Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Nutzungsentschädigung wegen entgangenem Wohngenuß durch Aufgabe der Eigennutzung wegen falscher steuerlicher Beratung
Leitsatz (amtlich)
Gibt der Eigentümer eines aufwendig errichteten Wohnhauses dessen Eigennutzung wegen der damit verbundenen steuerlichen Belastungen auf, kann er von demjenigen, der ihm wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung ersatzpflichtig ist, keine Nutzungsentschädigung wegen entgangenen Wohngenusses verlangen.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 675; StBerG § 33
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 14.10.1992; Aktenzeichen 3 U 269/91) |
LG Hannover (Urteil vom 10.09.1991; Aktenzeichen 15 O 105/90) |
Tatbestand
Der Kläger hat in den Jahren 1983/84 ein Zweifamilienhaus zur eigenen Nutzung errichtet; die Herstellungskosten beliefen sich auf 1.126.179 DM. Wegen dieser hohen Bausumme brachte die Finanzbehörde bei der Berechnung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Haus (§ 21 Abs. 2 EStG) nicht die Marktmiete, sondern die wesentlich höhere Kostenmiete in Ansatz. Am 15. Dezember 1988 zog der Kläger aus dem Haus aus; seither ist es an einen Dritten vermietet.
Die beklagte Steuerberatungsgesellschaft hat den Kläger über die einkommensteuerliche Behandlung eines selbst genutzten sogenannten aufwendigen Zweifamilienhauses nicht belehrt. Der Kläger hat deshalb die Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihm die steuerlichen Mehrbelastungen, die durch den Ansatz der Kostenmiete entstehen, sowie die Kosten des Rechtsbehelfsverfahrens zu ersetzen hat, mit dem der Kläger erreichen will, daß das Haus nach den Grundsätzen der Marktmiete besteuert wird. In diesen Punkten ist das Berufungsurteil, das der Klage stattgegeben hat, durch Nichtannahme der Revision rechtskräftig geworden. Der Kläger hat darüber hinaus beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm die Schäden zu ersetzen, die ihm seit dem 15. Dezember 1988 dadurch erwachsen sind und noch erwachsen, daß die Mieteinnahmen aus dem fremdvermieteten Zweifamilienhaus H.-K., A.-weg, die Aufwendungen nicht decken.
Demgegenüber hat das Berufungsgericht die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, dem Kläger die Schäden zu ersetzen, die ihm seit dem genannten Zeitpunkt dadurch entstanden sind und noch entstehen, daß er die Eigennutzung dieses Hauses aufgegeben hat, und den weitergehenden Antrag abgewiesen. Die Revision des Beklagten begehrt die Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils erster Instanz.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; sie führt in dem vom Senat angenommenen Umfang zur Klageabweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Kläger stehe als Schadensersatz nicht die Differenz zwischen seinen Aufwendungen für das Haus und den Mieteinnahmen zu; denn dabei handele es sich nicht um einen durch die Unterlassung der gebotenen Beratung kausal verursachten Schaden. Der Kläger könne nicht erwarten, daß die Beklagte ihm auf Dauer den Unterschiedsbetrag zwischen Mieteinnahmen und den Hausaufwendungen ersetze. Vielmehr sei als Schaden erstattungsfähig nur das, was der Kläger im Zusammenhang mit der Aufgabe der Eigennutzung des Hauses habe aufwenden müssen – insoweit seien zumindest Umzugskosten angefallen – und was er an „Wohngenuß” möglicherweise infolge der Beendigung der Eigennutzung entbehre. Der Feststellungsantrag sei in dem Sinne auszulegen, daß der Kläger mindestens die Erstattung dieser Kosten wünsche.
II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat der Feststellungsklage in dem von ihm zuerkannten Umfang zu Unrecht stattgegeben.
1. Wie die Revision zu Recht rügt, verletzt das Berufungsurteil § 308 ZPO, soweit es die Verpflichtung zur Zahlung der infolge des Umzugs erwachsenen Aufwendungen, insbesondere der Umzugskosten, betrifft; denn der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen ein solches Begehren nicht gestellt.
Der Klageantrag ist vom Revisionsgericht uneingeschränkt selbst auszulegen, ohne Bindung an die vom Tatrichter vertretene Auffassung. Der Feststellungsantrag zu 3) betrifft seinem eindeutigen Wortlaut nach ausschließlich den Unterschiedsbetrag zwischen den Mieteinnahmen des Klägers und den ihm für das Haus entstandenen Aufwendungen. Auch die Begründung des Begehrens beschränkt sich auf diesen Punkt. Die Schriftsätze liefern nicht den geringsten Hinweis dafür, daß der Kläger jedenfalls hilfsweise die Umzugsaufwendungen erstattet haben wollte. Ein solcher Anspruch ist auch nicht als ein Weniger in dem gestellten Antrag enthalten. Das wird daraus deutlich, daß der Kläger diese Kosten selbst dann, wenn dem Feststellungsantrag in vollem Umfang stattgegeben worden wäre, noch gesondert geltend machen könnte. Der Anspruch würde von der Rechtskraft einer Entscheidung, die dem in diesem Rechtsstreit gestellten Feststellungsantrag entspräche, nicht erfaßt, weil es sich um einen gesonderten Streitgegenstand handelt.
2. Dagegen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, einen Ausgleich für den Verlust von „Wohngenuß” als in dem Feststellungsantrag enthaltenes Begehren anzusehen; denn dabei geht es ebenfalls um einen Nachteil, der nur besteht, solange der Kläger das Haus nicht selbst bewohnt. Indessen scheidet ein Ersatzanspruch, wie ihn das Berufungsgericht in Erwägung zieht, im Streitfall aus.
Der Kläger kann keinen Geldersatz allein dafür verlangen, daß er seit dem Auszug aus dem Haus dessen Komfort nicht mehr genießen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein Entschädigungsanspruch für entgangene Nutzung einer Sache nur dann in Betracht, wenn diese objektiv nicht nutzbar oder in ihrer Verwendungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt ist (BGHZ 55, 146, 150; 65, 170, 173; 98, 212; 117, 260; BGH, Urt. v. 31. Oktober 1986 – V ZR 140/85, NJW 1987, 771). Das Haus selbst ist in seiner Bewohnbarkeit nicht beeinträchtigt. Der Kläger hat vielmehr allein aus finanziellen Erwägungen dessen Nutzungsform geändert, indem er ausgezogen ist und das Haus weitervermietet hat. Selbst dann, wenn der Eigentümer sich aus dringenden wirtschaftlichen Gründen veranlaßt sieht, die Selbstnutzung der eigenen Sache aufzugeben und sie einer anderen Verwendung zuzuführen, kann das allein keinen Ersatzanspruch begründen, solange dem Eigentümer eine sinnvolle Verwendung der Sache weiterhin möglich ist.
Das Urteil BGHZ 88, 11 enthält – entgegen der Ansicht von Gretzinger (DStR 1993, 340) – ebenfalls keine Aussage, die hier die Gewährung von Nutzungsentschädigung zu rechtfertigen vermöchte. In dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Verkäufer das schon zu Eigentum erworbene Fahrzeug nicht sofort zum Verkehr zulassen können, weil der Kraftfahrzeugbrief fehlte. Dort stand der Nutzung ein rechtliches Hindernis entgegen, das sich für den Eigentümer ebenso auswirkte wie der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit infolge einer Beschädigung der Sache. Dem Kläger wäre es dagegen möglich gewesen, sein Haus weiterhin selbst zu bewohnen. Das hätte ihm lediglich Kosten verursacht, die er nicht mehr aufzubringen bereit war. In einem solchen Fall kann daher ein eventueller Schaden schon im Ansatz nur durch Gegenüberstellung der Kosten und der Einnahmen (inklusive Wertsteigerung) für das Haus geltend gemacht werden. Ob ein solcher Anspruch begründet wäre, braucht der Senat indes nicht zu entscheiden, weil der Kläger keine Anschlußrevision eingelegt hat.
III.
Da ein Anspruch, wie ihn das Berufungsgericht gewähren will, nicht besteht, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Eine Zurückverweisung, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, nunmehr Ersatz seiner Umzugskosten zu beantragen, kommt nicht in Betracht. Das Vorbringen des Klägers in den Tatsacheninstanzen bot keinen Anhaltspunkt dafür, daß er einen solchen Anspruch zumindest hilfsweise geltend machen wollte. Das Berufungsgericht war daher nicht nach §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO gehalten, ihn auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Infolgedessen ist hinsichtlich des Feststellungsantrags Ziffer 3 das klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
Fundstellen
BB 1994, 171 |
NJW 1994, 442 |