Leitsatz (amtlich)
Zur Abtretbarkeit des dem Besteller eines Werkvertrags wegen eines Werkmangels zustehenden Anspruchs auf Minderung.
Normenkette
BGB §§ 398, 413, 634 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 08.12.1982; Aktenzeichen 2 U 115/82) |
LG Oldenburg (Urteil vom 23.04.1982; Aktenzeichen 3 O 498/79) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin zu 1 wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 8. Dezember 1982 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Zahlungsklage in Höhe von 88.847,88 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin zu 1 – eine aus den Klägern zu 2 bestehende GmbH – errichtete 1970/72 eine Wohnanlage mit 45 Eigentumswohnungen auf der Insel V. Mit den Bauarbeiten beauftragte sie die Beklagte zu 2 (die Beklagten zu 1, 3 und 4 sind deren persönlich haftende Gesellschafter). Am 11. August 1972 legte die Beklagte zu 2, nachdem ihre Arbeiten am 10. August 1972 abgenommen worden waren, eine Schlußrechnung vor, aus der ihr – worüber sich die Parteien einig sind – noch eine Restforderung in Höhe von 348.662,07 DM zusteht. Außerdem hat sie für ausgeführte Zusatzarbeiten unstreitig einen weiteren Anspruch auf Zahlung von 4.059,76 DM. Nach einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung „beginnt … die Haftung für dieses Bauvorhaben … am 11. August 1972 …”
Am 18. März 1975 trat die Klägerin zu 1 „sämtliche Gewährleistungsansprüche gegen die … beteiligten Handwerker” an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ab. Diese klagten daraufhin im Mai 1975 gegen die Beklagte zu 2 auf Vorschußzahlung und (im September 1975) auf Mängelbeseitigung, außerdem beantragten sie die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens. Nachdem dieser Rechtsstreit durch rechtskräftiges Endurteil des Berufungsgerichts vom 3. Juli 1980 entschieden war, traten die Wohnungseigentümer im Januar 1981 „sämtliche Gewährleistungsansprüche” wieder an die Klägerin zu 1 ab, soweit sie nicht von dem angeführten Urteil erfaßt werden.
Die Klägerin zu 1 macht Minderung der Restwerklohnforderung der Beklagten zu 2 in Höhe von 100.000,– DM geltend, weil die Eisenbewehrung des Gebäudes nicht ausreichend mit Beton abgedeckt sei. Aus diesem Grund hält sie die Beklagte zu 2, die bereits Barzahlungen erhalten und an sie abgetretene Grundschulden verwertet hat, für überzahlt. Mit der im September 1979 erhobenen Klage verlangte sie deshalb zuletzt Rückzahlung von 136.036,55 DM nebst Zinsen. Die Kläger zu 2 verlangten die Löschungsbewilligung hinsichtlich zweier Grundschulden.
Das Landgericht hat der Zahlungsklage in Höhe von 88.847,88 DM nebst Zinsen und der Klage auf Erteilung der Löschungsbewilligungen ganz stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie in vollem Umfang abgewiesen. Mit der – angenommenen – Revision, die die Beklagten zurückzuweisen bitten, begehrt die Klägerin zu 1 die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit die Beklagten zur Zahlung verurteilt worden sind. Die Kläger zu 2 haben die von ihnen eingelegte Revision zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht nimmt an, der von der Klägerin zu 1 geltend gemachte Minderungsanspruch sei verjährt. Dieser Anspruch sei als Gestaltungsrecht unlösbar an das Schuldverhältnis geknüpft. Er habe deshalb nicht einzeln von ihm getrennt und übertragen werden können; vielmehr sei er stets bei der Klägerin zu 1 verblieben. Da die fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 638 BGB Bit der Abnahme am 11. August 1972 zu laufen begonnen habe, sei sie bei Klageerhebung im September 1979 bereits abgelaufen gewesen.
Durch das von der Wohnungseigentümergemeinschaft betriebene Beweissicherungsverfahren sei die Verjährung nicht mit Wirkung für die Kläger unterbrochen worden. Aufgrund der Abtretung hätten die Wohnungseigentümer die Ansprüche gemäß § 633 Abs. 3 BGB und auf Schadensersatz gemäß § 633 BGB erworben; die Ansprüche auf Wandelung und Minderung seien bei der Klägerin zu 1 verblieben. Die Klage der Wohnungseigentümer auf Aufwendungs- und Schadensersatz habe die Verjährung ebenfalls nicht unterbrochen; eine Unterbrechung trete nach § 209 BGB nur ein, wenn der Berechtigte klage. Die Verjährung sei auch nicht gemäß § 639 Abs. 2 BGB oder durch eine Vereinbarung gehemmt worden. Schließlich sei der Klägerin zu 1 nicht die Mängeleinrede gemäß § 639 Abs. 1 i.V.m. § 478 BGB erhalten geblieben.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Der von der Klägerin zu 1 geltend gemachte Minderungsanspruch ist nicht verjährt. Denn die Klägerin zu 1 hat diesen Anspruch wirksam an die Wohnungseigentümer abgetreten; seine Verjährung wurde durch die von den Wohnungseigentümern rechtzeitig erhobene Klage auf Vorschußzahlung und Mängelbeseitigung unterbrochen.
1. Die Frage, ob der Anspruch auf Wandelung oder Minderung abgetreten werden kann, ist umstritten. Vom Bundesgerichtshof wurde sie bisher nicht ausdrücklich entschieden.
a) Das Schrifttum hält überwiegend den Minderungsanspruch für nicht abtretbar, weil er als akzessorisches Gestaltungsrecht unlösbar mit dem Schuldverhältnis verknüpft sei und aufgrund dieser engen Verbindung von dem Vertrag nicht getrennt werden könne (Daub/Piel/Soergel/Steffani, Kommentar zur VOB/B, ErlZB 13.378; Glanzmann in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 634 Rdn. 30; Heiermann/Riedl/Schwaab, VOB, 3. Aufl., Einf. zu B § 13 Rdn. 10; Ingenstau/Korbion, VOB, 10. Aufl., B § 13 Rdn. 24; Korbion/Hochstein, Der VOB-Vertrag, 3. Aufl., Rdn. 188; Palandt/Putzo, BGB, 44. Aufl., § 462 Anm. 1 e; Soergel/Siebert/Mühl, BGB, 11. Aufl., § 633 Rdn. 28; Soergel in MünchKomm, BGB, § 633 Rdn. 90; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 4. Aufl., Rdn. 1548; ebenso Brych NJW 1973, 1583, 1589; Deckert, Baumängel am Gemeinschaftseigentum der Eigentumswohnung, 2. Aufl., S. 226 f; Gross, Die Rechtsbeziehungen zwischen Wohnungsunternehmen und Erwerbern bei der Erstveräußerung von Eigenwohnraum, S. 110; ders. NJW 1971, 648; ders. BauR 1972, 325, 327; ders. BauR 1975, 12; Hahn BauR 1978, 80, 84; Locher, Das private Baurecht, 3. Aufl., Rdn. 46; Reithmann/Brych/Manhart, Kauf vom Bauträger, 5. Aufl., Rdn. 108; F. Schmidt MittBayNot 1977, 155, 167; Seetzen AcP 169, 352, 370).
Die Gegenmeinung, die von der Abtretbarkeit des Minderungsanspruchs ausgeht, verneint demgegenüber die strenge Akzessorietät dieses Rechts, weil es das Schuldverhältnis nicht auflöse und lediglich die Gegenleistungspflicht des Erwerbers mindere (Fritz, Haftungsfreizeichnung im Bauträger- und Architektenvertrag nach dem AGBG, S. 81 ff, 85; Jauernig/Vollkommer, BGB, 3. Aufl., § 462 Anm. 2 d, 3; Kaiser, Das Mängelhaftungsrecht der VOB, 4. Aufl., Rdn. 91; Ohmen DNotZ 1975, 344, 348 f; Riedler Betrieb 1976, 853, 857; Staudinger/Honsell, BGB, 12. Aufl., § 459 Rdn. 97, § 462 Rdn. 7; H. P. Westermann in MünchKomm, BGB, § 462 Rdn. 13; vgl. auch Locher/Koeble, Baubetreuungs- und Bauträgerrecht, 4. Aufl., Rdn. 312 und Palandt/Putzo aaO, der immerhin die Abtretung zusammen mit den „zugrundeliegenden” Gewährleistungsansprüchen für zulässig hält).
b) Der Bundesgerichtshof hat zwar in BGHZ 68, 118, 124/125 offen gelassen, ob die Wandelungsbefugnis abgetreten werden kann. In NJW 1973, 1793, 1794 hat er jedoch die Abtretbarkeit eines vertraglichen Rücktrittsrechts bejaht und dabei ausgesprochen, daß Hilfsrechte (wie z. B. solche auf Mängelgewährleistung), die der Ausübung oder Durchsetzung (Verwirklichung) der Forderung selbst dienen und damit dem Gläubiger als solchem zustehen, ebenso wie die sichernden Nebenrechte (§ 401 BGB) mit der Forderung auf den Zessionar übergehen. Auch sonst ist er – wenn auch ohne nähere Begründung – vielfach davon ausgegangen, daß mit der umfassenden Abtretung von Gewährleistungsansprüchen sämtliche Ansprüche auf den Zessionar übergehen, eine solche Abtretung daher die Abtretung des Minderungsanspruchs mit umfaßt (vgl. z. B. Senatsurteile BGHZ 55, 354; 70, 193; 70, 389; 92, 123, 126; NJW 1973, 1235, insoweit in BGHZ 60, 362 nicht abgedruckt; 1982, 169; 1982, 2243; 1983, 1901; 1984, 2094; Urteile vom 18. Mai 1978 – VII ZR 138/77 = BauR 1978, 398 = ZfBR 1978, 25; vom 11. Oktober 1979 – VII ZR 247/78 = BauR 1980, 69 = ZfBR 1980, 36 und vom 8. Dezember 1983 – VII ZR 152/82 = BauR 1984, 172 = ZfBR 1984, 69; vgl. auch Urteil vom 27. Februar 1985 – VIII ZR 328/83 = WM 1985, 573, 575). Das Oberlandesgericht Koblenz (NJW 1962, 741) hat – anders als das Berufungsgericht annimmt – ebenfalls die Abtretbarkeit des Minderungsanspruchs nach § 634 BGB nicht verneint, sondern ausdrücklich offen gelassen, ob dieser Anspruch ein nicht selbständig abtretbares Gestaltungsrecht ist.
2. Der Senat ist – wie bereits in den angeführten Entscheidungen – der Auffassung, daß der Anspruch auf Minderung abgetreten werden kann.
a) Die Frage, ob unselbständige akzessorische Gestaltungsrechte, insbesondere das Wandelungsrecht, im Hinblick auf ihre Verbindung mit dem Schuldverhältnis abtretbar sind, kann offen bleiben. Die von der überwiegenden Meinung im Schrifttum für die Unabtretbarkeit dieser Rechte angeführten Gründe treffen jedenfalls auf das Minderungsrecht nicht zu, Verlangt der Käufer einer Sache oder der Besteller eines Werkvertrags Minderung, wird – anders als bei der Wandelung – nicht in den Bestand des Vertrags „eingegriffen”. Das bestehende Schuldverhältnis wird nicht aufgelöst, auch ein Rückabwicklungsverhältnis zwischen den Parteien wird nicht begründet. Vielmehr wird nur nachträglich der Erwerbspreis herabgesetzt. Nach erklärter Minderung braucht der Erwerber daher einen Teil des Preises nicht zu bezahlen; hat er bereits geleistet, kann er den zuviel bezahlten Betrag zurückverlangen.
Beeinflußt das Minderungsrecht somit nicht den Bestand des Vertrags, sondern nur die Höhe der vom Erwerber zu erbringenden Gegenleistung, gleicht es – wie der Anspruch auf Kostenvorschuß oder Ersatz der Mängelbeseitigungskosten gemäß § 633 Abs. 3 BGB sowie der Schadensersatzanspruch nach § 633 BGB – nur eine Vermögenseinbuße des Erwerbers aus (vgl. Fritz aaO S. 85; Ohmen aaO S. 349). Dann aber ist es gerechtfertigt, den Anspruch auf Minderung – ebenso wie die genannten Ansprüche – als abtretbar anzusehen.
b) Dies ist auch sach- und interessengerecht. Die Rechtsstellung des abtretenden Vertragspartners wird durch die Abtretbarkeit nicht beeinträchtigt (vgl. Ohmen aaO). Andererseits wird ein für den Zessionar untragbares Ergebnis z. B. dann vermieden, wenn, worauf Riedler (aaO) zu Recht hinweist, der Unternehmer gemäß § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB eine Mängelbeseitigung zu Recht verweigern und der Besteller – fehlen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 635 BGB – einen Ausgleich der erlittenen Vermögenseinbuße auf andere Weise nicht erreichen kann. Dasselbe gilt, wenn die Beseitigung des Mangels unmöglich ist, den Unternehmer aber kein Verschulden trifft, was durchaus nicht selten vorkommt. Im Schrifttum wird deshalb zutreffend angenommen, daß die Abtretbarkeit auch des Minderungsanspruchs einem praktischen Bedürfnis entspricht (Staudinger/Honsell aaO; H. P. Westermann aaO).
3. Mit der am 18. März 1975 erklärten Abtretung „sämtlicher Gewährleistungsansprüche” an die Wohnungseigentümer hat die Klägerin zu 1 daherauch den ihr zustehenden Minderungsanspruch gegen die Beklagte zu 2 an die Wohnungseigentümer abgetreten. Nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung begann die – gemäß § 638 BGB fünfjährige – Verjährungsfrist für diesen Anspruch am 11. August 1972. Durch die von den Wohnungseigentümern im Mai 1975 erhobene (bzw. im September 1975 erweiterte) Klage auf Kostenvorschuß und Mängelbeseitigung wurde gemäß § 209 Abs. 1 BGB nicht nur die Verjährung der eingeklagten Ansprüche, sondern nach §§ 639 Abs. 1, 477 Abs. 3 BGB auch die Verjährung des Anspruchs auf Minderung unterbrochen. Diese Unterbrechung dauerte bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits am 3. Juli 1980. Gemäß §§ 211 Abs. 1, 217 BGB konnte die fünfjährige Verjährung des Minderungsanspruchs deshalb erst von diesem Zeitpunkt an erneut beginnen. Da die Wohnungseigentümer im Januar 1981 die Gewährleistungsansprüche an die Klägerin zu 1 zurückübertragen haben und die Klägerin zu 1 diese Ansprüche am 3. Juni 1981 in dem anhängigen Rechtsstreit geltend machte, ist der Anspruch auf Minderung nicht verjährt.
4. Das Berufungsurteil, das von einer Verjährung des der Klägerin zu 1 zustehenden Anspruchs auf Minderung ausgeht, kann somit keinen Bestand haben; es ist deshalb aufzuheben. Da der Senat nicht in der Lage ist, die von der Klägerin zu 1 behaupteten Mängel zu beurteilen und nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend zu entscheiden, ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
G, R, D, O, W
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.07.1985 durch Kühn, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512640 |
BGHZ |
BGHZ, 250 |
NJW 1985, 2822 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1985, 1141 |
JZ 1986, 85 |