Entscheidungsstichwort (Thema)

Garantie

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Die garantierende Bank braucht jedenfalls dann nicht auf die Unvollständigkeit einer Erklärung, mit der die Garantie in Anspruch genommen werden soll, hinzuweisen, wenn diese Unvollständigkeit dem Garantiebegünstigten bekannt ist.
  2. Beantwortet die garantierende Bank ein extend-or-payVerlangen mit dem Hinweis, daß sie ihren Auftraggeber benachrichtigt habe und auf die Angelegenheit zurückkommen werde, so wird dadurch die Garantiefrist nicht stillschweigend verlängert.
  3. Bei einer Garantie auf erstes Anfordern muß die in einem extended-or-pay-Verlangen liegende Zahlungsaufforderung den im Garantieversprechen vorgesehenen formellen Anforderungen entsprechen.
 

Normenkette

BGB § 276

 

Tatbestand

Die Parteien sind - ausländische - Banken. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Garantie, auf die vereinbarungsgemäß deutsches Recht anzuwenden ist, auf Zahlung von 1.500.000 DM in Anspruch.

Die Beklagte gab mit dem Letter of Guarantee Nr. HB 1153/90 vom 5. November 1990 der Klägerin eine bis zum 31. Oktober 1991 befristete Zahlungsgarantie auf erstes Anfordern über maximal 1.500.000 DM. Für die Inanspruchnahme der Garantie war vereinbart:

Payment will be made during the validity of this Guarantee on your first written demand, provided this demand is supported by a written statement from you confirming that your demand for repayment made by registered letter to A. has not been satisfied within ten working days from the date of your letter.

Am 1. Oktober 1991 wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit der Bitte um Verlängerung der Garantie bei gleichbleibenden Bedingungen und erklärte vorsorglich die Inanspruchnahme der Garantie mit folgendem Wortlaut:

Otherwise, you may consider this tlx as our official claim for liquidation for the total amount of the L/G i.e. DEM: 1.500.000,00.

Die Beklagte verlängerte die Garantiefrist bis zum 30. April 1992. In derselben Weise wurde in der Folgezeit die Frist mehrfach, schließlich bis Samstag, den 31. Oktober 1992, verlängert.

Den weiteren, ebenfalls mit der zitierten Erklärung über die Inanspruchnahme der Garantie verbundenen Verlängerungswunsch der Klägerin vom 15. Oktober 1992, an dessen Erledigung die Klägerin am 30. Oktober 1992 erinnerte, beantwortete die Beklagte am 2. November 1992 mit dem Hinweis, daß sie sich mit ihrer Auftraggeberin in Verbindung gesetzt habe und auf die Angelegenheit so bald wie möglich zurückkommen werde. Mit Telex vom 11. November 1992 erklärte sie dann, daß sie nicht in der Lage sei, die Garantiefrist zu verlängern.

Am selben Tag übermittelte die Klägerin unter Bezugnahme auf das Telex vom 15. Oktober 1992 und die darin enthaltene Zahlungsaufforderung eine Erklärung mit folgendem - weiteren - Wortlaut:

Since our demand for repayment made by registered letter to A., dated 15.10.92, has not been satisfied within ten working days from the date of our above letter, we are officially claiming once more the forfeiture of your above mentioned L/G and requesting the immediate payment of the amount of DEM 1.500.000, -- plus interest as from November lst, 1992 until the date of the payment.

Die Beklagte verweigert die mit der Klage geltend gemachte Zahlung, weil die Garantie nicht während ihrer Geltung ordnungsgemäß in Anspruch genommen worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr bis auf einen der Höhe nach noch nicht beschiedenen Teil der Zinsen im wesentlichen stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

Das Berufungsgericht nimmt an, die Beklagte sei aus ihrem Garantieversprechen vom 5. November 1990 zur Zahlung verpflichtet. Die Klägerin habe die Beklagte nämlich am 11. November 1992 wirksam auf Zahlung in Anspruch genommen, weil die Garantiefrist bis zu diesem Zeitpunkt konkludent verlängert worden sei und das Telex vom 15. Oktober 1992 zusammen mit der Erklärung vom 11. November 1992 die vereinbarte Zahlungsaufforderung darstelle; zumindest könne sich die Beklagte nach Treu und Glauben nicht auf den Ablauf der Garantiefrist berufen, weil sie versäumt habe, die Klägerin auf die Unvollständigkeit der Inanspruchnahme-Erklärung vom 15. Oktober 1992 hinzuweisen. Darin, daß die Beklagte auf das Telex der Klägerin nicht reagiert habe, liege eine positive Forderungsverletzung, so daß die Klägerin so zu stellen sei, als habe sie die vorgeschriebene Inanspruchnahme der Garantie erklärt.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1.

Die Klägerin hat die Beklagte nicht innerhalb der bis zum 31. Oktober 1992 verlängerten Garantiefrist wirksam zur Zahlung der angeforderten Garantiesumme aufgefordert.

a)

Nach dem Inhalt des Garantieversprechens konnte die Garantie nicht durch schlichte Zahlungsaufforderung wirksam in Anspruch genommen werden. Neben der Zahlungsaufforderung war nach der Garantieklausel die weitere Erklärung über eine erfolglose Inanspruchnahme des A. erforderlich, aus der sich zu ergeben hatte, daß dieser trotz Aufforderung durch eingeschriebenen Brief innerhalb von zehn Tagen ab Briefdatum keine Zahlung geleistet hatte, somit der vereinbarte Garantiefall gegeben war.

Eine solche Erklärung, auf die bei der vereinbarten Garantie auf erstes Anfordern nicht verzichtet werden kann und die nach dem Grundsatz der Garantiestrenge so abzugeben ist, wie sie in der Garantieurkunde niedergelegt ist (vgl. Canaris, Bankrecht, 3. Aufl., Rdn. 1130 und 1133), hat die Klägerin der Beklagten bis zum Fristablauf nicht übermittelt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 193 BGB auf Bankgarantien Anwendung findet und deshalb die Frist erst am 2. November 1992 ablief. Das Telex vom 15. Oktober 1992 enthielt nur eine Zahlungsaufforderung in Form eines extend-or-pay-Verlangens. Damit hat die Klägerin zwar Bezahlung der Garantie für den Fall verlangt, daß die Beklagte nicht bereit war, die Garantiefrist vor deren Ablauf zu verlängern. Die Wirksamkeit der Zahlungsaufforderung war hier jedoch von einer zusätzlichen Erklärung abhängig. Erst bei deren Abgabe hätte die Beklagte die Garantie honorieren müssen (vgl. Zahn/Eberding/Ehrlich, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 6. Aufl. 1986, Rdn. 9/10 - S. 411). Das Fehlen der Zusatzerklärung macht die Inanspruchnahme der Garantie unwirksam (vgl. Graf von Westphalen, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, 2. Aufl. 1989, S. 155, 208; Nielsen, Bankgarantien bei Außenhandelsgeschäften, 1986, S. 80; ders. BuB 5/327; Kleiner, Bankgarantie, 4. Aufl. 1990, Rdn. 21.13 - S. 411).

b)

Die Garantiefrist ist im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht innerhalb des Fristablaufs über den 31. Oktober/2. November 1992 hinaus verlängert worden.

aa)

Das Schweigen des Garantieverpflichteten auf eine extend-or-pay-Aufforderung führt nicht zu einer Verlängerung der Garantiefrist (Canaris, aaO. Rdn. 1128). Die Garantie verfällt also durch Fristablauf, wenn die extend-or-pay-Aufforderung nicht in der vereinbarten Weise abgegeben worden ist und die Garantiebank dem Verlängerungsverlangen nicht entspricht. So liegt der Fall hier.

bb)

Dem Verlängerungswunsch hat die Beklagte nicht innerhalb der Verfallfrist entsprochen. Aus der Antwort der Beklagten vom 2. November 1992, daß sie erst ihre Auftraggeberin informiert habe und auf die Angelegenheit zurückkommen werde, enthält die unmißverständliche Erklärung, daß sie wegen der noch ausstehenden Anweisungen der Auftraggeberin dem Verlängerungswunsch zur Zeit nicht entsprechen könne. Sie kann im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht dahin verstanden werden, daß die Beklagte bis zu einer negativen Entscheidung stillschweigend erklärt habe, dem Verlängerungswunsch ohne Befristung und auf eigenes Risiko (falls nämlich die Auftraggeberin der Verlängerung nicht zustimmt) stattgeben zu wollen. Das Berufungsgericht verkehrt mit seiner Auslegung denkfehlerhaft den Inhalt der Erklärung der Beklagten in sein Gegenteil und läßt die auf der Hand liegende Interessenlage außer Betracht.

cc)

Das Schweigen der Beklagten auf den Verlängerungswunsch bis zum 2. November 1992 stellt auch keine Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin dar, weil diese etwa das Schweigen als Einverständnis mit der Verlängerung hätte auffassen können. Eine solche Annahme verbiete sich schon deshalb, weil in der Vergangenheit Verlängerungswünsche stets ausdrücklich beschieden worden waren und weil die Klägerin eine solche ausdrückliche Erklärung auch bei ihrem letzten Verlängerungswunsch erwartete, wie ihre Aufforderung vom 30. Oktober 1992, ihr Telex vom 15. Oktober 1992 zu beantworten, zeigt.

c)

Die Beklagte darf sich auch darauf berufen, daß die Garantie wegen Fristablaufs verfallen ist, weil die Klägerin erst am 11. November 1992 die für die Inanspruchnahme - der Garantie vorgesehene Erklärung abgab. Die Klägerin trug allein das Risiko dafür, daß die erforderlichen Erklärungen rechtzeitig bei der Beklagten eingingen (Dohm, Bankgarantien im internationalen Handel, 1985, Rdn. 193, S. 99; Nielsen BuB 5/330; ders. Bankgarantien, S. 77) und durfte sich nicht darauf verlassen, daß die Beklagte den Fristverlängerungswunsch so frühzeitig beschied, daß eine Ergänzung der unvollständigen Erklärung vom 15. Oktober 1992 noch möglich war. Schließlich ging die Klägerin selbst davon aus, daß dem Verlängerungswunsch möglicherweise nicht entsprochen werden würde, wie ihre für den Fall der Ablehnung ausgesprochene - allerdings unwirksame - Zahlungsaufforderung zeigt.

d)

Die Beklagte war nicht verpflichtet, rechtzeitig vor Fristablauf darauf hinzuweisen, daß die Inanspruchnahme-Erklärung vom 15. Oktober 1992 unvollständig war und sie sich auf die Unvollständigkeit berufen werde.

aa)

Bei unvollständiger, also fehlerhafter Inanspruchnahme einer Garantie soll die Garantiebank nach verbreiteter Auffassung (vgl. OLG Karlsruhe WM 1992, 2095 m.N. = WuB I K 3.-l. 93 mit Anm. von Dach; Graf von Westphalen aaO. S. 161 und 172 ff.; Nielsen BuB 5/327 und 5/397) verpflichtet sein, den Garantiebegünstigten unverzüglich auf die Fehlerhaftigkeit seiner Zahlungsaufforderung hinzuweisen, um diesem die Behebung der Mängel vor Verfall der Garantie zu ermöglichen; verstößt sie dagegen, soll sie wegen positiver Forderungsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet sein. Das wird aus einer Parallele zum Dokumentenakkreditiv hergeleitet: Nach ERA 14 d (i) ist die das Akkreditiv eröffnende Bank, wenn sie die vorgelegten Dokumente zurückweisen will, verpflichtet, unverzüglich demjenigen, von dem sie die Dokumente erhalten hat, eine entsprechende Mitteilung zu geben. Ob diese Regelung beim Garantiegeschäft uneingeschränkt Geltung beanspruchen kann oder nur auf diejenigen Garantien beschränkt werden muß, bei denen die wirksame Geltendmachung der Garantie von der Vorlage von Dokumenten abhängig ist, kann hier dahinstehen. Eine solche Mitteilungspflicht kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn das, was mitzuteilen sein soll, dem Mitteilungsempfänger ohnehin bekannt ist: Weiß der Garantiebegünstigte, daß er die Garantie mit einer unvollständigen Erklärung in Anspruch genommen hat, muß er darauf nicht auch noch aufmerksam gemacht werden.

bb)

Die Klägerin hatte Kenntnis von der Unvollständigkeit ihrer Erklärung vom 15. Oktober 1992, wie die am 11. November 1992 sofort ohne Aufforderung und ohne Hinweis nachgeholte Erklärung zeigt; über dieses bei der Klägerin vorhandene Wissen herrscht zwischen den Partien kein Streit. Sie konnte am 15. Oktober 1992 die erforderliche zusätzliche Erklärung wahrheitsgemäß noch nicht abgeben. Sie hatte nämlich ihre Zahlungsaufforderung an A. erst am 19. Oktober 1992 abgeschickt und mußte die im Garantieversprechen vorgesehene Zehn-Tage-Frist abwarten, damit der Garantiefall gegeben war. In diesem Zeitpunkt war die Klägerin angesichts der ihr bekannten Unvollständigkeit der Zahlungsaufforderung vom 15. Oktober 1992 gehalten, die ausstehende Erklärung über die vergebliche Inanspruchnahme des A. sofort nachzureichen und so die Garantiefrist noch zu wahren. Wenn sie statt dessen nur an die Erledigung ihres extend-or-pay-Verlangens erinnerte und so die Garantiefrist verstreichen ließ, kann sie dieses Versäumnis nicht der Beklagten anlasten.

III.

Da weitere Feststellungen nicht mehr erforderlich sind, konnte der Senat auch insoweit in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), als über einen Teil der Zinsen nur durch Grundurteil entschieden worden ist, und unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456456

NJW 1996, 1052

ZIP 1996, 454

ZBB 1996, 142

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