Entscheidungsstichwort (Thema)
Baulandqualität eines Außenbereichsgrundstücks. Unrichtige Auskunft der Gemeinde. Vertrauensschutz
Leitsatz (amtlich)
Zum Vertrauensschutz bei einer unrichtigen gemeindlichen Auskunft über die Baulandqualität eines Außenbereichsgrundstücks.
Normenkette
BGB § 839
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 21.03.2001) |
LG Potsdam (Urteil vom 19.01.2000) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 21. März 2001 aufgehoben und – unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin – das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 19. Januar 2000 teilweise abgeändert.
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin kaufte mit notariellem Vertrag vom 14. Januar 1991 eine noch unvermessene, ca. 3.385 m² große Teilfläche des Flurstücks 143 der Flur 2 im Außenbereich der beklagten Gemeinde. Bei der Beurkundung lag eine Bestätigung vor, die die Überschrift „Rat der Gemeinde D.”, das Datum vom 1. November 1990, die Unterschrift der seinerzeitigen Bürgermeisterin H. sowie den Stempel „Gemeindeamt D.” trug und folgenden Wortlaut hatte:
„Das Gemeindeamt D. bestätigt, daß die Grundstücke in D. Flur 2 Flurstück 141-143 als unerschlossenes Bauland verkauft werden kann.
Die Gemeinde D. übernimmt die Erschließungskosten nicht.”
Auf diese Bescheinigung wurde im Kaufvertrag ausdrücklich Bezug genommen. An wen sie adressiert war und wie sie in den Besitz der Klägerin, ihres Ehemanns oder des Notars gelangt ist, ist streitig.
Der Ehemann der Klägerin hatte zuvor bereits weitere Teilflächen aus dem hier in Rede stehenden Flurstück 143 sowie aus den Flurstücken 142 und 144 erworben. Bei dem von ihm geschlossenen Kaufvertrag vom 7. November 1990 hatte die Bescheinigung vom 1. November, bei dem weiteren Vertrag vom 29. November 1990 eine inhaltsgleiche Bescheinigung vom 28. November 1990 vorgelegen.
Die Eheleute beabsichtigten, auf den erworbenen Flächen insgesamt 22 Einfamilienhäuser zu errichten. Eine diesbezügliche Bauvoranfrage der Klägerin und ihres Ehemanns vom 28. Januar 1994 wurde mit Bescheid vom 6. April 1994 abgelehnt. Die hiergegen eingelegten Rechtsbehelfe (Widerspruch und verwaltungsgerichtliche Klage) blieben erfolglos.
Die Klägerin nimmt nunmehr die Beklagte auf Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung wegen der Auskunft vom 1. November 1990 in Anspruch. Sie macht geltend, sie habe das Grundstück nur im Vertrauen auf dessen durch die Bescheinigung bestätigte Baulandqualität erworben und einen weit überhöhten Kaufpreis bezahlt.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 130.429,94 DM nebst Zinsen gerichteten Klage zur Hälfte, das Berufungsgericht hat ihr in vollem Umfang (bis auf einen Teil der Zinsforderung) stattgegeben (NVwZ-RR 2001, 704). Mit der Revision verfolgt die beklagte Gemeinde ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.
1. Allerdings kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, daß die Bescheinigung vom 1. November 1990 so nicht hätte erteilt werden dürfen. Sie legte nämlich zumindest das Mißverständnis nahe, daß die Fläche bereits Baulandqualität besaß, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall war. Die Bürgermeisterin der Beklagten hatte damit jedenfalls gegen ihre Amtspflicht verstoßen, eine unmißverständliche Auskunft zu erteilen. Diese Amtspflicht war zugunsten der Klägerin auch dann drittgerichtet, wenn diese selbst nicht unmittelbar Empfängerin der Auskunft gewesen sein sollte. Die Auskunft war nämlich hinsichtlich der Flurstücke 141 bis 143 objektbezogen und schützte insoweit jeden, der im berechtigten Vertrauen auf ihre Richtigkeit Rechtsgeschäfte über die darin bezeichneten Grundstücke tätigte (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2001 – III ZR 191/00 = NVwZ 2002, 373, 374).
2. Der hieraus hergeleitete Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) scheitert jedoch daran, daß ein solches berechtigtes Vertrauen durch die Auskunft jedenfalls bei der Klägerin nicht begründet worden ist.
a) Auf einen wesentlichen Gesichtspunkt, der einer möglichen Bebaubarkeit des Grundstücks entgegenstehen konnte, wird schon in der Auskunft selbst hingewiesen, indem dort hervorgehoben wird, daß es um „unerschlossenes Bauland” ging und daß die Beklagte die Erschließungskosten nicht übernehme. Diesem Umstand wird vom Berufungsgericht nicht das ihm gebührende Gewicht beigemessen. Zu Unrecht weist das Berufungsgericht insbesondere darauf hin, daß das geltende Baurecht den Begriff des „Rohbaulandes” kenne, wobei es sich um grundsätzlich für eine bauliche Nutzung geeignete Flächen handele, die lediglich noch nicht hinreichend erschlossen seien. Der Begriff des Rohbaulandes gilt nämlich – wie im Ansatz auch das Berufungsgericht nicht verkennt – nur für Flächen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 30 BauGB), für Gebiete, für die ein Beschluß über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefaßt ist (§ 33 BauGB), und für den nichtbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB; vgl. zu alledem § 4 Abs. 3 WertV). Gerade um solche Gebiete ging es hier nicht; vielmehr um reine Außenbereichsflächen, bei denen die gesicherte Erschließung Voraussetzung für eine etwaige Bebaubarkeit ist (§ 35 Abs. 1 und 2 BauGB). Dies bedeutet, daß die Auskunft schon nach ihrem Aussagegehalt nicht geeignet war, eine „Verläßlichkeitsgrundlage” für auf sie gestützte weitreichende finanzielle Dispositionen in Erwartung der Bebaubarkeit zu tätigen.
b) Hinzu kommt folgendes: Nicht erst eine Frage des mitwirkenden Verschuldens im Sinne des § 254 BGB, sondern bereits eine solche der objektiven Reichweite des dem Betroffenen durch das Amtshaftungsrecht gewährten Vermögensschutzes ist es, ob die in Rede stehende Maßnahme (etwa: Auskunft, Verwaltungsakt) ihrer Art nach überhaupt geeignet ist, eine „Verläßlichkeitsgrundlage” im vorbezeichneten Sinne für auf sie gestützte Aufwendungen, Investitionen oder dergleichen zu bilden. Diese – der Mitverschuldensprüfung vorgeschaltete – Frage beurteilt sich vorrangig nach dem Schutzzweck der jeweiligen behördlichen Maßnahme (zur Abgrenzung von objektiver Reichweite des Vertrauensschutzes und mitwirkendem Verschulden [dort: bei einer rechtswidrigen Baugenehmigung] s. Senatsurteil vom 11. Oktober 2001 – III ZR 63/00 = NJW 2002, 432; für BGHZ 149, 50 vorgesehen). Als Gesichtspunkte, die der Annahme haftungsrechtlich schutzwürdigen Vertrauens auf einen (rechtswidrigen) begünstigenden Verwaltungsakt (gleiches gilt für eine Auskunft) – in bereits den Tatbestand des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließender Weise – entgegenstehen können, kommen nicht nur objektive Umstände, sondern auch subjektive Kenntnisse und sich aufdrängende Erkenntnismöglichkeiten des Empfängers in Betracht. Dies ist auch und gerade dann der Fall, wenn der Empfänger die Unrichtigkeit der Auskunft kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
aa) Im vorliegenden Fall waren diese subjektiven Voraussetzungen zumindest bei dem Ehemann der Klägerin erfüllt. Dies hat der 8. Zivilsenat des Berufungsgerichts im Urteil des Parallelprozesses, den der Ehemann der Klägerin wegen derselben Auskunft gegen die Beklagte geführt hat und in dem auch dieselben Prozeßbevollmächtigten tätig geworden sind, eingehend dargelegt (Urteil vom 9. November 2000 – 8 U 41/00; bestätigt durch nicht mit Gründen versehenen Nichtannahmebeschluß des Senats vom 20. September 2001 – III ZR 312/00): Der Ehemann war Architekt und nach eigenen Angaben „Grundstücksprofi”. Er hatte sich das betreffende Gelände angesehen und wußte daher, daß es sich um Grün- bzw. Brachland handelte, das nicht einmal am „Ortsrand” (im Sinne etwa der Nachbarschaft zu einer im Zusammenhang bebauten Ortslage) lag, sondern weit ab vom eigentlichen Dorfkern, am äußersten Rande des Gemeindegebiets und umgeben von weiträumigen anderen landwirtschaftlichen Flächen. Dies entsprach einer krassen Außenbereichslage, bei der auch nicht im entferntesten ein Ansatz für eine Bebaubarkeit nach § 35 BauGB bestand. In der Auskunft selbst war keinerlei Hinweis auf etwaige planerische Grundlagen der angeblichen Bebaubarkeit enthalten. Das bedeutet, daß die Unzulänglichkeit der Auskunft für jeden Architekten, der ein Bauvorhaben in der Größe von 22 Einfamilienhäusern verwirklichen will und bei dem deshalb zumindest elementare Kenntnisse der bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten vorausgesetzt werden müssen, offen zutage lag.
bb) Dieses Wissen ihres Ehemanns muß sich die Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zurechnen lassen. Schon das Landgericht hatte zutreffend ausgeführt, daß der Erwerb der hier in Rede stehenden Grundfläche durch die Klägerin nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern in das gemeinsame Projekt beider Eheleute eingebettet war, auf dem Gesamtareal eine Großbaumaßnahme von 22 Einfamilienhäusern zu verwirklichen. Treibende Kraft dieses Projekts war der Ehemann. Die Klägerin selbst war nach den im Berufungsrechtszug nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts an der praktischen Durchführung der Baumaßnahme und deren Vorbereitung nicht beteiligt. Mit der Verfolgung dieses gemeinschaftlichen Ziels entstand zwischen den Ehegatten eine über die eheliche Lebensgemeinschaft hinausgehende Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in Form einer Innengesellschaft (§§ 705 ff BGB), und zwar schon beim Erwerb der benötigten Grundstücksflächen. So hat es mit Recht das Landgericht gesehen; die Annahme des Berufungsgerichts, es lasse sich nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen, daß eine derartige Gesellschaft bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs des von der Klägerin gekauften Grundstücks bestanden habe, beruht – wie die Revision mit Recht geltend macht – auf einer lebensfremden Würdigung des erdrückenden gegenteiligen Prozeßstoffs. Insbesondere fügt sich der hier in Rede stehende Erwerbsvorgang nahtlos in die zahlreichen weiteren, vom Ehemann der Klägerin bei seiner Anhörung vor dem Landgericht am 22. Dezember 1999 bestätigten gemeinsamen Grundstücksgeschäfte ein. Bei dieser Sachlage oblag es nicht der Beklagten, weitere Einzelheiten zur Entstehung einer Gesellschaft zwischen den Ehegatten vorzutragen, sondern umgekehrt der Klägerin, substantiiert diese sich nach dem Sachverhalt aufdrängende Würdigung auszuräumen. Dies ist jedoch – wie die Revision mit Recht hervorhebt – im Berufungsrechtszug nirgends geschehen.
cc) Die durch dieses gemeinsame Projekt begründete „Wissenszurechnung” hinsichtlich etwaiger Bebauungsmöglichkeiten schlägt auch bereits auf den von der Klägerin getätigten Abschluß des Kaufvertrages durch. Dies hat die Folge, daß die Auskunft auch der Klägerin bereits objektiv keine „Verläßlichkeitsgrundlage” geboten hat, und zwar unabhängig davon, welcher Grad des Verschuldens bei der Bürgermeisterin vorgelegen hatte.
Unterschriften
Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr
Fundstellen
Haufe-Index 737804 |
BGHR 2002, 626 |
BGHR |
BauR 2002, 1529 |
BauR 2003, 431 |
IBR 2002, 327 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 2115 |
ZfIR 2002, 395 |
MDR 2002, 944 |
NJ 2002, 430 |
VR 2003, 252 |
VersR 2003, 205 |
ZfBR 2002, 595 |
BayVBl. 2003, 761 |
DVBl. 2002, 1114 |
UPR 2002, 311 |
FSt 2002, 721 |
GuG 2003, 178 |
JT 2004, 19 |