Tatbestand
(c) ›... Der Kl. ist als Verwalter im Konkurs über das Vermögen der belgischen Firma S. befugt, die Forderung der Gemeinschuldnerin im eigenen Namen geltend zu machen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er nach belgischem Gesellschaftsrecht infolge des Konkurses einer juristischen Person nur als ›Vertreter‹ der Gemeinschuldnerin prozeßführungsbefugt ist. Ein im Ausland eröffneter Konkurs kann mindestens dann auch im Inland Wirkungen entfalten, wenn es darum geht, daß der ausländische Konkursverwalter Inlandsvermögen des Gemeinschuldners zur Masse ziehen will.
Das belgische Insolvenzrecht rechnet das im Ausland Ä und damit auch in der Bundesrepublik Deutschland Ä belegene Vermögen des Gemeinschuldners zur Konkursmasse. Mit der Konkurseröffnung verliert dieser nach Art. 444 Code de Commerce die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen. An seine Stelle tritt der ›curateur‹ (Konkursverwalter). zu dessen Befugnissen auch die Forderungseinziehung gehört (Art. 479 aaO.). Diese Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des belgischen Konkursverwalters erkennt das deutsche Recht an. ...
Die Anerkennung der Handlungsbefugnis des belgischen Konkursverwalters beurteilt sich für Prozesse, mit denen in der Bundesrepublik Deutschland befindliches Vermögen zur Masse gezogen werden soll, nach dem deutschen internationalen Konkursrecht.
(d) Die Frage, ob ein Auslandskonkurs auch auf das im Inland belegene Vermögen der ausländischen Gemeinschuldnerin einwirkt, beantworten die Rechtspr. und die herrschende Meinung im Schrifttum unterschiedlich. [Folgen ausführl. Hinweise] .. . Der erk. Senat gibt die bisherige [auf RG-Rechtspr. zurückgehende einschlägige] Rechtspr. des BGH [in NJW 1960, 774] auf. Er ist der Auffassung, daß die Konkurseröffnung im Ausland auch das im Inland belegene Vermögen des Gemeinschuldners erfaßt; der ausländische Konkursverwalter ist daher berechtigt, solches Vermögen zur Konkursmasse zu ziehen (so OLG München, Bay JMBl. 1956, 35, 36; OLG Düsseldorf, ZIP 1982, 1341; für die Konkursanfechtung: OLG Hamm, NJW 1977, 504 [hier: IV (438) 126 b-c] mit Anmerkung Oexmann).
Das in der Bundesrepublik Deutschland eröffnete Konkursverfahren umfaßt auch das im Ausland belegene Vermögen des Gemeinschuldners (§§ 1 Abs. 1, 117 Abs. 1; 238 KO); der Konkursverwalter kann vor deutschen Gerichten auch Ansprüche geltend machen, die sich auf das im Ausland belegene Vermögen des Gemeinschuldners beziehen (BGHZ 68, 16 [hier: IV (408) 118 e]; 88, 147, 150 m. w. N.). Damit geht das deutsche Konkursrecht vom Universalitätsprinzip aus, das auf der Gleichbehandlung aller Gläubiger (›par condicto creditorum‹), einem international anerkannten Grundgedanken des Konkursrechts, beruht. Dem widerspricht die generelle Nichtanerkennung des Auslandskonkurses für das Inlandsvermögen des Gemeinschuldners, die sich durchaus zu Recht dem Vorwurf unbegründeten Mißtrauens gegen ausländische Rechtsordnungen und deren handelnde Organe ausgesetzt sieht. ... Die deutsche Rechtsordnung erkennt zahlreiche ausländische Staatsakte an .. . Allgemein läßt sich sagen, daß ausländische Staatsakte, wenn es um privatrechtsgestaltende Maßnahmen geht, anerkannt werden, nicht dagegen Maßnahmen zur Durchsetzung vorwiegend staats- oder wirtschaftspolitischer Interessen des ausländischen Staates (vgl. BGHZ 31, 367, 371). Der Konkurs nimmt das Vermögen des Gemeinschuldners in Beschlag. Dieselbe Wirkung haben Enteignung und Konfiskation; daß sie auf den Machtbereich des erlassenden Staates beschränkt sind, ist international privatrechtlich allgemein anerkannt. Davon unterscheidet sich aber die Konkurseröffnung nach Zweck und Wirkungen. Der Konkursbeschlag dient nicht dem Staat, sondern ausschließlich allen Gläubigern des Gemeinschuldners. Dessen Verfügungsbeschränkung und die Regelungen des Konkursverfahrens bezwecken die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger und sind von dem allen Staaten gemeinsamen Bemühen um die Verwirklichung der Gerechtigkeit zwischen den einzelnen bestimmt .. . Ziel und Zweck des Konkursverfahrens rücken daher den staatlichen Akt Konkurseröffnung in die Nähe der Entscheidungen im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Solche aber erkennt die deutsche Rechtsordnung grundsätzlich an. ...
§ 237 Abs. 1 KO steht der Anerkennung des Auslandskonkurses im Inland nicht entgegen. Der Wortlaut der Vorschrift gebietet keine Auslegung, welche die Wirkungen des Auslandskonkurses auch für das Inland ausschließt. [Wird ausgeführt] .. . § 237 Abs. 1 KO ist als eine Ausnahmevorschrift anzusehen, welche die Zwangsvollstreckung in inländisches Vermögen ohne materiellrechtliche Sperre für ausländische Konkurswirkungen zuläßt (BGHZ 88, 147, 155 [hier: IV (438) 172 a]). Es handelt sich um eine Vorschrift zum Schutze einzelner Gläubiger; sie soll aber im Auslandskonkurs dem Gemeinschuldner nicht zu Lasten der Gläubigergesamtheit die Verfügung über sein Inlandsvermögen erhalten.
Auch rechtspolitische Gründe sprechen für die Anerkennung des Auslandskonkurses im Inland. [Wird ausgeführt] .. .
(e) Die Anerkennung des Auslandskonkurses im Inland hat jedoch Schranken. Sie muß in das Gesamtgefüge der deutschen konkursrechtlichen Vorschriften und Rechtsgrundsätze eingebettet sein. Das bedeutet zunächst, daß der Auslandskonkurs einen Konkurs über das Inlandsvermögen nicht verhindert, dieser ihm vielmehr grundsätzlich vorgeht. § 237 Abs. 1 KO läßt darüber hinaus beim Auslandskonkurs die Einzelzwangsvollstreckung in Inlandsvermögen auf Grund bestehender Titel zu. Voraussetzung der Anerkennung ist weiter, daß es sich bei dem Auslandsverfahren nach den inländischen Rechtsgrundsätzen überhaupt um einen Konkurs handelt. die den Konkurs eröffnende staatliche Stelle muß international zuständig sein; die Zuständigkeit bestimmt sich dabei nach den Vorschriften §§ 71 Abs. 1, 238 KO. Die Wirksamkeit des ausländischen Konkurseröffnungsaktes ist nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem er erlassen worden ist (›lex fori concursus‹). Schließlich darf die Anerkennung der ausländischen Konkurseröffnung nicht den inländischen ›ordre public‹ verletzen. ...
Nicht jeder Mangel des ausländischen Verfahrens ist ein Verstoß gegen den deutschen ›ordre public‹. Die Konkurseröffnung ist nur bei schwersten Mängeln unwirksam (siehe auch BGHZ 48, 327, 331). Dazu genügt ihre Aufhebbarkeit nach dem ausländischen Recht allein nicht. ...
(f) Das BerGer. ist der Auffassung, daß gegenüber der im vollen Umfang begründeten Klageforderung die von den Bekl. [deutsches Unternehmen] hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen nicht durchgreife.
Zutreffend geht das BerGer. davon aus, daß sich die Zulässigkeit der Aufrechnung im Konkurs nach der ›lex fori concursus‹ richtet .. . Wie bereits ausgeführt. wirkt das ausländische Konkursverfahren unter den genannten Voraussetzungen auch im Inland. Die Reichweite dieser Konkurswirkungen läßt sich nicht einheitlich für alle mit einem Konkursverfahren zusammenhängenden Rechtsfolgen bestimmen. Grundlegend ist auch dabei die Gleichbehandlung aller Gläubiger. Sie ist bei der Aufrechnung im Konkurs nur gewährleistet, wenn deren konkursrechtliche Zulässigkeit einheitlich beantwortet wird. Die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Aufrechnung bestimmt sich dabei nach dem Schuldstatut der Hauptforderung, gegen die aufgerechnet wird (BGHZ 38, 254). Bei Anerkennung der materiellen Wirkungen des Auslandskonkurses im Inland sind aber die besonderen konkursrechtlichen Aufrechnungsvorschriften grundsätzlich zu beachten. Das ausländische Konkursrecht entscheidet demnach über die konkursrechtliche Zulässigkeit einer Aufrechnung. Das setzt voraus, daß die Zulässigkeit der Aufrechnung nach dem Konkursstatut gleichmäßig für alle Konkursgläubiger geregelt ist und diese Regelung nicht gegen den deutschen ›ordre public‹ verstößt. Ein solcher Verstoß liegt hier nicht vor § 237 Abs. 1 KO steht als prozessuale Gläubigerschutzvorschrift dem nicht entgegen. ...‹
Fundstellen
Haufe-Index 2992806 |
BGHZ 95, 256 |
BGHZ, 256 |
DB 1985, 2187 |
NJW 1985, 2897 |
DRsp IV(438)192c-f |
WM 1985, 1004 |
ZIP 1985, 944 |
JZ 1986, 91 |
JuS 1986, 68 |
Rpfleger 1985, 412 |
ZfBR 1994, 167 |
IPRspr. 1985, 218 |