Verfahrensgang
LG Kassel (Urteil vom 21.06.2002) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 21. Juni 2002, soweit der Angeklagte Waldemar W. vom Vorwurf des Einschleusens von Ausländern freigesprochen wurde, mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt bleiben jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten Wadim W. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Die Revision der Nebenklägerin gegen das vorgenannte Urteil sowie ihre sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung werden verworfen. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihrer Rechtsmittel sowie die dem Angeklagten Wadim W. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
4. Die Staatskasse hat die Kosten der hinsichtlich des Angeklagten Wadim W. zurückgenommenen Revision sowie die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten Wadim W. wegen Einschleusens von Ausländern zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 EURO verurteilt. Von dem Vorwurf der Vergewaltigung in zwei Fällen hat es ihn freigesprochen.
Den Angeklagten Waldemar W. hat es vom Vorwurf der Vergewaltigung sowie schweren Menschenhandels in Tateinheit mit bandenmäßigem und gewerbsmäßigem Einschleusen von Ausländern freigesprochen. Die hiergegen vom Angeklagten Wadim W. und von der Nebenklägerin P. … hinsichtlich dieses Angeklagten eingelegten Revisionen sind unbegründet. Die von der Staatsanwaltschaft nur noch hinsichtlich des Angeklagten Waldemar W. aufrecht erhaltene Revision hat Erfolg.
I. Die Revision des Angeklagten Wadim W. ist unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wandten sich die beiden Zeuginnen G. und P., die schon in Rußland der Prostitution nachgingen, dort an den Zeugen J. mit der Bitte, sie nach Deutschland als Prostituierte zu vermitteln. J. setzte sich mit dem Angeklagten in Verbindung und teilte diesem mit, er werde mit zwei Frauen, die hier der Prostitution nachgehen wollten, nach Deutschland kommen. Der Angeklagte sagte zu, nach der Einreise für Wohnung zu sorgen. Zusammen mit K. beantragte J. nun für die beiden Frauen bei der Deutschen Botschaft in Moskau Touristenvisa mit einer Laufzeit von zwei Wochen, wobei der Wahrheit zuwider als Reisegrund eine Urlaubsreise und als Beruf der Frauen „Managerinnen” angegeben wurden. Nach Erteilung der Visa reisten J., K. sowie die beiden Frauen auf dem Landweg über Polen nach Deutschland ein. Sie wurden zunächst in einer von dem Angeklagten vorbereiteten Wohnung in Kassel untergebracht. Am 1. Dezember 2001, nach Ablauf der Touristenvisa, wurden die Frauen von dem Mitangeklagten Waldemar W. und dem Zeugen St. in ein Bordell nach Altena verbracht, wo sie die Prostitution ausübten, aber nach einem zunächst gescheiterten Fluchtversuch am nächsten Tag von der Polizei aufgefunden und festgenommen wurden.
2. Die umfassende Beweiswürdigung des Landgerichts, auf welche dieses die Feststellung gestützt hat, daß dem Angeklagten bekannt war, daß die Frauen zum Zweck der Ausübung der Prostitution einreisen sollten, daß die Erteilung von Visa daher nur durch falsche Angaben zu erreichen war und daß seine Bereitschaft, für Unterkunft in Deutschland zu sorgen, dieses Unternehmen förderte, läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
Der Angeklagte hat damit im Sinne des § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG zu einer Tat nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG Hilfe geleistet.
3. Auf diese Tat ist entgegen der Auffassung der Revision das deutsche Strafrecht anwendbar. Der Senat teilt zwar nicht die Auffassung des Landgerichts, die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ergebe sich aus § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB (so auch 3. Strafsenat, Urteil vom 11. Februar 2000 – 3 StR 308/99, NJW 2000, 1752). Denn § 92 a Abs. 2 Nr. 2 AuslG beschreibt keine Beihilfehandlung im Sinne des § 27 StGB, sondern eine zur Täterschaft verselbständigte Tathandlung. Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf diese Tat ergibt sich daher aus § 9 Abs.1 i.V.m. § 3 StGB. Da die Anwendung dieser Regelungen hier gleichfalls zur Strafbarkeit des Angeklagten führt, kommt es auf eine Abweichung von der Rechtsansicht des 3. Strafsenats nicht an.
Gegen die Auslegung des Landgerichts, wonach das Merkmal „mehrere Ausländer” i.S.d. § 92 a Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative, AuslG bei einer Anzahl von zwei Personen gegeben ist, bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Das gilt auch für das von der Revision erörterte Verhältnis des Strafrahmens der Tat nach § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG zu dem der „Haupttat” nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Die hiergegen von der Revision vorgebrachten Einwendungen verkennen den Charakter des § 92 a Abs. 2 Nr. 2 AuslG als selbständigen Tatbestand; dem steht nicht entgegen, daß er Tathandlungen erfaßt, welche ohne seine Geltung (nur) als Beihilfehandlungen strafbar wären. Es entsprach gerade der Zielrichtung des Gesetzgebers des § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG, solche im Inland begangenen, auf Einschleusung von Ausländern gerichteten Handlungen als selbständige Taten zu erfassen und mit gegenüber der bloßen Teilnahme an Taten nach § 92 AuslG erhöhter Strafe zu bedrohen. Daher fehlt es auch für die von der Revision angestrebte Anwendung des § 27 Abs. 2 StGB auf die Tat nach § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG an einer Grundlage.
II. Die hinsichtlich des Angeklagten Waldemar W. wirksam auf den Freispruch vom Vorwurf des Einschleusens von Ausländern beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
Die Beweiswürdigung, welche das Landgericht zur Verneinung einer Strafbarkeit gemäß § 92 a Abs. 1 Nr. 2 AuslG wegen Beteiligung an dem unter Verstoß gegen das AuslG bewirkten unerlaubten Aufenthalt der Nebenklägerinnen in Deutschland geführt hat, hält rechtlicher Prüfung nicht stand, weil der Tatrichter überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung hinsichtlich der subjektiven Tatseite gestellt hat. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte bereits mehrfach früher aus Osteuropa eingereiste Frauen zum Zweck der Prostitutionsausübung in ein Bordell der Zeugin H. verbracht. In die Geschehnisse um die Einreise der Nebenklägerinnen, ihre Unterbringung und Vermittlung war er von Anfang an eingebunden. Daß er gleichwohl, als er die Frauen am 1. Dezember 2001 in das Bordell nach Altena verbrachte, angenommen haben könnte, diese seien mit gültigen, noch nicht abgelaufenen Visa eingereist, liegt eher fern. Soweit das Landgericht eine objektive Handlung des Hilfeleistens nicht festzustellen vermochte (UA S. 66), ist nicht hinreichend gewürdigt, daß der Angeklagte von dem Zeugen J. gebeten worden war, die Frauen in das Bordell zu verbringen, diesen Auftrag an den Zeugen St. weitergab und diesen auf der Fahrt begleitete (UA 66, 67). Da der Rechtsfehler sich auf die Beweiswürdigung und die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand beschränkt, können die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt aufrechterhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind zulässig.
III. Die Revision der Nebenklägerin P. ist zulässig; die mißverständliche Formulierung, es werde Revision eingelegt, „soweit der Beschuldigte Wadim W. lediglich zu einer Geldstrafe wegen Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern verurteilt worden ist”, ist dahin auszulegen, daß sich die Revision gegen die Freisprechung dieses Angeklagten im übrigen wendet.
Die Revision ist unbegründet. Die überaus breite und detaillierte Beweiswürdigung des Landgerichts, aufgrund derer eine Verurteilung nach §§ 181 Abs. 1 Nr. 3, 180 b Abs. 1 StGB und §§ 181 a, 180 a StGB nicht erfolgt ist, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen und ist daher vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Auch die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist unbegründet; sie ist, soweit ersichtlich, auf eine unzutreffende Auslegung der Vorschrift des § 397 a Abs. 1 StPO gestützt.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Otten, Rothfuß, Fischer, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2558816 |
NJW 2004, 788 |
NStZ 2004, 45 |
StraFo 2004, 105 |