Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf einer gemischten Schenkung wegen groben Undanks. Rückabwicklung bei Wegfall der Geschäftsgrundlage
Normenkette
BGB §§ 242, 530 Abs. 1, §§ 531, 812; ZPO 287
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das am 22. Oktober 1998 verkündete Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin war Eigentümerin des in C., R. 16, gelegenen Hausgrundstücks. Das Haus wurde von der Klägerin und einer Frau M. in Wohngemeinschaft bewohnt.
Am 26. November 1992 schlossen sie mit den Beklagten einen als „Grundstücksüberlassungsvertrag” bezeichneten notariellen Vertrag. Hierin verpflichtete sich die Klägerin, den Beklagten das in ihrem Eigentum stehende Grundstück zu „schenken”. Ferner wurde ein „lebenslanges und unentgeltliches Altenteilsrecht im übertragenen Grundbesitz” vereinbart. Es sollte ein Wohnrecht an näher bezeichneten Räumlichkeiten in dem Haus zugunsten der Klägerin und Frau M. umfassen; darüber hinaus verpflichteten sich die Beklagten, „die Berechtigten im Falle der Pflegebedürftigkeit im Hause zu versorgen oder die Versorgung zu gewährleisten und nicht gegen ihren Willen den Umzug in ein Alters- oder Pflegeheim zu betreiben”. Die Klägerin behielt sich schließlich „den Widerruf der Schenkung” unter anderem für den Fall vor, daß die Beklagten ihre „Verpflichtungen aus dem Altenteilsrecht nachhaltig grob” verletzten. Im Falle des Widerrufs sollte die Klägerin berechtigt sein, von den Beklagten „die unentgeltliche, kosten- und steuerfreie Rückübertragung des unbelasteten Grundbesitzes zu verlangen”.
Nachdem die Beklagten in der Folgezeit als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden waren, ergänzten die Parteien die getroffenen Vereinbarungen. In der notariellen Urkunde vom 12. Dezember 1994 erklärten sie „zur Klarstellung der dem Sinn des Vertrages zugrundeliegenden Regelung der Kostentragung” unter anderem, daß die Klägerin und Frau M. die Kosten für die eigene Versorgung mit den täglichen Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen sowie Bekleidung, Heizkosten etc. tragen sollten, während die Kosten der Betreuung im Falle der Pflegebedürftigkeit der Klägerin oder Frau M. (Haushaltshilfe und Pflegehilfe) von den Beklagten zu übernehmen seien. Diesen sollte es freistehen, die Pflege selbst zu übernehmen oder durch Dritte ausführen zu lassen.
In der Zeit von September 1993 bis Juli 1994 bauten die Beklagten im Obergeschoß des Hauses eine Wohnung aus, die sie Mitte 1994 bezogen. Bis Herbst 1994 wurden die von der Klägerin und Frau M. genutzten Räumlichkeiten von den Beklagten modernisiert.
Jedenfalls ab Oktober 1994 war Frau M. in vollem Umfange pflegebedürftig.
Mit Schreiben vom 15. November 1994 ließ die Klägerin durch ihren damaligen Rechtsanwalt den Beklagten eine Frist bis zum 16. Dezember 1994 zur Erfüllung des notariellen Vertrages setzen, weil das Altenteilsrecht von den Beklagten noch immer nicht so gewährt werde, wie es vertraglich festgelegt sei; „bei Nichtänderung der Pflegesituation” durch die Beklagten – so hieß es weiter – werde von dem Recht zum Widerruf Gebrauch gemacht.
Seit Mitte November 1994 war die – schwangere – Beklagte zu 2 krankgeschrieben und ganztägig im Hause. Jedenfalls seit Mitte Dezember 1994 wurde Frau M. – zumindest gelegentlich – von dem Beklagten zu 1 ausgekleidet und ins Bett gehoben; die Beklagten entfalteten insgesamt ein „Mehr” an Hilfeleistungen. Seit dem 8. Februar 1995 wurde eine Hauskrankenpflege tätig, die noch im gleichen Monat durch den Beklagten zu 1 für die Wochenenden wieder abbestellt wurde. Die Kosten für den Pflegedienst wurden von der Krankenkasse getragen.
Mit Wirkung vom 1. Mai 1995 lehnte die Klägerin die Erbringung weiterer Pflegeleistungen durch die Beklagten ab. Unter dem 2. Mai 1995 ließ sie durch ihren Rechtsanwalt unter Hinweis auf das vertraglich eingeräumte Recht den Widerruf der Schenkung und ein Wohnungsverbot aussprechen. Später ließ sie die Schenkung auch wegen groben Undanks widerrufen.
Die Klägerin verlangt die Rückübertragung des Hausgrundstücks, weil die Beklagten ihren vertraglichen Verpflichtungen zur Leistung von Pflegediensten gegenüber Frau M. nicht nachgekommen seien; soweit die Beklagten Pflegeleistungen erbracht hätten, sei dies nur widerwillig, sporadisch und ohne „Überzeugung” erfolgt. Zur Begründung hat die Klägerin – in der zweiten Instanz – ferner geltend gemacht, von den Beklagten beschimpft und mißhandelt worden zu sein.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, die Beklagten zu verurteilen, das Grundstück unentgeltlich, kosten- und steuerfrei sowie – mit Ausnahme eines Graben- und des zugunsten der Klägerin bestellten Altenteilsrechts – frei von eingetragenen Lasten aufzulassen und die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch zu bewilligen. Die Beklagten sind dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Das zulässige Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. a) Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß sich der geltend gemachte Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks nicht auf §§ 530, 531 Abs. 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 812 BGB stützen lasse. Die Klägerin könne die Zuwendung nicht wegen groben Undanks widerrufen, weil nach dem Willen der Parteien ein überwiegend unentgeltliches Geschäft nicht gegeben gewesen sei. Der Wert des Hausgrundstücks, der mit 300.000,– DM zu bemessen sei, sei durch das zu dem Altenteilsrecht gehörende Wohnungsrecht gemindert, das mit 96.000,– DM anzusetzen sei; die Pflegeleistungen, zu deren Erbringung sich die Beklagten im Rahmen des Altenteilsrechts ferner verpflichtet hätten, stellten dagegen eine Gegenleistung der Beklagten dar, die ausgehend von den monatlichen Kosten einer Pflegekraft einen Wert von 240.000,– DM habe, so daß die Gegenleistung die Zuwendung wertmäßig übersteige.
Dies trägt im rechtlichen Ausgangspunkt der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung Rechnung, wonach im Falle groben Undanks der in § 531 Abs. 2 BGB eingeräumte Anspruch nur dann auf Rückübertragung des überlassenen Gegenstandes geht, wenn es sich bei dem widerrufenen Geschäft um eine – zumindest gemischte – Schenkung handelte, bei der, soweit eine Gegenleistung in Betracht kommt, der unentgeltliche Charakter des Geschäfts überwog, was dann anzunehmen ist, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als die Hälfte des effektiven Wertes des Geschenkes betrug (Sen.Urt. v. 19.01.1999 - X ZR 42/97, NJW 1999, 1626, 1627 m.w.N.). Auch die Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
b) Entgegen der Rüge der Revision hat das Berufungsgericht nicht verkannt, daß in dem Vertrag vom 26. November 1992 im Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung von einer „Schenkung” die Rede war und die Parteien die Grundstücksübertragung als Schenkung behandelt wissen wollten. In dem angegriffenen Urteil wird ausdrücklich ausgeführt, daß die Parteien jedenfalls eine teilweise Unentgeltlichkeit der Leistung der Klägerin gewollt hätten, weil das Grundstück ausdrücklich schenkweise habe überlassen werden sollen.
c) Zu Unrecht bemängelt die Revision, das Berufungsgericht habe bei der Bewertung des Hausgrundstücks mit nur 300.000,– DM die Denkgesetze und die allgemeine Lebenserfahrung außer acht gelassen. In ihrer Berufungsbegründung hatte die Klägerin selbst – von den Beklagten unbestritten – vorgetragen, daß der Bodenrichtwert für C. bei 230,– DM/m² gelegen habe, woraus sich für das 932 m² große Grundstück ein Bodenwert von 214.316,– DM errechne; unter Berücksichtigung der damaligen Bebauung betrage der Wert des Hausgrundstücks deshalb mindestens 300.000,– DM. Hiermit steht die Bewertung des Berufungsgerichts im Einklang. Die von ihm herangezogenen veröffentlichten Bodenrichtwerttabellen bestätigten, daß die Bodenpreise in C. bei ca. 230,– DM/m² lagen. Es war eine vertretbare Ausübung des dem Tatrichter durch § 287 ZPO eingeräumten Bewertungsspielraums, sich auch ansonsten nach der Wertangabe der Klägerin zu richten.
d) Ebensowenig kann der Meinung der Revision beigetreten werden, das Berufungsgericht sei an die im Vertrag vom 26. November 1992 angegebenen Werte gebunden, weshalb der Wert des Altenteils auf 3.600,– DM jährlich habe bemessen werden müssen. Denn im Rahmen der hier vorzunehmenden Bewertung kommt es auf die objektiven Werte an. Erst wenn sich eine objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers ergibt, bedarf es – zur Feststellung, ob eine gemischte Schenkung vorliegt (BGH, Urt. v. 14.02.1993 - XII ZR 232/91, FamRZ 1993, 1047, 1048) – der weiteren Prüfung, ob die Parteien um die Wertdifferenz zwischen Zuwendung und Gegenleistung wußten und wollten, daß der nicht durch die Gegenleistung abgegoltene Teil dem Zuwendungsempfänger unentgeltlich zugewandt wird. Bei der Feststellung des objektiven Wertes der Zuwendung können Wertangaben, welche die Parteien im Schenkungsvertrag gemacht haben, nicht den Ausschlag geben.
Da der Wert eines zugewendeten Grundstücks um den dinglicher Belastungen zu mindern ist (BGHZ 107, 156; Sen.Urt. v. 19.01.1999 - X ZR 42/97, NJW 1999, 1626, 1627), und da weitere Rügen gegen die tatrichterliche Bewertung des als Bestandteil des Altenteilrechts versprochenen und vom Berufungsgericht zu Recht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit übernommen angesehenen Wohnrechts mit 96.000,– DM nicht erhoben sind, hat das Berufungsgericht nach allem ohne Rechtsfehler den Wert der Zuwendung, welche die Beklagten erhalten haben, mit insgesamt 202.000,– DM festgestellt.
e) Ohne Erfolg beanstandet die Revision die Berechnung des Wertes der Pflegeleistung durch das Berufungsgericht, wobei sowohl verkannt worden sei, daß Frau M. nicht fünf Jahre lang ein Pflegefall gewesen sei und Pflegeleistungen bei der Klägerin bisher nicht angefallen seien, als auch die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung übersehen worden seien.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes der von den Beklagten vertraglich versprochenen Pflegeleistungen ist der Vertragsabschluß. Am 26. November 1992 wie am 12. September 1994, als die Parteien die Verpflichtung zu Pflegeleistungen präzisiert haben, war nicht absehbar, in welchem Umfang Frau M. und die Klägerin pflegebedürftig sein und Pflegeleistungen in Anspruch nehmen würden. Die tatsächlich bisher in Anspruch genommenen Leistungen konnten deshalb nicht entscheidend sein. Das Berufungsgericht mußte vielmehr mit Prognosen arbeiten. Das ist geschehen. Das Berufungsgericht ist aufgrund der Sterbetafel von einer Lebenserwartung der Klägerin bei Vertragsabschluß von ca. 20 Jahren und bei Frau M. von ca. 7 Jahren ausgegangen. Die Zeit der voraussichtlichen Pflegebedürftigkeit hat es sodann mit jeweils fünf Jahren bemessen. Auch die Revision zeigt nicht auf, was hieran rechtsfehlerhaft sein könnte. Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung konnten schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die gesetzliche Pflegeversicherung erst nach Vertragsabschluß eingeführt worden ist.
f) Vergeblich beanstandet die Revision auch, daß das Berufungsgericht in der Verpflichtung der Beklagten zur Erbringung von Pflegeleistungen eine Gegenleistung für die Zuwendung der Klägerin und insoweit keine Auflage gemäß § 525 BGB gesehen hat.
Die Auffassung des Berufungsgerichts beruht auf einer Auslegung dessen, was die Parteien nach den Umständen des Falls als gewollt erklärt haben. Eine vom Tatrichter vorgenommene Auslegung darf vom Revisionsgericht jedoch nur beanstandet werden, wenn der Tatrichter gegen gesetzlich oder allgemein anerkannte Auslegungsgrundsätze, die Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungssätze verstoßen hat oder verfahrensfehlerhaft vorgegangen ist (st. Rspr., vgl. z.B. Sen.Urt. v. 25.02.1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, 1968). Einen solchen Fehler zeigt die Revision nicht auf.
g) Da nach allem der Zuwendung der Klägerin mit einem Wert von 202.000,– DM eine von den Beklagten versprochene Gegenleistung im Wert von 240.000,– DM gegenübersteht, kann das Herausgabeverlangen der Klägerin mangels objektiver Bereicherung der Beklagten nicht auf § 531 Abs. 2 BGB gestützt werden, selbst wenn den Beklagten grober Undank anzulasten ist. Es bedeutet deshalb entgegen der Meinung der Revision auch keinen Begründungsmangel, daß das Berufungsgericht insoweit nicht auf das Vorbringen der Klägerin eingegangen ist, wonach einer der Beklagten die Klägerin am 22. Juni 1996 grob beleidigt und sowohl am 30. Juli 1996 als auch am 20. April 1997 tätlich angegriffen haben soll.
2. Das Berufungsgericht hat den in dem Vertrag vom 26. November 1992 vorgesehenen Vorbehalt zwar als Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts gewertet, aber gemeint, daß auch ein Rückgewähranspruch gemäß § 346 BGB der Klägerin nicht zustehe, weil nicht festgestellt werden könne, daß die Beklagten in der Zeit vom 17. Dezember 1994 bis 30. April 1995 ihre im Rahmen des Altenteilsrechts übernommene Verpflichtung zur Pflegeleistung nachhaltig grob verletzt hätten.
a) Auf diesen Zeitraum hat das Berufungsgericht abgestellt, weil die Klägerin sich ab dem 1. Mai 1995 die Erbringung sämtlicher Versorgungsleistungen durch die Beklagten verbeten habe und weil sie angesichts der mit Anwaltsschreiben vom 15. November 1994 gesetzten Frist durch das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens gehindert sei, sich auf vor Ablauf der Frist begangenes vertragswidriges Verhalten der Beklagten zu berufen.
Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Vergeblich verweist die Revision demgegenüber darauf, daß sich die Pflegeverpflichtung der Beklagten bereits aus dem notariellen Vertrag vom 26. November 1992 ergeben habe. Denn das ändert nichts daran, daß es als widersprüchlich angesehen werden kann, wenn die Klägerin, nachdem sie den Beklagten eine Frist zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Erbringung von Pflegeleistungen gesetzt hat, den Rücktritt mit Verletzungen dieser Verpflichtung begründete, die vor Fristablauf vorgekommen sind. Erkennbarer Zweck der Fristsetzung vom 15. November 1994 war es gerade, das Vertragsverhältnis fortzusetzen, wenn die Beklagten ihrer Verpflichtung in Zukunft nachkommen würden. Damit wäre es nicht vereinbar, für die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts auf die Zeit vor Fristablauf zurückzugreifen.
b) Eine nachhaltig grobe Pflichtverletzung durch die Beklagten in der maßgeblichen Zeit hat das Berufungsgericht nicht feststellen können, weil sowohl die seit dem 8. Februar 1995 erfolgte Hinzuziehung des Pflegedienstes als auch der Umstand, daß für diese Hauskrankenpflege die Krankenkasse aufgekommen und die Beklagten Kosten hierfür bislang nicht aufgewendet hätten, schon einen groben Verstoß nicht darstellten und weil das Gericht im übrigen die Überzeugung gewonnen habe, daß die im Rahmen der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme vernommene Zeugin A. S. die Wahrheit gesagt habe, als sie unter Angabe einzelner Betreuungsleistungen der Beklagten aus eigenem Erleben bekundet habe, die Beklagten hätten bei der Pflege von Frau M. alles getan, was sie nach den Umständen hätten tun können.
Auch das liegt im Rahmen der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung und läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
aa) In Anbetracht der nachträglichen Vereinbarung vom 12. September 1994 sollte die Verpflichtung der Beklagten darin bestehen, die Kosten der Betreuung (Haushaltshilfe und Pflegehilfe) im Falle der Pflegebedürftigkeit an der Person oder für die Person der Klägerin und/oder der Frau M. zu tragen, wobei den Beklagten freistehen sollte, die Pflege selbst zu übernehmen oder durch Dritte ausführen zu lassen. Das bedeutet zum einen, daß Dritte hinzugezogen werden durften, ohne eine Pflichtverletzung zu begehen, zum anderen freilich auch, daß die Beklagten an ihrer Stelle tätige Dritte zu bezahlen hatten. Die Mißachtung dieser Pflicht, was die Betreuung von Frau M. durch eine außenstehende Krankenhilfe anlangt, mußte aber nicht als grobe Pflichtverletzung angesehen werden, weil Zweck der Abrede der Parteien war bzw. ist, eine für die Klägerin und Frau M. kostenfreie Pflege zu gewährleisten und Frau M. diese ab 8. Februar 1995 auch tatsächlich erhalten hat; das tatsächliche Geschehen in dieser Zeit weicht von dem Vereinbarten praktisch nur dadurch ab, daß die Beklagten in Anbetracht des Eintritts der Krankenkasse bislang vermeidbare Kosten erspart haben.
bb) Die gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts gerichteten Rügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).
3. Das Berufungsgericht hat schließlich gemeint, die Klage sei auch nicht wegen Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Bei der Pflegeverpflichtung der Beklagten handele es sich um ein Dauerschuldverhältnis, das durch außerordentliche Kündigung beendet werden könne, insbesondere dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zerstört sei. Aufgrund der gerichtlichen Auseinandersetzung könne hiervon zwar ausgegangen werden; der Klägerin sei eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses jedoch zumutbar, weil die Beklagten ihrer Pflegeverpflichtung auch dadurch nachkommen könnten, daß sie die Dienste Dritter in Anspruch nähmen, zumal mangels anderweiter Darlegungen nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Zerrüttung des Verhältnisses der Parteien allein auf ein Verschulden der Beklagten zurückzuführen sei.
Demgegenüber verweist die Revision darauf, daß das vereinbarte Altenteilsrecht auch das Wohnrecht der Klägerin umfasse. Aufgrund des bisherigen Prozeßverhaltens der Beklagten und deren Tätlichkeiten und Beleidigungen, die ebenfalls berücksichtigt werden müßten, sei es der Klägerin nicht mehr zumutbar, mit den Beklagten weiterhin „unter einem Dach” zu wohnen.
Diese Rüge der Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Kündigung eines Vertragsverhältnisses hat regelmäßig nur die Folge, daß das Vertragsverhältnis für die Zukunft aufgelöst wird. Bereits erbrachte Leistungen sind nicht zurückzugewähren (BGHZ 73, 350, 354; RGZ 90, 328, 330). Dies trägt dem Umstand Rechnung, daß bei reinen Dauerschuldverhältnissen eine Rückabwicklung faktisch oft nicht mehr durchgeführt werden kann und deshalb Auseinandersetzungen hierüber vermieden werden müssen. Da die vom Berufungsgericht als Kündigung gewerteten Widerrufserklärungen der Klägerin ersichtlich gleichwohl zur Rückauflassung des Hausgrundstücks führen sollten, hätte das Berufungsgericht unter diesen Umständen erwägen müssen, ob ihnen und der Klage nicht auch die Berufung auf ein anderes Rechtsinstitut zugrunde liegt, das eine solche Rechtsfolge ermöglicht. Dies war hier um so mehr geboten, als das Berufungsgericht eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien angenommen hat und nach der Rechtsprechung ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht zu ziehen ist, wenn bei einem Vertrag mit Versorgungsvereinbarung diese Abrede auf eine dauerhafte, vom gegenseitigen Vertrauen der Vertragsparteien getragene Beziehung angelegt ist und dieses Vertrauensverhältnis heillos zerstört ist (BGH, Urt. v. 20.03.1981 - V ZR 152/79, DB 1981, 1615). Obwohl einem Wegfall der Geschäftsgrundlage in erster Linie durch eine sachgerechte Anpassung des beeinträchtigten Schuldverhältnisses Rechnung zu tragen ist (st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 47, 52), kann nämlich ein solches Geschehen im Einzelfall auch zu einem nach den Regeln des Bereicherungsrechts zu behandelnden (BGHZ 109, 144) Anspruch auf Rückabwicklung führen, dann nämlich, wenn gerade dies zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Folgen unabweisbar erscheint (vgl. BGHZ 133, 316, 321 m.w.N.).
Das Berufungsgericht wird deshalb den Sachverhalt auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt aufzuklären und zu würdigen haben. Es wird dabei – wie die Revision zu Recht geltend macht – nicht wie bisher allein die Erbringung der Pflegeleistungen in den Blick nehmen dürfen. Auch die Nutzung des Wohnrechts und die sich hieraus ergebenden Beziehungen der Parteien wird es zu berücksichtigen haben, weil auch sie das Vertrags- und Vertrauensverhältnis der Parteien bestimmen. In diesem Zusammenhang kann entscheidende Bedeutung vor allem dem bisher vom Berufungsgericht unbeachtet gelassenen Vorbringen der Klägerin zukommen, auf das sich die Revision ausdrücklich bezogen hat. Danach soll der Beklagte zu 1 die Klägerin nicht nur beleidigt haben, indem er ihr gegenüber am 22. Juni 1996 geäußert haben soll, es werde Zeit, daß „die alte Kuh” eine andere Bleibe finde und endlich von hier verschwinde; vor allem soll der Beklagte zu 1 die Klägerin unter anderem am 20. April 1997 auf die linke Gesichtshälfte geschlagen haben, so daß sie hingefallen sei und sich verletzt habe, was das Amtsgericht P. mit einem Strafbefehl wegen Körperverletzung über 20 Tagessätze à 50,– DM geahndet habe. Auch wenn sich das Vorbringen der Klägerin zu Tätlichkeiten und Beleidigungen als richtig erweist, wird in Erwägung gezogen werden müssen, ob lediglich eine Anpassung des Vertragsverhältnisses etwa dahin notwendig ist, daß die Beklagten zum Auszug aus dem Haus und – sobald die Klägerin pflegedürftig wird – zur Einschaltung eines Pflegedienstes verpflichtet werden, oder ob es unabweisbar ist, daß die Beklagten den Besitz oder das Eigentum an dem Hausgrundstück auf die Klägerin zurückübertragen.
Unterschriften
Jestaedt, Melullis, Scharen, Keukenschrijver, Mühlens
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.04.2000 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541400 |
NJ 2000, 598 |