Leitsatz (amtlich)
›1. Bei einer Garantie auf erstes Anfordern ist die Zahlungsaufforderung formalisiert; sie löst die Zahlungspflicht nur dann aus, wenn sie so abgegeben wird, wie dies in der Garantieurkunde festgelegt wurde.
2. Ein Forderungsprätendentenstreit liegt nur bei Identität der streitbefangenen und der vom Dritten für sich in Anspruch genommenen Forderung vor. Nur dann steht der Bestand der Forderung gegen den Schuldner fest.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, eine dänische Sparkasse, und der Beklagte, Konkursverwalter der B. GmbH (Gemeinschuldnerin), streiten mit Klage und Widerklage um einen Betrag, den die D. Bank auf einem Festgeldkonto verwahrt.
Die Gemeinschuldnerin beauftragte die dänische N. ApS (N.) mit Installationsarbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff. Zur Sicherung des Werklohnanspruchs übernahm die D. Bank im Auftrag der Gemeinschuldnerin eine Garantie. Die D. Bank versprach darin N. Zahlung auf erstes Anfordern, wenn der Anforderung eine schriftliche Bestätigung der Gemeinschuldnerin beigefügt werde, daß die Installationsarbeiten termingerecht fertiggestellt und von der Reederei abgenommen seien und N. eine vollständige Abrechnung bis zum 29. Februar 1992 vorgelegt habe. Die Garantie sollte erlöschen, wenn eine Inanspruchnahme der D. Bank unter Beifügung der vorgenannten Bestätigung nicht bis zu diesem Tage erfolge. Nach Abtretung der Garantie durch N. an die Klägerin verlängerte die D. Bank die Garantie bis zum 25. März 1992.
Am 23. März 1992 legt die Klägerin die Schlußrechnung der N. vor. Da die Gemeinschuldnerin deren Bezahlung verweigerte, nahm die Klägerin am folgenden Tage die D. Bank auf Ersuchen von N. aus der Garantie in Anspruch. Mit Telex vom 26. März 1992 lehnte die D. Bank Zahlung aufgrund der Garantie ab, da der Inanspruchnahme keine schriftliche Bestätigung der Gemeinschuldnerin beigefügt war und diese nach den Garantiebedingungen nicht nachgereicht werden könne. Als die Klägerin widersprach, zahlte die D. Bank zwar weiterhin nicht, ließ mit Rücksicht auf ihre Inanspruchnahme aus der Garantie aber Verfügungen der Gemeinschuldnerin über deren Kontoguthaben in Höhe der Garantiesumme nicht mehr zu.
Die Gemeinschuldnerin nahm daraufhin die jetzige Klägerin vor dem Landgericht L. auf Teilfreigabe des bei der D. Bank unterhaltenen Guthabens sowie auf Rückgabe der Zahlungsgarantie Zug um Zug gegen Überweisung von 318.531,16 DM in Anspruch. Der Rechtsstreit endete am 30. März 1993 mit einem Vergleich. Darin wurde die D. Bank angewiesen, aus dem Guthaben "aufgrund der Garantie" 565.000 DM an die jetzige Klägerin Zug um Zug gegen Rückgabe der Garantieurkunde auszuzahlen und das Restguthaben an die Gemeinschuldnerin freizugeben.
Bevor der D. Bank der Vergleich vorgelegt werden konnte, wurde auf einen Vergleichsantrag der Gemeinschuldnerin ein allgemeines Veräußerungsverbot gegen sie erlassen und der Beklagte zum vorläufigen Vergleichsverwalter bestellt. Da er der Auszahlung der Vergleichssumme an die Klägerin widersprach, weigerte sich die D. Bank, den Betrag ohne seine Zustimmung auszukehren.
Die Klägerin nahm daraufhin die D. Bank auf Zahlung von 565.000 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Nachdem der jetzige Beklagte nach Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin und nach Streitverkündung dem Rechtsstreit auf Seiten der D. Bank beigetreten war und diese unwiderruflich erklärt hatte, den streitigen Betrag an die obsiegende Partei des Interventionsrechtsstreits auszukehren, wurde sie durch Zwischenurteil aus dem Rechtsstreit entlassen und dieser zwischen der Klägerin und dem Beklagten fortgesetzt.
Das Landgericht hat dem Antrag der Klägerin, den Beklagten zu verurteilen, der Auskehrung des streitigen Betrages an sie zuzustimmen, stattgegeben und die korrespondierende Widerklage des Beklagten abgewiesen. Dessen Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt er sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Oberlandesgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten, der Auskehrung des von der D. Bank verwahrten Betrages an sie zuzustimmen, für gegeben erachtet und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe aus abgetretenem Recht der N. gegen die D. Bank eine Forderung über 565.000 DM zuzüglich Zinsen aus Garantievertrag zu. Die Garantievoraussetzungen seien erfüllt; die Klägerin habe vor Ablauf der verlängerten Garantiefrist Zahlung verlangt. Die Inanspruchnahme der Garantie sei nicht rechtsmißbräuchlich. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin habe auf die Zahlungspflicht der D. Bank keinen Einfluß. Durch deren Ausscheiden aus dem Rechtsstreit habe sich die Position der Klägerin nicht verschlechtert. In Anbetracht der klaren Rechtslage erübrigten sich Erwägungen, ob der Klägerin aus dem vor dem Landgericht L. geschlossenen Vergleich Ansprüche zustünden.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Voraussetzungen für eine Zahlungspflicht der D. Bank aus der übernommenen Garantie liegen nicht vor.
a) Bei einer Garantie auf erstes Anfordern ist die Zahlungsaufforderung durch den Begünstigten formalisiert. Nach dem Grundsatz der Garantiestrenge muß er sie so abgeben, wie sie in der Garantieurkunde festgelegt ist (Senatsurteil vom 23. Januar 1996 - XI ZR 105/95, WM 1996, 393, 394; s. auch BGH, Urteile vom 28. Oktober 1993 - IX ZR 141/93, WM 1994, 106 und vom 14. Dezember 1995 - IX ZR 57/95, WM 1996, 193, 195). Ist dort über die Zahlungsaufforderung hinaus die Einreichung von Unterlagen vorgesehen, so müssen diese bei Inanspruchnahme der Garantie vorgelegt werden. Geschieht dies nicht fristgerecht, so liegt eine wirksame Inanspruchnahme nicht vor. Die Garantiebank ist dann zur Zahlung aufgrund der Garantie nicht verpflichtet (Senatsurteil vom 23. Januar 1996, aaO. m.w.Nachw.).
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es an einer solchen Inanspruchnahme. Nach dem eindeutigen Wortlaut und Inhalt der Garantie konnte sie nicht durch eine bloße Zahlungsaufforderung wirksam ausgeübt werden. Zusätzlich war vielmehr die Vorlage einer schriftlichen Bestätigung der Gemeinschuldnerin des Inhalts notwendig, daß die Installationsarbeiten termingerecht fertiggestellt und von der Reederei abgenommen seien und N. eine vollständige Abrechnung bis zum 29. Februar 1992 vorgelegt habe. Durch die vereinbarte Verlängerung der Garantie bis zum 25. März 1992 hat sich daran, vom Hinausschieben der Termine für die Erledigung der Arbeiten und die Vorlage der Abrechnung abgesehen, nichts geändert.
Die danach erforderliche schriftliche Bestätigung der Gemeinschuldnerin über die termingerechte Fertigstellung der Arbeiten und deren Abnahme durch die Reederei sowie über die fristgerechte Vorlage der vollständigen Abrechnung der N. war der Zahlungsaufforderung nicht beigefügt. Sie wurde der D. Bank auch bis zum Ablauf der Garantiefrist nicht vorgelegt. Ein Nachreichen ist nach dem eindeutigen Wortlaut und Inhalt der Garantie nach Ablauf der Frist nicht möglich.
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig dar (§ 563 ZPO).
a) Der Bestand der Garantieforderung steht, anders als die Revisionserwiderung unter Berufung auf RGZ 63, 319, 322, Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. § 75 Rdn. 11 und MünchKommZPO/Schilken, § 75 Rdn. 12 meint, nicht aufgrund des Zwischenurteils mit dem Ausscheiden der D. Bank aus dem Rechtsstreit fest. Die Voraussetzungen des § 75 ZPO liegen in bezug auf die Garantieforderung nicht vor. Es fehlt an der - erforderlichen (MünchKommZPO/Schilken, § 75 ZPO Rdn. 5) - Identität der Garantieforderung, die bis zum Ausscheiden der D. Bank aus dem Rechtsstreit streitbefangen war, mit dem vom Beklagten geltend gemachten Anspruch. Der im Wege des Parteiwechsels in den Rechtsstreit eingetretene Beklagte hat die Garantieforderung weder für sich noch für die Gemeinschuldnerin in Anspruch genommen. Er hat vielmehr lediglich geltend gemacht, der Gemeinschuldnerin stehe ein Anspruch aus unregelmäßiger Verwahrung auf Auszahlung des bei der D. Bank unterhaltenen Kontoguthabens zu. Diese Forderung, die die Klägerin aufgrund des vor dem Landgericht L. geschlossenen Vergleichs in Höhe von 565.000 DM für sich reklamiert, war nach Klageänderung Gegenstand des Rechtsstreits zwischen den Parteien.
b) Der vorgenannte Vergleich hat der Klägerin keine Garantieforderung gegen die D. Bank verschafft. Die Klägerin und die Gemeinschuldnerin haben sich in diesem Vergleich zwar darauf verständigt, daß die D. Bank zu Lasten des Kontoguthabens der Gemeinschuldnerin "aufgrund der Garantie" 565.000 DM an die jetzige Klägerin auszahlen solle, Zug um Zug gegen Rückgabe der Garantieurkunde. Die D. Bank war an dem Vergleich aber nicht beteiligt und hat ihm auch später nicht zugestimmt. Das aber wäre notwendig gewesen, um nach Erlöschen der Garantie am 25. März 1992 einen neuen Garantieanspruch der Klägerin gegen sie zu begründen.
c) Mangels Annahme einer im Prozeßvergleich enthaltenen Anweisung der Gemeinschuldnerin durch die D. Bank steht der Klägerin auch aus § 784 Abs. 1 BGB ein Anspruch nicht zu.
III. Auf die Revision des Beklagten war das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zur Entscheidung in der Sache ist der Senat nicht in der Lage. Es ist noch durch Auslegung des Prozeßvergleichs zu klären, ob dessen Ziffer 1, wie die Klägerin geltend gemacht hat, eine Teilabtretung des Anspruchs der Gemeinschuldnerin gegen die D. Bank auf Auszahlung des Kontoguthabens in Höhe des streitigen Betrages enthält und die Klage deshalb begründet ist. Die vom Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - unterlassene Auslegung des Vergleichs kann der Senat nicht selbst vornehmen, da dazu weitere Feststellungen insbesondere darüber erforderlich sind, ob die Klägerin nach dem Willen der Vergleichschließenden schon vor Auskehrung des Guthabens durch die D. Bank aufgrund des Vergleichs eine Sicherheit in die Hand bekommen sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 2993392 |
BB 1996, 1188 |
DB 1996, 2176 |
NJW 1996, 1673 |
BGHR BGB § 305 Garantievertrag 4 |
BGHR ZPO § 75 Forderungsidentität 1 |
DRsp II(224)237a |
WM 1996, 770 |
ZIP 1996, 784 |
MDR 1996, 595 |
ZBB 1996, 144 |