Leitsatz (amtlich)
›a) Wer glaubt, sich kraft eines Selbsthilferechts durch gewaltsame Wegnahme irgendwelcher Geldscheine wegen einer bestehenden Geldforderung selbst befriedigen zu dürfen, kann sich hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Zueignung in einem Tatbestandsirrtum befinden.
b) Wer eine fremde bewegliche Sache im Zusammenwirken mit einem anderen gewaltsam wegnimmt, eignet sie sich auch dann zu, wenn er sie deshalb sogleich der Verfügungsgewalt des anderen überläßt, weil er daran ein eigenes wirtschaftliches Interesse hat oder dadurch einer Anstandspflicht entsprechen will. Er ist Mittäter. (Im Anschluß an BGHSt 4, 236).‹
Verfahrensgang
Gründe
1. Der Angeklagte H ist unter Freisprechung im übrigen wegen schweren Raubes in einem Fall und wegen einfachen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall weiter in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung, versuchter einfacher Erpressung und versuchtem Betruges zu einer Gesamtstrafe von sieben Jahren Zuchthaus,
2. der Angeklagte W wegen Raubes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von drei Jahren drei Monaten Zuchthaus,
3. der Angeklagte L unter Freisprechung im übrigen wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchter räuberischer Erpressung, versuchter einfacher Erpressung und versuchtem Betrug im Rückfall zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
Die Angeklagten habe Revision eingelegt. Die Revisionen der Angeklagten W und L haben keinen Erfolg; die Revision des Angeklagten H ist zum Teil begründet.
I. Zur Revision des Angeklagten H
I. Die Verurteilung des Angeklagten im Falle M wegen gemeinschaftlichen Raubes, gemeinschaftlich versuchter räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, gemeinschaftlich versuchten Betrugs, gemeinschaftlich versuchter einfacher Erpressung, sämtliche Straftaten von der Strafkammer als Teile einer natürlichen Handlungseinheit angesehen, hält der Überprüfung auf Grund der vom Angeklagten erhobenen allgemeinen Sachrüge und der Einzelangriffe seiner Revision stand.
a) Diese beanstandet, die Strafkammer habe die menge des von dem als zeugen vernommenen Hüttenarbeiters M genossenen Alkohols und den Einfluß dieser Getränke auf sein Erinnerungsvermögen nicht geklärt. Wäre das geschehen, so könne es "nicht ausgeschlossen werden, daß die Kammer zu einer anderen Beurteilung hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Aussage des zeugen M gekommen wäre."
Diese Aufklärungsrüge ist unbeachtlich. Denn die Revision bezeichnet nicht die Beweismittel, die das Landgericht für die weitere Klärung über M's Alkoholgenuß hätte verwenden können. Übrigens ergeben die Feststellungen des angefochtenen Urteils keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Strafkammer nach dem Gesamtverhalten des Zeugen bei der Straftat des Angeklagten Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Angaben hätte haben können. Dazu läßt die Begründung des angefochtenen Urteils erkennen, daß die Strafkammer die Einlassung des Angeklagten nicht allein auf Grund der Aussage des M als widerlegt angesehen hat.
b) Fehl gehen auch die "insbesondere" wegen der Verurteilung des Angeklagten H wegen Raubes, versuchter räuberischer Erpressung und versuchter einfacher Erpressung" zum Nachteil M's und dessen Ehefrau erhobenen Angriffe der Revision auf die Beweiswürdigkeit des angefochtenen Urteils. Sie sind unzulässig. Denn die gesamte Beweiswürdigung hält sich - entgegen den Ausführungen der Revision - frei von Denkfehlern und Verstößen gegen Erfahrungsgrundsätze. Der Beschwerdeführer unternimmt den vergeblichen Versuch, seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Landgerichts zu setzen, dem allein die Feststellung des Sachverhalts oblag.
Wie sich aus den Feststellungen der Strafkammer, ihrer Beweiswürdigung und ihren rechtlichen Ausführungen ergibt, ist sie insbesondere überzeugt, der Angeklagte H habe gewußt, daß sine Forderung an M auf Zahlung einer Zeche von 130 DM, die er, M jede Bezahlung verweigerte, durch Begehung der bezeichneten Straftaten "einzutreiben" versuchte, jedenfalls in dieser Höhe rechtswidrig war. In dem Betrag lag allerdings, wovon die Strafkammer zugunsten des Angeklagten auch ausgeht, eine Summe für eine Runde oder Zwei Runden Pils, für die M vom Angeklagten als Schuldner angesehen werden durfte. Die Überzeugung der Strafkammer, der Angeklagte sei sich im übrigen der Rechtswidrigkeit seiner Zechforderung bewußt gewesen, wird von allem aus folgenden Urteilsstellen deutlich: Da der Angeklagte H die Getränke, die er an den Tisch bringen ließ, wo M und andere Gäste saßen, selbst bestellt hatte, ging M davon aus, daß er von diesem Angeklagten freigehalten werde. H hingegen stellte alles, was die Tischrunde getrunken und verzehrt hatte, dem M in Rechnung, der von ihm "auf Kosten getrieben werden sollte". Zu diesem Zweck "animierte" er M zum Trinken. H forderte zudem über den Betrag von 78 DM hinaus, den die am Tisch M genossenen Getränke und Speisen ausmachte, insgesamt 130 DM. "Alle Beteiligten gingen davon aus, daß H den M die Zeche bezahlen lassen und ihn zunächst auf Kosten treiben wollte".
Die Revision meint, die Beweiswürdigung der Strafkammer widerspreche der Lebenserfahrung, weil M bei der Fragwürdigkeit des von ihm besuchten Lokals, der R stuben, sich im klaren darüber gewesen sei, daß nicht der Wirt (der Angeklagte) ihn zechfrei halten werde, sondern daß er selbst Schuldner der Zeche sei und daß deshalb auch der Angeklagte H davon ausgegangen sei. Dieser Einwand ist aber angesichts der ins einzelne gehenden Feststellungen der Strafkammer unbegründet. Fehl gehen deshalb alle Schlüsse, die die Revision aus der vermeintlichen Erfahrungswidrigkeit ziehen möchte, insbesondere die Folgerung, der Angeklagte habe seine - zunächst verdoppelte, später vervierfachte - Forderung an M für berechtigt gehalten.
c) Die Strafkammer ist ferner davon überzeugt, daß der Angeklagte H auch zu der Zeit, als er zusammen mit den Angeklagten L und W dem M eine Uhr und eine Geldbörse gewaltsam wegnahm, um sich dadurch wegen der an M's Tisch entstandenen Zeche zu befriedigen, die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung dieser Sachen erkannte. Sie hat deshalb in diesem Teilakt des Geschehens einen vollendeten Raub gefunden.
Die Revision wendet insoweit ein, der Angeklagte H habe durch die Wegnahme dieser beiden Sachen einen Gegenwert nur für die (von der Strafkammer zu seinen Gunsten als berechtigt angenommen) Forderung gegen M auf Zahlung der Pilsrunden erlangen wollen, die er möglicherweise in M's Einverständnis bestellt hatte. Für die Richtigkeit dieses Vorbringens liefern indessen die Feststellungen des Landgerichts keinen Anhalt. Vielmehr war der Angeklagte danach bei der Wegnahme dieser Sachen von der Absicht geleitet, soweit als möglich einen Gegenwert für seine bewußt unberechtigte Zechforderung gegen M zu erhalten. Mit dieser Feststellung verträgt sich auch nicht die Meinung der Revision, der Angeklagte habe beide Sachen nur als Pfänder zur Sicherung für die Zechforderung behalten, die sich aber nicht zueignen wollen. Selbst wenn er aber nur die von der Revision behauptete Absicht hätte erreichen wollen, wußte er doch, wie die Feststellungen der Strafkammer ergeben, daß er keinen Rechtsanspruch auf diese Sachen hatte, sondern nur einen Anspruch auf Zahlung der Pilsrunden.
Auch dann, wenn der Angeklagte der (irrigen) Meinung gewesen sein sollte, M sei im Laufe des Abends von einem anderen Gast (S) um 100 DM bestohlen worden, und er aus diesem Grund dem S die vermeintlich gestohlenen 100 DM gewaltsam abnahm, durfte die Strafkammer ohne Denkverstoß zu der Überzeugung gelangen, der Angeklagte sei sich der Rechtswidrigkeit seiner Zechforderung gegen M bewußt gewesen. Denn das Gerücht, S habe dem M 100 DM gestohlen, konnte ihm ein vollkommener Vorwand dafür sein, S 100 DM abzunehmen, um sich in dieser Höhe für seine bewußt unberechtigt erhobene Zechforderung schadlos zu halten.
2. Die Strafkammer hat die Angeklagten H und W eines gemeinschaftlichen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 249, 223a, 47, 73 StGB) zum Nachteil des W S für schuldig befunden. Ihre Darlegungen dazu im angefochtenen Urteil lassen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten H erkennen. Die Angriffe der Revision sind unbegründet.
Den in den R-Stuben einkehrenden S hielten, wie die Strafkammer feststellt, die Angeklagten H und W für den Dieb des mit M, wie das Gerücht lautete, gestohlenen 100-DM-Scheins. H forderte W mit der Bemerkung, er als Kellner stehe ihm für die Zeche W's gerade, auf, er solle sich das Geld von S verschaffen. Daraufhin schlug W auf S ein, um ihm Geld wegzunehmen. Daran beteiligte sich H. Ihren vereinten Kräften gelang es, S 50 DM mit Gewalt wegzunehmen, die auf die angebliche Zeche M's verrechnet wurden.
Der Angeklagte H macht in der Revisionsbegründung geltend, der festgestellte Sachverhalt lasse seinen Glauben daran erkennen, er habe einen begründeten Anspruch auf die geforderte Zeche. Denn er habe dem W gesagt, daß er ihm dafür geradestehe. Außerdem habe er nicht im eigenen, sondern im Interesse W's gehandelt.
Sollte die Revision mit dem ersten Teil dieses Einwands zum Ausdruck bringen wollen, H habe in der Tat eine begründete Zechforderung gegen M gehabt, er habe deshalb auch an ihre Begründetheit geglaubt, so widerspräche diese Auslegung den Feststellungen des Landgerichts zum Fall M. Übrigens hätte sich H selbst für eine begründete Zechforderung gegen M nicht an S schadlos halten dürfen.
Die aus dem zweiten Teil des Revisionsvorbringens deutlich werdende Auffassung, H sei nur Gehilfe W's gewesen, scheitert daran, daß H, wie die Strafkammer feststellt, auch ein eigenes Interesse verfolgte, als er seinen Kellner, den Angeklagten W, auf die Möglichkeit hinwies, bei S die Zechforderung zum Teil einzutreiben. Denn die Ausnutzung dieser Möglichkeit brachte in erster Linie ihm, dem Angeklagten H Vorteile. Darum ging er ersichtlich auch darauf aus, den Hundertmarkschein sich und nicht nur W zuzueignen, wenngleich er diesen "f+r die Zeche "" haftbar machte.
3. Im Falle B, ist der Angeklagte H des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung für schuldig befunden. Auch diese Verurteilung wird durch die Feststellungen des angefochtenen Urteils getragen. Die Revision beanstandet die Verurteilung des Angeklagten in diesem Falle im einzelnen auch nur durch unzulässige Angriffe auf die Beweiswürdigung des Landgerichts.
4. a) Im Falle G hat die Strafkammer den Angeklagten H auf Grund folgender Feststellungen wegen Straßenraubes (§§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB) verurteilt.
G schuldete dem Angeklagten H noch mindestens 20 DM für Zechen in den R-Stuben. Am 21. Juni 1960 traf ihn der Angeklagte auf der Straße. H, der von dem ihm befreundeten C begleitet war, vermutete mit Recht, daß Geld bei sich habe. Er forderte ihn mit den Worten, "Moos raus" zur Bezahlung seiner Zechschuld auf. G wandte sich jedoch zum Weitergehen. Da hielten H und O den G an den Armen fest, während dieser eine Hand zur Abwehr hob. Wie H es wollte, durchsuchte O die Taschen G's und fand darin einen 10-DM- und einen 5-DM-Schein. Beide nahm er ihm weg und händigte sie H aus.
b) Ohne Rechtsirrtum nimmt die Strafkammer zwar an, daß die Wegnahme des Geldes rechtswidrig war. Denn der Angeklagte hatte trotz seines Anspruchs auf Bezahlung der Zechschuld keinen Anspruch darauf, gerade die beiden Geldscheine von G zu bekommen.
Dabei verkennt sie nicht, daß es für die Rechtswidrigkeit der gewaltsamen Zueignung und damit für den äußeren Tatbestand des Raubes darauf ankommt, daß der Täter als Gläubiger einer auf Geld, also auf eine Gattungsschuld, gerichteten Forderung die Eigentumsordnung verletzt, wenn er irgendwelche Geldscheine seines Schuldners zur Befriedigung seines Anspruchs wegnimmt (vgl. RGSt 64, 210, 212 f; Schönke/Schröder 10. Aufl. Anm. VII 2 b zu § 242 StGB). Denn nach der Regelung des bürgerlichen Rechts hat der Schuldner die ausschließliche Befugnis, seinerseits aus der Gattung die zur Erfüllung seiner Schuld erforderlichen bestimmten Sachen (hier die einzelnen Geldscheine) auszuwählen und zu leisten (§ 243 BGB). Der Gläubiger, der vor Ausübung dieses Auswahlrechts irgendeine Sache aus der Gattung eigenmächtig wegnimmt, führt damit nicht den von der Eigentumsordnung gewollten endgültigen Zustand herbei. Er könnte sich gegenüber dem Rückgabeanspruch, der auf das beim Schuldner verbliebene Eigentum gestützt würde (§ 985 BGB), nicht auf ein Recht zum Besitz i.S. des § 986 BGB berufen. Der Geltendmachung des Eigentumsanspruchs würde auch regelmäßig die Einrede der allgemeinen Arglist nicht entgegengehalten werden können (vgl. dazu RGSt 25, 172; Schröder DRiZ 1956, 69 ff). Anders wäre dies bei einer von vornherein - im Gegensatz zur Gattungsschuld- auf Übereignung einer bestimmten Sache gerichteten Forderung. Wer den ihm als bestimmte Sache geschuldeten Gegenstand - mit oder ohne Selbsthilfeberechtigung - gewaltsam in Zeichnungsabsicht wegnimmt, handelt nicht rechtswidrig i.S. der Eigentumsordnung, weil er den von ihr gewollten Zustand herbeiführt.
Gegenüber dem erörterten Mangel eines Anspruchs des Geldgläubigers auf Verschaffung des Eigentums an von ihm ausgewählten beliebigen Geldscheinen des Schuldners, ist die von der Strafkammer eingehend erörterte (und verneinte) Frage einer Selbsthilfeberechtigung des Angeklagten nach § 229 BGB für die äußere Tatbestandsmäßigkeit als Raub ohne Bedeutung. Selbst wenn die Voraussetzungen einer solchen Selbsthilfe gegeben wären, würde im übrigen der Inhalt dieses Rechts auf die eigenmächtige Auswahl bestimmter Geldscheine an Stelle des Schuldners und deren Sicherstellung für den Angeklagten beschränkt gewesen sein, nicht aber dessen hier vollzogene Befriedigung durch selbstherrliche Überführung in die eigene Verfügungsmacht umfaßt werden. Die Vorschrift des § 230 Abs. 2 BGB bestimmt nämlich, daß im Falle der Wegnahme von Sachen deren dingliche Arrestierung zu beantragen sei, sofern der Gläubiger sie nicht zum Gegenstand der Zwangsvollstreckung aus einem ihm zustehenden Titel machen läßt. Die eigenmächtige Zueignung von Gattungssachen und daher von Geld kann danach auch durch eine etwa bestehendes Selbsthilferechts nicht gerechtfertigt werden.
c) Für die innere Tatseite kann dagegen der Glaube an den Bestand eines Selbsthilferechts sehr wohl erheblich sein. Das Landgericht geht in Anknüpfung an die Einlassung des Angeklagten H , daß er auf andere Weise niemals zu seinem Geld gekommen wäre, zu dessen Gunsten davon aus, daß er "trotz richtiger Kenntnis des Sachverhalts für sich irrig ein nicht bestehendes Selbsthilferecht angenommen" hat. Damit meint es wie der Zusammenhang der Ausführungen eindeutig erkennen läßt, ein Recht auf eigenmächtige Wegnahme mit dem Ziel der Befriedigung und nicht nur mit dem Ziel der Sicherung. Bei der Erörterung dieses Irrtums übersieht indessen die Strafkammer, daß der Irrtum des Angeklagten sich, wenn er schon auf die vermeintliche Befugnis zur Befriedigung wegen einer Geldforderung gerichtet war, sich naheliegender Weise auch auf die Befugnis erstreckt haben kann, von G auch die Übereignung des Geldes, das dieser gerade bei sich trug, zu verlangen. Der Glaube an das Recht zur gewaltsamen Herbeiführung des Eigentumswechsels umfaßt regelmäßig auch den Glauben an das Bestehen des Anspruchs dessen - eigenmächtiger - Befriedigung die Wegnahme zur eigenen Verfügung dienen soll. Der Anspruch kann nach der Vorstellung des Angeklagten, da er aus einer Zechschuld des G herrührte, auf Übereignung der gerade im Besitz des Schuldners befindlichen Geldscheine gerichtet gewesen sein. Der Angeklagte könnte somit - nach dem vom Landgericht als möglich unterstellten Sachverhalt - das Vorhandensein eines Rechtfertigungsgrundes angenommen haben, der, wenn er von der der Rechtsordnung anerkannt wäre, seiner mit der gewaltsamen Wegnahme erstrebten Zueignung des Geldes das Merkmal der Rechtswidrigkeit und damit die Tatbestandsmäßigkeit als Raub genommen hätte. Der Irrtum eines Täters, Gattungssachen zur Befriedigung des auf Übereignung einer bestimmten Sache gerichteten Anspruchs wegnehmen zu dürfen, ist allerdings grundsätzlich eine den Vorsatz nicht ausschließender Verbotsirrtum, weil der Täter regelmäßig weiß, daß sein Anspruch auf eine bestimmte Sache und nicht auf irgendwelche Sachen gleicher Art und Güte gerichtet ist. Diesen Unterschied wird aber der nicht rechtskundige Täter häufig gerade bei Geld als der schlechthin gleichartigen und vertretbaren Gattungssache nicht zu machen pflegen. Hier glaubt er möglicherweise, als Gläubiger einer Geldforderung jeweils die gerade im Besitz des Schuldners befindlichen Geldmittel als die ihm unmittelbar und nicht nur vertretungsweise geschuldeten beanspruchen zu dürfen. Diese Meinung kann auch der Angeklagte gewesen sein, weil ihm das Landgericht den guten Glauben an das seiner Natur nach notwendig auf bestimmte Gegenstände gerichtete Recht zur Wegnahme mit dem Ziel der Befriedigung zugebilligt hat. Wenn er zu dieser Meinung auch infolge eines falschen rechtlichen Schlusses gekommen wäre, so entspräche der Inhalt seiner Vorstellung dennoch im Ergebnis der Vorstellung des Gläubigers, der eine Forderung auf Übereignung einer ihm als bestimmte Leistung geschuldete Sache zu haben glaubt und sich etwa nur über die Nämlichkeit der von ihm weggenommenen Sache geirrt hat (vgl. dazu Schröder, DRiZ 1956, 72). Er müßte deshalb rechtlich genauso wie dieser behandelt werden. Dieser Gläubiger würde aber bei eigenmächtiger Wegnahme einer irriger Weise für die geschuldete Sache infolge Annahme der Merkmale eines vermeintlichen Rechtfertigungsgrundes im Tatbestandsirrtum handeln und deshalb gemäß § 59 StGB straffrei bleiben (BGHSt 3, 105, 107, 194, 271, 357). Dabei geht der Senat davon aus, daß bei einem solchen Irrtum über die Rechtswidrigkeit ein für den Tatbestand der Zueignungstaten erforderlicher Verstoß gegen die Eigentumsordnung nach der Vorstellung des Täters fehlen würde.
d) Das Landgericht will dem Angeklagten nur einen das Selbsthilferecht betreffenden Verbotsirrtum zu Gute halten en es als vermeidbar ansieht. Ob er sich auch wegen der Rechtswidrigkeit des Verlangens auf Übereignung geirrt haben könnte, ist nicht zulänglich geprüft.
Dieser Mangel nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Urteile im Falle G. Das Landgericht, an das die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist, wird Gelegenheit haben diesen Fall, namentlich hinsichtlich des inneren Tatbestands, erneut zu prüfen. Dabei wird es zu beachten haben, daß die Ausführungen, denen zufolge der Angeklagte sich keinerlei Gedanken darüber gemacht haben soll, ob die Zueignung gestattet sei, in Widerspruch mit der an anderer Stelle eingeräumten Möglichkeit zu stehen scheinen, der Angeklagte habe aus den dort näher angeführten Erwägungen das Bestehen eines Selbsthilferechts angenommen. Ferner wird es sich der Bedenken bewußt sein müssen, die gegen den gezogenen Schluß bestehen können, aus der - erkannten - Rechtswidrigkeit des "Vorgehens" (also doch wohl der eigenmächtigen Wegnahme) ergebe sich, daß der Angeklagte auch die Rechtswidrigkeit der "Zueignung" billigend in Kauf genommen habe.
Die in den anderen Fällen gegenüber H verhängten Einzelstrafen (Zuchthausstrafen) können bestehnbleiben, da deren Höhe, wie aus den Strafzumessungsgründen ersehen werden kann, durch die Verurteilung H's zu acht Monaten Gefängnis im Falle G nicht beinflußt worden ist.
II. Zur Revision des Angeklagten W
Die rechtlichen Darlegungen der Strafkammer zur Verurteilung diese Angeklagten wegen Raubes in zwei Fällen, davon in einem Falle in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, sind durchweg bedenkenfrei. Die Angriffe der Revision auf die rechtliche Annahme einer Mittäterschaft gehen sowohl im Falle S als auch im Falle M fehl. Die Revision verkennt dabei folgendes:
Die Absicht, sich eine Sache rechtswidrig zuzueignen, setzt nicht voraus, daß der Mittäter die wegzunehmende Sache in seinen alleinigen Gewahrsam bringen und für sich behalten will. Er kann den durch die gemeinsame Wegnahme der Rechte eines (Mit-)Eigentümers auch sogleich der Verfügungsgewalt eines anderen Mittäters überlassen. Von einer Zueignungsabsicht des Mittäters kann in solchen Fällen freilich nur dann die Rede sein, wenn er mit der Überlassung der Sache an den anderen Mittäter irgendeinen wirtschaftlichen Vorteil oder Nutzen für sich erstrebt. Als Beispiel ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes insoweit angeführt, aß der Täter sich eine Gegenleistung gewähren lassen und so den wirtschaftlichen Wert der Sache (ganz oder teilweise) seinem Vermögen zuführen will, oder daß er durch die in der Überlassung zum Ausdruck kommenden Verfügung im eigenen Namen als freigebig erscheinen will, ohne eigene Mittel aufzuwenden (vgl. BGHSt 4, 236, 238 f.). Indessen erschöpfen diese Beispiele den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entwickelten Begriff des "Sichzueignens" keineswegs. Er umfaßt auch Fälle, in denen der Mittäter darauf abzielt, in Anmaßung der Rechte des Eigentümers die diesem gehörende Sache oder deren wirtschaftlichen Wert der Verfügungsgewalt eines anderen Mittäters zu überlassen, um damit aus eigenem wirtschaftlichen Interesse einer an ihn ergangenen Aufforderung dieses anderen zu entsprechen. Dabei ist nicht erforderlich, daß diesem wirtschaftlichen Interesse die Besorgnis zugrunde liegt, mit Erfolg rechtlich in Anspruch genommen werden zu können. Es genügt vielmehr, daß der Täter in der Vorstellung handelt, sich durch sein Verhalten irgendwelche wirtschaftliche Vorteile zu erhalten oder für die Zukunft zu sichern.
Im Falle S zielte W als Kellner bei dem mitangeklagten Gastwirt H auch darauf ab, sich die 100,- DM zuzueignen, die S angeblich dem Gastwirt W weggenommen hatte, Zwar handelte er H's Weisungen entsprechend und ging nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils von vornherein darauf aus, H als Wirt an Stelle der zu seinen Gunsten vorzunehmenden Abrechnung in den Besitz des Geldscheins zu setzen, damit dieser für die durch ihn an M ausgegebenen Genuß- und Verzehrmittel einen Gegenwert erhalte. Aber der Angeklagten W wollte den wirtschaftlichen Wert des Geldscheines insoweit ebenfalls für sich nutzen, als er ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran hatte, daß das unter seiner tätigen Mitwirkung gemeinsam und gewaltsam erbeutete Geld H zufloß, damit er, der am Tattage zum ersten Mal in H's Lokal als Kellner arbeitete, von H, wie ihm dieser angedroht hatte, nicht "für die Zeche M" haftbar gemacht werde (vgl. BGH GA 1959, 373). ob H wirklich bürgerlichrechtliche Ansprüche gegen W hatte, ist hier ohne Belang. Bedeutung für die strafrechtliche Würdigung besitzt nur der Umstand, in welcher Vorstellung W handelt.
Im Ergebnis nicht anders ist das Verhalten des Angeklagten W im Falle M zu beurteilen. Denn W beteiligte sich, wie aus dem angefochten Urteil zu entnehmen ist, an der die Wegnahme von Geld bezweckenden gewaltsamen Entkleidung M's nicht nur im Interesse des Angeklagten H, der als Wirt zum Gegenwert für den Verzehr an M's Tisch kommen wollte, sondern auch deswegen, weil er selbst ein erhebliches eigenes Interesse an der gewaltsamen Wegnahme des Geldes hatte. Er "sollte und wollte" nach den Feststellungen mit dem Gelde M's den von diesem mitgenossenen Verzehr "abrechnen". Denn er hatte als Kellner "für die Bestellungen am Buffet gebucht und bei der Zeugin H abzurechnen", die dort Speisen und Getränke ausgab, und war von H aufgefordert worden, den Verzehr an M's Tisch zu kassieren. Daß die Strafkammer unter diesen Umständen zu dem Ergebnis gekommen ist, W habe die Tat, wie sie sich abspielte, als eigen und nicht nur die Tat der beiden anderen Mittäter H und L fördern wollen und infolgedessen W als Mittäter und nicht nur als Gehilfen verurteilt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch in diesem Falle hatte W die Absicht, die M gemeinsam abgenommenen Sachen sich zuzueignen, indem er in Anmaßung der Rechte des (Mit-)Eigentümers darüber wirtschaftlich zu seinem mittelbaren Vorteil verfügen wollte, nämlich um dem Auftrag H's zum Einkassieren nachzukommen. Auch hier ist für die strafrechtliche Beurteilung, ob W die Beute sich zueignen wollte, allein wesentlich, mit welcher Vorstellung W handelte.
III. Zur Revision des Angeklagten L
Vergeblich greift die Revision ebenfalls die tateinheitliche Verurteilung dieses Angeklagten als Mittäter eines Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchter räuberischer Erpressung, versuchter einfacher Erpressung und versuchtem Betrug im Rückfall an. Die Darlegungen der Strafkammer hierzu lassen - jedenfalls im Ergebnis - keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Die Strafkammer hat - entgegen den Anführungen der Revision zur Tat auf Grund aller Umstände wertend ermittelt (vgl. dazu BGHSt 8, 390, 391, 393, 396) und ist dabei ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gelangt, das eigene Interesse des Angeklagten L, daß H zu dem von ihm erstrebten Gelde kam, lasse sein Tun nicht bloß als Förderung des Tuns des H erscheinen, sondern als eine Ergänzung dessen Tatanteils. Diese das eigene Interesse des Angeklagten an der Tat als Anzeichen für seinen Täterwillen benutzende zutreffende rechtliche Wertung entspricht den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen. Nach ihnen war L daran gelegen, daß H zu dem erstrebten Geld kam, weil er "an dem Tisch, an dem M saß und für den auch H Bestellungen aufgegeben hatte", "umsonst mitgetrunken hatte und hoffte, nach Erlangung des Geldes von H später Vorteile zu erhalten, besonders freigehalten zu werden". L hatte danach nicht nur den Wunsch, H zu dem von diesem erstrebten Vorteil zu verhelfen. Ihn beherrschte vielmehr auch ein durch Erfüllung einer vermeintlichen Anstandspflicht und die Erwartung künftiger unentgeltlicher Genußbefriedigung genährtes Eigeninteresse, daß H zu diesem Ziel gelangte. Angesichts dieses seines festgestellten Interesses genügt der - nicht nur geringfügige - Tatbeitrag L's für die rechtliche Annahme der Mittäterschaft. Denn er wirkte mit H, wie dem Sachverhalt des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist, "Hand in Hand". War auch H der tätigere, so waren doch Durchführung und Ausführung der Tat auch von L's Willen abhängig. Als besonders kennzeichnend konnte die Strafkammer ansehen, daß L auf der Fahrt zu M's Wohnung, bei der er hinten im Wagen mit M zusammensaß, während H steuerte, wiederholt auf M einprügelte, ohne ihm gegenüber zur Abwehr gezwungen gewesen zu sein, mithin um von sich aus M für das von H und ihm erstrebte Ziel gefügig zu machen. Im gleichen Sinne verwenden konnte die Strafkammer ferner, daß L in M's Wohnung von der Küche in das neben ihr liegende Wohnzimmer ging, wo er das zur Mitnahme durch H und ihn vorgesehene Fernsehgerät - mit Recht - vermutete und dessen Anschlüsse löste, um es abbefördern zu können.
Nach alledem sind die Revisionen der Angeklagten W und L in vollem Umfange zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 2992661 |
BGHSt 17, 87 |
BGHSt 17, 88 |
BGHSt, 87 |
NJW 1962, 971 |
JuS 1962, 325 |