Verfahrensgang
LG Augsburg (Urteil vom 12.01.2005) |
Tenor
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 12. Januar 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Angeklagte S. wurde wegen Totschlags an A. U. zu zeitiger Freiheitsstrafe verurteilt. A. U. war Ehefrau des Angeklagten U., mit dem die Angeklagte S. ein Verhältnis hatte. Der Angeklagte U. wurde vom Vorwurf der Anstiftung zur Tat der Angeklagten S. freigesprochen.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers. Sie erstreben eine Verurteilung der Angeklagten S. wegen Mordes und eine Verurteilung des Angeklagten U. wegen Anstiftung hierzu.
Die auch vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Zur Angeklagten S.:
1. Die Strafkammer hat zum Tatgeschehen festgestellt:
Die Angeklagte suchte A. U. in deren Wohnung in der Schweiz auf. Sie führte dabei zwei Messer und zwei Flaschen Sekt mit sich. Sie übergab der ahnungslosen A. U. eine Sektflasche als Geschenk. A. U. kochte Kaffee und stellte Kuchen auf den Tisch und entfernte sich dann kurz. Zum weiteren Geschehensverlauf hat die Strafkammer festgestellt: „Als A. U. …- die Tür … zumachte, trat die Angeklagte … an sie heran und packte sie am Hals. Zugunsten der Angeklagten ist davon auszugehen, dass sie A. U. nicht mehr – wie an sich beabsichtigt – von hinten, sondern von vorn erwischte und ihren Angriff mit den Worten ‚Geli, es ist soweit’ einleitete …. A. U., die … über erhebliche Körperkräfte verfügte, leistete heftige Gegenwehr.… Der … größeren Angeklagten … gelang es … dennoch, A. U. im Würgegriff ins Wohnzimmer zu ziehen und dort zu Fall zu bringen. Sodann griff sie die … Sektflasche und versetzte A. … U. damit … Schläge auf Kopf und Schulter. Anschließend versetzte sie A. U. mittels des … Küchenmessers einen Stich ins Herz ….”.
Heimtücke i. S. d. § 211 StGB lehnt die Strafkammer ab. Im Hinblick auf die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die Angeklagte ihren Angriff auf A. U. ihren Würgegriff von vorne und mit den Worten „Geli, es ist soweit”, einleitetet, sei Heimtücke aus Rechtsgründen zu verneinen.
2. Diese Erwägung hält, wie auch der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des Opfers eines Tötungsdelikts kann auch dann bestehen, wenn der Täter ihm zwar offen entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; Senatsurteil vom 20. Juli 2004 – 1 StR 145/04). Maßgeblich ist die Situation zum Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs. Dass die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers nachfolgend durch den Angriff beseitigt werden und das Opfer sich (noch) gegen den Täter wehrt, ändert nichts daran, dass zu Beginn des Angriffs Heimtücke gegeben sein kann, weil effektive Abwehrmittel zunächst nicht zur Verfügung standen (vgl. Lackner/Kühl StGB 25. Aufl. § 211 Rdn. 8).
Es liegt nahe, dass es sich hier so verhält, jedenfalls wäre dies zu erörtern gewesen: Der erste Angriff war der völlig überraschende Würgeangriff, als A. U. die Tür schloss. Es versteht sich angesichts der Körperkräfte der Geschädigten und dem selbst in verzweifelter Lage von ihr noch geleisteten heftigen Widerstand zumindest nicht von selbst, dass die Angeklagte bei offenem feindseligen Verhalten den Hals der Geschädigten erreicht hätte. Der Würgegriff war aber die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Angeklagte ihr Opfer letztlich zu Fall bringen und ihr die tödlichen Schläge bzw. Stiche versetzen konnte.
Gründe, die gegen die Annahme sprechen könnten, die Angeklagte sei sich der Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit der Geschädigten nicht bewusst gewesen, sind nicht erkennbar (vgl. auch Senatsurteil vom 31. Mai 2005 – 1 StR 290/04)
Der von der Strafkammer für möglich gehaltene Ausspruch „Geli, jetzt ist es soweit” kann an alledem nichts ändern, da er ersichtlich unmittelbar mit dem Würgeangriff zusammenfiel und daher keine Warnwirkung entfalten konnte.
Entscheidungsgründe
II.
Zum Angeklagten U.:
Nach den Feststellungen der Strafkammer hat der Angeklagte U. der Angeklagten S. für den Fall des Todes seiner Frau gemeinsame Lebensperspektiven in Aussicht gestellt und dies mit einzelnen Äußerungen untermauert. So hat er etwa im Zusammenhang mit einer von seiner Frau unternommenen Schlittenfahrt zur Angeklagten S. gesagt: „Wenn sie abstürzen würde, könntest Du bei mir einziehen”. Auf eine Äußerung der Angeklagten S., sie wolle A. U. „am liebsten den Hals umdrehen” erwiderte er: „Wieso? Mach's doch! Vielleicht können wir dann zusammenkommen wir zwei. Brauchst es nur mal machen”. Diese und zahlreiche inhaltlich identische weitere Gespräche bewertet die Strafkammer dahin, dass sie geeignet waren, die Angeklagte „tatbereit zu machen”. „Über derartige Gespräche hinaus” sei jedoch nicht festzustellen, dass „Einzelheiten der Tatausführung so weit besprochen wurden, wie dies bei der Persönlichkeit der Angeklagten S. erforderlich war”. Wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, reicht es für die Annahme einer Anstiftung i. S. d. § 26 StGB aus, wenn die von ihm an den Täter gerichteten Aufforderungen zur Tatbegehung die Tat im Kern kennzeichnen und für den Tatentschluss mitursächlich waren. Eines alle Einzelheiten der Tatausführung festlegenden Tatplans bedurfte es dagegen auch hier nicht.
Unterschriften
Nack, Wahl, Boetticher, Hebenstreit, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2556077 |
NStZ 2006, 96 |
NStZ-RR 2006, 10 |
RÜ 2005, 650 |
StraFo 2006, 34 |