterlegte der Angeklagte die drei gestohlenen Wertpapiere in einem Depot bei der Volksbank R. in Österreich. Der Angeklagte hatte sie entweder selbst bei dem Einbruchsdiebstahl entwendet „oder in Kenntnis der Herkunft von dem unbekannt gebliebenen Täter oder (einem) weiteren Dritten erworben” (UA 14).
Das Landgericht konnte den „Anklagevorwurf des Einbruchs des Angeklagten in die Zweigstelle H. der Sparkasse U. … nicht so eindeutig (aufklären), daß ein Diebstahl im erschwerten Fall durch den Angeklagten festgestellt werden (konnte)”. Es konnte jedoch „eindeutig” feststellen, „daß der Angeklagte entweder den Einbruch in die … Sparkasse … begangen oder die drei Inhaberschuldverschreibungen … als Beutestücke aus dem Einbruch in Kenntnis ihrer Herkunft sich verschafft hat” (UA 20).
An einer wahlweisen Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei sah sich die Strafkammer gehindert, weil eine Auslieferung des Angeklagten aus Spanien nur wegen des angeklagten Diebstahls erfolgt sei (Grundsatz der Spezialität). Daß der Angeklagte „sich in strafbewehrter Weise die drei Inhaberschuldverschreibungen aus den Beutestücken verschafft (habe), (beinhalte) einen anderen Sachverhalt, der vom spanischen Gericht in der Auslieferungsverfügung nicht bewilligt worden (sei)” (UA 26).
2. Diese Wertung hält rechtlicher Prüfung stand.
a) Soweit sich die Revision gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung richtet, zeigt sie Rechtsfehler nicht auf (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 26 ff. m.w.N.). Das Landgericht hat es – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin – weder rechtsfehlerhaft unterlassen, die einzelnen Belastungsindizien in einer Gesamtschau zu würdigen, noch hat es überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt. Es hat vielmehr alle wesentlichen, den Angeklagten belastenden Umstände gesehen und gewürdigt, insbesondere den Lebenslauf des Angeklagten, sein „Vorstrafenbild”, den Besitz der drei entwendeten Wertpapiere und die „Erwerbslegende” des Angeklagten zu diesen Papieren (UA 20 ff.). Daß es „nach Ausschöpfung der Beweismittel” zu dem Ergebnis kommt, es sei lediglich eine wahlweise Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei möglich, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
b) Auch die Einstellung des Verfahrens wegen Vorliegens des Verfahrenshindernisses der Spezialität der Auslieferung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
aa) In dem von der Staatsanwaltschaft Essen gegen den nach Spanien geflüchteten Angeklagten betriebenen Auslieferungsverfahren wegen eines Einbruchs in die Raiffeisenbank K. -O. in der Nacht zum 18. Dezember 1994 hatte sich der Angeklagte mit der vereinfachten Auslieferung nach Deutschland einverstanden erklärt (Art. 66 SDÜ), wobei er auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes nicht verzichtete (UA 10/11, 24). Er wurde am 19. Mai 1995 nach Deutschland ausgeliefert. Am 16. Juni 1995 erließ der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Essen einen Haftbefehl, in dem dem Angeklagten zur Last gelegt wurde, in der Zeit zwischen dem 30. April und dem 2. Mai 1993 als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Einbruchsdiebstählen „unter Beiführung von Waffen” gebildet hat, mit zumindest einem Mittäter durch ein eingeschlagenes Fenster in die Sparkasse U., Zweigstelle H., eingedrungen zu sein und dort u.a. Schließfächer aufgebrochen und daraus Geld, Schmuck und drei Inhaberschuldverschreibungen à 10.000 DM entwendet zu haben. In dem Haftbefehl heißt es, der Angeklagte sei nach den bisherigen polizeilichen Ermittlungen, insbesondere aufgrund von Zeugenaussagen sowie sichergestellten Beweisgegenständen, der Tat dringend verdächtig; er habe die entwendeten Wertpapiere am 4. Mai 1993 bei der Volksbank Ra. /Österreich, Zweigstelle R., vorgelegt (Bd. V, Bl. 71 f.). Aufgrund Beschlusses des zuständigen Gerichts in Madrid vom 24. Juni 1996 wurde die Auslieferung des Angeklagten – gegen dessen Willen (Bd. V, Bl. 141) – auch zur Strafverfolgung wegen der im Haftbefehl vom 16. Juni 1995 aufgeführten Handlungen bewilligt, wobei als strafrechtlich relevanter Sachverhalt (allein) der Einbruchsdiebstahl in der Sparkasse zugrundegelegt wurde (Sonderband Rechtshilfe Bl. 3, 4 ff., 16 ff., 22 [Tathandlung: Diebstahl mit Sachbeschädigung]).
bb) Nach dem von Amts wegen zu beachtenden Grundsatz der Spezialität (Art. 14 Abs. 1 EuAlÜbk; Art. 21 Abs. 1 des spanischen Gesetzes über die Auslieferung vom 21. März 1985; vgl. Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen 2. Aufl. II S 28 Rdn. 13; III 1 Rdn. 15) darf der Angeklagte nur wegen der vor der Auslieferung begangenen Taten bestraft werden, für die die Auslieferung bewilligt ist (vgl. BGHSt 22, 307; 29, 94, 95 f.; 31, 51, 52; 34, 352, 353; BGH StV 1987, 6). Der auslieferungsrechtliche Tatbegriff entspricht dabei dem prozessualen Tatbegriff des § 264 StPO (BGHSt 22, 307, 308; BGH GA 1977, 110; NStZ 1986, 557, 558; Meurer, Die Tatidentität im Auslieferungsrecht [Diss. 1984] S. 44 ff. (46); Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen 3. Aufl. Art. 14 EuAlÜbk Rdn. 5 ff., § 11 IRG Rdn. 13, § 72 IRG Rdn. 20).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bilden zwar Diebstahl und Hehlerei eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne, wenn der in der Anklage nach Objekt, Ort und Zeit der Handlung konkretisierte Diebstahl Grundlage der Verurteilung wegen Hehlerei bleibt (BGHSt 35, 172, 174; Engelhardt in KK/StPO 4. Aufl. § 264 Rdn. 7 jeweils m.w.N.). Das gilt aber nur dann, wenn Diebstahl und Anschlußdelikt nach Tatzeit, Tatort, Tatobjekt und Tatbild einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang bilden (vgl. BGHSt 32, 215, 216; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 264 Rdn. 2a m.w.N.), so etwa bei Aufteilung der Beute unmittelbar im Anschluß an die Vortat, wenn zweifelhaft bleibt, ob der Angeklagte hieran bereits als Mittäter beteiligt war, aber feststeht, daß er seinen Beuteanteil vom Täter in Tatortnähe sogleich nach der Tat erhalten hat (vgl. BGHSt 35, 86, 88; BGH NStZ 1989, 266; s. andererseits [zwei Taten] BGHSt 35, 60, 63 f.; 35, 80, 82; BGHR StPO § 260 Abs. 3 Freispruch 5; OLG Celle NJW 1988, 1225). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor:
Der Lebensvorgang, der dem Haftbefehl vom 16. Juni 1995 zugrundeliegt (bewaffneter bandenmäßiger Einbruchsdiebstahl in der Sparkasse H. in der Zeit vom 30. April bis 2. Mai 1993) unterscheidet sich so sehr von dem Anschlußdelikt (konkretisiert nur durch die Vorlage eines Teils der Tatbeute am 4. Mai 1993 in Österreich), daß bei natürlicher Betrachtungsweise nicht mehr von einem einheitlichen Geschehen gesprochen werden kann. Allein die „Richtung der Tat auf dasselbe Objekt” (vgl. BGHSt 32, 215, 219; s. auch Roxin JZ 1988, 260, 261) – einen Teil der Tatbeute – kann hier nicht dazu führen, eine einheitliche prozessuale Tat anzunehmen (vgl. BGHSt 35, 60, 63 f.; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 17; siehe auch BayObLG NJW 1989, 2828, 2829), zumal die Auslieferungspflicht bei einer Auslandstat (falls nämlich die Hehlerei in Österreich begangen wurde) nur eingeschränkt bestünde (vgl. Art. 7 Abs. 2 EuAlÜbk, Art. 3 Abs. 3 des spanischen Gesetzes über die Auslieferung vom 21. März 1985; BGHR EuRHÜbk Art. 14, Spezialitätsgrundsatz 1). Soweit in dem Haftbefehl mitgeteilt wird, daß der Angeklagte die entwendeten Wertpapiere am 4. Mai 1993 bei der Volksbank R. vorgelegt habe, handelt es sich nicht um eine Ausdehnung des Auslieferungsbegehrens auf diesen Vorgang (vgl. Wolter NStZ 1988, 456, 457: die Erwähnung des Nachtatverhaltens führt nicht zur Erweiterung der prozessualen Tat; siehe auch Vogler in Grützner/Pötz aaO § 11 IRG Rdn. 14), sondern lediglich um die Wiedergabe eines auf die Beteiligung des Angeklagten an dem Diebstahl hinweisenden Beweisanzeichens.
Da eine Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage (Wahlfeststellung) nur zulässig ist, wenn beide Tatalternativen, die in Frage kommen, Gegenstand des Verfahrens sind (vgl. BGHSt 32, 146), hat das Landgericht das Verfahren insoweit zu Recht gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt, weil ein – möglicherweise behebbares (s. Nr. 100 RiVASt; BGH StV 1998, 324, 325) – Verfahrenshindernis (Spezialität) besteht (vgl. BGHSt 22, 307).
3. Der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf des Einbruchsdiebstahls zum Nachteil der Sparkasse I. in T. läßt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
Nach den Feststellungen hierzu drang(en) in der Nacht zum 4. Dezember 1994 ein unbekannter Täter oder mehrere Unbekannte in die genannte Sparkasse ein, nachdem zuvor das Kabel eines Bewegungsmelders durchtrennt und ein Fenster gewaltsam geöffnet worden waren. In der Schalterhalle wurden die Kundenschließfächer aufgehebelt und daraus eine goldene Herrenarmbanduhr und 1.000 DM Bargeld entwendet. Der Versuch, den Tresor des Geldautomaten mit einem Schweißbrenner zu öffnen, scheiterte.
Das Landgericht hat die für die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Beweisanzeichen – ein in seiner Wohnung gefundenes Foto, das den Bereich des Bewegungsmelders und des Fensters zeigt, durch das in die Sparkasse eingestiegen wurde; ein beim Angeklagten gefundener Zettel mit Frequenzen der örtlichen Polizei und ein bei ihm sichergestelltes Schweißgerät – auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sich der Angeklagte im Herbst 1994 „Aufklärung über die technischen Möglichkeiten der Öffnung von Tresoren verschafft (hat)”, nicht als ausreichend angesehen, den Angeklagten als Täter des Diebstahls zu überführen. Die Strafkammer sieht bei dieser Würdigung, daß der Angeklagte bereits „in ähnlicher Weise Bankeinbrüche vollzogen hat” und er „über erhebliche Geldbeträge verfügte”. Bei einer „abschließenden Gesamtbewertung” kommt sie im Hinblick darauf, daß „unmittelbare Spurenhinweise, die auf den Angeklagten hinweisen, nicht (vorliegen)” (UA 28), zu dem Schluß, daß zwar ein Tatverdacht gerechtfertigt, der Nachweis der Täterschaft des Angeklagten aber nicht zu führen sei.
Diese – revisionsrechtlicher Kontrolle nur begrenzt zugängliche – Würdigung ist aus Rechtsgründen hinzunehmen. Soweit die Staatsanwaltschaft die Beweise anders als das Landgericht gewichtet, kann sie damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute]
Fundstellen
Haufe-Index 540840 |
NStZ 1999, 363 |
wistra 1999, 228 |
StV 2000, 348 |