Leitsatz (redaktionell)
Ein Gesellschafter kann nach der Beendigung der Gesellschaft seine Einlage grundsätzlich erst nach Durchführung einer Gesamtabrechnung zurückfordern Nur ausnahmsweise ist eine solche Gesamtabrechnung entbehrlich, wenn sich etwa der endgültige Anspruch eines Gesellschafters ohne besondere Abrechnung ermitteln läßt oder wenn feststeht, daß einem Gesellschafter wenigstens ein Teilbetrag seiner Einlage sicher zusteht.
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 14.03.1975) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. März 1975 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsrechtszuges.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am Anfang des Jahres 1971 verhandelte die Klägerin, die eine Spedition betreibt, mit dem Beklagten, einem Textil-Ingenieur, über den Vertrieb der Erzeugnisse der Laboratoires Bio-Cosmétiques, Paris (LBC), für die sie das Alleinverkaufsrecht in der Bundesrepublik Deutschland besaß. Der Beklagte übernahm den Aufbau des Vertriebs. Zu diesem Zweck belieferte ihn die Klägerin mit Waren und stellte ihm ferner ab Februar 1971 in Teilbeträgen insgesamt mehr als 40.000 DM zur Verfügung.
Mit Anwaltsschreiben vom 14. April 1972 kündigte die Klägerin das „bestehende Vertragsverhältnis” und forderte den Beklagten auf, abzurechnen, die ihm überlassenen Gelder zurückzuerstatten und etwa noch vorhandene Ware sowie weitere ihm zur Verfügung gestellte Gegenstände zur Abholung bereitzustellen. In ihrem persönlichen Schreiben vom 22. Mai 1972 errechnete die Klägerin eine „Darlehenssumme” von insgesamt 53.434,39 DM und verlangte ihre Rückzahlung bis zum 12. Juni 1972.
Die Klägerin hat vorgetragen: Nach den getroffenen Vereinbarungen habe der Beklagte, der sich als Kenner der Kosmetik-Branche ausgegeben habe, jedenfalls in der Anfangszeit als ihr Handelsvertreter tätig werden sollen. Der Beklagte habe Waren auch nur unter der für ihn allein eingetragenen Firma „Vocoba” verkauft. Bis Ende August 1971 habe sie dem Beklagten, um ihn mit den nötigen Mitteln auszustatten, Kredite – teils in Waren, teils in Geld – Im Gesamtbetrag von etwa 80.000 DM gewährt. Der Beklagte habe die Darlehen aus den Verkaufserlösen tilgen und als Entgelt eine Provision in Höhe von 50% des Nettogewinns erhalten sollen.
Der Beklagte habe seine Pflichten vernachlässigt. Seine Umsätze seien kläglich gewesen. Zahllose Aufforderungen, über seine Tätigkeit zu berichten, seien unbeantwortet geblieben. Versprechungen, abzurechnen und Auskünfte zu erteilen, seien nicht eingehalten worden.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung eines Teilbetrages der ihm gewährten Darlehen in Höhe von 40.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Der Beklagte hat zur Begründung seines Antrages, die Klage abzuweisen, vorgetragen: Die Parteien hätten zum Vertrieb der Kosmetika eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Er habe seine Arbeitskraft einbringen sollen und die Klägerin das notwendige Kapital. Die Klägerin habe den Vertrieb in Norddeutschland übernommen und er, der Beklagte, den in Süddeutschland. Er habe die Geschäfte zwar nach außen in der Form eines Einzelunternehmens begonnen, aber nicht als Handelsvertreter tätig werden sollen und sei auch nicht als solcher aufgetreten. Da er bis dahin in ungekündigter Stellung bei einer Finanzierungsgesellschaft für Osthandel tätig gewesen sei, habe er monatlich 5.000 DM zur Deckung der Unkosten und seines Lebensunterhalts entnehmen können. Vom Bruttoumsatz hätten 5% an die Gesellschafter ausgeschüttet und der Nettogewinn zur Hälfte zwischen ihnen aufgeteilt werden sollen. Die Klägerin habe die von Ihr bereitgestellten 40.000 DM nicht als Darlehen gegeben. Auch von einer Zurückzahlung der von ihr für den Einkauf von Waren aufgewandten Mittel sei nie die Rede gewesen. Er habe auch nicht gewußt, wieviel Ware die Klägerin bestellt habe. Die Klägerin habe ebenso wie er ein Warenlager unterhalten. Dessen Umfang sei Ihm nicht mitgeteilt worden. Dagegen habe er der Klägerin zum 1. April 1972 eine Inventaraufstellung übermittelt. Das Geschäft sei schlecht gegangen. Als die Klägerin ab August 1971 nichts mehr eingezahlt habe, sei es innerhalb weniger Monate zum Erliegen gekommen.
Die Klägerin habe über den Erlös der vor. ihr vertriebenen Waren noch nicht abgerechnet. Sein Anteil daran betrage etwa 30.000 DM. Mit diesem Betrag rechne er vorsorglich auf.
Das Landgericht hat der Klage, abgesehen von einem Teil des Zinsanspruchs, stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ergeben weder die vorgelegten Urkunden noch das Ergebnis der Beweisaufnahme, daß die Klägerin dem Beklagten ein Darlehen gewährt hat. Mangels eines konkreten Vortrags dazu sei auch nicht davon auszugehen, daß die Parteien ein nach der Behauptung der Klägerin zunächst begründetes Handelsvertreter- und Kreditverhältnis später in eine gesellschaftsrechtliche Bindung hätten überführen wollen; die Parteien hätten vielmehr den Vertrieb der LBC-Erzeugnisse von vornherein gemeinsam aufbauen wollen.
2. Der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts trifft zu. Die Klägerin kann den von ihr verlangten Kapitalbetrag nur dann vom Beklagten trotz einer noch ausstehenden Gesamtabrechnung der beiderseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit dem Vertrieb der LBC-Erzeugnisse entstanden sind, zurückfordern, wenn sie das Geld als Darlehen und nicht als gesellschaftsrechtliche Einlage hingegeben hat. Ein Gesellschafter hat im Zweifel nur Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben gegen die Gesellschaft oder die bei der Auseinandersetzung noch vorhandenen Gesellschafter.
3. Die Revision meint, auf eine Abgrenzung zwischen Beteiligungsdarlehen und Gesellschaft komme es nach den Bekundungen der Zeugen L… und W… nicht mehr an. Aus deren Aussagen folge, was das Berufungsgericht verkannt habe, daß der Klägerin gegenüber dem Beklagten der von ihr behauptete Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens zustehe. Darin kann der Revision aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.
a) Das Berufungsgericht hat zum Inhalt der Aussagen der Zeugen ausgeführt: Der Abschluß eines Darlehensvertrages könne den Bekundungen das Ehemanns der Klägerin nicht sicher entnommen werden. Der Zeuge habe insoweit im wesentlichen persönliche Ansichten, aber kaum Erklärungen der Parteien wiedergegeben, so daß offenbleibe, was die Parteien tatsächlich gesagt hätten und wie Ihre Erklärungen von dem jeweiligen Gesprächspartner hätten verstanden werden können oder müssen. Nach den Angaben der Ehefrau des Beklagten hätten die Parteien, ohne rechtliche Einzelheiten festzulegen, das geplante Unternehmen mit hälftigen Anteilen durchführen wollen. Die Bekundungen des Zeugen W… seien wegen ihrer Unbestimmtheit von geringer Bedeutung.
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe nicht erkannt, daß den Bekundungen der Ehefrau des Beklagten eine geringere Bedeutung als denen das Ehemanns der Klägerin zukomme, weil sie anders als dieser an der „entscheidenden Besprechung in F…” nicht teilgenommen habe. Welche der unstreitig mehreren Besprechungen der Parteien „entscheidend” war, entnimmt die Revision den Bekundungen des Ehemanns der Klägerin und denen W…s. Damit greift die Revision in die tatrichterliche Würdigung der Zeugenaussagen durch das Berufungsgericht ein, ohne einen diesem unterlaufenen Rechtsfehler aufzuzeigen.
b) Das Berufungsgericht war auch nicht verpflichtet, sich einen persönlichen Eindruck von den Zeugen zu verschaffen (vgl. dazu BGH LM ZPO § 398 Nr. 2, 3, 6). Das Landgericht ist allerdings den Bekundungen des Ehemanns der Klägerin gefolgt. Das geschah aber nicht, weil es die Ehefrau des Beklagten als unglaubwürdig angesehen hat, sondern weil es meinte, es müsse den Bekundungen des Ehemanns der Klägerin den Vorzug geben, weil diese von dem Zeugen W… bestätigt würden und mit den Angaben der Ehefrau des Beklagten im Ergebnis vereinbar seien. Hiervon ist das Berufungsgericht nicht wegen einer anderen Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen oder wegen eines Zweifels über den Inhalt der Aussagen, sondern nur deshalb abgewichen, weil es den Beweis nach dem Inhalt der Aussagen als nicht geführt angesehen hat.
c) Entgegen der Meinung der Revision ist diese Beweiswürdigung auch frei von Widersprüchen. Das Berufungsgericht hat alle Zeugen als glaubwürdig betrachtet, sich aber wegen das unterschiedlichen Gehalts ihrer Bekundungen nicht davon überzeugen können, daß die Darstellung der Klägerin zutrifft. Damit hat sich das Berufungsgericht in dem Rahmen des ihm nach § 286 ZPO zustehenden Ermessens gehalten.
Die Revision rügt ferner ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe bei der Würdigung der Bekundungen der Zeugen L… und W… die rechtlich unerhebliche Frage geprüft, aus welchen Mitteln der Beklagte das Darlehen habe zurückzahlen sollen. Das Berufungsgericht hat lediglich erwogen, die von den Zeugen berichtete Rückerstattung des Darlehenskapitals aus dem „Anteil” des Beklagten deute, ebenso wie die vorgesehene Berechnung des Entgelts für die Kapitalüberlassung nach dem Nettogewinn, eher auf eine gesellschaftsrechtliche Bindung als auf ein Darlehensverhältnis. Diese Überlegung begegnet rechtlich keinen Bedenken.
II.
Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt: Die Klägerin habe eine andere Anspruchsgrundlage als die von ihr behauptete Verpflichtung des Beklagten zur Darlehensrückzahlung nicht geltend gemacht. In der Berufungsverhandlung habe die Klägerin zwar hinzugefügt, der Anspruch sei auch als „rückverlangte Einlage” berechtigt. Damit behaupte sie aber nicht mit der für die Geltendmachung eines Anspruchs erforderlichen Bestimmtheit, daß sie ihre Klage zumindest hilfsweise auf eine gesellschaftsrechtliche Grundlage stützen wolle. Selbst wenn man ihre Erklärung aber dahin verstehe, fehle es am schlüssigen Vortrag einer solchen Anspruchsgrundlage. Insbesondere habe die Klägerin nicht dargelegt, daß ihr schon vor Beendigung der Auseinandersetzung ein Betrag von 40.000 DM aus dem Gesellschaftsvermögen zustehe. Die Hilfserwägung des Berufungsgerichts trägt im Ergebnis das angefochtene Urteil.
1. Allerdings rügt die Revision zutreffend die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe sich auf einen Darlehensrückzahlungsanspruch als Klagegrund beschränken wollen. Nachdem der Beklagte auch im Berufungsrechtszug das Bestehen eines – der Klägerin vom Landgericht zugesprochenen – Darlehensrückzahlungsanspruchs bestritten und vorgetragen hatte, das zwischen den Parteien begründete Gesellschaftsverhältnis sei infolge der erlittenen geschäftlichen Verluste zum Erliegen gekommen, hat die Klägerin, wie auch schon vor dem Landgericht (Schriftsatz vom 7. November 1972 S. 4) erklärt, die Klage sei, wenn man von der Begründung eines Gesellschaftsverhältnisses ausgehe, auch als Anspruch auf Rückgewähr ihrer Bareinlage begründet.
Damit hatte die Klägerin hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht, daß sie den Klagantrag, wie ferner unzweideutig aus ihrer Erklärung in der Berufungsverhandlung hervorgeht, auch auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche stütze. Dabei ging es ihr nicht nur um die Erwähnung einer weiteren materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage. Nach ihrem Vortrag in der Berufungsbeantwortung wollte sie vielmehr einen weiteren Klagegrund geltend machen. Denn sie hat dort im einzelnen dargelegt, aus welchen für den Darlehensanspruch nicht wesentlichen Tatsachen sie die weitere Grundlage ihrer Klage herleitet, Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Klägerin auch so verstanden, wie seine Ausführungen bei der Prüfung dieses Vorbringens zeigen.
2. In seiner Hilfserwägung hat das Berufungsgericht einen von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Rückgewähr einer Bareinlage im Ergebnis rechtsfehlerfrei als unschlüssig bezeichnet.
a) Ein Gesellschafter kann – auch bei einer stillen Gesellschaft – nach der Beendigung der Gesellschaft seine Einlage grundsätzlich erst nach Durchführung einer Gesamtabrechnung zurückfordern (BGH Urt. v. 12. Juni 1972 – II ZR 109/71 = WM 1972, 1056; RGRK-BGB, 12. Aufl. § 730 Rdn. 3; vgl. auch Baumbach/Duden HGB 22. Aufl. § 340 Anm. 1 A). Nur ausnahmsweise ist eine solche Gesamtabrechnung entbehrlich, wenn sich etwa der endgültige Anspruch eines Gesellschafters ohne besondere Abrechnung ermitteln läßt oder wenn feststeht, daß einem Gesellschafter wenigstens ein Teilbetrag seiner Einlage sicher zusteht (BGH Urt. v. 27. März 1961 – II ZR 236/59 = BB 1961, 583). In solchen Fällen kann ein Gesellschafter bei einer aus zwei Personen bestehenden Gesellschaft von dem anderen Gesellschafter in Höhe des ihm zustehenden Betrages Zahlung verlangen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehlt es an diesen Voraussetzungen.
Es kann schon deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß eine Gesamtabrechnung unnötig ist, weil die Parteien wechselseitig behaupten, die jeweils andere müsse noch über die von ihr vorgenommenen Warengeschäfte abrechnen.
Die Klägerin hat zwar gemeint, der Beklagte müsse ihr auf jeden Fall ihre durch Verluste aufgebrauchte Bareinlage nach § 735 BGB erstatten. Darin kann ihr aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Nach dieser Vorschrift haben Gesellschafter zwar für den Fehlbetrag in dem Verhältnis aufzukommen, nach welchem sie den Verlust zu tragen haben, wenn das Gesellschaftsvermögen zur Berichtigung der gemeinschaftlichen Schulden und der Rückerstattung der Einlagen nicht ausreicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift aber nicht dargelegt.
Ein Gesellschafter kann erst auf Zahlung eines Nachschusses in Anspruch genommen werden, wenn feststeht, in welcher Höhe ein Verlust eingetreten und wie dieser auf die Gesellschafter zu verteilen ist. Daran fehlt es bislang. Insbesondere um die Abrechnung des Warenein- und -verkaufs wird noch gestritten.
Darüber hinaus spricht gerade das Vorbringen der Klägerin dafür, daß ihre Einlage Bestandteil des Vermögens des Beklagten geworden ist, weil die Geschäfte der Gesellschaft nur unter der für ihn allein eingetragenen Firma ausgeführt worden sind. Wenn aber die Klägerin an dem Unternehmen des Beklagten etwa nur als stille Gesellschafterin beteiligt war, ist es nicht zur Bildung von Gesellschaftsvermögen gekommen. Die Auseinandersetzung der stillen Gesellschaft ist in § 340 HGB geregelt. Damit ist insoweit für die Anwendung der Vorschrift des § 735 BGB, die von dem Vorhandensein eines Gesellschaftsvermögens ausgeht, kein Raum (Schlegelberger/Gessler, HGB 4. Aufl. § 335 Rdn. 50).
3. Da die Klägerin die von ihr beanspruchten Beträge nach dem beiderseitigen Parteivorbringen dem Beklagten mit Rechtsgrund (Darlehen oder Gesellschaft) überlassen hat, scheidet ein von der Revision erwähnter Anspruch aus § 812 BGB wegen ungerechtfertigter Bereicherung als Anspruchsgrundlage für die Klägerin aus.
III.
Das Berufungsgericht hat die Klage danach im Ergebnis rechtsfehlerfrei als unbegründet angesehen, weil die Klägerin die Rückzahlung ihrer Einlage unabhängig von dem Ausgang der unstreitig noch ausstehenden Gesamtabrechnung über die beiderseits behaupteten Forderungen und Verbindlichkeiten aus der Zeit der gemeinsamen Tätigkeit verlangt. Es wird von dem Inhalt der für eine Auseinandersetzung wesentlichen Vereinbarungen der Parteien abhängen, ob und in welcher Höhe der Beklagte der Klägerin den ihm von ihr zur Verfügung gestellten Betrag von 40.000 DM zu erstatten hat.
Fundstellen