Entscheidungsstichwort (Thema)

Sittenwidriges Ausnutzen von Standortvorteilen. Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb III

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Überläßt es eine politische Gemeinde den an der Durchführung einer Beisetzung Beteiligten (Hinterbliebenen, Geistlichen), sich über den Zeitpunkt der Beisetzung zu einigen, ohne für den Fall der Einigung den Beisetzungszeitpunkt von Amts wegen festzusetzen, fällt die Mitwirkung von Beschäftigten des privatwirtschaftlichen Bestattungsbetriebs der Gemeinde an der Herbeiführung der Einigung und die Erteilung von Auskünften darüber nicht in den Bereich der Bestattungshoheitsverwaltung.
  2. Zur Frage der wettbewerbswidrigen Ausnutzung von Standortvorteilen durch eine Gemeinde gegenüber privaten Mitbewerbern bei der Wahrnehmung bestattungswirtschaftlicher Aufgaben, wenn die Gemeinde im Erdgeschoß ihres Leichenhauses bestattungshoheitliche, im Obergeschoß bestattungswirtschaftliche Tätigkeiten ausübt.
 

Normenkette

UWG § 1

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. Februar 1987 aufgehoben und auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth - 4. Kammer für Handelssachen (Kartellgericht) - vom 4. April 1986 geändert, soweit die Beklagten verurteilt worden sind. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt in der Stadt S., der Beklagten zu 1, ein privates Bestattungsunternehmen. Sie befaßt sich mit dem Verkauf von Särgen und Sterbewäsche und allen sonstigen mit Beisetzungen zusammenhängenden Aufgaben wie manueller Leichenversorgung, Leichentransport und Ausgestaltung der Trauerfeier.

Gleiche Leistungen wie die Klägerin erbringt im Rahmen einer von ihr eingerichteten Bestattungsanstalt - einer städtischen Einrichtung ohne eigene Rechtspersönlichkeit - auf der Grundlage privatrechtlich ausgestalteter Rechtsbeziehungen zu den Hinterbliebenen auch die Beklagte zu 1. Diese Bestattungsanstalt ist räumlich und personell vom Bestattungsamt - einer Abteilung des Ordnungsamts - getrennt, durch das die Beklagte zu 1 die Bestattungshoheitsverwaltung ausübt.

Ihre privatrechtlich ausgestalteten bestattungswirtschaftlichen Aufgaben im Rahmen ihrer Bestattungsanstalt nimmt die Beklagte zu 1 durch von ihr beschäftigte - seit Alters her so bezeichnete - Leichenschwestern wahr. Als solche sind für sie die Beklagten zu 2 und 3 tätig, die ihre Diensträume im ersten Stockwerk des an den kirchlichen Friedhof in Straubing angrenzenden städtischen Leichenhauses haben, in dessen Erdgeschoß sich die Diensträume des städtischen Leichenwärters, die Leichenräume und die Aussegnungshalle befinden.

Die Klägerin hat mit der vorliegend erhobenen Unterlassungs- und Schadensersatzfeststellungsklage beanstandet, daß die Beklagte zu 1 durch die Beklagten zu 2 und 3 im unmittelbaren Zusammenhang mit der Wahrnehmung bestattungswirtschaftlicher Aufgaben auch den Zeitpunkt der Bestattung festsetzen lasse und damit in unzulässiger Weise unter Verstoß gegen § 1 UWG ihre privatrechtliche Bestattungswirtschaft mit Bestattungshoheitsverwaltung verquicke. Wettbewerbswidrig sei ferner die Unterbringung der Leichenschwestern im städtischen Leichenhaus. Auch damit verschaffe sie sich einen unzulässigen Vorsprung vor der Klägerin und den weiteren privaten Bestattungsunternehmen in Straubing.

In erster Instanz hat die Klage im wesentlichen Erfolg gehabt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Den Verbotsausspruch des Landgerichts hat das Berufungsgericht dahin neu gefaßt, daß den Beklagten untersagt worden ist,

  1. im städtischen Leichenhaus
  2. in denselben Räumen Bestattungsartikel oder gewerbliche Bestattungsdienstleistungen oder - Werkverträge anzubieten oder zu vermitteln
  3. die genannten Waren oder Leistungen anzubieten oder zu vermitteln, wenn die hierbei tätigen Personen zugleich Auskünfte in hoheitlichen Bestattungsangelegenheiten erteilen oder bei der Festsetzung des Beerdigungszeitpunktes mitwirken."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, die ihren bisherigen Antrag, die Klage vollen Umfangs abzuweisen, weiterverfolgen. Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage in vollem Umfang.

1.

Entgegen der Ansicht der Revision bestehen allerdings gegen die Urteilsfassung keine durchgreifenden Bedenken. Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils, die bei der Ermittlung von Inhalt und Umfang eines Unterlassungsgebots heranzuziehen sind, lassen hinreichend deutlich erkennen, daß das Berufungsgericht mit dem Ausspruch zu a) die unter b) genannten Tätigkeiten im städtischen Leichenhaus und mit dem Ausspruch zu b) diese Tätigkeiten in solchen Räumen untersagt hat, in denen die Beklagten zu 2 und 3 durch Festsetzung von Beerdigungszeitpunkten Bestattungshoheitsverwaltung ausübten. Ferner ergeben sie, daß die Zeitbestimmung "zugleich" im Ausspruch zu c) beide Teile des konditionalen Nebensatzes betrifft und daß dieser allein für das unter c) ausgesprochene Verbot Bedeutung hat, nicht auch für die Verbotsaussprüche zu a) und b).

2.

Jedoch sind die erkannten Verbote, wie die Revision zu Recht geltend macht, der Sache nach nicht gerechtfertigt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann weder von einer wettbewerbswidrigen Verknüpfung hoheitlicher Maßnahmen mit bestattungswirtschaftlichen Tätigkeiten - sei es in räumlicher, sei es in zeitlicher Hinsicht - ausgegangen werden, noch von einer im Sinne des § 1 UWG sittenwidrigen Ausnutzung von Standortvorteilen bei den Tätigkeiten der Beklagten zu 2 und 3 im Rahmen der Bestattungsanstalt der Beklagten zu 1 im städtischen Leichenhaus.

a)

Das Berufungsgericht hat den Beklagten untersagt, in denselben Räumen, in denen hoheitliche Bestattungsaufgaben wahrgenommen würden, privatwirtschaftlich ausgestaltete bestattungswirtschaftliche Tätigkeiten auszuüben (Urteilsausspruch zu b). Dieses Verbot entbehrt, wie die Revision zu Recht rügt, einer tatsächlichen Grundlage (§ 286 ZPO).

Das Berufungsgericht ist in diesem Zusammenhang in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß eine Gemeinde - wie das Landgericht Stuttgart in dem dem Urteil des Bundesgerichtshofs "Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I" (I ZR 54/84, GRUR 1987, 116 = WRP 1987, 22) zugrundeliegenden Rechtsstreit rechtskräftig erkannt habe - Bestattungshoheitsverwaltung und Bestattungswirtschaftsbetrieb in ein und denselben Räumen nicht ausüben dürfe, weil dies zu einer wettbewerbswidrigen Beeinflussung der Hinterbliebenen zugunsten der Gemeinde bei der Erteilung bestattungswirtschaftlicher Aufträge und damit zu einem wettbewerbsrechtlich unzulässigen Vorsprung der Gemeinde vor privaten Mitbewerbern führen könne.

Ob dem in dieser Allgemeinheit beigetreten werden kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls setzt ein auf solche Erwägungen gestütztes Verbot im Hinblick auf das Vorliegen der dafür erforderlichen Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr die Feststellung voraus, daß in denselben Räumen, in denen der Bestattungswirtschaftsbetrieb stattfindet, hier in den den Beklagten zu 2 und 3 zugewiesenen Räumen im Obergeschoß des städtischen Leichenhauses, hoheitliche Bestattungstätigkeiten auch tatsächlich ausgeübt werden oder daß derartige Tätigkeiten bevorstehen. Daran fehlt es hier.

Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, die Beklagten zu 2 und 3 würden in den ihnen zugewiesenen Räumen des städtischen Leichenhauses sowohl hoheitlich als auch bestattungswirtschaftlich tätig. In ersterer Funktion erteilten sie auch Auskünfte in Bestattungsangelegenheiten. Zwar werde der Zeitpunkt der Beerdigung nicht von ihnen, sondern vom Bestattungsamt festgesetzt. Jedoch bereiteten sie durch öffentlich-rechtliche Bestattungsverwaltungshandlungen dessen Entscheidung vor (UA S. 5, 11).

Dem kann nicht beigetreten werden. Richtig ist allerdings, daß die Festlegung von Ort und Zeit einer Bestattung in den Bereich hoheitlicher Bestattungsverwaltung fällt (vgl. BGH, Urt. v. 19.06.1986 - I ZR 54/84, a.a.O. - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I). Eine solche Festlegung nehmen die Beklagten zu 2 und 3 aber nicht vor. Sie treffen insoweit auch weder vorbereitende Maßnahmen, noch erteilen sie Auskünfte. Andere hoheitliche Tätigkeiten üben sie ebenfalls nicht aus.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß das Bestattungsamt der Beklagten zu 1 in der weit überwiegenden Mehrzahl aller Bestattungsfälle keinen Bestattungszeitpunkt festsetzt, der durch öffentlich-rechtliche Bestattungsverwaltungshandlungen der Beklagten zu 2 und 3 vorbereitet werden könnte, und unstreitig ist ferner, daß es in allen diesen Fällen zu einer amtlichen Festsetzung nicht kommt, weil es die Beklagte zu 1 den Hinterbliebenen und Geistlichen freistellt, sich über den Zeitpunkt der Beisetzung zu einigen, ohne für den Fall der Einigung den Beisetzungszeitpunkt von Amts wegen festzusetzen. Im Hinblick darauf kann von öffentlich-rechtlichen Maßnahmen der Beklagten zu 2 und 3 zur Festsetzung oder zur Vorbereitung einer amtlichen Festlegung des Bestattungszeitpunkts nicht gesprochen werden. Die Parteien haben dazu übereinstimmend vorgetragen - und auch die von der Klägerin eingeholte und zu den Akten überreichte Auskunft des Pfarrers L. vom Katholischen Pfarramt St. Peter in Straubing vom 26. Juli 1984 bestätigt dies -, daß die Mitwirkung der Beklagten zu 2 und 3 bei der Festlegung des Bestattungszeitpunkts allein darin besteht, für die Hinterbliebenen bei den Geistlichen einen durch andere Veranstaltungen noch nicht belegten Termin zu erfragen und mit den den Beklagten zu 2 und 3 bekannten, bereits festliegenden Zeitpunkten anderer Beerdigungen abzustimmen und den Beteiligten insoweit Auskunft zu geben. Diese Tätigkeiten sind entgegen der Beurteilung der Klägerin und des Berufungsgerichts keine Maßnahmen der Bestattungshoheitsverwaltung. Sie werden, wie unstreitig ist, von den Beklagten zu 2 und 3 im Auftrag der Hinterbliebenen oder auch der Klägerin oder anderer privater Bestattungsunternehmen ausgeführt und unterbleiben, wenn die Hinterbliebenen oder die privaten Bestattungsunternehmen Tätigkeiten der Beklagten zu 2 und 3 in dieser Richtung nicht wünschen, etwa deshalb, weil sie den Termin mit den Geistlichen selbst abstimmen oder beim Bestattungsamt - ausnahmsweise - die Festsetzung des Beisetzungszeitpunkts von Amts wegen beantragen. Die in Rede stehende Tätigkeiten der Beklagten zu 2 und 3 sind danach ausschließlich außerhalb des öffentlich-rechtlichen Bereichs veranlaßte und ausgeführte Vermittlungstätigkeiten, die hinsichtlich ihrer Qualifikation als privat- oder öffentlich-rechtlich nicht anders zu beurteilen sind, als die in den privatrechtlichen Bereich des Bestattungswirtschaftsbetriebs der Beklagten zu 1 fallenden Aufgaben.

Darüber hinaus besteht auch kein Anhalt für die Annahme, daß die Beklagten zu 2 und 3 - soweit es in Einzelfällen zur Festsetzung eines Bestattungstermins durch das Bestattungsamt kommt - dessen Entscheidung durch öffentlich-rechtliche Tätigkeiten vorbereiteten oder Auskünfte insoweit erteilten. Tatsachen dafür hat auch die Klägerin - weder in erster noch in zweiter Instanz - vorgetragen, und Anhaltspunkte dafür sind auch sonst nicht gegeben. Auch ist nicht ersichtlich, daß die Beklagten zu 2 und 3 in anderer Weise hoheitlich tätig würden.

b)

Neben dem danach bereits wegen Fehlens einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr ungerechtfertigten Verbot, bestattungswirtschaftliche Aufgaben in denselben Räumen wahrzunehmen, in denen die Beklagten zu 2 und 3 auch hinsichtlich der Bestimmung des Beerdigungszeitpunkts tätig werden (Urteilsausspruch zu b), hat das Berufungsgericht den Beklagten ferner untersagt, bestattungswirtschaftlich tätig zu werden, "wenn die hierbei tätigen Personen zugleich Auskünfte in hoheitlichen Bestattungsangelegenheiten erteilen oder bei der Festsetzung des Beerdigungszeitpunkts mitwirken" (Urteilsausspruch zu c). Wie sich aus den Ausführungen des Berufungsgerichts dazu ergibt, hat es den Beklagten damit - über das Verbot zu b) des Urteils hinaus - untersagt, auch in zeitlichem Zusammenhang ("zugleich") mit der Wahrnehmung bestattungswirtschaftlicher Aufgaben Auskünfte hoheitlicher Art zu erteilen und an der Festsetzung des Zeitpunkts der Bestattung mitzuwirken (UA S. 15). Dieses Verbot hält einer rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Auch insoweit fehlt es bereits an einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr. Wie zu a) erörtert sind die Tätigkeiten, die die Beklagten zu 2 und 3 mit Blick auf die Festlegung des Beerdigungszeitpunkts entfalten, rein bestattungswirtschaftlicher Art, und für die Annahme, daß die Beklagten zu 2 und 3 an der Festsetzung des Beerdigungszeitpunkts durch das Bestattungsamt der Beklagten zu 1 oder an anderen hoheitlichen Maßnahmen jetzt oder zukünftig mitwirkten, besteht keinerlei Anhalt.

c)

Das Berufungsgericht hat den Beklagten des weiteren untersagt, im städtischen Leichenhaus bestattungswirtschaftliche Aufgaben wahrzunehmen (Urteilsausspruch zu a), weil sich die Beklagte zu 1 allein schon durch die Unterbringung ihrer Bestattungsanstalt in diesem Gebäude einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor ihren privaten Mitbewerbern verschaffe. Auch dieses Verbot kann keinen Bestand haben. Die räumliche Unterbringung der Bestattungsanstalt im Obergeschoß des städtischen Leichenhauses, in dem im Erdgeschoß auch Aufgaben der Bestattungshoheitsverwaltung (Aufbahrung von Leichen, Leichenwärtertätigkeiten) wahrgenommen werden, führt vorliegend entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu einem ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung der Beklagten zu 1.

Allerdings ist nicht zu verkennen, daß sich aus der Wahrnehmung hoheitlicher Bestattungsaufgaben und solchen der Bestattungswirtschaft in ein und demselben Gebäude gewisse Standortvorteile zugunsten der Gemeinde, hier der Beklagten zu 1, ergeben können. Das Berufungsgericht hat dabei darauf abgestellt, daß Hinterbliebene, die noch kein privates Bestattungsunternehmen beauftragt hätten, den Anlaß einer Vorsprache beim Leichenwärter dazu benutzen könnten, den Leichenschwestern der Beklagten zu 1, um sich weitere Wege und Mühen zu ersparen, den Auftrag zur Ausführung der bestattungswirtschaftlichen Aufgaben zu erteilen. Aus Gegebenheiten dieser Art kann aber im Streitfall ein nach § 1 UWG zu mißbilligendes Verhalten der Beklagten zu 1 im Hinblick auf die Unterbringung der Bestattungsanstalt im Obergeschoß des Leichenhauses nicht hergeleitet werden. Im Urteil "Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I" hat der Senat ausgeführt, daß in der - von den Räumlichkeiten der Bestattungshoheitsverwaltung getrennten - Unterbringung eines Bestattungswirtschaftsbetriebs in den Räumlichkeiten eines Rathauses eine mißbräuchliche Ausnutzung hoheitlicher Aufgaben zu Zwecken des Wettbewerbs nicht erblickt werden könne, und zwar auch dann nicht, wenn Bestattungshoheitsverwaltung und Bestattungswirtschaftsbetrieb auf derselben Etage und weniger als 50 m voneinander entfernt ausgeübt würden (Urt. v. 19.06.1986 - I ZR 54/84, GRUR 1987, 116, 118 = WRP 1987, 22, 24 f.). Auch vorliegend führt die Gesamtwürdigung des angegriffenen Verhaltens und seiner Auswirkungen und die Abwägung der beiderseitigen Interessenlage zu keiner anderen Beurteilung. Ungeachtet der Tatsache, daß auch private Anbieter Bestattungsleistungen wie die Beklagte zu 1 erbringen, liegt deren bestattungswirtschaftliche Betätigung im öffentlichen Interesse. Das folgt aus der historischen Entwicklung des gemeindlichen Bestattungswesens und im Zusammenhang damit aus dem Bedürfnis der Allgemeinheit an gemeindlichen Dienstleistungen dieser Art sowie aus der Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Berücksichtigung sozialer Belange sowohl im Einzelfall als auch allgemein durch Festsetzung angemessener Entgelte und Tarife (vgl. BVerwGE 39, 329, 334 ff. - Kommunaler Bestattungsbetrieb; BGH, Urt. v. 19.06.1986 - I ZR 54/84, a.a.O. - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I). Entsprechend den Bestimmungen der Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946 (Art. 11 Abs. 2, Art. 83 Abs. 1, Art. 149 Abs. 1 Satz 1; BayRS 100-1-S) und des bayerischen Bestattungsgesetzes vom 24. September 1970 (Art. 7; BayRS 2127-1-I) erfüllt die Beklagte zu 1 damit Aufgaben der Daseinsvorsorge auf der Grundlage und im Rahmen ihrer privatwirtschaftlichen Betätigung. Zwar befreit sie das nicht von der Verpflichtung, auf die wettbewerblichen Interessen ihrer privaten Mitbewerber angemessen Rücksicht zu nehmen. Wiederholt hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang ausgesprochen, daß sich die öffentliche Hand auch bei ihrem privatrechtlichen Handeln daran orientieren muß, daß es eine öffentliche Aufgabe ist, die sie erfüllt, und daß es ihr deshalb nicht ohne weiteres gestattet ist, ihre Interessen im Wirtschaftsleben mit denselben Mitteln und Praktiken zu verfolgen, die bei einer Privatperson noch hingenommen werden können (BGH, Urt. v. 14.12.1976 - VI ZR 251/73, NJW 1977, 628, 630 - Willkürverbot; Urt. v. 02.06.1981 - VI ZR 28/80, NJW 1981, 2184, 2186 - Gebot der objektiven und neutralen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben; vgl. auch BGHZ 19, 299, 303 - Staatliche Kurverwaltung/Bad Ems und Urt. v. 26.04.1974 - I ZR 8/73, GRUR 1974, 733, 734 - Kfz-Schilderverkauf: zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Jedoch verletzt die Beklagte zu 1 diese besondere Pflichtenstellung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft im Wettbewerb nicht dadurch, daß sie die Beklagten zu 2 und 3 im Obergeschoß des städtischen Leichenhauses im Rahmen ihrer Bestattungsanstalt tätig werden läßt. Zwar mag zutreffen, daß, wie das Berufungsgericht erwogen hat, den Beklagten zu 2 und 3 Bestattungsaufträge bei Gelegenheit der Besuche von Hinterbliebenen im Erdgeschoß des Leichenhauses im zeitlichen Zusammenhang mit Amtsgeschäften des Leichenwärters der Beklagten zu 1 erteilt werden. Das Berufungsgericht hat aber nicht festgestellt, und dies ist auch sonst nicht ersichtlich, daß der Beklagten zu 1 dadurch ins Gewicht fallende Wettbewerbsvorteile erwüchsen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte zu 1 den Bestattungswirtschaftsbetrieb im Obergeschoß des Leichenhauses von den im Erdgeschoß ausgeübten hoheitlichen Bestattungstätigkeiten getrennt hält und damit Vorsorge dafür getroffen hat, daß die Hinterbliebenen räumlich getrennt von den im Erdgeschoß zu erledigenden Angelegenheiten und damit weitgehend unbeeinflußt von der bestattungshoheitlichen Tätigkeit der Beklagten zu 1 über die Erteilung des gewerblichen Bestattungsauftrags entscheiden können (vgl. BGH, Urt. v. 19.06.1986 - I ZR 54/84, a.a.O. - Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb I). Hinzu kommt, daß die Beklagte zu 1 auf die wettbewerblichen Interessen ihrer privaten Mitbewerber auch in der Weise angemessen Rücksicht nimmt, daß sie die Beklagten zu 2 und 3 für den Fall, daß Hinterbliebene mit ihnen in Verbindung treten, angewiesen hat, die potentiellen Auftraggeber auf die Möglichkeit der Ausführung von Bestattungsaufträgen auch durch die in Straubing ansässigen privaten Bestattungsunternehmen unter deren namentlicher Nennung schriftlich hinzuweisen. Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagten zu 2 und 3 diese Weisung nicht befolgten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Aus der bereits erörterten, von der Klägerin selber eingeholten und zu den Akten überreichten Auskunft des Pfarrers Lintl vom Katholischen Pfarramt St. Peter in Straubing vom 26. Juli 1987 ergibt sich vielmehr, daß ihm die Leichenschwestern anläßlich der Erteilung eines Bestattungauftrags zum Zwecke unterschriftlicher Bestätigung "als erstes" ein Schreiben mit dem Hinweis vorgelegt haben, daß der Bestattungsauftrag auch an die Klägerin als einem privaten Bestattungsunternehmen vergeben werden könne, und anderes ist auch in der Beweisaufnahme vor dem Landgericht nicht zutage getreten. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß - wie unstreitig ist - die Beklagte zu 1 ihre Bestattungsanstalt ohne jede Werbung betreibt, während die Klägerin und die anderen privaten Mitbewerber in der Öffentlichkeit werbend hervortreten, daß also die Beklagte zu 1 potentielle Auftraggeber nicht nur auf die privaten Bestattungsunternehmen hinweist, sondern daß sie deren wettbewerblichen Interessen auch insoweit den Vorrang läßt. Schließlich kann nicht außer Betracht gelassen werden, daß die Beklagte zu 1 ihre im öffentlichen Interesse liegenden und einem Bedürfnis der Allgemeinheit entsprechenden privatwirtschaftlichen Aufgaben auf dem Gebiete der Leichenbestattung mit öffentlichen Mitteln unterhalten muß und daß sie im Allgemeininteresse gehalten ist, diese Mittel in wirtschaftlich vernünftiger Weise zu verwenden. Es würde aber eine damit nicht zu vereinbarende Verteuerung des Betriebs der Bestattungsanstalt bedeuten, wenn die Beklagte zu 1, wie von der Klägerin verlangt, in größerer Entfernung vom Leichenhaus (und von anderen bestattungshoheitlichen Einrichtungen) neue Räumlichkeiten für die Bestattungsanstalt schaffen oder entsprechende Räume mieten müßte und darauf angewiesen wäre, die im städtischen Leichenhaus ohnehin zur Verfügung stehenden Räume ungenutzt zu lassen. Allein die Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Interessen der privaten Mitbewerber gebietet das nicht.

3.

Unterlassungsansprüche aus § 1 UWG sind danach zu verneinen. Auch nach § 35 GWB i.V. mit § 26 Abs. 2 GWB kommen solche Ansprüche nicht in Betracht. Für eine von der Wettbewerbsrechtlichen Beurteilung nach § 1 UWG abweichende Beurteilung nach § 26 Abs. 2 GWB ist nichts vorgetragen (vgl. BGHZ 96, 337, 351 - Abwehrblatt II).

4.

Unbegründet ist ferner - aus den zu 2 und 3 angestellten Erwägungen - auch die Klage auf Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung der Beklagten.

5.

Demgemäß war auf die Revision der Beklagten unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

v. Gamm

Piper

Erdmann

Mees

Ullmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456217

GRUR 1989, 603

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