Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsvollstrecker. Rechtsberatung. Bankenwerbung
Leitsatz (amtlich)
Da die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ist, kann eine Bank, ohne gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG zu verstoßen, für die Übernahme von Testamentsvollstreckungen werben.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; RBerG Art. 1 § 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 5.7.2001 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Krefeld v. 28.12.2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind Rechtsanwälte mit Kanzleisitz in K.. Die Beklagte ist eine bundesweit tätige Bank, die eine Filiale in K. unterhält. Sie wirbt im Internet unter dem Stichwort "Nachlassmanagement" darum, mit Testamentsvollstreckungen betraut zu werden.
Die Kläger sehen darin einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz und haben die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie haben zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,
a) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für die Durchführung von Testamentsvollstreckungen zu werben,
b) insb. wie folgt zu werben: "Für diese verantwortungsvolle Tätigkeit (des Testamentsvollstreckers) können Sie jede natürliche oder juristische Person benennen. Also auch die C. bank - und vieles spricht dafür."
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie sieht in der Tätigkeit der Testamentsvollstreckung in erster Linie keine Rechtsberatung i.S.d. Rechtsberatungsgesetzes. Sie ist weiter der Ansicht, es lägen zumindest die Voraussetzungen der im Rechtsberatungsgesetz vorgesehenen Ausnahmen vor, nach denen sie die Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers ausüben dürfe.
Das LG hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist mit den zuletzt gestellten Unterlassungsanträgen erfolglos geblieben (OLG Düsseldorf v. 5.7.2001 - 20 U 20/01, OLGReport Düsseldorf 2001, 493 = NJW-RR 2002, 566).
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Kläger haben beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG (a.F.) i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG als begründet angesehen und hierzu ausgeführt:
Die Kläger seien zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG (a.F.) klagebefugt. Sie böten Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt an. Die Voraussetzungen eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens der Kläger i.S.v. § 13 Abs. 5 UWG (a.F.) lägen trotz umfangreicher Abmahntätigkeit nicht vor.
Beanstandet werde von den Klägern nur die Testamentsvollstreckung in den Fällen, die sich nach deutschem Recht richteten und in denen die Beklagte nicht vom Nachlassgericht als Testamentsvollstrecker ernannt worden sei.
Die Beklagte verfüge als Bank nicht über die für die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erforderliche Erlaubnis. Die Werbung der Beklagten sei daher unlauter i.S.d. § 1 UWG (a.F.). Die geschäftsmäßige Testamentsvollstreckung sei eine nach dem Rechtsberatungsgesetz erlaubnispflichtige Tätigkeit. Sie sei darauf gerichtet und geeignet, konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Bei der Beurteilung, ob es sich bei dem beanstandeten Verhalten um eine Rechtsbesorgung oder um ein von anderen Dienstleistern ohne Beeinträchtigung der Qualität der Leistung oder der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege zu erfüllende Tätigkeit handele, sei festzustellen, dass die Testamentsvollstreckung erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung sei. Aufgabe des Testamentsvollstreckers sei die Einziehung von Nachlassforderungen, die Klärung und Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten und - jedenfalls im Falle der Abwicklungsvollstreckung - die Ausführung der Abwicklung und Auseinandersetzung des Nachlasses. Unter anderem wegen der komplizierten und streitanfälligen Regelungen über die Anrechnung von Vorempfängen und wegen der Vorschriften über die Art der Teilung und der rechtlichen Modalitäten bedürfe es hierfür rechtlicher Kenntnisse.
Die Tätigkeit der Beklagten falle nicht unter die Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 3 Nr. 6 RBerG. Ein nicht vom Nachlassgericht ernannter Testamentsvollstrecker sei keine "Sonstige für ähnliche Aufgaben behördlich eingesetzte Person" im Sinne dieser Vorschrift. Die von der Beklagten angebotene Testamentsvollstreckung könne im Fall einer Abwicklungsvollstreckung auch nicht durch Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG gerechtfertigt werden, weil sie maßgeblich rechtlich geprägt sei und die Tätigkeit nicht der Vermögensverwaltung, sondern ihrer Beendigung diene. Da die Werbung der Beklagten für die Übernahme von Testamentsvollstreckungen umfassend zu verstehen sei und sie daher auch für den Fall werbe, dass eine Abwicklungsvollstreckung in Rede stehe, bedürfe es insoweit keiner Einschränkung. Einer Untersagung der Übernahme von Testamentsvollstreckungen durch die Beklagte nach Art. 1 § 1 RBerG stünden verfassungsrechtliche Belange nicht entgegen.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG zu. Die Werbung der Beklagten für die Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers stellt kein Angebot einer Rechtsberatung dar, die eine behördliche Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG erfordert.
1. Die Beurteilung des mit dem Klageantrag geltend gemachten Unterlassungsanspruchs richtet sich nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.2004 - I ZR 90/01, CR 2004, 709 = MDR 2004, 1013 = BGHReport 2004, 713 = GRUR 2004, 522 [523] = WRP 2004, 608 - Zeitschriftenabonnement im Internet; Urt. v. 11.3.2004 - I ZR 304/01, MDR 2004, 1369 = BGHReport 2004, 1508 = CR 2004, 763 = GRUR 2004, 860 [862] = WRP 2004, 1287 - Internet-Versteigerung). Es sind daher die Bestimmungen des gem. § 22 S. 1 am 8.7.2004 in Kraft getretenen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) v. 3.7.2004 (BGBl. I, 1414) anzuwenden. Allerdings kann ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch nur bestehen, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war.
2. Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt derjenige unlauter i.S.d. § 3 UWG, der einer gesetzlichen Bestimmung zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Zu den Vorschriften, die im Interesse der Marktteilnehmer, insb. der Verbraucher, auch das Verhalten von Unternehmen bestimmen, zählt Art. 1 § 1 RBerG (vgl. zu § 1 UWG a.F.: BGH, Urt. v. 13.3.2003 - I ZR 143/00, BGHReport 2003, 1086 = GRUR 2003, 886 [889] = WRP 2003, 1103 - Erbenermittler; Urt. v. 20.11.2003 - I ZR 104/01, MDR 2004, 823 = BGHReport 2004, 388 = GRUR 2004, 253 [254] = WRP 2004, 487 - Rechtsberatung durch Automobilclub; zu § 4 Nr. 11 UWG: Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 4 Rz. 11.63; Harte/Henning/v. Jagow, UWG, § 4 Nr. 11 Rz. 115; Ullmann, GRUR 2003, 817 [824], jeweils m.w.N.). Unerheblich ist, dass Art. 1 § 1 RBerG, der eine Erlaubnispflicht für eine geschäftsmäßige Rechtsberatung vorsieht, auch über den Marktzutritt bestimmt. Dadurch wird der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 11 UWG nicht ausgeschlossen, weil auch Marktzutrittsregelungen eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion haben können; insb. können sie dem Verbraucherschutz dienen (vgl. Begründung zum RegE BT-Drucks. 15/1487, 19; Ullmann, GRUR 2003, 817 [824]; Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 4 Rz. 11.63; vgl. auch zu § 1 UWG a.F.: BGH v. 25.4.2002 - I ZR 250/00, BGHZ 150, 343 [348] = BGHReport 2002, 641 - Elektroarbeiten).
3. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts stellt die von der Beklagten angebotene Tätigkeit des Testamentsvollstreckers keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten dar.
a) Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist. Ob die Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers grundsätzlich eine erlaubnispflichtige Tätigkeit nach Art. 1 § 1 RBerG darstellt, ist umstritten (bejahend: OLG Karlsruhe v. 27.5.1993 - 4 U 303/92, NJW-RR 1994, 236 [237]; OLG Düsseldorf v. 30.5.2000 - 20 U 41/00, OLGReport Düsseldorf 2001, 398 = NJW-RR 2002, 280 f.; OLG Hamm v. 23.5.2002 - 4 U 19/02, NJW-RR 2002, 1286; Schaub, MittBayNot 2001, 90 f.; Stracke, ZEV 2001, 250; Stracke, Die geschäftsmäßige Rechtsberatung durch Testamentsvollstrecker, 1999, S. 248 f.; Bonefeld, ZERB 2000, 171 [172]; Henssler, ZEV 1994, 261 [262]; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Bd. 3, RBerG R 55, Art. 1 § 5 Rz. 17, 38; Chemnitz/Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Aufl., Art. 1 § 3 Rz. 435, § 5 Rz. 561; Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., Art. 1 § 3 Rz. 49; Weth in Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 2. Aufl., Art. 1 § 3 RBerG Rz. 41-43; Staudinger/Reimann, BGB, 2003, § 2197 Rz. 65 f.; im Falle der Ernennung von Banken als Testamentsvollstrecker: Schaub, FamRZ 1995, 845 [846]; Leverenz, ZBB 1995, 156 [159]; a.A.: Vortmann, WM 1995, 1745 [1746]; Vortmann, WuB, VIII D, Art. 1 § 1 RBerG 4.02; Kleine-Cosack, BB 2000, 2109 ff.; Kleine-Cosack, EWiR 2000, 979 f.; Watrin, DStR 2002, 422 [424]). Teilweise wird in der Literatur nach dem Umfang und dem Schwerpunkt der Tätigkeit im Einzelfall differenziert (Zimmermann in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 2197 Rz. 9; Bamberger/Roth/Mayer, BGB, § 2197 Rz. 30; Sandkühler, DNotZ 2001, 645 [646]). Zum Teil wird die Testamentsvollstreckung von Steuerberatern oder Banken auch nach Art. 1 § 3 Nr. 6 oder § 5 Nr. 2 oder Nr. 3 RBerG als zulässig angesehen (OLG Karlsruhe v. 20.2.1992 - 1 HO 93/91, AnwBl. 1992, 333; LG Krefeld DStRE 2000, 615, 616; LG Detmold v. 21.8.2001 - 3 T 245/01, WM 2001, 2441 [2442]; Lang, NJW 1999, 2332 [2333]; Bamberger/Roth/Mayer, BGB, § 2197 Rz. 30; Grunewald, ZEV 2000, 460; Streck, DStR 1991, 592 [594]; Best, DStR 2000, 2000 [2001]; Bork, WM 1995, 225 [226 ff.]; Zeller, WuB, VIII D, Art. 1 § 3 RBerG 1.94; für eine analoge Anwendung des Art. 1 § 3 Nr. 6: Leverenz, ZBB 1995, 156 [165 ff.]).
b) Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S.d. Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Dabei ist zur Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Es ist daher zu fragen, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht (BGH, Urt. v. 6.12.2001 - I ZR 101/99, BGHReport 2002, 695 = MDR 2002, 1204 = GRUR 2002, 993 [995] = WRP 2002, 970 - Wie bitte?!; v. 13.3.2003 - I ZR 143/00, BGHReport 2003, 1086 = GRUR 2003, 886 [887] - Erbenermittler). Davon ist im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch bei der Beurteilung der Frage, ob der Schwerpunkt der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers auf rechtlichem oder wirtschaftlichem Gebiet liegt, die mit der Testamentsvollstreckung verbundene Verwirklichung und Gestaltung der konkreten Rechtsverhältnisse zu sehr in den Vordergrund gestellt und der wirtschaftlichen Seite der Testamentsvollstreckung zu wenig Bedeutung beigemessen.
aa) Ein Testamentsvollstrecker hat nach § 2203 BGB die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen. Er hat den Nachlass zu verwalten und ist berechtigt, ihn in Besitz zu nehmen und über Nachlassgegenstände zu verfügen (§ 2205 BGB) sowie Forderungen einzuziehen. Wenn mehrere Erben vorhanden sind, hat er die Auseinandersetzung nach näherer Maßgabe des § 2204 BGB zu bewirken. Seine Aufgaben können sich auf den gesamten Nachlass, auf einen einzelnen Nachlassgegenstand oder ein Vermächtnis beziehen (vgl. BGHZ 13, 203 [205 f.], m.w.N.). Die Testamentsvollstreckung kann auf eine Abwicklungsvollstreckung, eine Verwaltungsvollstreckung (§ 2209 S. 1 Halbs. 1 BGB) oder eine Dauervollstreckung (§ 2209 S. 1 Halbs. 2 BGB) gerichtet sein. Der Testamentsvollstrecker kann beschränkt oder unbeschränkt zur Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass berechtigt sein (§§ 2206 ff. BGB). Auch das Recht zur Prozessführung steht ihm nach §§ 2212, 2213 BGB zu.
Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers kann, braucht aber nicht auf rechtlichem Gebiet zu liegen. Er kann in wesentlichem Umfang auch nur einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, wenn er den Nachlass in Besitz nimmt, die zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten bewertet und Verbindlichkeiten erfüllt sowie Nachlassgegenstände veräußert. Entsprechendes gilt für die Verwaltung des Nachlasses im Falle der Dauer- oder Verwaltungsvollstreckung und die Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Miterben.
bb) Die Frage, ob die Testamentsvollstreckung allgemein eine nach Art. 1 § 1 RBerG erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ist, hängt jedoch nicht vom jeweiligen Einzelfall ab. Für die Einstufung als erlaubnispflichtige Rechtsberatung kann angesichts dessen, dass nahezu alle Lebensbereiche rechtlich durchdrungen sind und eine wirtschaftliche Betätigung kaum ohne rechtsgeschäftliches Handeln möglich ist oder ohne rechtliche Wirkung bleibt, nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Verhaltens abgestellt werden. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit des Einzelnen, der geschäftsmäßig die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers ausüben will, ist vielmehr eine abwägende Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach erforderlich, ob es sich bei ihm um eine Rechtsbesorgung oder um eine Tätigkeit handelt, die ohne Beeinträchtigung ihrer Qualität und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege auch von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann. Dabei sind die öffentlichen Belange (Sicherung der Qualität der Dienstleistung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege), die den Erlaubnisvorbehalt des Rechtsberatungsgesetzes rechtfertigen, gegen die Berufsfreiheit desjenigen abzuwägen, dem wegen des Fehlens einer entsprechenden Erlaubnis die Vornahme bestimmter Handlungen untersagt werden soll (BVerfG v. 27.9.2002 - 1 BvR 2251/01, MDR 2003, 297 = WRP 2002, 1423 [1425]; BGH v. 6.12.2001 - I ZR 101/99, BGHReport 2002, 695 = MDR 2002, 1204 = GRUR 2002, 993 [995] - Wie bitte?!; v. 13.3.2003 - I ZR 143/00, BGHReport 2003, 1086 = GRUR 2003, 886 [887] - Erbenermittler). In diesem Zusammenhang ist insb. von Bedeutung, ob der Auftraggeber im Rahmen der Geschäftsbesorgung eine besondere rechtliche Prüfung des Inhalts des Geschäfts oder der mit diesen verbundenen Risiken ausdrücklich wünscht oder zumindest erkennbar erwartet. Die entsprechende Erwartung richtet sich im Zweifel nach der Person und der Qualifikation des Geschäftsbesorgers, nach den verkehrstypischen Gepflogenheiten und nach den objektiven Maßstäben des jeweiligen Geschäfts (BGH, Urt. v. 30.3.2000 - I ZR 289/97, MDR 2000, 1447 = GRUR 2000, 729 [730] = WRP 2000, 727 - Sachverständigenbeauftragung, m.w.N.).
cc) Diese Abwägung führt zu einer grundsätzlichen Freiheit der geschäftsmäßigen Übernahme einer Testamentsvollstreckung vom Erlaubnisvorbehalt nach Art. 1 § 1 RBerG.
Die erbrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sehen eine besondere Qualifikation für das Amt des Testamentsvollstreckers nicht vor. Nur im Fall der Geschäftsunfähigkeit oder beschränkten Geschäftsfähigkeit ist die Ernennung des Testamentsvollstreckers unwirksam (§ 2201 BGB). Eine Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers kann nach § 2227 BGB nur auf Antrag eines Beteiligten erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Im Übrigen nimmt der Erblasser die Auswahl des Testamentsvollstreckers häufig nicht im Hinblick auf dessen rechtliche Kenntnisse, sondern auf Grund eines besonderen Vertrauensverhältnisses zum Testamentsvollstrecker oder auf Grund von Kenntnissen und Fähigkeiten des Testamentsvollstreckers vor, die etwa auf wirtschaftlichem Gebiet liegen. Diese Fähigkeiten und Kenntnisse können bei der Durchsetzung des Willens des Erblassers im Vordergrund stehen und die von dem Testamentsvollstrecker erwartete Dienstleistung in erster Linie bestimmen, so dass es jedenfalls nicht maßgeblich auf die rechtliche Qualifikation des Testamentsvollstreckers ankommt. Wird gleichwohl die Beurteilung rechtlicher Fragen im Rahmen der Testamentsvollstreckung, insb. bei der Abwicklungsvollstreckung, erforderlich, kann und muss der Testamentsvollstrecker - wie dies der Erblasser auch erwarten wird - seinerseits Rechtsrat einholen. Eine mögliche Belastung des Nachlasses mit zusätzlichen Kosten für die Einholung von Rechtsrat durch einen nicht rechtskundigen Testamentsvollstrecker ist die für den Erblasser vorhersehbare Folge der Auswahl der Person des Testamentsvollstreckers. Dass die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege durch die geschäftsmäßige Besorgung von Testamentsvollstreckungen durch Personen, die über keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz verfügen, in einer Weise beeinträchtigt wird, die ein Verbot dieser Tätigkeit rechtfertigt, ist nicht festgestellt und wird auch nicht geltend gemacht.
Es lässt sich danach nicht feststellen, dass die öffentlichen Belange des Rechtsberatungsgesetzes - die Qualität der Dienstleistung in rechtlicher Hinsicht zu sichern oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege zu erhalten - ggü. der Freiheit der Berufsausübung derjenigen, die das Amt des Testamentsvollstreckers versehen, überwiegen. Ein Verbot der geschäftsmäßigen Ausübung des Amtes des Testamentsvollstreckers ohne Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit somit nicht gerechtfertigt. Entsprechendes gilt für ein Verbot des Anbietens geschäftsmäßiger Testamentsvollstreckung.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1316406 |
BB 2005, 513 |
DB 2005, 945 |
NJW 2005, 969 |
BGHR 2005, 586 |
EBE/BGH 2005, 4 |
FamRZ 2005, 616 |
EWiR 2005, 551 |
GRUR 2005, 353 |
MittBayNot 2005, 419 |
WM 2005, 412 |
WuB 2005, 893 |
ZEV 2005, 122 |
ZIP 2005, 460 |
ZfIR 2005, 353 |
AnwBl 2005, 289 |
DNotZ 2005, 544 |
MDR 2005, 703 |
WRP 2005, 333 |
BKR 2005, 113 |
GuT 2005, 73 |
BRAK-Mitt. 2005, 88 |
KammerForum 2005, 132 |
Kreditwesen 2005, 619 |