Leitsatz (amtlich)
Liegt eine wirksame Doppelverpachtung (oder -Vermietung) vor, so ist der nichtbesitzende Pächter in der Regel auf einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Verpächter (Vermieter) angewiesen, wenn sieh der andere Pächter im rechtmäßigen Besitz der Pachtsache befindet. Er muß sein schutzwürdiges Interesse an der Verurteilung des – nicht besitzenden – Verpächters zur Einräumung des Pachtbesitzes dartun. Dieses kann gegeben sein, wenn damit zu rechnen ist, daß der Verpächter zur Einräumung des Pachtbesitzes in der Lage ist.
Normenkette
BGB §§ 535, 581, 537-538, 541
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 20.01.1961) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm vom 20. Januar 1961 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Diesem wird auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der jetzige Beklagte und Revisionskläger ist alleiniger Erbe seines verstorbenen Vaters, des früheren Beklagten zu 1 geworden. Dieser war Eigentümer eines Grauschecksteinbruches, den er durch Vertrag vom 18. August 1955 an die Klägerin „zur alleinigen Ausbeute von Terrazzosteinmaterial” (§ 1) mit der Erlaubnis, auf dem Pachtgrundstück maschinelle Anlagen und Gebäulichkeiten sowie Transportanlagen usw. zu errichten (§ 2), verpachtete. Der Vertrag sah eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren (mit einer Verlängerungsklausel um jeweils fünf Jahre) vor (§ 5). Als Entschädigung (Bruchzins) wurde für abgesetztes brauchbares Steinmaterial für Terrazzozwecke je Kubikmeter ein Betrag von 2 DM (für Kalkspat weiß), 1 DM (für Kalkspat gelb oder rot) und von 0,35 DM (für anderes Terrazzogestein) vereinbart (§ 3); der Mindestbruchzins wurde auf 50 DM vierteljährlich festgelegt (§ 4). Im § 9 wurde bestimmt, es sei Sache der Pächterin (Klägerin), sich mit dem früheren Pächter, der den Bruch noch im Besitze hatte und auch jetzt noch besitzt, wegen Räumung und Übergabe des Bruchs auseinanderzusetzen, dem Verpächter (Erblasser) dürften daraus Kosten nicht entstehen. Im gegenwärtigen Rechtsstreit verlangt die Klägerin „Einräumung des Besitzes” an dem im Klagantrag näher bezeichneten Grauschecksteinbruch „zum Zwecke der Ausbeute von Terrazzo-Steinmaterial”. Im ersten Rechtszuge richtete sich die Klage auch gegen den alten Pächter (als Beklagten zu 2). Insoweit ist die Klage jedoch durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts abgewiesen. An den Beklagten zu 2 hatte der Erblasser den Steinbruch – bereits – durch Vertrag vom 30. Januar 1955 zwecks Ausbeutung auf unbestimmte Zeit verpachtet. In diesem Vertrag war ein Bruchzins von 0,30 DM vereinbart und ein jährlicher Mindestpachtzins von 500 DM vorgesehen. Am 31. Juli 1955 hatte der Erblasser diesem ersten Pächter geschrieben, der Vertrag habe seine Gültigkeit verloren, er möge den Bruch bis zum 5. August 1955 räumen und am 10. August 1955 hatte er ihm mitgeteilt, da er auf seinen Brief keine Antwort erhalten habe, habe er den Bruch an einen anderen verpachtet, die Räumung überlasse er dem alten und dem neuen Pächter. Der alte Pächter (frühere Beklagte zu 2) beharrte jedoch auf seinem Pachtvertrag, blieb im Besitz des Steinbruchs und einigte sich schließlich mit der Klägerin durch Verträge vom 1. und 6. September 1955 über die Ausbeutung des Bruches dahin, daß er sich verpflichtete, ihr das von ihm gebrochene Steinmaterial zu bestimmten Preisen zu liefern. Mit Schreiben vom 21. Januar 1956 kündigte der Erblasser seinem alten Pächter erneut den Vertrag, vereinbarte mit ihm jedoch am 1. Oktober 1956 schriftlich, den Vertrag vom 30. Januar 1955 bis zum 30. November 1958 zu verlängern. Wegen ihrer Abmachungen mit dem alten Pächter über die Lieferung des gebrochenen Materials an sie war die Klägerin mit dieser Verlängerung einverstanden. Ihre Vereinbarungen mit dem alten Pächter vom 1. und 6. September 1955 endeten jedoch laut Vergleich vom 21. Juli 1958 (Akten 3 Q 3/58 LG Arnsberg), in welchem dieser die Verpflichtung einging, der Klägerin noch bis zum 30. November 1958 bestimmte Mengen terrazzofähiges Grauscheckrohmaterial aus dem Bruch zu einem bestimmten Preis zu liefern, mit dem genannten Tage.
Bereits am 7. Juli 1957 hatte die Klägerin dem Erblasser mitteilen lassen, sie sei mit einem Ruhen ihrer Rechte aus dem Vertrage vom 18. August 1955 nicht länger als bis zum 30. November 1958 einverstanden. Dieser einigte sich jedoch am 13. Juli 1958 mit seinem alten Pächter dahin, daß das zwischen ihnen bestehende Pachtverhältnis auf Grund der Verträge vom 30. Januar 1955 und 1. Oktober 1956 bis zum 1. November 1960 verlängert wurde, wobei sie ab 1. Dezember 1958 eine jährliche Mindestpacht von 1 200 DM vereinbarten. Inzwischen soll eine weitere Verlängerung des Pachtvertrages erfolgt sein.
Der Erblasser wurde durch Teilversäumnisurteil vom 12. Mai 1959 verurteilt, der Klägerin den Besitz an dem im Urteilsausspruch näher bezeichneten Grauschecksteinbruch einzuräumen. Er legte rechtzeitig Einspruch ein. Durch Schlußurteil des Landgerichts vom 27. April 1960 wurde dieses Versäumnisurteil aufrechterhalten. Der Erblasser legte Berufung ein und berief sich im Berufungsverfahren in erster Reihe darauf, er habe ein Recht zur vorzeitigen Kündigung des Vertrages wegen Fortfalls der Geschäftsgrundlage, auch behauptete er, die Parteien seien bei Abschluß des Vertrages mindestens von dem gemeinsamen Irrtum ausgegangen, im Bruch komme Kalkspat vor; nur dann sei eine angemessene Rendite gewährleistet. Die Berufung des Erblassers blieb erfolglos.
Mit der Revision, deren Verwerfung als unzulässig, hilfsweise als unbegründet die Klägerin begehrt, erstrebt der jetzige Beklagte als Rechtsnachfolger des Erblassers Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
A. Zulässigkeit der Revision.
Die Revision ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne von § 546 Abs. 1 ZPO sechstausend DM übersteigt. Weil in dem Rechtsstreit, der auf Einräumung des Pachtbesitzes geht, das Bestehen des Pachtverhältnisses vom 18. August 1955 „streitig” ist, ist für die Wertberechnung der Betrag des auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pachtzins entscheidend (§ 6 ZPO)9 während für die Gebührenberechnung (bei Gerichts- und– Anwaltskosten) nach § 12 GKG höchstens der einjährige Pachtzins maßgebend ist. Letzteres ist von Gerichten und Anwälten in den Tatsachenrechtszügen übersehen; denn dort sind Gebühren nach einem Wert von 5000 DM berechnet, ein Betrag, der als einjähriger Pachtzins – nach dem Vortrag keiner der Parteien im Revisionsrechtszuge – auch nur annähernd in Betracht kommt.
Der Beklagte und Revisionskläger möchte den Pachtzins nach den Zahlungen bemessen wissen, die er von dem (alten) Pächter bekommt, der den Steinbruch noch nutzt, d. h. von dem früheren Beklagten zu 2. Dieser hat nach der unbestrittenen Behauptung des Beklagten zu 1 jährlich durchschnittlich 3000 cbm Steinmaterial gewonnen und soll dafür einen Bruchzins von 0,80 DM je cbm und damit rund 2400 DM jährlich als Pachtzins gezahlt haben. Bei diesem Pachtbetrag würde der Beschwerdewert von mehr als 6 000 DM auf jeden Fall erreicht sein, selbst wenn man ab Zustellung der Klage (6. Dezember 1958) als streitige Zeit bei dem am 18. August 1955 für zehn Jahre abgeschlossenen Vertrag nur die Zeit bis zum 18. August 1965 = noch rund 6 Jahre 8 Monate rechnet. Es kann jedoch nicht von dem Betrag ausgegangen werden, den der Erblasser von seinem alten Pächter zuletzt bekommen hat, sondern nur von dem Zins, den ihm die Klägerin vereinbarungsgemäß zahlen müßte und ersichtlich auch nur zahlen will. Das sind aber, da unstreitig bislang Spat nicht gebrochen ist, nur 0,35 DM je cbm, d. h. bei einer Förderung von 3000 cbm = 1050 DM jährlich. Auch dann ist unter Zugrundelegung von 6 Jahren 8 Monaten Restpachtzeit als streitige Zeit die Revisionssumme erreicht.
Nun hat allerdings die Klägerin vortragen lassen, sie würde nicht 3000 cbm, sondern – wegen Absatzschwierigkeiten – nur etwa 75 % dieser Menge, also etwa 2250 cbm gefördert haben, so daß ihr Pachtzins nur 787,50 DM jährlich betragen haben würde. Darauf kommt es im Ergebnis für die Zulässigkeit der Revision nicht entscheidend an. Die Klägerin hatte nämlich in ihrem Schriftsatz vom 30. Juli 1959 unter Bezugnahme auf das Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten des ersten Rechtszuges vom 7. September 1957 vortragen lassen, sie stehe auf dem Standpunkt, sie könne auf die Einhaltung der zehnjährigen Vertragsdauer, wie im § 5 des Vertrages vereinbart, bestehen, daher müßten die zwei Jahre, in denen ihre Pachtrechte auf Grund eines vom Erblasser zu vertretenden Umstandes nicht ausgeübt worden seien, beim Ablauf der zehnjährigen Vertragsdauer in der Weise Berücksichtigung finden, daß sich die ursprünglich vereinbarten Pachtjahre um zwei Jahre verlängerten. Streitige Zeit ist also nach dem eigenen Vortrag der Klägerin, auf den es für den Streitwert in erster Reihe ankommt, wenn nicht sogar eine Zeit von 10 Jahren, mindestens jedoch eine solche von noch 8 Jahren 8 Monaten, so daß auch bei einem Pachtzins von nur 787, 50 DM jährlich der Beschwerdewert mit rund 6700 DM zu berechnen sein würde. Auch damit ist die Revisionssumme von 6000 DM überschritten.
Im übrigen ist nach Auffassung des erkennenden Senats davon auszugehen, daß die Klägerin, die den Bruch maschinell ausbeuten will 9 schließlich doch eine höhere Ausbeute erreichen wird. Der Senat hat deshalb einen Jahrespachtzins von 1000 DM im Kosteninteresse (§ 12 GKG) zugrunde gelegt. Damit ist die Revisionssumme von 6000 DM (nach § 8 ZPO) unter allen Umständen überschritten.
Die Revision ist danach zulässig.
B.
Die Revision ist auch begründet. Sie muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht führen.
I. 1. Das Berufungsgericht geht davon aus, der zwischen den Parteien abgeschlossene Pachtvertrag vom 18. August 1955 sei rechtsgültig, und folgert daraus, die Klägerin habe aus diesem Vertrage (gemäß § 581 Abs. 1 BGB) gegen den Erblasser einen Anspruch auf Einräumung des Pachtbesitzes an dem verpachteten Steinbruch. Es hat nicht übersehen, daß der Pachtgegenstands als der Pachtvertrag zwischen der Klägerin und dem Erblasser abgeschlossen wurde, bereits an den früheren Beklagten zu 2 verpachtet war, nämlich durch Vertrag vom 30. Januar 19559 und daß dieser Pächter damals den Bruch kraft älteren Rechts in Besitz hatte. Dazu legt es dar, die Tatsache der Doppelverpachtung führe nicht zur Nichtigkeit des Vertrages mit der Klägerin wegen Verstoßes gegen die guten Sitten; denn die frühere Verpachtung sei nur auf unbestimmte Zeit und damit jederzeit kündbar erfolgt. Es erwägt, der Erblasser sei im Sommer 1955 auch bereit gewesen, seinen Vertrag mit dem alten Pächter zu kündigen. Das entnimmt es den Schreiben des Erblassers vom 31. Juli und 10. August 1955 an diesen Pächter. Daran knüpft es die Bemerkung, weil beide Schreiben zeitlich vor Abschluß des Pachtvertrages zwischen dem Erblasser und der Klägerin gelegen hätten, könne man dieser nicht den Vorwurf machen, sie habe sich in ein bestehendes Vertragsverhältnis „hineingedrängt”.
2. Der Revision ist darin beizutreten, daß das Berufungsgericht dem Sachverhalt und der Rechtslage hinsichtlich der hier bestehenden Doppelverpachtung nicht gerecht geworden ist, daß es dieses Problem vielmehr verkannt hat.
Zur näheren Erörterung der Wirkung einer Doppelverpachtung hätte schon die Tatsache Anlaß geben müssen, daß das Landgericht die gleichzeitig gegen den alten Pächter (früheren Beklagten zu 2) erhobene Klage rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen hatte, er sei im Verhältnis zur Klägerin auf Grund rechtswirksam verlängerten Vertrages rechtmäßiger Besitzer des Bruches. Daß er das nicht mehr ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; es muß dies vielmehr für das Revisionsverfahren auf Grund der Bemerkung im Tatbestand des angefochtenen Urteils, der alte Vertrag (mit dem früheren Beklagten zu 2) sei zunächst bis 30. November 1960 verlängert und „solle auch weiter verlängert sein”, unterstellt werden. Dagegen hat sich zwar die Klägerin in ihrer mündlichen Revisionserwiderung mit der Begründung gewendet, eine solche Verlängerung sei im Berufungsrechtzuge vom Erblasser nicht einmal behauptet worden. Das ist jedoch dem Berufungsurteil, das auch Vorbringen in der mündlichen Verhandlung zu beachten hat, ohne es im einzelnen anführen zu müssen, nicht zu entnehmen. Angesichts der Verkennung des Problems der Doppelverpachtung als solchem durch das Berufungsgericht muß vielmehr davon ausgegangen werden, es habe mit der entsprechenden Bemerkung in seinem Tatbestand die Verlängerung des Pachtverhältnisses unterstellen wollen, weil es sie für seine Entscheidung in jedem Falle für unerheblich hielt. Da insoweit ein materieller Rechtsirrtum vorliegt, brauchte der Beklagte insoweit auch nicht ausdrücklich Rügen aus §§ 139, 286 ZPO zu erheben, so daß dahingestellt bleiben kann, ob sein Vorbringen in der Revisionsbegründung den an solche Rügen zu stellenden Anforderungen im Ergebnis genügen würde. Das Revisionsgericht vermag auch nicht von sich aus zu entscheiden, ob etwa den zwischen dem Erblasser und dem früheren Beklagten abgeschlossenen Verlängerungsverträgen die Rechtswirksamkeit versagt werden müßte, weil beide in bewußtem und gewollten Zusammenwirken die Klägerin um die Nutzung des Steinbruches haben bringen wollen, eine Frage, bei der auch von Bedeutung sein könnte, daß die Klägerin das klagabweisende Urteil – im Verhältnis zu dem alten Pächter– hat rechtskräftig werden lassen.
Liegt aber eine Doppelverpachtung (oder Doppelvermietung) vor, so sind nach herrschender Auffassung zwar dem Verpächter gegenüber beide Verträge gültig, so daß an sich beide Pächter (Mieter) die Einräumung des Besitzes vom Verpächter (Vermieter) verlangen können (§§ 535, 581 BGB). Demjenigen, der sich im rechtmäßigen Besitz des Pachtgegenstandes befindet, stehen jedoch alle Schutzmittel, aus diesem Besitz zur Verfügung und er kann von seinem Verpächter den ordentlichen Schutz gegenüber Dritten, auch dem anderen Pächter gegenüber verlangen. Der nichtbesitzende Mieter oder Pächter ist daher, mindestens in der Regel, auf einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Verpächter (Vermieter) beschränkt (BGH Urt. v. 31. Oktober 1956 – V ZR 157/55 – LM ZPO § 256 Nr. 40; BGB RGRK 11. Aufl. § 535 Anm. 3, Staudinger BGB 11. Aufl. § 535 Nr. 22 und 105, Mittelstein, die Miete, 4. Aufl. S. 116; Roquette, Mietrecht, 4. Aufl. S. 215; 239; OLG Hamburg 20, 103; LG Hamburg MDR 1947, 33, auch Riezler hat ausgeführt, bei einer Doppelverpflichtung gäbe es nach der Gesetzeslage kein anderes Recht als das der Prävention; es gehe also vor, wer zuerst den Besitz erlange, Archiv für zivil. Praxis 1906 S. 404 ff). Die Schadensersatzpflicht folgt in einem solchen Falle aus § 541, 581 Abs. 2 BGB (Roquette, Mietrecht, 4. Aufl. S. 239, 253, 254; Mittelstein, Die Miete 4. Aufl. S. 295; Staudinger BGB 11. Aufl. § 541 Nr. 3; BGB RGRK 11. Aufl. § 541 Anm. 1 b, Urteile des erkennenden Senats vom 10. Oktober 1958 – VIII ZR 117/57 und vom 15. Februar 1961 – VIII ZR 183/59 = MDR 1961, 498 = Betrieb 1961, 435 = WM 1961, 917 = NJW 1961, 917). Dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob der Vermieter schuldhaft die Auffassung vertreten hat, sein alter Mieter sei nicht mehr zum Besitz berechtigt (vgl. das zuletzt genannte Urteil des Senats, BGB RGRK aaO § 537 Anm. 1, § 541 Anm. 1 b, Palandt 20. Aufl. § 537 Anm. 1, Staudinger BGB 11. Aufl. § 537 Nr. 1). Um einen Schadensersatzanspruch durchzusetzen, bedarf es auch weder einer Fristsetzung nach § 326 BGB noch einer rechtskräftigen Verurteilung zur Bewirkung der Leistung im Sinne von § 283 BGB mit nachfolgender Fristsetzung.
Bei jeder Doppelverpachtung muß nach allem, wenn auf Einräumung des Pachtbesitzes geklagt wird, solange der andere Pächter im rechtmäßigen Besitz der Pachtsache ist, geprüft werden, ob der Kläger ein schutzwürdiges Interesse daran hat, eine solche Verurteilung gegen den nicht unmittelbar besitzenden Verpächter zu erreichen; denn wie oben ausgeführt ist, ist der Kläger jedenfalls in der Regel auf einen Schadensersatzanspruch beschränkt. Der Kläger muß sein schutzwürdiges Interesse deshalb auch dartun.
Ein solches kann vorliegen, wenn der Kläger an einer Schadensersatzleistung allein kein Interesse hat, z. B. weil er mit der Möglichkeit rechnen kann, daß der Beklagte ihm den Pachtbesitz bei einer Verurteilung dazu doch noch einräumen wird. Das würde z. B. dann der Fall sein, wenn er sich dem besitzenden Pächter gegenüber eine Kündigungsmöglichkeit für den Fall seiner entsprechenden Verurteilung im Prozeß vorbehalten hat oder wenn er den Pachtvertrag mit diesem Pächter jeweils nur kurzfristig verlängert hat, um sich die Möglichkeit, bei einer entsprechenden Verurteilung zur Besitzeinräumung dieser nachzukommen, freizuhalten. Darüber hat das Berufungsgericht keinerlei Feststellungen getroffen, der Kläger allerdings auch keine entsprechenden Behauptungen auf gestellt. Schon um ihm Gelegenheit zu geben (§ 139 ZPO), auf die hier erörterten rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen und seinen Tatsachenvertrag notfalls zu ergänzen, mußte eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erfolgen, ganz abgesehen davon, daß nicht einmal positiv feststeht, daß der Pachtvertrag mit dem alten Pächter wirklich verlängert ist, sondern daß dies im Revisionsverfahren nur zu unterstellen ist.
II. Weil es ohnehin einer Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung bedarf, kann es dem Beklagten im wesentlichen überlassen bleiben, sein übriges Vorbringen, insbesondere, soweit es sich um Verfahrensrügen handelt, in der neuen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu wiederholen und zu ergänzen; denn zu einer sofortigen Klagabweisung kann dieses Vorbringen nicht führen.
1. Zur Frage der Anfechtung.
a) Die Revision kommt zurück auf die Verteidigung der Beklagten im ersten Rechtszuge, er habe den Vertrag auch wegen Irrtums und arglistiger Täuschung zu Recht angefochten. Dazu hatte das Landgericht in seinem Urteil nur kurz Stellung genommen und zwar auf S. 4 unter 3 a dahin, eine Anfechtung wegen Irrtums aus § 119 BGB habe unverzüglich, eine solche (wegen arglistiger Täuschung) aus § 123 BGB binnen Jahresfrist erklärt werden müssen. In dem Abschluß des Verlängerungsvertrages zwischen den beiden Beklagten vom 1. Oktober 1956 hat es keine für die Klägerin erkennbare Anfechtungserklärung erblickt. Die erst im Rechtsstreit erklärte Anfechtung (im Schriftsatz vom 13. Juli 1959 S. 3, 4. Abs.) hat es als verspätet angesehen. Dazu hat das Berufungsgericht (in Abs. 2 seiner Entscheidungsgründe) nur bemerkt, das Landgericht habe zutreffend ausgeführt, der Pachtvertrag zwischen der Klägerin und dem Erblasser sei weder wegen Formmangels nichtig noch wirksam angefochten. Die Klägerin habe auch nicht auf ihre Rechte aus dem Pachtvertrage verzichtet. Außerdem hat es ergänzend dargelegt, der Vertragsabschluß verstoße auch nicht gegen die guten Sitten. Letzteres wird von der Revision auch nicht angegriffen.
b) Die Revision rügt jedoch, das Berufungsgericht habe seine Auffassung, der Vertrag sei nicht wirksam angefochten, nicht hinreichend begründet. Dabei hat die Revision nicht beachtet, daß auf S. 5 Abs. 4 des Berufungsurteils hervorgehoben ist: „Alle diese Einwendungen des Erblassers (gemeint insbesondere Anfechtung wegen Irrtums und arglistiger Täuschung) werden von der Berufungsbegründung auch nicht mehr vorgetragen”. Diese – nachprüfbare – Auslegung prozessualen Vorbringens läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen.
Dazu hat das Berufungsgericht ergänzend ausgeführt, der Beklagte wolle vielmehr jetzt „ein Recht zur Kündigung des Vertrages” vom 18. August 1955 oder zu dessen Aufhebung daraus herleiten, daß die Parteien irrtümlich ein Kalkspatvorkommen in dem Steinbruch vermutet hätten. Anders als dahin, daß eine wirksame Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums und arglistiger Täuschung nicht mehr geltend gemacht werden sollte, konnte der Inhalt der Berufungsbegründung vom 2. Juli 1960 vom Berufungsgericht auch nicht aufgefaßt werden. In ihr ist mit keinem Wort zu der Auffassung des Landgerichts Stellung genommen, eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Irrtums könne nicht durchschlagen. Auf S. 2 ist zwar erwähnt, das angefochtene Urteil habe seine Entscheidung allein damit begründet, die darauf, der Klägerin sei bereits bei Abschluß des Vertrages bekannt gewesen, daß der Steinbruch überhaupt keinen Kalkspat enthalte, gestützte Arglistanfechtung sei verspätet. Im Absatz davor ist aber nur von einer „Ansicht” des Erblassers, die Klägerin habe das Nichtvorhandensein von Kalkspat gekannt, die Rede und im nächsten Absatz, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dem Erblasser könne ein Recht zur Kündigung des Vertrages zur Seite stehen oder er könne sich auf Fortfall der Geschäftsgrundlage berufen. Dazu ist in der Berufungsbegründung S 2 noch dargelegt, eine solche Kündigung sei auch in der Anfechtungserklärung zu erblicken, und zum Fortfall der Geschäftsgrundlage ausgeführt, wenn beide Parteien von einer irrtümlichen Voraussetzung ausgegangen seien, bedürfe es keiner Irrtumsanfechtung mehr. Bei dieser Fassung der Berufungsbegründung mußte das Berufungsgericht annehmen, der tatsächliche Vortrag aus dem ersten Rechtszuge zur Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung solle nicht wiederholt werden. Daran ändert nichts, daß die Berufungsbegründung mit, den Worten beginnt: „Unter Wiederholung des diesseitigen erstinstanzlichen Vorbringens begründe ich die Berufung wie folgt”: Auch in den die Berufungsbegründung ergänzenden Schriftsätzen vom 12. Juli 1960 und vom 26. September 1960 S. 1-3 ist der Erblasser nicht auf die Frage der Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung zurückgekommen.
c) Die Rügen der Revision, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen der Anfechtung wegen Irrtums- und arglistiger Täuschung nicht rechtsirrtumsfrei verneint, gehen danach schon deshalb ins Leere, weil das Berufungsgerichts, wie ausgeführt, nach dem Inhalt der Berufungsbegründung darauf nicht einzugehen brauchte. Für die Verfahrensrügen, dieses Gericht habe Vorbringen aus dem ersten Rechtszuge zur Frage der Anfechtung nicht beachtet, gilt das gleiche. Es kommt hinzu, daß hier eine Wiederholung tatsächlichen Vorbringens aus dem ersten Rechtszuge im Verfahren vor dem Berufungsgericht nicht in einer Form erfolgt ist, daß darauf im Revisionsverfahren eine Verfahrensrüge aus § 286 ZPO gestützt werden könnte. Dazu genügt nämlich nicht eine, allgemeine Bezugnahme, sondern es muß im einzelnen erläutert werden, welches bislang nicht beachtete Vorbringen tatsächlicher Art aus dem ersten Rechtszuge noch zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht werden soll, und daran fehlt es hier in dieser Hinsicht.
In dem bereits erwähnten Nachtragsschriftsatz vom 26. September 1960 ist zwar auf S. 1 erwähnt, die Klägerin habe in ihrem Schriftsatz vom 29. Juli 1959 einräumen lassen, dem Erblasser sei von ihrem Inhaber erklärt, der Vertrag mit dem Beklagten zu 2 sei zu ungünstig, weil keine Spatklausel in ihm enthalten sei. Es ist auch Beweis dafür angetreten, es sei von dem früheren Betriebsleiter (Kappe) und mehreren Arbeitern der Klägerin nach Spat geforscht. Auch dieser Vortrag hat jedoch erkennbar nichts mit einer Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung zu tun.
2. Fortfall der Geschäftsgrundlage und Kündigung.
a) Zur Frage der Kündigung des Vertrages durch den Erblasser, weil die Parteien irrtümlich ein Kalkspatvorkommen im Steinbruch vermutet hätten, und zum Fortfall der Geschäftsgrundlage hat das Berufungsgericht im wesentlichen dargelegt:
Das Fehlen von Kalkspat im Steinbruch sei keineswegs unstreitig. Nach dem Vortrag der Klägerin hätten die Parteien nur gehofft, auf ein größeres Spatvorkommen zu stoßen, eine Chance, die auch heute noch bestehe.
Es fährt fort, auch wenn jedoch kein Spat gefunden werden sollte, rechtfertige das noch nicht die Beendigung des Vertrages. Die Klägerin sei an dem Bruch auch interessiert, wenn sich ihre Hoffnung auf Kalkspatvorkommen nicht erfülle, der Erblasser nutze das vorhandene Grauscheckgestein des Bruchs durch Verpachtung an den früheren Beklagten zu 2. Es sei nicht ersichtlich, weshalb diese Ausnutzung nicht auch durch eine Gewährung des Pachtgegenstandes an die Klägerin erfolgen könnte. Ein etwa fehlendes Kalkspatvorkommen stehe der Durchführung des Vertrages vom 18. August 1955 nicht entgegen. Dahingestellt bleiben könne, ob die vorgesehene Rendite bei fehlendem Kalkspatvorkommen zu niedrig sei; denn das würde allenfalls die Anpassung einzelner Vertragsbestimmungen an die wirkliche Lage erfordern, aber nicht die Beendigung des gesamten Vertrages. Darum gehe es jedoch im gegenwärtigen Rechtsstreit nicht, sondern nur darum, ob der Erblasser verpflichtet sei, der Klägerin den Besitz an dem Steinbruch zu gewähren. Dafür sei unerheblich, ob im übrigen die einzelnen Vertragsbestimmungen zu ändern seien, zumal noch nicht feststehe, wie hoch die Rendite sei, wenn die Klägerin den Steinbruch leite. Abschließend führt das Berufungsgericht aus, Treu und Glauben erforderten es bei dieser Sachlage nicht, dem Vertrage seine bindende Wirkung ab zusprechen. Es sei im Gegenteil einer der wichtigsten Grundsätze der geltenden Rechtsordnung, abgeschlossene Verträge müßten auch gehalten werden. Im vorliegenden Falle gehe es dem Erblasser in Wahrheit nur darum, sich von seinem Vertrage mit der Klägerin zu lösen, weil er glaube, sich bei einer Verpachtung des Steinbruchs an den (früheren) Beklagten wirtschaftlich besser zu stehen.
b) Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zu folgen, daß eine Loslösung von einem Vertrage nach dem Grundsatz „pacta sund servanda” nur beim Vorliegen ganz besonderer Umstände gerechtfertigt sein kann. Sind aber wirklich beide Parteien bei Abschluß des Vertrages von der irrigen Voraussetzung ausgegangen, im Steinbruch sei Kalkspat zu finden, und wäre der Vertrag bei Kenntnis der wahren Sachlage von beiden Vertragspartnern nicht abgeschlossen worden, dann verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn die eine Partei die andere an dem Vertrage festhalten will (BGH Urt. v. 15. Nov. 1951 – IV ZR 15/51 – LM BGB § 242 (Bd) Nr. 1). Ob das Berufungsgericht den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt ausreichend geprüft hat, kann dahingestellt bleiben. Es spricht allerdings davon, die Klägerin sei „nach wie vor” an dem Steinbruch interessiert, auch wenn sieh ihre Hoffnung auf Kalkspatvorkommen nicht erfüllt. Es ist aber nicht klar ersichtlich, ob das Berufungsgericht damit hat feststellen wollen, die Klägerin würde den Vertrag auf jeden Fall damals auch abgeschlossen haben, wenn sie die wahre Sachlage gekannt hätte. Dafür, daß das mutmaßliche Vorkommen von Kalkspat einen wesentlichen Bestandteil des Vertrages bildete, ohne den jedenfalls der Erblasser den Vertrag nicht eingegangen wäre, könnte der von der Revision als übergangen gerügte Vortrag des Erblassers im Schriftsatz vom 12. Juli 1960 sprechen, man habe ausdrücklich in dem Originalvertrag vom 18. August 1955 handschriftlich den Preis „für Kalkspat weiß” von 1,50 in DM 2 geändert, ein Zusatz, der ersichtlich durch den Inhaber der Klägerin persönlich vorgenommen worden ist.
Ein Festhalten des Erblassers an dem Vertrag durch die Klägerin könnte möglicherweise auch dann eine unzulässige Rechtsausübung sein, wenn ihr Inhaber den Erblasser durch seinen Hinweis, der Vertrag mit dem alten Pächter sei wegen Fehlens einer Spatklausel ungünstig, zu dem neuen Vertrag veranlaßt haben sollte (Verfahrensrüge der Revision unter Hinweis auf den Nachtragsschriftsatz vom 26. September 1960 S. 1 in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 29. Juli 1959, wobei andererseits aber auch wird berücksichtigt werden müssen, daß die Klägerin dem Erblasser zwar einen geringeren Mindestpachtzins (nämlich nur 50 DM vierteljährlich statt 500 DM jährlich) zusicherte; dafür aber für „anderes Terrazzogestein” 0,35 DM je cbm (statt nur 0,30 DM) bot. Das Berufungsgericht meint zwar, es bestehe auch jetzt noch die Chance, auf größere Spatvorkommen zu stoßen, man werde sie jedenfalls nicht verneinen können, solange der Steinbruch nicht fachmännisch auf Spat untersucht worden sei. Dazu verweist die Revision darauf, es habe angesichts der Tatsache, daß der alte Pächter nunmehr jahrelang keinen Spat, sondern nur Grauscheck für „Terrazzozwecke” gefunden habe, der Erörterung bedurft, ob nicht die Klägerin nunmehr beweisen müsse, eine Chance in dieser Richtung (nämlich, noch Spat zu finden) sei trotzdem gegeben. Zu diesem Gedankengang wird das Berufungsgericht gegebenenfalls Stellung nehmen müssen. Schließlich wird das Berufungsgericht, welches ausführt, es sei möglicherweise eine Anpassung einzelner Bestimmungen „bei zu niedriger Rendite” erforderlich, hier handele es sich jedoch nur darum, ob der Erblasser verpflichtet gewesen sei, der Klägerin den Besitz an dem Steinbruch einzuräumen, nunmehr zu erwägen haben, ob es diese etwaige Anpassung offen lassen durfte, wenn die Klägerin zu einer solchen Anpassung überhaupt nicht geneigt sein sollte. In den Tatsacheninstanzen hat die Klägerin, soweit ersichtlich, jedenfalls keinerlei Bereitwilligkeit erklärt, auf eine Änderung irgendeiner der Vertragsbestimmungen einzugehen. Zur Streitwertbemessung für das Revisionsverfahren hat sie sogar ausdrücklich vorgetragen, ihr Pachtzins würde sich (bei einer geschätzten Jahresausbeute von 2250 cbm) nur auf etwa 787,50 DM jährlich belaufen haben.
III. Übergang zum Schadensersatzanspruch.
Falls sich herausstellen sollte, daß eine wirksame Doppelverpachtung auch weiterhin vorliegt, die einen Anspruch auf Besitzeinräumung nach den obigen Ausführungen ausschließen würde, so daß die Klägerin allein auf einen Schadensersatzanspruch angewiesen ist, falls nicht etwa die weiteren Einwendungen des Beklagten durchgreifen sollten, so wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob nicht eine entsprechende Klagänderung, gegebenenfalls in der Form eines Hilfsantrages, als sachdienlich zugelassen werden müßte.
C.
Da sich das Urteil auch nicht mit einer anderen Begründung zugunsten der Klägerin aufrecht erhalten läßt, mußte es aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Diesem war auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen, weil sie von dem endgültigen Ausgange des Rechtsstreits abhängig ist.
Unterschriften
Dr. Gelhaar, Artl, Dr. Spieler, Dr. Dorschel, Dr. Messner
Fundstellen
Haufe-Index 538054 |
Nachschlagewerk BGH |