Entscheidungsstichwort (Thema)
sexuelle Nötigung
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 17. Mai 1999 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die vom Generalbundesanwalt vertretene, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte, zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen hatte Frau F. dem Angeklagten, ihrem Ehemann, mitgeteilt, daß sie sich von ihm trennen und mit ihm nicht mehr geschlechtlich verkehren wolle. In der Nacht zum 21. November 1998 beschloß der Angeklagte, sich an seiner Ehefrau zu rächen und sie zu vergewaltigen. Nachdem Frau F. um ca. 7.00 Uhr von der Nachtarbeit zurückgekehrt war, zwang der Angeklagte sie, sich auszuziehen, indem er sie mit einem Messer bedrohte und ihr mit der Hand ins Gesicht schlug. Anschließend führte er mit ihr gegen ihren Willen den Vaginalverkehr bis zum Samenerguß durch, wobei er das Messer in der rechten Hand hielt. Danach mußte sie den Angeklagten oral befriedigen. Beim Oralverkehr strich der Angeklagte ihr mit dem Messer über den Rücken. Daraufhin drehte er sie auf den Bauch, und versuchte, mit ihr anal zu verkehren. Da ihm dies nicht gelang, führte er wieder den Vaginalverkehr aus. Während dieser Zeit lag das Messer griffbereit auf dem Fußboden neben dem Bett. Diese sexuellen Handlungen zeichnete der Angeklagte mit einer Videokamera auf. In der Folgezeit führte er mit seiner Ehefrau sowohl im Kinderzimmer als auch im Bad gegen deren Willen jeweils den Vaginalverkehr bis zum Samenerguß aus. Im Bad versuchte er auch noch den Analverkehr mit ihr durchzuführen.
2. Die Strafkammer hat die Voraussetzungen des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB (Verwenden einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs bei der Tat) als erfüllt angesehen und die Tat als einen minder schweren Fall i. S. des § 177 Abs. 5 Halbs. 2 StGB gewertet. Die Gründe, mit denen sie einen minder schweren Fall bejaht hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Für die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall angenommen werden kann, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgebend, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Hierzu ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGHSt 26, 97, 98 f. = NJW 1975, 1174; BGHR StGB vor § 177 II Strafrahmenwahl 1, 5, 6, 8, 10).
Die rechtliche Begründung in dem angefochtenen Urteil für die Annahme eines minder schweren Falles wird diesen Anforderungen nicht gerecht, weil sie einseitig auf die Angabe der Milderungsgründe begrenzt ist und die erforderliche umfassende Darstellung und Gesamtabwägung der für die Strafrahmenwahl maßgeblichen Umstände vermissen läßt (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung, unvollständige 6). Die Strafkammer hat die objektiven Tatumstände wie die sorgfältige Planung und die erhebliche Dauer der Tat sowie die mehrfache Verwirklichung des Regelbeispiels des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB (vierfacher Vaginal-, einmaliger Oral- und zweifacher versuchter Analverkehr) nicht erkennbar berücksichtigt, obwohl es sich für die Prüfung eines minder schweren Falls insoweit um wesentliche Strafzumessungserwägungen handelt, die bei der Strafrahmenwahl die Milderungsgründe relativieren können (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung, unvollständige 6; vgl. auch BGHR StGB § 177 II Strafzumessung 1). Da nicht auszuschließen ist, daß das Landgericht bei einer Würdigung auch der erschwerenden objektiven Tatumstände einen minder schweren Fall verneint und deshalb auf eine Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB erkannt hätte, hat der Strafausspruch keinen Bestand.
b) Darüber hinaus ist zu besorgen, daß die Strafkammer den dargestellten Milderungsgründen ein zu großes Gewicht beigemessen hat, soweit sie einen minder schweren Fall der Vergewaltigung mit der Eifersucht des Angeklagten und dem erzwungenen Geschlechtsverkehr mit einem „vertrauten Partner” begründet hat. Die Eifersucht des Angeklagten war nach den Urteilsfeststellungen grundlos. Dem Geschlechtsverkehr mit einem „vertrauten Partner” kommt wegen der Erklärung der Ehefrau, sie wolle sich von dem Angeklagten trennen und mit ihm nicht mehr geschlechtlich verkehren, sowie wegen des Bestrafungscharakters der Tat keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 177 Rdn. 33).
3. Im übrigen weist der Senat auf folgendes hin:
Im Hinblick auf die gesetzliche Deliktsüberschrift und die Legaldefinition des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB ergeht der Schuldspruch nicht wegen sexueller Nötigung, sondern wegen Vergewaltigung, wenn das Regelbeispiel erfüllt ist (vgl. BGH NStZ 1998, 510; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 177 Rdn. 20). Der Schuldspruch ist durch Beschluß des Senats vom heutigen Tage in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 354 Rdn. 12 ff.) auf die auch ihn erfassende Revision des Angeklagten berichtigt worden.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Miebach, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 556742 |
NStZ 2000, 254 |