Leitsatz (amtlich)
Tritt ein Rechtsanwalt Honorarforderungen ohne Zustimmung des Auftraggebers an einen anderen Rechtsanwalt ab, der ihn zuvor außergerichtlich und im Kostenfestsetzungsverfahren (§ 19 BRAGO) vertreten und die Angelegenheit umfassend kennen gelernt hat, so ist die Zession nicht gem. §§ 134 BGB, 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB unwirksam (Ergänzung zu BGH v. 10.8.1995 - IX ZR 220/94, MDR 1995, 1169 = WM 1995, 1841).
Normenkette
BGB §§ 398, 675; BRAO § 49b Abs. 4
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 15.10.2003; Aktenzeichen 23 S 304/02) |
AG Düsseldorf |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 23. Zivilkammer des LG Düsseldorf v. 15.10.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliches Anwaltshonorar. Rechtsanwalt Dr. G. (fortan: Zedent) vertrat den Beklagten anwaltlich vor dem LAG. In der mündlichen Verhandlung v. 15.1.2001, an der auf Klägerseite der Beklagte und der Zedent als dessen Prozessbevollmächtigter teilnahmen, schlossen die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich. Dieser erstreckte sich neben dem streitgegenständlichen Anspruch auf weitere Punkte, auf die sich das Mandat des Zedenten nicht bezog. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Zedent an dem Abschluss des Vergleichs mitgewirkt hat. Der Beklagte hat die Gebührenrechnung des Zedenten um die auf den Vergleichsabschluss entfallenden gesetzlichen Gebühren und Auslagen gekürzt.
Der Kläger ist ebenfalls Rechtsanwalt. Er unterhält mit dem Zedenten eine Bürogemeinschaft. Zu einem nicht näher aufgeklärten Zeitpunkt hat der Zedent seinen restlichen Honoraranspruch an den Kläger abgetreten.
Das AG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Vergleich sei ohne Mitwirkung des Zedenten geschlossen worden. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht meint, dem Kläger stehe gegen den Beklagten ein Honoraranspruch aus abgetretenem Recht nicht zu, weil der Abtretungsvertrag zwischen dem Zedenten und dem Kläger nach § 134 BGB nichtig sei. Jener habe die Honorarforderung entgegen der berufsrechtlichen (§ 43a Abs. 2 BRAO) und strafrechtlichen (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB) Schweigepflicht ohne Zustimmung des Beklagten an den Kläger abgetreten. Aus § 49b Abs. 4 BRAO ergebe sich nicht, dass nur die Abtretung an einen nicht als Anwalt tätigen Dritten der Zustimmung des Mandanten bedürfe. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB schütze den Mandanten auch davor, dass der beauftragte Rechtsanwalt die als Geheimnis zu wertenden Tatsachen anderen Rechtsanwälten mitteile. Dies gelte auch für Rechtsanwälte, die eine Bürogemeinschaft unterhielten.
II.
Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision mit Erfolg. Im vorliegenden Fall sind - ausgehend von dem Vorbringen des Klägers, das mangels anderweitiger Feststellungen zu Grunde zu legen ist - die objektiven Voraussetzungen des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht erfüllt; die Abtretung ist infolgedessen nicht gem. § 134 BGB unwirksam, obwohl der Beklagte ihr nicht zugestimmt hat.
1. a) Im Anschluss an seine Rechtsprechung zur Abtretung ärztlicher Honorarforderungen (BGH v. 10.7.1991 - VIII ZR 296/90, BGHZ 115, 123 [130] = MDR 1991, 1035 = CR 1992, 21) und zur Weitergabe einer ärztlichen Patienten- und Berufskartei (BGH v. 11.12.1991 - VIII ZR 4/91, BGHZ 116, 268 [272 f.] = MDR 1992, 226 = CR 1992, 266) hat der BGH entschieden, dass die Abtretung der Honorarforderung eines Rechtsanwalts (§§ 398, 675 BGB) ohne Zustimmung des Mandanten i.d.R. den objektiven Tatbestand der - das Privatgeheimnis schützenden - Strafvorschrift des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt, weil mit der Abtretung die umfassende Informationspflicht des § 402 BGB ggü. dem neuen Gläubiger verbunden ist. Deshalb waren - vor Einführung des § 49b Abs. 4 BRAO - sowohl das schuldrechtliche Grundgeschäft der Forderungsübertragung als auch die Abtretung als dingliches Erfüllungsgeschäft gem. § 134 BGB nichtig. Dadurch sollte dem durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht des Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen werden (BGH v. 25.3.1993 - IX ZR 192/92, BGHZ 122, 115 [119] = MDR 1993, 581 = CR 1994, 143; v. 13.6.2001 - VIII ZR 176/00, BGHZ 148, 97 [101 f.] = MDR 2001, 1139 = BGHReport 2001, 665; Urt. v. 13.5.1993 - IX ZR 234/92, MDR 1993, 912 = CR 1994, 28 = WM 1993, 1251 [1252]; v. 8.7.1993 - IX ZR 12/93, CR 1994, 206 = WM 1993, 1849 [1850]).
Nach der im Jahre 1994 in Kraft getretenen, im Streitfall deshalb anzuwendenden Vorschrift des § 49b Abs. 4 BRAO ist ein Rechtsanwalt, der eine Gebührenforderung erwirbt, in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauftragte Rechtsanwalt (§ 49b Abs. 4 S. 1 BRAO); die Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an einen nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Dritten ist unzulässig, es sei denn, die Forderung ist rechtskräftig festgestellt, ein erster Vollstreckungsversuch fruchtlos ausgefallen und der Rechtsanwalt hat die ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten eingeholt (§ 49b Abs. 4 S. 2 BRAO). Der Zweck dieser neuen Regelung erschließt sich aus der Entstehungsgeschichte. § 49b Abs. 4 S. 1 BRAO ist auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages eingeführt worden (BT-Drucks. 12/7656, 11). In der Begründung (BT-Drucks. 12/7656, 49) wird auf die Urteile des BGH v. 25.3.1993 (BGH v. 25.3.1993 - IX ZR 192/92, BGHZ 122, 115 = MDR 1993, 581 = CR 1994, 143) und v. 13.5.1993 (BGH, Urt. v. 13.5.1993 - IX ZR 234/92, MDR 1993, 912 = CR 1994, 28 = WM 1993, 1251 [1252]) verwiesen, aus denen sich ergebe, dass eine Abtretung anwaltlicher Gebührenforderungen nur wirksam sei, wenn entweder der Rechtsanwalt die Zustimmung des Mandanten zur Weitergabe von Informationen aus dem Mandatsverhältnis einhole oder Zessionar und Zedent denselben Schweigepflichten unterworfen seien; dem solle mit der Neuregelung klarstellend Rechnung getragen werden.
Hierbei wurde übersehen, dass die zitierte Rechtsprechung auf der Rechtsprechung des BGH zur Abtretung einer ärztlichen Honorarforderung (BGH v. 10.7.1991 - VIII ZR 296/90, BGHZ 115, 123 [128 f.] = MDR 1991, 1035 = CR 1992, 21) und zur Weitergabe einer ärztlichen Patienten- und Beratungskartei (BGH v. 11.12.1991 - VIII ZR 4/91, BGHZ 116, 268 [272] = MDR 1992, 226 = CR 1992, 266) aufbaut. Für beide vergleichbaren Sachverhalte hat der BGH ausdrücklich ausgesprochen, die Nichtigkeit eines gegen § 203 Abs. 1 StGB verstoßenden Rechtsgeschäfts gem. § 134 BGB werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Zessionar nach der Strafvorschrift ebenfalls einer Schweigepflicht unterliege.
b) In Rechtsprechung und Literatur ist deshalb weiterhin umstritten, ob durch die gesetzliche Regelung in § 49b Abs. 4 BRAO nur die "Weitergabe" der Verschwiegenheitspflicht an den Zessionar oder darüber hinaus auch die Zulässigkeit der Abtretung an einen Rechtsanwalt ohne Zustimmung des Mandanten geregelt worden ist. Nach der einen Auffassung wird durch die Neuregelung nur die Verschwiegenheitspflicht an den Zessionar weitergegeben (OLG Düsseldorf v. 22.10.1998 - 2 U 164/97, OLGReport Düsseldorf 1999, 59 = NJW-RR 1999, 1583 [1584]; OLG Koblenz DStRE 2000, 555 [556]; LG Karlsruhe v. 28.9.2001 - 9 S 214/00, MDR 2001, 1383 [1384]; Erman/Palm, BGB, 10. Aufl., § 134 Rz. 62; Berger, NJW 1995, 1406 [1407]; Prechtel, NJW 1997, 1813 [1816]). Andere wiederum meinen, es werde auch die Zulässigkeit der Abtretung ohne Zustimmung des Mandanten geregelt (OLG Hamburg v. 30.10.2000 - 8 U 247/99, OLGReport Hamburg 2001, 74 [76]; LG Baden-Baden v. 29.11.1996 - 1 O 397/96, NJW-RR 1998, 202 [203]; Cierniak in MünchKomm/StGB, § 203 Rz. 68; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 49b Rz. 47 f.; Dittmann in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 49b Rz. 37; Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl., § 49b Rz. 7; Ganter in Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., Bd. II, § 96 Rz. 138; Paulus, NJW 2004, 21 [22]).
2. a) Der BGH war mit dieser Streitfrage bislang noch nicht befasst. In der Entscheidung v. 17.5.1995 (BGH v. 17.5.1995 - VIII ZR 94/94, MDR 1995, 960 = ZIP 1995, 1016 [1018]) wird nur der Wille des Gesetzgebers referiert, durch die - in dem zu entscheidenden Fall noch nicht anwendbare - Neuregelung die Abtretung von Honorarforderungen eines Rechtsanwalts an einen anderen zu erleichtern. Das Urteil v. 25.3.1999 (BGH v. 25.3.1999 - IX ZR 223/97, BGHZ 141, 173 [176 f.] = MDR 1999, 826) betrifft die Pfändbarkeit von Steuerberaterhonorar. Zum Abtretungsverbot nach § 64 Abs. 2 S. 2 StBerG und § 49b BRAO wird ausgeführt, dass § 851 Abs. 1 ZPO darauf abstelle, ob eine Forderung als solche nicht übertragbar sei. Hierfür genüge nicht ohne weiteres, wenn eine Forderung ihrem Inhalt nach und ihrer Zweckbestimmung nach übertragbar sei und lediglich bestimmten Gläubigern die Abtretung verboten oder diese nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet werde. Auf die Streitfrage, ob auf die Zustimmung des Mandanten für die Wirksamkeit der Abtretung von Gebührenforderungen allgemein verzichtet werden kann, kam es nicht an.
b) Sie bedarf auch im vorliegenden Fall keiner abschließenden Klärung. Der Zedent hat nicht gegen den objektiven Tatbestand des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB verstoßen, weil der Zessionar die Angelegenheit des Mandanten zuvor umfassend kennen gelernt hatte (BGH, Urt. v. 10.8.1995 - IX ZR 220/94, MDR 1995, 1169 = WM 1995, 1841).
aa) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, zu welchem Zeitpunkt dem Kläger die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Honorarforderung übertragen worden ist. Deshalb ist im Revisionsverfahren zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass der Abtretungsvertrag erst im Anschluss an das vor Klageeinreichung unstreitig durchgeführte Kostenfestsetzungsverfahren (§ 19 BRAGO) geschlossen worden ist.
Der Beklagte hat als Anlage zur Klageerwiderung v. 7.11.2001 ein Schreiben des Klägers v. 28.5.2001 vorgelegt. Darin nimmt der Kläger als anwaltlicher Berater des Zedenten unter Bezugnahme auf das ihm erteilte Mandat und ein in dieser Sache von dem Beklagten an den Zedenten gerichtetes Schreiben v. 23.5.2001 zu der streitgegenständlichen Vergleichsgebühr Stellung und kündigt einen Antrag auf Kostenfestsetzung an. Die ordnungsgemäße Vertretung des Zedenten in diesem Verfahren bedingte, dass der Kläger von dem Zedenten zuvor umfassend über alle Umstände informiert worden war, die für das Entstehen der geltend gemachten Vergleichsgebühr sowie der Differenzprozessgebühr von Bedeutung sind.
bb) Für einen solchen Fall hat der BGH die Nichtigkeit der Abtretung wiederholt verneint, obwohl der Gebührenschuldner ihr nicht zugestimmt hat (BGH, Urt. v. 13.5.1993 - IX ZR 234/92, MDR 1993, 912 = CR 1994, 28 = WM 1993, 1251 [1252]; Urt. v. 10.8.1995 - IX ZR 220/94, MDR 1995, 1169 = WM 1995, 1841 [1842 f.]). Dafür ist ausschlaggebend, dass der Zessionar die - hier zu unterstellende - umfassende Kenntnis der Angelegenheit erlangt hat, ohne dass der Zedent ein ihm anvertrautes oder sonst bekannt gewordenes Geheimnis des Mandanten unbefugt offenbart hat (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB).
Ein Rechtsanwalt darf seine Honorarforderung gegen den Auftraggeber geltend machen (§ 19 BRAGO), selbst wenn dies die Bekanntgabe von Mandantengeheimnissen erfordert, weil der Anwalt sonst insoweit rechtlos stünde (BGH v. 25.3.1993 - IX ZR 192/92, BGHZ 122, 115 [120] = MDR 1993, 581 = CR 1994, 143). Die Wahrnehmung dieser Aufgabe durfte der Zedent nach der Rechtsprechung grundsätzlich auch einer in seinem Büro beschäftigten Hilfsperson übertragen (BGH, Urt. v. 10.8.1995 - IX ZR 220/94, MDR 1995, 1169 = WM 1995, 1841 [1843]); nichts Anderes gilt für die Einschaltung des Klägers, der als Rechtsanwalt mit ihm in Bürogemeinschaft tätig ist. Demjenigen, der rechtmäßig eine fremde Angelegenheit umfassend kennen gelernt hat, kann diese nicht mehr i.S.d. § 203 Abs. 1 StGB unbefugt offenbart werden. Dabei kommt es auf den aktuellen Gedächtnisstand zum Zeitpunkt der Abtretung nicht an; unerheblich ist auch zu welchem Zeitpunkt der Zedent die Handakten übergeben hat (BGH, Urt. v. 10.8.1995 - IX ZR 220/94, MDR 1995, 1169 = WM 1995, 1841 [1844]).
III.
Die Klage ist auf der Grundlage des für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Sach- und Streitstandes auch nicht aus anderen Gründen abweisungsreif. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu der Mitwirkung des Zedenten beim Abschluss des Vergleichs in der Sitzung des LAG v. 15.1.2001 getroffen. Es ist deshalb von der unter Zeugenbeweis gestellten Sachdarstellung des Klägers auszugehen, nach welcher der - unstreitig anwesende - Zedent dem Beklagten geraten hat, den Vergleichsvorschlag des Gerichts anzunehmen. Trifft dies zu, hat der Zedent die Vergleichsgebühr verdient (Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 8. Aufl., § 23 Rz. 21 f.; zum neuen Gebührenrecht vgl. Hartung/Römermann, RVG VV, Einf. Rz. 23).
IV.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Gelangt es zu dem Ergebnis, dass die Gebührenforderung entstanden und wirksam auf den Kläger übergegangen ist, wird es die im Revisionsverfahren aufrechterhaltene Hilfsaufrechnung des Beklagten zu prüfen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1276697 |
BB 2005, 180 |
DStZ 2005, 320 |
NJW 2005, 507 |
NWB 2005, 398 |
BGHR 2005, 407 |
FamRZ 2005, 206 |
EWiR 2005, 787 |
FA 2005, 85 |
WM 2004, 2505 |
ZAP 2005, 175 |
ZIP 2005, 218 |
AnwBl 2005, 145 |
MDR 2005, 357 |
AGS 2005, 105 |
AGS 2005, 283 |
RENOpraxis 2005, 36 |
BRAK-Mitt. 2005, 34 |
KammerForum 2005, 131 |
Mitt. 2005, 136 |