Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf Feststellung über die Berechtigung einer Pflichtteilsentziehung eines Sohnes
Leitsatz (amtlich)
Nach dem Tod des Erblassers besteht für eine von diesem gegen den Pflichtteilsberechtigten erhobene und von seinem Erben weiterverfolgte Klage auf Feststellung, daß der Erblasser zur Pflichtteilsentziehung berechtigt sei, das notwendige Feststellungsinteresse nicht.
Normenkette
ZPO § 256; BGB § 2336
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 11. Juni 1987 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage unzulässig ist.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Der frühere Kläger hatte die Feststellung begehrt, daß er berechtigt sei, dem Beklagten, seinem Sohn aus erster Ehe, den Pflichtteil zu entziehen. Nach Abweisung der Klage und erfolgloser Berufung hatte er mit der zugelassenen Revision sein Feststellungsbegehren weiterverfolgt.
Im Laufe des Revisionsverfahrens ist er verstorben. Seine zweite Ehefrau hat sich durch Erbschein als seine Alleinerbin ausgewiesen und den Rechtsstreit aufgenommen.
Der Beklagte meint unter Bezugnahme auf das Testament des früheren Klägers, dessen Inhalt auch in der Revisionsinstanz berücksichtigt werden könne, der frühere Kläger habe ihm den Pflichtteil nicht entzogen. Die Klägerin erwidert, die notwendige Testamentsauslegung könne nur der Tatrichter vornehmen; sie ergebe die Pflichtteilsentziehung. Nachdem durch gerichtlichen Hinweis das Feststellungsinteresse in Frage gestellt worden ist, haben die Parteien dazu unterschiedliche Rechtsansichten vertreten.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, daß der frühere Kläger berechtigt war, dem Beklagten den Pflichtteil zu entziehen.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann keinen Erfolg haben. Sie muß mit der Maßgabe zurückgewiesen werden, daß die Klage unzulässig ist. Für das von der jetzigen Klägerin weiterverfolgte Feststellungsbegehren besteht nach dem Tod des früheren Klägers das notwendige Feststellungsinteresse nicht.
Das besondere Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist Sachurteilsvoraussetzung. Deshalb ist es in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen (RGZ 73, 82, 85; 151, 65, 66; BGHZ 18, 98, 105f; BGH, Urteil vom 22. März 1983 - VI ZR 13/81 - LM ZPO § 256 Nr. 125 unter II 2). Entscheidend ist dabei, ob der im Zeitpunkt der Prüfung die Feststellung begehrende Kläger dieses Interesse hat. Ist dieser Kläger erst im Laufe des Rechtsstreits als Erbe in die Position des Erblassers und früheren Klägers eingerückt, dann bleibt das etwaige frühere Interesse des Erblassers unberücksichtigt. Demgemäß braucht nicht entschieden zu werden, ob - was das Berufungsgericht bejaht, die Revisionserwiderung aber verneint - das Interesse eines älteren Menschen, hinsichtlich der Erbfolge nach ihm Gewißheit zu haben, ausreichend sein müsse, so daß der frühere Kläger schon allein deshalb ein rechtliches Interesse an der von ihm begehrten Feststellung hatte. Vielmehr kommt es auf die Rechtsstellung der jetzigen Klägerin, also der Erbin an.
Für das Pflichtteilsentziehungsrecht ist der Erbe in einer anderen Position als der Erblasser. Dem Erblasser steht dieses Gestaltungsrecht zur Ausübung zu. Übt er es trotz Vorliegens seiner Voraussetzungen nicht aus, dann erlischt dieses Recht spätestens mit seinem Tod. Der Erbe kann die insoweit bestehende Gestaltungsmacht des Erblassers rechtlich grundsätzlich nicht beeinflussen. Ob der Erblasser von der Möglichkeit, den dem Erben verbleibenden Nachlaß durch Pflichtteilsentziehung zu vergrößern, Gebrauch gemacht hat oder nicht, muß der Erbe ebenso hinnehmen wie die Entscheidung des uneingeschränkt Pflichtteilsberechtigten, den Pflichtteil zu fordern oder nicht.
Demgemäß kommt es für denjenigen, der in der Position des Erben ist, entscheidend darauf an, ob der Erblasser das Gestaltungsrecht tatsächlich ausgeübt hat. Das rechtliche Interesse des Erben ist in einem solchen Fall darauf beschränkt, die Feststellung zu erlangen, daß der Erblasser wirksam vom Entziehungsrecht Gebrauch gemacht hat. Für eine solche Feststellung muß geklärt sein, daß in der letztwilligen Verfügung des Erblassers der Pflichtteil entzogen worden ist, daß weiter der vom Gesetz als Voraussetzung geforderte Grund dafür im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestand, daß dieser Grund im Testament konkret genug und formgerecht (BGHZ 94, 36) angegeben ist und zur Zeit des Erbfalles noch besteht. Solange nicht feststeht, daß der Erblasser eine entsprechende letztwillige Verfügung überhaupt wirksam errichtet hat, ist für die Rechtsbeziehungen des Erben zum Pflichtteilsberechtigten ohne Bedeutung, ob die Voraussetzungen einer Pflichtteilsentziehung zu Lebzeiten des Erblassers vorgelegen haben oder nicht.
Danach ist das Rechtsverhältnis, um dessen Feststellung es der Klägerin nach dem Erlöschen des Rechtes des Erblassers mit dessen Tod nur gehen kann, das Bestehen oder das Nichtbestehen eines Pflichtteilsanspruchs des Beklagten. Dieses Rechtsverhältnis war nicht Gegenstand der Klage. Im Revisionsverfahren kann es nicht mehr Klagegegenstand werden.
Die Klägerin ist auf die Möglichkeit, wegen des Todes des früheren Klägers die Hauptsache für erledigt zu erklären (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. März 1982 - III ZR 171/80 - LM ZPO § 256 Nr. 121 = WM 1982, 619), wiederholt hingewiesen worden. Da sie diese Möglichkeit nicht gewählt hat, unterliegt ihr Begehren der Prozeßabweisung.
Unterschriften
Rottmüller
Dr. Lang
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Dr. Zopfs
Fundstellen
Haufe-Index 1456228 |
KTS 1990, 91 |