Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 21.06.2000) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 21. Juni 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen; jedoch werden Gerichtskosten für das Revisionsverfahrens nicht erhoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte vermietete dem Kläger mit Vertrag vom 1. Oktober 1997, dessen § 5 eine Wertsicherungsklausel enthält, für die Zeit ab 15. November 1997 ein Ladenlokal „mit einer Gesamt-Verkaufsfläche von 114 qm”.
In § 1 des Mietvertrages heißt es:
„Das Ladenlokal mit einer VK-Fläche von 114 qm ist Mietgegenstand, dazu gehört noch ein Lagerkeller, der Bestandteil dieses Vertrages ist. Vermietet wird also eine zu berechnende Gesamtfläche von 114 qm. Ein neuer Grundrißplan ist vom Vermieter zu erstellen und ebenfalls Bestandteil des Vertrages. Alle Flächen sind Netto-Nutzflächen.”
Weiter heißt es in § 3:
„Der Mietzins für den Laden beträgt pro qm jeweils 75,– DM. Bei einer Fläche von 114 qm ergibt dieses einen monatlichen Betrag von 8.550,– DM.”
Mit seiner Klage begehrt der Kläger Feststellung, daß er ab Vertragsbeginn nur 6.450 DM monatlichen Mietzins schulde, da die für dessen Berechnung nach den Vorstellungen der Parteien maßgebliche Mietfläche tatsächlich erheblich geringer und das Mietobjekt deshalb mit einem Fehler behaftet sei, der eine Herabsetzung des Mietzinses auf diesen Betrag rechtfertige.
Die Beklagte behauptet hingegen, anläßlich der Besichtigung des Ladenlokals am 30. September 1997 hätten die Parteien den Mietzins mit 8.550 DM monatlich vereinbart, ohne daß über die Größe des Ladenlokals gesprochen worden sei. Die Mietfläche habe sie erst bei Abfassung des Vertrages anhand einer ihr vorliegenden Teilungserklärung mit 114 qm ermittelt.
In erster Instanz hatte sie zum einen die Ansicht vertreten, daß von einer Verkehrsfläche von 114 qm auszugehen sei, die bei der Bildung des Mietzinses ein wertbestimmender Faktor gewesen sei, und zum anderen vorgetragen, mit dem Kläger einen schriftlichen Mietvorvertrag geschlossen zu haben, in dem es unter anderem heißt:
„Der Laden hat eine Größe von ca. 114 m, davon sind an VK-Fläche ca. 100 qm nutzbar zu machen. Der Mietpreis beträgt pro qm 75,– DM × 114 qm ergibt einen Gesamtpreis von 8.550,– …”
Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das Oberlandesgericht dieses Urteil ab und traf die beantragte Feststellung mit der Begründung, die vermietete Fläche betrage lediglich 85,33 qm. Da die Größe des Ladenlokals ganz offenkundig als preisbestimmender Faktor eine entscheidende Rolle gespielt habe, sei das Mietobjekt fehlerhaft und ihm fehle eine zugesicherte Eigenschaft, was eine dem Feststellungsantrag entsprechende Mietminderung rechtfertige.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat von einer Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen und in den Entscheidungsgründen lediglich die vorstehend wiedergegebenen Feststellungen getroffen, ohne auf das Urteil des Landgerichts oder die Schriftsätze der Parteien Bezug zu nehmen. Es ist ersichtlich davon ausgegangen, die Sache sei im Hinblick auf den von ihm festgesetzten Wert der Beschwer nicht revisibel. Dieser Annahme ist der Boden entzogen, nachdem der Senat den Wert der Beschwer der Beklagten auf über 60.000 DM festgesetzt hat.
II.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Berufungsurteil grundsätzlich aufzuheben, wenn es keinen Tatbestand enthält, weil einem solchen Urteil in der Regel nicht entnommen werden kann, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, so daß diese einer abschließenden Überprüfung in der Revisionsinstanz nicht zugänglich ist (vgl. BGHZ 73, 248, 250 ff.; BGH, Urteile vom 25. April 1991 – I ZR 232/89 – NJW 1991, 3038 f. und vom 18. September 1986 – I ZR 179/84 – NJW 1987, 1200).
Von einer Aufhebung kann das Revisionsgericht nur absehen, wenn das Berufungsgericht nur über eine Rechtsfrage entschieden hat, deren Beantwortung die Feststellung eines konkreten Sachverhalts nicht voraussetzt, oder wenn sich der Sach- und Streitstand in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang aus den Entscheidungsgründen ergibt (vgl. BGH, Urteile vom 25. April 1991 und 18. September 1986 aaO). Beides ist hier nicht der Fall.
Entgegen der Ansicht der Revision läßt sich der angefochtenen Entscheidung zwar mit hinreichender Sicherheit entnehmen, welche Anträge die Parteien gestellt haben, da der Feststellungsantrag des Klägers in den Entscheidungsgründen sinngemäß wiedergegeben wird und dem Tenor der Entscheidung zu entnehmen ist, daß seine Berufung in vollem Umfang Erfolg hatte. Es bedarf daher auch keiner Entscheidung, ob es ausreicht, wenn das Revisionsgericht etwa verbleibende Zweifel anhand des Protokolls der mündlichen Verhandlung ausräumen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 – V ZR 128/88 – BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 5).
Zutreffend ist aber die Rüge der Revision, aus dem Berufungsurteil allein lasse sich kein vollständiges Bild vom Streitgegenstand gewinnen. Dieser sei zwar auszugsweise wiedergegeben; ob und inwieweit weiterer Sachvortrag zur Grundlage des angefochtenen Urteils gemacht worden sei, könne diesem aber nicht entnommen werden.
1. So kann bereits die von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht zuverlässig beurteilt werden, weil dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen ist, für welche Zeit der Mietvertrag geschlossen wurde und ob er bei Erhebung der Klage noch fortbestand. Nur in diesem Fall nämlich wäre das erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen, weil es dann – entgegen der Auffassung der Revision – vom Standpunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit aus gesehen keinen Sinn machen würde, den Kläger nur teilweise, nämlich nur hinsichtlich des bereits verstrichenen Zeitraums, auf eine Leistungsklage auf Rückzahlung überzahlter Mietzinsen zu verweisen und eine Feststellungsklage nur für die künftige Zeit zuzulassen. Besteht der Mietvertrag fort, ist die begehrte Feststellung zudem schon deshalb zulässig, weil sie einem Leistungsurteil nahezu gleichkommt, denn der Kläger könnte den in der Vergangenheit überzahlten Minderungsbetrag mit der laufenden Miete verrechnen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1985 – VIII ZR 142/84 – WM 1985, 1213, 1214 m. Anm. Wolf EWiR 1985, 811; Fischer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. VIII Rdn. 37, 38; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rdn. 272).
2. Soweit das Berufungsgericht in seinen Entscheidungsgründen von einer tatsächlich vermieteten Fläche von nur 85,33 qm ausgeht, läßt das Urteil nicht erkennen, ob dies unstreitig oder das Ergebnis einer durchgeführten Beweisaufnahme ist oder aus welchen Gründen sonst diese Feststellung ungeachtet möglicherweise streitigen Sachvortrags der Parteien gerechtfertigt ist, etwa als Ergebnis einer Auslegung der in § 1 in nicht widerspruchsfreier Weise verwendeten Begriffe VK-Fläche, Gesamtfläche und Netto-Nutzfläche. Die Revision rügt insoweit, die Beklagte habe ausdrücklich bestritten, daß die Gesamtfläche geringer als 114 qm sei; diese ergebe sich aus der Zusammenrechnung des Ladenlokals mit einer Fläche von 86 qm, zwei Kellern mit insgesamt 14 qm und einem 14 qm großen Flur. Ein dem Mietvertrag beigefügter Grundrißplan, der dem Kläger bei Abschluß des Vertrages vorgelegen habe, weise den Laden mit 67,5 qm und die Nebenflächen mit 46,5 qm aus. Das Berufungsurteil läßt diesen Streitstoff nicht erkennen und gibt insbesondere keinen Aufschluß darüber, auf welcher Grundlage die angenommene tatsächliche „Gesamtfläche” von 85,33 qm beruht.
3. Soweit die Revision geltend macht, der Mietvertrag sei nach § 139 BGB nichtig, weil er im Zusammenhang mit der formnichtigen Einräumung eines Vorkaufsrechts in einem Nachtragsvertrag vom 5. Oktober 1997 gestanden habe und ohne diesen nicht abgeschlossen worden wäre, bietet das angefochtene Urteil keine hinreichende Grundlage für die Beurteilung dieser Sachrüge. Es läßt nicht erkennen, ob das Gericht diesen Nachtragsvertrag bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt hat oder nicht.
4. Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht hätte den von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweis für die Behauptung erheben müssen, zunächst sei der Mietpreis mit 8.550 DM ausgehandelt worden; erst bei Vertragsschluß sei dann die Flächenangabe einer Teilungsurkunde entnommen und der im Mietvertrag genannte Preis von 75 DM durch Rückrechnung (8.550 DM geteilt durch 114 qm) ermittelt und in die Urkunde eingefügt worden. Auch dieser Vortrag und Beweisantritt ist aus dem Berufungsurteil nicht ersichtlich.
Dem Senat ist somit auch eine Entscheidung darüber verwehrt, ob das Berufungsgericht diesem Beweisantritt hätte nachgehen müssen, oder ob es davon absehen durfte, weil der Vortrag der Beklagten zu Verlauf und Inhalt der Vertragsverhandlungen nicht frei von Widersprüchen ist und jedenfalls die mathematische Wahrscheinlichkeit gering erscheint, daß ein ausgehandelter Mietzins von 8.550 DM bei Division durch eine erst später ermittelte Fläche einen „glatten” Betrag von 75 DM/qm ergibt. Hierfür bietet das Berufungsurteil aus den genannten Gründen mangels umfassender Darstellung des Sach- und Streitstandes keine ausreichende Entscheidungsgrundlage.
III.
Wegen der Gerichtskosten des Revisionsverfahrens macht der Senat von § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch (§ 8 Abs. 2 Satz 1 GKG, vgl. Senatsurteile vom 1. Oktober 1986 – IVb ZR 76/85 – und vom 12. Mai 1993 – XII ZR 174/92 – BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 2 und 10).
Unterschriften
Hahne, Sprick, Weber-Monecke, Bundesrichter Prof. Dr. Wagenitz ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne, Fuchs
Fundstellen