Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Ausgleichsanspruchs eines Anzeigenvermittlers gegenüber einem Zeitungsverlag, der seinen Anzeigenraum dem Anzeigenvermittler gegen eine Vergütung zur Verfügung gestellt hat.
Normenkette
HGB § 89b
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Er wird vom Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Arbeitgeberverband getragen. Er ist gemeinnützig und befaßt sich satzungsgemäß mit der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Fragen der Betriebsorganisation. Er gibt verschiedene Publikationen heraus, in denen Anzeigen entgeltlich veröffentlicht werden. Die Beklagte zu 1 befaßt sich gewerblich unter anderem mit Anzeigenvermittlung. Die Beklagte zu 2 ist die jetzige persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1.
Am 15. September 1989 schloß der Kläger mit der Beklagten zu 1 einen Vertrag über eine langjährige Zusammenarbeit. Er übertrug ihr das folgende Recht für zwei der von dem Kläger herausgegebenen Zeitschriften:
„R. (Kläger) stellt dem H. -Verlag (Beklagte zu 1) in den genannten Zeitschriften den verkauften Anzeigenraum zur Verfügung. Plazierungswünsche und spezielle Gestaltungswünsche des H. -Verlages werden von R. berücksichtigt, soweit sich dadurch nicht unzumutbare Beeinträchtigungen der redaktionellen Teile ergeben und soweit sie technisch durchführbar und im Sinne der gemeinsamen Zielsetzung wirtschaftlich sinnvoll sind.”
Als Gegenleistung hatte die Beklagte zu 1 dem Kläger für den zur Verfügung gestellten Anzeigenraum sowie für die sonstigen Leistungen eine Vergütung zu zahlen, deren Höhe zwischen 70 % und 80 % der von der Beklagten zu 1 den Kunden in Rechnung gestellten Beträge betrug. Die Kosten für die anfallenden Arbeiten zur Druckvorlagenherstellung der Werbeanzeigen trug die Beklagte zu 1. Sie garantierte dem Kläger eine Mindestvergütung von 400.000 DM pro Jahr zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Beklagte zu 1 war laut Vertrag berechtigt, die Bezeichnung „R. -Anzeigenverwaltung” zu verwenden. Der Kläger war verpflichtet, während der Laufzeit des Vertrages kein weiteres Anzeigengeschäft zuzulassen.
Im Jahre 1995 schlossen der Kläger und die Beklagte zu 1 einen Änderungsvertrag, der an die Stelle der Garantie einer Mindestvergütung von 400.000 DM pro Jahr zugunsten des Klägers bestimmte, beide Parteien „gehen davon aus, daß im Regelfall eine Mindestvergütung von 400.000 DM pro Jahr für R. erzielt wird”. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1997 kündigte der Kläger fristgemäß die Zusammenarbeit für die beiden vertragsgegenständlichen Zeitschriften sowie für drei weitere Periodika auf, bezüglich derer die Parteien inzwischen zusammengearbeitet hatten. Im Hinblick auf die – mehr als einjährige – Kündigungsfrist wurde die Zusammenarbeit zunächst noch fortgesetzt. Laut Rechnungen vom 30. November und 23. Dezember 1998 erteilte die Beklagte zu 1 dem Kläger Abrechnungen über Anzeigen mit einem Gesamtbetrag von 92.844,92 DM zu seinen, des Klägers, Gunsten. Nach Ende der Zusammenarbeit übergab die Beklagte zu 1 am 7. Januar 1999 dem Kläger verschiedene Unterlagen, insbesondere aktuelle Druckvorlagen und -aufträge und berechnete dem Kläger insgesamt 232.790,81 DM, da sie einen Ausgleich entsprechend § 89 b HGB in Höhe von 167.087,71 DM und für Anzeigenvermittlung mit einem Erscheinungsdatum nach dem 1. Januar 1999 einen Betrag von insgesamt 65.703,10 DM forderte. Mit Schreiben vom 17. Januar 1999 erklärte die Beklagte zu 1 gegen die sich aus ihren Abrechnungen zugunsten des Klägers ergebende Restforderung die Aufrechnung mit ihren Gegenforderungen laut Rechnung vom 7. Januar 1999. Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Februar 1999 wies der Kläger diese Gegenforderung zurück.
Zur Begründung seiner auf 92.844,92 DM (47.470,85 EUR) gerichteten Zahlungsklage hat der Kläger geltend gemacht, die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen gegen die unstreitige klägerische Forderung stünden der Beklagten zu 1 nicht zu; die Beklagte zu 1 sei weder Handelsvertreter im Sinne von § 89 b HGB noch ausgleichsberechtigter Vertragshändler. Er, der Kläger, habe als gemeinnütziger Verein satzungsgemäß bestimmte Aufgaben, unter die nicht der Verkauf von Anzeigen falle. Er betreibe überhaupt kein Anzeigengeschäft. Die Beklagten haben widerklageweise 139.945,89 DM verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage antragsgemäß verurteilt. In der zweiten Instanz haben die Parteien bezüglich der Forderung der Beklagten zu 1 wegen verkauften Anzeigenraumes mit Erscheinungszeitpunkt nach dem 31. Dezember 1999 sich durch einen Teilvergleich dahin geeinigt, daß der Kläger hierfür einen Betrag von 15.300 EUR anerkannt hat. Das Oberlandesgericht hat der Klage unter Berücksichtigung des vergleichsweise anerkannten Gegenanspruchs, mithin in Höhe von 32.170,85 EUR nebst Zinsen, stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Ausgleichsanspruch im Wege der Aufrechnung und in Höhe von 51.373,01 EUR widerklageweise weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Beklagte zu 1 habe keinen Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB. Sie sei nicht als Vertragshändler oder Eigenhändler anzusehen, dessen vertragliche Beziehungen zum Kläger derart ausgestaltet wären, daß sie, die Beklagte zu 1, in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen gehabt hätte. Für einen Händler sei es typisch, daß er gemäß § 433 BGB fertige Ware kaufe und weiterveräußere. Hingegen habe die Beklagte zu 1 vom Kläger dessen Anzeigenraum zur Verfügung gestellt erhalten, gleichsam also einen räumlichen „Rohstoff” für Anzeigen, und habe selbst vertragsgemäß Anzeigen für die von ihr geworbenen Kunden gestaltet. Die Beklagte zu 1 sei bei der Vermarktung der Anzeigen völlig frei gewesen und habe diese nach ihrem Gutdünken einwerben und gestalten können; sie habe sich lediglich an gewisse Mindestkriterien hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den redaktionellen Anforderungen des Klägers bei der Plazierung und hinsichtlich des Inhaltes der Anzeigen zu halten gehabt. Auch sei die Beklagte zu 1 – im Gegensatz zu einem Vertragshändler – nicht prinzipiell an Preisvorgaben des Klägers gebunden gewesen, sondern habe die Anzeigenpreise frei selbst bestimmen können. Die Beklagte zu 1 sei auch nicht in eine Absatzorganisation des Klägers eingebunden gewesen. Der Kläger habe zum streitbefangenen Zeitraum, wie zwischen den Parteien unstreitig sei, gar keine „Absatzorganisation” zur Vermarktung seines Anzeigenraumes gehabt. Zudem sei die Beklagte nicht, wie dies vertretertypisch wäre, verpflichtet gewesen, die Interessen des Klägers als des „Herstellers” wahrzunehmen. So sei es der Beklagten zu 1 nicht verboten gewesen, Anzeigen „ihrer” Kunden auch in anderen Periodika zu publizieren. Schließlich sei die Beklagte zu 1 nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger ihren Kundenstamm in einer Weise zu überlassen, daß der Kläger sich dessen Vorteile habe sofort und ohne weiteres nutzbar machen können. Die Beklagte zu 1 habe schließlich dem Kläger nach Vertragsende auch keine Kundenkartei übergeben oder in anderer Weise den Kundenstamm übertragen.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Ausgleichsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger gemäß § 89 b HGB verneint, so daß die Aufrechnung gegen die in Höhe von 32.170,85 EUR unstreitig bestehende Klageforderung nicht durchgreift und die Widerklage unbegründet ist.
1. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe § 6 des Vertrages der Parteien nicht beachtet, wonach die Beklagte in ihrer Preisgestaltung gebunden sei und der Vertrag deshalb aufgrund § 15 GWB a.F. nichtig wäre, wenn man, dem Berufungsgericht folgend, die vertragliche Beziehung zwischen den Parteien wie ein Vertragsverhältnis zwischen Hersteller und selbständigem Vertragshändler einstufe und nicht eine engere Form der Zusammenarbeit der Vertragspartner annehme. § 6 des Vertrages der Parteien vom 15. September 1989 bestimmt, daß die bei Vertragsschluß für einzelne Publikationen bestimmten Anzeigepreislisten gültig seien, die Beklagte zu 1 berechtigt sei, diese Preise der jeweiligen Marktentwicklung anzupassen und der Kläger hierüber im Voraus zu informieren sei, eine außergewöhnliche Preisgestaltung der Zustimmung des Klägers bedürfe und daß Rabatte, Malstaffeln, Boni und ähnliches einvernehmlich festgelegt werden sollten. Ob diese vertragliche Bestimmung die Beklagten in der Freiheit der Gestaltung von Preisen oder Geschäftsbedingungen bei Zweitverträgen in einer Weise beschränkt, daß § 15 GWB Anwendung findet und zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt, kann dahinstehen, weil der von der Beklagten geltend gemachte Ausgleichsanspruch, der zwischen den Parteien allein noch streitig ist, dann schon deshalb nicht begründet wäre.
2. Offenbleiben kann auch, ob – wie die Revision meint – die Beklagte als Kommissionsagentin des Klägers zu qualifizieren sei, um der Abrede in § 6 des Vertrages der Parteien eine rechtliche Wirksamkeit zukommen zu lassen mit der Folge, daß der Beklagten ein Anspruch gemäß § 89 b HGB analog zustehe. Der Sinn des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB ist es, für die Schaffung und Überlassung des Kundenstammes eine Gegenleistung zu gewähren (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 – I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II A 1). Eine analoge Anwendung des § 89 b HGB setzt daher, wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats zutreffend angenommen hat, neben einer Einbindung der Beklagten zu 1 in die Absatzorganisation des Klägers voraus, daß sie verpflichtet ist, dem Kläger bei Vertragsende ihren Kundenstamm zu übertragen, so daß dieser sich die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (vgl. Senat, Urteil vom 17. April 1996 – VIII ZR 5/95, NJW 1996, 2159 unter II 1; Senat, Urteil vom 12. Januar 2000 – VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter II 1 a).
Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Beklagte zu 1 schon deshalb nicht in einer Absatzorganisation des Klägers eingebunden war, weil der Kläger nicht über eine Absatzorganisation zur Vermarktung seines Anzeigenraumes verfügte. Zu Recht – und von der Revision nicht angegriffen – ist das Berufungsgericht auch der Auffassung, daß die Beklagte zu 1 vertraglich nicht verpflichtet war, dem Kläger ihren Kundenstamm in einer Weise zu überlassen, daß er sich dessen Vorteile sofort und ohne weiteres nutzbar machen konnte.
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die vertragliche Verankerung der Verpflichtung der Beklagten zu 1 zur Übertragung ihres Kundenstammes auf den Kläger sei entbehrlich, da der Kläger den Kundenstamm im wesentlichen ohnehin gekannt habe, weil die in seinen Zeitschriften erscheinenden Anzeigen notwendig die Namen und Anschriften der Werbung treibenden Kunden wiedergäben. Eine solche Kenntnis, die vom Kläger allerdings bestritten wird, rechtfertigt aber keine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB. Nur die vertragliche Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes hindert die Beklagte daran, den Kundenstamm nach Vertragsende als eigenen zu verwerten und gegen Zugriffe zu sichern (Senat, Urteil vom 26. November 1997 – VIII ZR 283/96, NJW-RR 1998, 390 unter II 3 a; vgl. auch Senat, Urteil vom 1. Dezember 1993 – VIII ZR 41/93, NJW 1994, 657 unter II 3 a).
3. Schließlich kann auch dahingestellt bleiben, ob der Vertrag der Parteien ein Vertrag sui generis ist, wovon wohl das Berufungsgericht ausgeht, oder ein Pachtvertrag durch Überlassung des Anzeigenraums in den Zeitungen zur eigenverantwortlichen Nutzung, wie der Kläger im Hinblick auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. RGZ 70, 20, 22; RG, JW 1933, 2762, 2763) sowie die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 1994 (XII ZR 93/92, NJW-RR 1994, 558 unter 1) und vom 23. Dezember 1998 (XII ZR 49/97, NJW-RR 1999, 845) meint. Sind die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien als Pacht zu würdigen, scheidet ein Anspruch analog § 89 b HGB von vornherein aus. Die Verpachtung ist Nutzungsüberlassung auf Zeit. Die Frage, wem bei Rückgabe des Pachtgegenstandes ein Wertzuwachs zukommt, ist nach der gesetzlichen Regelung zugunsten des Verpächters zu beantworten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1986 – II ZR 11/86, NJW 1986, 2306 unter II). Bei Annahme eines Vertrages sui generis scheitert die entsprechende Anwendung des § 89 b HGB, wie dargelegt, daran, daß die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Dr. Leimert, Wiechers, Dr. Wolst
Fundstellen
BB 2003, 1089 |
BGHR 2003, 814 |
NJW-RR 2003, 894 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 2105 |
MDR 2003, 758 |